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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 05.04.2005
Aktenzeichen: 8 UF 230/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1570
BGB § 1573 II
BGB § 1579 Nr. 2
BGB § 1579 Nr. 4
BGB § 1579 Nr. 7
Bei den Folgen des Verwirkungstatbestandes des § 1579 Nr.7 aufgrund Zusammenlebens in einer nichtehelichen Lebensgemeintschaft ist zu untersuchen, ob Aufstockungs- oder Betreuungsunterhalt geltend gemacht wird.
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

8 UF 230/04

Verkündet am: 5. April 2005

In der Familiensache

hat der 1. Senat für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 15. März 2005 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 17. September 2004 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Plön teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:

Der Vergleich der Parteien vom 16. Mai 2002 (Az: 5 F 498/00 AG Plön) wird hinsichtlich des nachehelichen Unterhaltes dahingehend abgeändert, dass der Kläger an die Beklagte nur noch den folgenden Unterhalt zu zahlen hat:

1. Für die Zeit vom 1. Oktober 2003 bis zum 31. März 2005 monatlich 250 €;

2. für die Zeit vom 1. April 2005 bis zum 31. Oktober 2005 monatlich 500 €;

3. für die Zeit ab 1. November 2005 monatlich 250 €.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des ersten Rechtszuges hat der Kläger 2/3, die Beklagte 1/3 zu tragen. Die Kosten des Berufungsrechtszuges werden dem Kläger zu 60 %, der Beklagten zu 40 % auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Der am 4. Februar 1957 geborene Kläger und die am 1. Januar 1964 geborene Beklagte waren seit dem 29. April 1988 miteinander verheiratet. Die Trennung der Parteien erfolgte am 24. April 1998. Die Ehe wurde durch Urteil des Amtsgerichts Plön vom 16. Mai 2002 geschieden. Das Urteil ist hinsichtlich des Scheidungsausspruches seit dem 16. Mai 2002 rechtskräftig.

Aus der Ehe der Parteien sind die Kinder Anna Fiene, geboren am 18. August 1989, und Lukas, geboren am 3. Oktober 1993, hervorgegangen. Die Kinder leben bei der Beklagten.

Der Kläger ist erneut verheiratet. Aus der neuen Ehe ist der Sohn York, geboren am 24. Mai 2002, hervorgegangen.

Durch gerichtlichen Vergleich vom 16. Mai 2002 (Az. 5 F 498/00 AG Plön) verpflichtete sich der Kläger, an die Beklagte einen nachehelichen Unterhalt in Höhe von monatlich 627 € zu zahlen. Darüber hinaus verpflichtete sich der Kläger in dem vorstehend genannten Vergleich, an die Tochter Anna Fiene einen monatlichen Kindesunterhalt in Höhe von 287 € sowie für den Sohn Lukas einen monatlichen Unterhalt in Höhe von 231 € zu zahlen. In dem gerichtlichen Vergleich wurde unter Ziffer VIII zu den Grundlagen Folgendes ausgeführt:

"Einzusetzendes monatliches Nettoeinkommen des Ehemannes in Höhe von 2193 €, wobei hier berücksichtigt wurden als Belastungen Steuernachzahlung in Höhe von 186,38 DM, Anwartschaftsversicherung 36,60 DM, ehebedingte Schulden 1000 DM, Rückerstattung Familienzuschlag 167,17 DM und berufsbedingte Aufwendungen in Form von Fahrtkosten und Bekleidungspauschale in Höhe von insgesamt 296 DM. Ferner gehen die Parteien von zwei unterhaltsberechtigten Kindern aus sowie einem unterhaltsberechtigten Ehegatten".

Der Kläger ist Berufssoldat und bezieht als Fregattenkapitän Bezüge nach der Besoldungsgruppe A 14. Der Kläger war von Oktober 2002 bis einschließlich Juli 2004 in Berlin stationiert. Die einfache Fahrstrecke vom Wohnort des Klägers nach Berlin beträgt 511 km. In Berlin betrug die einfache Entfernung zwischen Wohnung und Dienststelle 18 km, wobei der Kläger fünfmal pro Woche zu seiner Dienststelle fuhr. Seit dem 2. August 2004 ist der Kläger in Kiel stationiert. Die einfache Fahrstrecke vom Wohnort des Klägers nach Kiel beträgt 115 km bei Fahrt über die Autobahn. Für die Zeit vom 8. April 2005 bis zum 15. Oktober 2005 wird der Kläger nach Afghanistan abkommandiert werden.

Der Kläger erzielte im Jahr 2003 Bruttoeinkünfte in Höhe von 57 925,22 €. Sein Bruttoeinkommen im Jahr 2004 betrug 56 895,87 €. Die gezahlten Trennungsgelder bzw. Reisebeihilfen sind in den genannten Beträgen enthalten.

Im Jahr 2003 erhielt der Kläger aufgrund der Bescheide des Finanzamtes Flensburg vom 23. 7. 2003 und 8. 8. 2003 eine Steuererstattung in Höhe von insgesamt 11 310,08 €. Im Jahr 2004 wurde an den Kläger aufgrund des Bescheides des Finanzamtes Flensburg vom 22. 3. 2004 eine Steuererstattung in Höhe von 5481,06 € ausgezahlt.

