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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 18.02.2009
Aktenzeichen: 8 WF 27/09
Rechtsgebiete: ZPO, RVG


Vorschriften:

ZPO § 121
RVG § 45
RVG § 48
Wird der Vergütungsanspruch eines nach § 121 Abs. 1 ZPO beigeordneten Rechtsanwaltes ohne dessen Einverständnis beschränkt, so ist auf die Beschwerde des Rechtsanwalts die Beschränkung aufzuheben. Eine Aufhebung auch der Beiordnung scheitert am Verbot der Schlechterstellung des Beschwerdeführers.
8 WF 27/09

Beschluss

In der Familiensache

hat der 1. Senat für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig am 18. Februar 2009 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Rechtsanwalts Dr. B wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Kiel vom 11. Dezember 2008, soweit er die Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. B betrifft, dahin abgeändert, dass die vergütungsrechtliche Beschränkung ("Bereits entstandene Kosten durch die bisherige Beiordnung des Rechtsanwalts A sind von den zu erstattenden Kosten abzusetzen.") entfällt.

Gründe:

1. Dem Antragsteller war im Rahmen der Prozesskostenhilfe für ein Verfahren zur Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts zunächst Rechtsanwalt A beigeordnet. Nachdem Rechtsanwalt A die Mandatsniederlegung aufgrund unbehebbarer Störung des Vertrauensverhältnisses angezeigt und die Aufhebung der Beiordnung beantragt hatte, hat das Familiengericht diesem Antrag entsprochen und dem Antragsteller Rechtsanwalt Dr. B mit der Maßgabe beigeordnet, dass "bereits entstandene Kosten durch die bisherige Beiordnung des Rechtsanwalts A (...) von den zu erstattenden Gebühren abzusetzen" sind. Gegen diese Beschränkung der aus der Landeskasse an ihn zu erbringenden Vergütung wendet sich Rechtsanwalt Dr. B mit seiner Beschwerde und trägt dazu vor, der Antragsteller habe das Vertrauen in eine nachdrückliche Verfolgung seiner Interessen durch Rechtsanwalt A verloren, nachdem dieser das ruhende Verfahren entgegen der Bitte des Antragstellers nicht wieder aufgenommen und ihm auf eine ca. zwei Wochen später erfolgte Nachfrage geantwortet habe, ihm sei keinen entsprechenden Auftrag erteilt worden. Mit einer Eingabe nicht näher beschriebenen Inhalts hat sich der Antragsteller wegen der Mandatswahrnehmung durch Rechtsanwalt A an die Rechtsanwaltskammer gewandt. - Das Familiengericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und dazu ausgeführt, es habe kein hinreichender Grund für einen Anwaltswechsel bestanden.

2. Die zulässige Beschwerde hat im Ergebnis Erfolg.

a) Die angegriffene Beschränkung beschwert Rechtsanwalt Dr. B, denn er ist aufgrund der Beiordnung zur Übernahme der Prozessvertretung verpflichtet (§ 48 Abs. 1 Nr. 1 BRAO), ohne dass er gegenüber der Landeskasse den vollen Vergütungsanspruch geltend machen oder von der eigenen Partei - wegen der Sperre des § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO - die abzusetzenden Beträge verlangen könnte. In entsprechender Anwendung von §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 RVG ist er berechtigt, im eigenen Namen Beschwerde einzulegen (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 27. Aufl., § 127 Rdnr. 19).

b) Zerstört eine Partei das Vertrauensverhältnis zu dem beigeordneten Rechtsanwalt durch sachlich nicht gerechtfertigtes und mutwilliges Verhalten und verursacht dadurch die Entpflichtung des zunächst beigeordneten Rechtsanwalts, so ist ihr Antrag auf Beiordnung eines anderen Rechtsanwalts als rechtsmissbräuchlich zurückzuweisen (z. B. BGH, NJW-RR 1992, 189; OLG Hamm, FamRZ 2006, 1551; Zöller/Philippi, a. a. O., § 121 Rdnr. 35). Beruht der Anwaltswechsel dagegen auf einem triftigen Grund, der auch eine auf eigene Kosten prozessierende Partei zu einer Beendigung des Mandatsverhältnisses veranlasst hätte, so ist der mittellosen Partei ein anderer Rechtsanwalt beizuordnen (Zöller/Philippi, a. a. O., Rdnr. 34).