Die Beklagte ist Mitarbeiterin der Deutschen Telekom. Sie lebt seit Sommer 2000 mit dem Kriminalpolizeibeamten S. in dessen Einfamilienhaus in einer Lebensgemeinschaft. Zum Zeitpunkt des Vergleichsschlusses am 16. Mai 2002 erzielte die Beklagte ein Einkommen aus einer geringfügigen Beschäftigung. Ab Oktober 2002 setzte die Beklagte ihre Tätigkeit bei der Deutschen Telekom mit 19 Stunden pro Woche fort. Sie erhält Bezüge nach der Besoldungsgruppe A 6. Ab Oktober 2003 erhöhte die Beklagte ihre Tätigkeit auf wöchentlich 30 Stunden, nachdem der Kläger ab August 2003 unter Berufung auf eine Verwirkung des Anspruchs keinen Ehegattenunterhalt mehr gezahlt hatte.

Die Arbeitsstelle der Beklagten befindet sich in Kiel, wobei die einfache Entfernung vom Wohnort der Beklagten nach Kiel 25 km beträgt. Bis Ende August 2004 fuhr die Beklagte an zwei bis drei Tagen pro Woche zu ihrer Arbeitsstelle nach Kiel, seit September 2004 fährt die Beklagte berufsbedingt an fünf Tagen pro Woche von ihrem Wohnort nach Kiel.

Im Jahr 2004 erzielte die Beklagte aufgrund ihrer Berufstätigkeit mit 30 Wochenstunden ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen in Höhe von 1712,34 €. Für ihre Kranken- und Pflegeversicherung hatte die Beklagte bis einschließlich Dezember 2003 monatlich 157,11 € zu zahlen, ab Januar 2004 monatlich 194,41 €.

Die monatlichen Belastungen, die in Ziffer VIII des gerichtlichen Vergleichs vom 16. Mai 2002 aufgeführt waren, sind überwiegend Ende des Jahres 2002 entfallen. Mit Schreiben vom 29. Dezember 2002 informierte die Beklagte die frühere Prozessbevollmächtigte des Klägers über die Aufnahme ihrer Halbtagstätigkeit, ohne nähere Informationen über die Art der Tätigkeit und die Höhe des erzielten Einkommens zu machen. Im Übrigen verlangte die Beklagte in dem genannten Schreiben eine Neuberechnung des Kindes- und Ehegattenunterhaltes wegen der Tilgung des früheren ehebedingten Darlehens. Das Schreiben wurde von der früheren Prozessbevollmächtigten des Klägers Anfang Januar 2003 an den Kläger weitergeleitet. Durch anwaltliches Schreiben vom 5. März 2003 forderte der Kläger die Beklagte daraufhin auf, ihre Gehaltsabrechnungen vorzulegen. Die Vorlage der Belege durch die Beklagte erfolgte mit Schreiben vom 16. Juni 2003.

Die Gehaltsabrechnung für den Monat Oktober 2002 erhielt die Beklagte im Dezember 2002. Die Abrechnung über die erhöhten Bezüge ab Oktober 2003 (nach der Erhöhung der wöchentlichen Stundenzahl auf 30) erfolgte erstmals mit der Bezügemitteilung für Dezember 2003. Durch anwaltlichen Schriftsatz vom 7. Januar 2004 (Bl. 56 d. A.) informierte die Beklagte den Kläger und das Familiengericht erstmalig darüber, dass sie ihre Wochenstundenzahl ab Oktober 2003 auf 30 erhöht hatte.

Die am 18. August 1989 geborene gemeinschaftliche Tochter Anna besuchte bis Juni 2003 das Gymnasium in H. Nach den Sommerferien 2003 wechselte Anna auf die Realschule in S.

Der am 3. Oktober 1993 geborene Sohn Lukas besuchte im Schuljahr 2003/ 2004 die 4. Klasse der Grundschule K. In dem Zeugnis für Lukas vom 27. 6. 2003 heißt es, dass die Leistungsbereitschaft im letzten Halbjahr sehr nachgelassen habe. Lukas sei oft lustlos gewesen, Hausaufgaben hätten häufig gefehlt. Seine Bemühungen, sich durch eine Sonderrolle in den Mittelpunkt zu spielen, hätten sich leider gehäuft. In einer Stellungnahme des Arztes für Kinder- und Jugendheilkunde Dr. med. P. vom 12. 11. 2004 heißt es, dass bei Lukas eine Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitätsstörung sowie ein Asthma Bronchiale vorliege. Lukas benötige eine dauerhafte Hilfe bei der Strukturierung des Alltags, eine Gewährleistung der Betreuung durch eine vertraute Bezugsperson am Nachmittag sei enorm wichtig.

Durch Urteil vom 25. Februar 2005 änderte das Amtsgericht - Familiengericht - Plön (Az. 5 F 90/04) den Vergleich vom 16. Mai 2002 hinsichtlich des Kindesunterhaltes für die Zeit ab August 2003 ab. Der Kläger dieses Verfahrens wurde verurteilt, einen erhöhten Kindesunterhalt zu zahlen, und zwar für die Tochter Anna Fiene einen monatlichen Betrag in Höhe von 406 € (Tabellenbetrag: 483 €), für den Sohn Lukas einen monatlichen Betrag in Höhe von 333 € (Tabellenbetrag: 410 €).

Der Kläger hat in erster Instanz beantragt,

festzustellen, dass der Kläger unter Abänderung des Vergleichs des Amtsgerichts Plön vom 16. 5. 2002 ab Oktober 2002 der Beklagten keinen Geschiedenenunterhalt mehr schuldet.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Amtsgericht - Familiengericht - Plön hat durch Urteil vom 17. September 2004 unter Klagabweisung im Übrigen festgestellt, dass der Kläger der Beklagten in Abänderung des Vergleiches vom 16. Mai 2002 ab dem 1. Oktober 2003 keinen Unterhalt mehr schuldet. Zur Begründung hat das Familiengericht ausgeführt, dass die Beklagte bis einschließlich September 2003 wegen der Betreuung der gemeinsamen minderjährigen Kinder Anna und Lukas einen Anspruch auf nachehelichen Unterhalt gemäß §§ 1569, 1570 BGB habe. Bei der Bestimmung des unterhaltsrechtlichen Bedarfs sei zu berücksichtigen, dass der Beklagten die Splittingvorteile aus der neuen Ehe des Klägers nicht zugute kommen können. Die Steuerlast des Klägers sei deshalb fiktiv nach der Lohnsteuerklasse I (ein Kinderfreibetrag) zu ermitteln. Aufgrund einer ausführlichen Unterhaltsberechnung ist das Familiengericht zu dem Ergebnis gekommen, dass die Abänderungsklage für die Zeit bis einschließlich September 2003 unbegründet ist, da sich rechnerisch kein geringerer, sondern vielmehr ein höherer Unterhaltsbetrag als der im gerichtlichen Vergleich vom 16. Mai 2002 titulierte ergebe. Im übrigen hat das Familiengericht ausgeführt, dass die Beklagte den Verwirkungstatbestand des § 1579 Nr. 2 und Nr. 4 BGB zwar dem Grunde nach erfüllt habe, indem sie dem Kläger die Aufnahme einer halbschichtigen Erwerbstätigkeit nicht rechtzeitig mitgeteilt habe. Dem Kläger sei hierdurch jedoch kein Schaden entstanden, da die Verwirkung keinen vollständigen Unterhaltsausschluss rechtfertigen könne, sondern allenfalls eine teilweise Herabsetzung. Die geschuldeten Unterhaltsbeträge würden aber nicht unter dem titulierten Unterhalt liegen.

Demgegenüber hat das Familiengericht entschieden, dass der Unterhaltsanspruch der Beklagten für die Zeit ab Oktober 2003 gemäß § 1579 Nr. 2, Nr. 4 und Nr. 7 BGB verwirkt sei, und zwar insbesondere wegen des Zusammenlebens der Beklagten mit ihrem jetzigen Lebensgefährten Stephan S. seit Sommer 2000. Hinzu komme, dass die Beklagte den Kläger auch während des anhängigen Verfahrens nicht rechtzeitig darüber informiert habe, dass sie ihre Erwerbstätigkeit seit Oktober 2003 auf 30 Stunden pro Woche erweitert habe. Angesichts der Gesamtumstände sei es dem Kläger nicht länger zumutbar, aufgrund der nachehelichen Solidarität an einer Unterhaltspflicht gegenüber der Beklagten festgehalten zu werden. Im übrigen könne die Beklagte aus einer halbschichtigen Tätigkeit ein Erwerbseinkommen erzielen, das ca. 300 € über dem kleinen Selbstbehalt in Höhe von 820 € liege. Auch dieser Umstand rechtfertige einen vollständigen Ausschluss des Unterhaltsanspruches für die Zeit ab Oktober 2003.

Gegen die Entscheidung des Familiengerichts wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Die Beklagte wendet ein, dass die Voraussetzungen für eine Verwirkung des Unterhaltsanspruches nicht gegeben seien. Zur Begründung wiederholt die Beklagte ihren Vortrag aus der ersten Instanz, dass sie dem Kläger Anfang Oktober 2002 in Gegenwart des Zeugen Stephan S. mitgeteilt habe, dass sie ab Oktober 2002 halbschichtig erwerbstätig sei. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass sich ab Oktober 2002 auch auf Seiten des Klägers die Verhältnisse geändert hätten, weil bei ihm finanzielle Lasten aus der Ehezeit weggefallen seien. Die Situation sei offen und unübersichtlich gewesen, so dass von einer Verwirkung nicht gesprochen werden könne. Im übrigen weist die Beklagte darauf hin, dass die Berechnung des Familiengerichts ergeben habe, dass der titulierte Unterhaltsanspruch für die Zeit bis einschließlich September 2003 allemal bestanden habe. Auch für die Zeit ab Oktober 2003 seien die Voraussetzungen einer Verwirkung nicht gegeben. Die Beklagte sei damals gezwungen gewesen, ihre Erwerbstätigkeit auf 30 Stunden pro Woche auszuweiten, weil der Kläger ab August 2003 keinen nachehelichen Unterhalt mehr gezahlt habe. Da sie die Bezügemitteilung für die erhöhte Wochenstundenzahl erst im Dezember 2003 erhalten habe, sei es ausreichend gewesen, dass sie dem Kläger die entsprechende Änderung im Januar 2004 mitgeteilt habe, zumal der Kläger zu diesem Zeitpunkt bereits längere Zeit keinen Unterhalt mehr gezahlt habe.

Im Übrigen beanstandet die Beklagte, dass das Familiengericht ihr Halbtagseinkommen ungekürzt in die Berechnung eingestellt habe. Ihr müsse ein Betreuungsbonus gutgebracht werden, da der Sohn Lukas im Oktober 2003 noch die 4. Klasse der Grundschule besucht habe. Die Ausdehnung der Wochenarbeitszeit auf 30 Stunden sei überobligationsmäßig, vor allem auch vor dem Hintergrund der gesundheitlichen und schulischen Probleme des Sohnes Lukas. Im übrigen sei es fraglich, wie lange sie noch 30 Stunden pro Woche arbeiten könne, weil sie aufgrund der Mehrfachbelastung erhebliche gesundheitliche Probleme habe und sich deshalb in ärztlicher Behandlung befinde.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Abänderungsklage abzuweisen, soweit eine Reduzierung des nachehelichen Unterhaltes auf einen Betrag unter 500 € monatlich verlangt wird.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Der Kläger meint, dass der Unterhaltsanspruch der Beklagten gemäß § 1579 Nr. 7 BGB verwirkt sei, weil die Beklagte ihre Verdienstbescheinigung für die Zeit ab Oktober 2002 erst mit anwaltlichem Schreiben vom 16. 6. 2003 übersandt habe. Hinzu komme, dass die Beklagte die erhöhten Einnahmen aus der Wochenarbeitszeit von 30 Stunden verspätet mitgeteilt habe. Im Übrigen führe der Umstand, dass die Beklagte seit mehreren Jahren mit dem Zeugen Stephan S. in einer eheähnlichen Gemeinschaft zusammen lebe, zu einem Wegfall des nachehelichen Unterhaltsanspruches.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist zum Teil begründet.

Der Kläger ist auch für die Zeit ab Oktober 2003 verpflichtet, an die Beklagte einen nachehelichen Unterhalt zu zahlen. Die Unterhaltsberechtigung der Beklagten ergibt sich aus § 1570 BGB. Nach dieser Vorschrift kann ein geschiedener Ehegatte von dem anderen Unterhalt verlangen, solange und soweit von ihm wegen der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann. Die Vorschrift ist Ausdruck der gemeinsamen Elternverantwortung und dient dazu, die persönliche Betreuung des Kindes trotz Trennung der Eltern wenigstens durch einen Elternteil zu ermöglichen, um auch Kindern aus geschiedenen Ehen gleichmäßige Entwicklungschancen zu geben (vgl. BVerfG, FamRZ 1981, 745; Palandt-Brudermüller, BGB, 64. Aufl., § 1570 Rdnr. 1). Allerdings reicht der Unterhaltsanspruch aus § 1570 BGB nur so weit, wie die Kindesbetreuung den Ehegatten an der Ausübung einer Erwerbstätigkeit hindert. Ist die Berechtigte nur teilweise an einer Erwerbstätigkeit gehindert, kann sie nach § 1570 BGB Unterhalt nur bis zur Höhe des Mehreinkommens verlangen, das sie durch eine Vollerwerbstätigkeit erzielen könnte (vgl. Palandt-Brudermüller, BGB, 64. Aufl., § 1570 Rdnr. 19). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt:

Die Beklagte betreut die gemeinschaftlichen Kinder der Parteien. Die Tochter Anna Fiene war im Oktober 2003 14 Jahre alt, der Sohn Lukas vollendete am 3. Oktober 2003 sein 10. Lebensjahr. Anna Fiene besuchte im Oktober 2003 die 9. Klasse der Realschule, Lukas die 4. Klasse der Grundschule. Aufgrund des Alters der Kinder besteht für die Beklagte keine volle Erwerbsobliegenheit. Denn nach den Unterhaltsrechtlichen Leitlinien des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts (Ziffer 17.1) besteht für den unterhaltsberechtigten Ehegatten bei Betreuung eines Kindes eine Erwerbsobliegenheit in der Regel erst dann, wenn das jüngste Kind die 4. Grundschulklasse beendet hat. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt es bei der Betreuung eines Kindes zwischen 8 und 11 Jahren auf die konkreten Umstände des Einzelfalls an, unter anderem auf etwaige Schulschwierigkeiten und Entwicklungsstörungen des Kindes (vgl. Palandt-Brudermüller, BGB, 64. Aufl., § 1570 Rdnr. 9). Bei einem Kind zwischen dem 11. und 15. Lebensjahr ist dem betreuenden Elternteil in der Regel eine Teilzeitbeschäftigung zumutbar, die nicht stets den Umfang einer Halbtagsbeschäftigung erreichen muss (Palandt-Brudermüller, a. a. O., mit weiteren Nachweisen). Nach den dargelegten Grundsätzen besteht für die Beklagte keine volle Erwerbsobliegenheit, da der Sohn Lukas im Schuljahr 2003/2004 noch die Grundschule besucht hat. Hinzu kommt, dass bei Lukas schulische und gesundheitliche Schwierigkeiten bestehen, die eine besondere Betreuung erforderlich machen. Deshalb besteht kein Zweifel daran, dass der Sohn Lukas - und im geringeren Umfang auch die Tochter Anna Fiene - die Betreuung und Erziehung der Kindesmutter in einem Umfang benötigt, dass der Beklagten eine vollschichtige Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden kann.

Aus alledem folgt, dass die Beklagte wegen der Betreuung der gemeinschaftlichen Kinder gemäß § 1570 BGB unterhaltsberechtigt ist. Bei der Klärung der Frage, in welcher Höhe ein Unterhaltsanspruch besteht, ist zunächst das Maß des Unterhalts nach den ehelichen Lebensverhältnissen und den Einkommensverhältnissen der Parteien zu ermitteln (unten Ziffer 1). In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, ob der Unterhaltsanspruch gemäß § 1579 BGB verwirkt ist (unten Ziffer 2).

1. Das Maß des Unterhalts bestimmt sich gemäß § 1578 BGB nach den ehelichen Lebensverhältnissen. Diese werden durch alle wirtschaftlich relevanten beruflichen und familiären Faktoren mitbestimmt. Geprägt wird der eheliche Lebensstandard insbesondere durch die Einkommensverhältnisse der Ehegatten. Abzuziehen ist der eheprägende Kindesunterhalt. Der Unterhalt für ein erst nach Rechtskraft der Scheidung geborenes Kind ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht zu berücksichtigen, da die entsprechende Unterhaltsverpflichtung die ehelichen Lebensverhältnisse nicht geprägt hat. Die entsprechende Unterhaltsverpflichtung muss sich der Berechtigte nur im Falle einer mangelnden Leistungsfähigkeit des Verpflichteten gemäß § 1581 BGB entgegenhalten lassen (vgl. BGH, FamRZ 1999, 367; Palandt-Brudermüller, BGB, 64. Aufl., § 1578 Rdnr. 53).

Aus alledem ergibt sich die folgende Unterhaltsberechnung:

Das Einkommen, das die Parteien in der Zeit ab Oktober 2003 aus ihrer Berufstätigkeit erzielt haben, entspricht den Einkommensverhältnissen im Jahr 2004. Der Kläger hat im Jahr 2004 ein Bruttoeinkommen in Höhe von 56 895,87 € erzielt. Hiervon ist die fiktive Einkommensteuer nach Steuerklasse I (ein Kinderfreibetrag) abzuziehen, da der Beklagten der Splittingvorteil der neuen Ehe nicht zugute kommen kann. Aus der Steuertabelle ergibt sich eine

fiktive Einkommensteuer in Höhe von 15 427,00 €, ein Solidaritätszuschlag in Höhe von 707,08 € sowie eine Kirchensteuer in Höhe von 1 157,04 €, so dass ein Jahres-Nettoeinkommen in Höhe von 39 604,75 €, entsprechend monatlich 3 300,40 €,

verbleibt.

Zu diesem Betrag ist die anteilige Einkommensteuererstattung hinzuzuziehen, die insbesondere auf den Unterhaltszahlungen des Klägers und seinen Werbungskosten (insbesondere Fahrtkosten) beruht. Die hohe Steuererstattung, die der Kläger im Jahr 2003 für das Steuerjahr 2002 erhalten hat, kann nicht im vollen Umfang einkommenserhöhend herangezogen werden, da die Erstattung zu einem erheblichen Teil darauf beruht, dass der Kläger im Jahr 2002 erneut geheiratet und dadurch steuerliche Vorteile erhalten hat, die der Beklagten nicht zugute kommen können. Der Senat geht davon aus, dass die Steuererstattung, die der Kläger im Jahr 2003 aus sonstigen Gründen erhalten hat, der Steuererstattung aus dem Jahr 2004 entspricht. Deshalb ist - wie im Jahr 2004 - von einer relevanten Steuererstattung in Höhe von jährlich 5 481,06 €, also monatlich 456,76 €, auszugehen, so dass sich monatliche Gesamteinkünfte in Höhe von 3 757,16 € ergeben.

Abzuziehen sind die Fahrtkosten des Klägers. Der Kläger war im Jahr 2003 in Berlin berufstätig. Monatlich fielen 18 Fahrten zur Arbeit mit jeweils 2 x 18 km sowie vier Wochenendfahrten mit jeweils 2 x 511 km an. Für die Fahrten mit dem eigenen Pkw ist eine Kilometerpauschale von 0,26 € angemessen, wobei der Senat bei den Wochenendfahrten, soweit eine Entfernung von 30 km pro Strecke überschritten wird, lediglich einen Kilometer-Satz von 0,10 € berücksichtigt. Daraus ergeben sich insgesamt Fahrtkosten in folgender Höhe:

18 x 2 x 18 x 0,26 € = 168,48 € 4 x 30 x 2 x 0,26 € = 62,40 € 4 x 481 x 2 x 0,10 € = 384,80 € zusammen 615,68 €.

Vom Einkommen des Klägers ist darüber hinaus der Tabellenunterhalt für die Kinder Anna Fiene und Lukas abzuziehen. Durch Urteil des Amtsgerichts Plön vom 25. Februar 2005 ist der Kläger verurteilt worden, für die Zeit ab August 2003 für die Tochter Anna Fiene einen monatlichen Tabellenunterhalt in Höhe von 483,00 € sowie für Lukas einen monatlichen Tabellenunterhalt in Höhe von 410,00 € zu zahlen, so dass auf Seiten des Klägers ein bereinigtes Nettoeinkommen in Höhe von 2 248,48 € verbleibt.

Dem Einkommen des Klägers ist das Einkommen der Beklagten gegenüberzustellen. Der Senat hat das maßgebliche Nettoeinkommen der Beklagten für die Zeit ab Oktober 2003 der Jahres-Gehaltsbescheinigung für Dezember 2004 entnommen. Daraus ergibt sich ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen in Höhe von 1 712,34 €.

Abzuziehen sind die Kosten für die Krankenversicherung im Jahr 2003 in Höhe von 157,11 € sowie die Fahrtkosten in Höhe von 2,5 x 2 x 25 x 0,26 € x 45 : 12 = 121,88 €, so dass ein bereinigtes Nettoeinkommen in Höhe von 1 433,35 € verbleibt.

Demgegenüber betrug das frühere bereinigte Nettoeinkommen der Beklagten aus der halbschichtigen Tätigkeit bei der Telekom bis einschließlich September 2003 monatlich 900,09 €.

Dies hat das Familiengericht auf Seite 9 des Urteils vom 17. September 2004 zutreffend berechnet.

Das Nettoeinkommen in Höhe von 1 433,35 €, das die Beklagte aus der 30stündigen Wochenarbeitszeit ab Oktober 2003 erwirtschaftet hat, übersteigt das bisherige Einkommen bei halbschichtiger Tätigkeit in Höhe von 900,09 € somit um 533,26 €.

Da die 30stündige Wochenarbeitszeit der Beklagten aus den oben genannten Gründen überobligationsmäßig ist, muss der Beklagten ein Betreuungsbonus gutgebracht werden. Der Senat hält einen Betrag in Höhe von 200 € für angemessen, so dass von einem bereinigten Nettoeinkommen der Beklagten in Höhe von 1 233,35 € auszugehen ist. Die Differenz zum unterhaltsrechtlich maßgeblichen Einkommen des Klägers in Höhe von 2 248,48 € beträgt 1 015,13 €.

Daraus ergibt sich ein rechnerischer Unterhaltsanspruch in Höhe von (3/7) 435,06 €.

Für die Zeit ab Januar 2004 ändert sich der nach § 1578 BGB zu bemessene Unterhalt, da Korrekturen hinsichtlich der Fahrtkosten des Klägers und des Krankenversicherungsbeitrages der Beklagten erforderlich sind.

Auf Seiten des Klägers ist zunächst von dem fiktiven Nettoeinkommen unter Berücksichtigung der Steuerklasse I in Höhe von 3 300,40 € zuzüglich der anteiligen Steuererstattung in Höhe von 456,76 € auszugehen. Bei der Berechnung der durchschnittlichen Fahrtkosten für das Jahr 2004 ist zu berücksichtigen, dass der Kläger bis einschließlich Juli 2004 in Berlin berufstätig war, anschließend in Kiel. Deshalb geht der Senat von 120 Arbeitstagen in Berlin aus, die mit Fahrten zur Arbeit von jeweils 2 x 18 km verbunden sind. Darüber hinaus berücksichtigt der Senat 24 Wochenendfahrten zu je 2 x 511 km vom Wohnort des Klägers nach Berlin. Für die Zeit von August 2004 bis Dezember 2004 geht der Senat von 100 Arbeitstagen in Kiel aus, die einen Fahrtaufwand von jeweils 2 x 115 km verursachen. Daraus ergeben sich insgesamt folgende Fahrtkosten:

120 x 18 x 2 x 0,26 € = 1 123,20 € 24 x 30 x 2 x 0,26 € = 374,40 € 24 x 481 x 2 x 0,10 € = 2 308,80 € 100 x 30 x 2 x 0,26 € = 1 560,00 € 100 x 85 x 2 x 0,10 € = 1 700,00 € Jährliche Fahrtkosten insgesamt 7 066,40 €, also monatlich 588,87 €.

Vom Einkommen des Klägers ist darüber hinaus der Tabellenunterhalt für die Tochter Anna Fiene in Höhe von 483,00 € sowie der Tabellenunterhalt für Lukas in Höhe von 410,00 € abzuziehen, so dass ein bereinigtes Nettoeinkommen in Höhe von 2 275,29 € verbleibt.

Demgegenüber beträgt das Nettoeinkommen der Beklagten monatlich 1 712,34 €. Nach Abzug der Fahrtkosten in Höhe von 121,88 € sowie der erhöhten Kosten für die Krankenversicherung in Höhe von 194,41 € verbleibt ein Nettoeinkommen in Höhe von 1 396,05 €.

Nach Abzug des Betreuungsbonus in Höhe von 200,00 € ergibt sich ein unterhaltsrechtlich maßgebliches Einkommen in Höhe von 1 196,05 €.

Die Differenz zum Einkommen des Klägers in Höhe von 2 275,29 € beträgt 1 079,24 €.

Daraus ergibt sich ein rechnerischer Unterhaltsanspruch in Höhe von (3/7) 462,53 €.

Für die Zeit ab September 2004 erhöhen sich auf Seiten der Beklagten die Fahrtkosten, da die Beklagte nunmehr an fünf Tagen pro Woche zur Arbeit nach Kiel fahren muss. Von dem Nettoeinkommen in Höhe von 1 712,34 € sind nunmehr die Kosten für die Krankenversicherung in Höhe von 194,41 €, die Fahrtkosten in Höhe von 2 x 25 x 0,26 € x 220 : 12 = 238,33 € sowie der Betreuungsbonus in Höhe von 200,00 € abzuziehen, so dass ein bereinigtes Nettoeinkommen in Höhe von 1 079,60 € verbleibt.

Die Differenz zum Einkommen des Klägers in Höhe von 2 275,29 € beträgt 1 195,69 €, so dass sich ein rechnerischer Unterhaltsanspruch in Höhe von (3/7) 512,44 € ergibt.

2. Die vorstehend berechneten Unterhaltsbeträge sind gemäß § 1579 BGB herabzusetzen oder zu versagen, soweit die Inanspruchnahme des Verpflichteten auch unter Wahrung der Belange der gemeinschaftlichen Kinder grob unbillig wäre. Für den Zeitraum von Oktober 2002 bis September 2003 hat das Familiengericht zutreffend entschieden, dass eine Herabsetzung des Unterhalts unter die im Vergleich vom 16. Mai 2002 titulierten Beträge nicht angemessen ist. Für die Zeit ab Oktober 2003 ist das Familiengericht demgegenüber zu dem Ergebnis gekommen, dass die Ansprüche der Beklagten gemäß § 1579 Nr. 2, Nr. 4 und Nr. 7 BGB in voller Höhe zu versagen seien. Diese Entscheidung hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand:

Der Verwirkungstatbestand des § 1579 Nr. 2 BGB setzt voraus, dass der Berechtigte sich eines Verbrechens oder eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegen den Verpflichteten schuldig gemacht hat. Der Tatbestand des § 1579 Nr. 4 BGB ist erfüllt, wenn der Berechtigte sich über schwerwiegende Vermögensinteressen des Verpflichteten mutwillig hinweggesetzt hat. Beide Tatbestände sind hier nicht gegeben. Zwar hat die Beklagte den Beweis für ihre Behauptung, dass sie den Kläger bereits im Oktober 2002 mündlich über ihre Halbtagstätigkeit informiert habe, nicht erbracht. Es ist jedoch unstreitig, dass die Beklagte den Kläger Ende Dezember 2002 über dessen frühere Prozessbevollmächtigte darüber informiert hat, dass sie eine Halbtagstätigkeit aufgenommen hat. Allerdings hatte die Beklagte in dem entsprechenden Schreiben keine Informationen über die Art der Tätigkeit und die Höhe des erzielten Einkommens gegeben, obwohl sie zu diesem Zeitpunkt bereits die Gehaltsabrechnung für den Monat Dezember 2002 zur Verfügung gehabt haben wird. Erst auf das anwaltliche Schreiben vom 5. März 2003 hat die Beklagte am 16. Juni 2003 einen Gehaltsnachweis übersandt. Dem Kläger ist darin zuzustimmen, dass die Beklagte durch ihr Verhalten ihre Informationspflicht nicht ausreichend erfüllt hat. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte davon ausgehen durfte, dass sich auch auf Seiten des Klägers wesentliche Umstände geändert hatten, insbesondere die Rückführung der ehebedingten Verbindlichkeiten, die sich zu ihren Gunsten auswirkte. Insgesamt hat sich die verspätete Information nicht zum Nachteil des Klägers ausgewirkt, da die zutreffende Unterhaltsberechnung des Familiengerichts zeigt, dass der Kläger bis einschließlich September 2003 nach wie vor verpflichtet blieb, den titulierten Ehegattenunterhalt in Höhe von monatlich 627 € zu zahlen. Soweit der Kläger vorträgt, die Beklagte habe die Ausweitung ihrer beruflichen Tätigkeit auf 30 Stunden ab Oktober 2003 bis zum 7. Mai 2004 verschwiegen, ist diese Behauptung nicht zutreffend. Denn die Beklagte hat den Kläger und das Familiengericht durch den anwaltlichen Schriftsatz vom 7. Januar 2004 (Bl. 56 d. A.) darüber informiert, dass sie ihre Arbeitszeit ab Oktober 2003 auf 30 Stunden pro Woche ausgeweitet hat. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Kläger seit August 2003 keinen nachehelichen Unterhalt mehr gezahlt hat, ist die Mitteilung der Beklagten vom 7. Januar 2004 nicht derart verspätet, dass daraus die Erfüllung des Verwirkungstatbestandes des § 1579 Nr. 2 oder Nr. 4 BGB hergeleitet werden könnte.

Demgegenüber hat das Familiengericht zu Recht entschieden, dass für die Zeit ab Oktober 2003 der Verwirkungstatbestand des § 1579 Nr. 7 BGB erfüllt ist, da die Beklagte seit dem Sommer 2000 mit Herrn Stephan Schröder in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft lebt. Diese Gemeinschaft hat sich so verfestigt, dass unter Würdigung der Gesamtumstände von einer auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft ausgegangen werden kann. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kann das Zusammenleben des Unterhaltsberechtigten mit einem neuen Partner dann zur Annahme eines Härtegrundes im Sinne des § 1579 Nr. 7 BGB - mit der Folge der Unzumutbarkeit einer weiteren (uneingeschränkten) Unterhaltsbelastung für den Verpflichteten - führen, wenn sich diese Beziehung in einem solchen Maße verfestigt hat, dass damit gleichsam ein nichteheliches Zusammenleben an die Stelle einer Ehe getreten ist. Nach welchem Zeitablauf dies angenommen werden kann, lässt sich nicht allgemein verbindlich festlegen. Vor Ablauf einer gewissen Mindestdauer, die im Einzelfall kaum unter zwei bis drei Jahren liegen dürfte, wird sich in der Regel nicht verlässlich beurteilen lassen, ob die Partner nur "probeweise" zusammenleben oder ob sie auf Dauer in einer verfestigten Gemeinschaft leben (vgl. BGH, FamRZ 1997, 671, 672).

Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass die Beziehung zwischen der Beklagten und dem Zeugen Stephan S. die Voraussetzungen einer eheersetzenden verfestigten Gemeinschaft erfüllt. Die Beklagte lebt mit dem Zeugen S. seit Sommer 2000 in dessen Haus, führt mit ihm einen gemeinsamen Haushalt, gestaltet ihre Freizeit mit ihm und verbringt mit ihm gemeinsame Urlaube. Unter diesen Umständen ist die Annahme gerechtfertigt, dass sich die Beziehung in einem solchen Maße verfestigt hat, dass damit ein nichteheliches Zusammenleben an die Stelle einer Ehe getreten ist.

Die Erfüllung des Härtetatbestandes führt jedoch nicht schon für sich allein zur Versagung oder Herabsetzung des Unterhaltsanspruches. Denn gemäß § 1579 BGB ist der Unterhaltsanspruch nur dann zu versagen, herabzusetzen oder zeitlich zu begrenzen, soweit die Inanspruchnahme des Verpflichteten auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes grob unbillig wäre. Die Wahrung der Kindesbelange hebt das Gesetz besonders hervor und privilegiert damit den Kindesbetreuungsunterhalt gemäß § 1570 BGB auch in den Verwirkungsfällen. Dadurch soll sichergestellt werden, dass die Kindesbelange durch eine Unterhaltseinschränkung oder einen Unterhaltsausschluss nicht ernsthaft beeinträchtigt werden. Denn die Wahrung der Kindesbelange hat Vorrang vor dem Interesse des Verpflichteten an Einschränkungen oder Fortfall seiner Unterhaltslast. Es soll verhindert werden, dass der betreuende Elternteil aus wirtschaftlicher Not das Kind zugunsten eigener Erwerbstätigkeit vernachlässigt (vgl. Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 9. Aufl., Rdnr. 1129). Im Übrigen kann die Zahlung eines angemessenen Ehegattenunterhalts im Kindesinteresse liegen, da die Kindesbetreuung den Unterhaltsberechtigten ganz oder teilweise an einer eigenen Erwerbstätigkeit hindert und Vorsorge zu treffen ist, dass der Betreuende nicht genötigt oder in Versuchung geführt wird, zum Nachteil des Kindes von dessen Unterhalt mitzuleben (vgl. Kalthoener/Büttner/ Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 9. Aufl., Rdnr. 1132 m. w. N.).

Im vorliegenden Fall hat der Senat schon im Beschluss vom 21. April 2004 (8 WF 50/04) ausgeführt, dass zwischen dem Anspruch der Beklagten auf Zahlung von Betreuungsunterhalt gemäß § 1570 BGB und dem Anspruch auf Zahlung von Aufstockungsunterhalt gemäß § 1573 Abs. 2 BGB zu unterscheiden ist. Ein etwaiger Unterhaltsanspruch der Beklagten auf Zahlung von Aufstockungsunterhalt dürfte wegen der verfestigten Beziehung der Beklagten zu dem neuen Partner Stephan S. gemäß § 1579 Nr. 7 BGB zu versagen sein, da es für den Kläger objektiv unzumutbar sein dürfte, dem früheren Ehegatten unter derartig veränderten Lebensumständen gleichwohl weiterhin den vollen Unterhalt gemäß § 1578 BGB zu zahlen. Das gilt jedoch nicht ohne weiteres für den Anspruch auf Betreuungsunterhalt, der sich aus der Differenz des teilschichtigen zum vollschichtigen Einkommen der Beklagten ergibt. Denn der Sinn und Zweck des Betreuungsunterhaltes besteht darin, der Unterhaltsberechtigten einen Ausgleich dafür zu gewähren, dass sie wegen der Betreuung eines gemeinschaftlichen Kindes daran gehindert ist, ein Einkommen aus einer Vollerwerbstätigkeit zu erzielen. Die Vorschrift des § 1570 BGB ist Ausdruck der gemeinsamen Elternverantwortung, so dass die Unterhaltsverpflichtung des Klägers insoweit nicht schon wegen der mehrjährigen Beziehung der Beklagten zu dem neuen Lebensgefährten entfallen kann. Denn die rechtliche Verpflichtung, für die angemessene Betreuung und Erziehung der gemeinschaftlichen Kinder zu sorgen, trifft nach wie vor den Kläger, nicht den neuen Lebensgefährten der Beklagten. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass die derzeit ausgeübte berufliche Tätigkeit der Beklagten mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 30 Stunden aus den oben genannten Gründen als überobligationsmäßig einzustufen ist. Hätte die Beklagte nicht die gemeinsamen ehelichen Kinder zu betreuen, könnte sie bei der Telekom vollschichtig arbeiten und nach der derzeitigen Besoldungsgruppe A 6 (Besoldungsstufe 08) ein monatliches Nettoeinkommen in Höhe von ca. 2150 € erzielen.

Im Rahmen der Billigkeitsprüfung sind als weitere Umstände die Dauer der Ehe, das Verhalten der Berechtigten sowie die wirtschaftliche Lage des Verpflichteten zu berücksichtigen (vgl. Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 9. Auflage, Rdnr. 1135). In diesem Zusammenhang ist zugunsten der Beklagten zu berücksichtigen, dass zwischen der Eheschließung und der Scheidung 14 Jahre liegen. Angesichts der Tatsache, dass die Ehe erst vor ca. drei Jahren geschieden worden ist und das jüngste Kind der Parteien erst 11 Jahre alt ist, kann es nicht als grob unbillig angesehen werden, dass der Kläger der Beklagten noch für einen weiteren Zeitraum einen Ausgleich dafür zu leisten hat, dass sie wegen der Betreuung der gemeinschaftlichen Kinder nicht im vollen Umfang erwerbstätig sein kann. Darüber hinaus ist zugunsten der Beklagten zu berücksichtigen, dass ihr kein vorsätzliches Fehlverhalten im Sinne des § 1579 Nr. 2 oder Nr. 4 BGB zur Last gelegt werden kann, sondern nur der Tatbestand einer eheersetzenden Gemeinschaft erfüllt ist.

Nach Würdigung aller Umstände hält es der Senat für angemessen, den Unterhaltsanspruch der Beklagten gemäß § 1579 Nr. 7 BGB für die Zeit ab Oktober 2003 auf monatlich 250 € herabzusetzen. Dieser Unterhaltsbetrag schafft für die Beklagte in Verbindung mit ihrem Kindergeldanteil einen angemessenen Ausgleich dafür, dass sie wegen der Betreuung der gemeinschaftlichen Kinder keine Vollerwerbstätigkeit ausüben kann. Gleichzeitig werden die veränderten Lebensumstände in Gestalt der verfestigten Beziehung zum neuen Lebenspartner sowie die wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers angemessen berücksichtigt. Für die Zeit von April 2005 bis Oktober 2005 ist es angemessen, den Betreuungsunterhalt auf monatlich 500 € zu erhöhen, da sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers während dieser Zeit aufgrund der Abkommandierung nach Afghanistan deutlich verbessern. Die hohen Auslandsverwendungszuschläge hat der Kläger teilweise für Unterhaltszwecke einzusetzen (vgl. dazu Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, FamRZ 2005, 369).

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die weiteren Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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