Der Antragsteller hat einen verständlichen Grund für einen Verlust des Vertrauens in die Interessenvertretung durch Rechtsanwalt A nicht dargelegt: Sollte Rechtsanwalt A gegenüber dem Antragsteller geäußert haben, er habe keinen Auftrag erhalten, die Aufnahme des ruhenden Verfahrens zu beantragen, so ergäbe sich daraus allenfalls ein Missverständnis, nicht aber hätte der Antragsteller daraus den Schluss ziehen oder auch nur die Befürchtung herleiten dürfen, Rechtsanwalt A nehme seine Wünsche oder gar seine Weisungen nicht ernst und setze sich nicht mit Nachdruck für seine Belange ein. Das vom Antragsteller geschilderte anwaltliche Verhalten gab bei verständiger Würdigung keinen Anlass, sich an die Rechtsanwaltskammer zu wenden und mit diesem grundlosen und überzogenen Schritt Rechtsanwalt A zu veranlassen, die Aufhebung der Beiordnung zu beantragen. Ein Anspruch auf Beiordnung eines anderen Anwalts, die weitere Kosten zum Nachteil der Landeskasse ausgelöst hätte, besteht danach nicht.

c) Gleichwohl kann auch bei einem Anwaltswechsel, den eine Partei ohne triftigen Grund vorgenommen hat, ein anderer Rechtsanwalt beigeordnet werden, sofern der später tätige Rechtsanwalt sich mit einer Anrechnung der an den zunächst beigeordneten Rechtsanwalt gezahlten Vergütung auf seinen eigenen Vergütungsanspruch einverstanden erklärt und auf diese Weise den Anfall von Mehrkosten verhindert. Ein solches - stillschweigendes - Einverständnis von Rechtsanwalt Dr. B mit einer gebührenrechtlichen Beschränkung der Beiordnung (vgl. dazu für den Fall der Beiordnung eines nicht am Gerichtssitz niedergelassenen Rechtsanwalts BGH, FamRZ 2007, 37 f.) kann hier schon deshalb nicht angenommen werden, weil Rechtsanwalt Dr. B mit dem Hinweis, es bestehe kein Vertrauensverhältnis mehr zwischen dem Antragsteller und Rechtsanwalt A, ersichtlich einen triftigen Grund für den Anwaltswechsel und damit die Voraussetzungen für die eigene uneingeschränkte Beiordnung hat andeuten wollen. Daneben verbietet sich die Annahme eines stillschweigenden Einverständnisses auch deshalb, weil Rechtsanwalt Dr. B ohne die Zahlung der Verhandlungs- und Terminsgebühren, die bereits durch die Tätigkeit von Rechtsanwalt A angefallen waren, die anwaltliche Tätigkeit nicht annähernd kostendeckend hätte ausüben können.

d) Erfolgt die Beiordnung eines Rechtsanwalts mit der Einschränkung, dass er sich die an den vorangehend beigeordneten Rechtsanwalt gezahlte Vergütung anrechnen lassen muss und hat sich der Rechtsanwalt mit dieser Einschränkung nicht einverstanden erklärt, so kollidiert die Beschränkung mit den Vorschriften der §§ 45 Abs. 1, 48 Abs. 1 RVG, denen zufolge sich der Vergütungsanspruch des beigeordneten Rechtsanwalts bemisst nach den gesetzlichen Bestimmungen und dem von der Beiordnung umfassten Streitgegenstand. Eine Handhabe, den Gebührenanfall zu beschränken aus Gründen, die das RVG nicht nennt, besteht nicht (allgemeine Ansicht, z. B. OLG Hamm, FamRZ 2006, 1551; OLG Köln, FamRZ 2004, 123 f.; OLG Karlsruhe, FamRZ 1998, 632 f.; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., § 121 Rdnr. 27; Musielak/Fischer, ZPO, 6. Aufl., § 121 Rdnr. 25; MünchKomm ZPO, 3. Aufl., § 121 Rdnr. 24; Zöller/Philippi, a.a.O., § 121 Rdnr. 35). Umstritten ist allerdings, welche Rechtswirkung sich aus einer Beiordnung, verbunden mit einer vergütungsrechtlichen Beschränkung ohne anwaltliches Einverständnis ergibt: Während die überwiegende Ansicht dahin geht, es entfalle lediglich die unzulässige Beschränkung, die Beiordnung bleibe also unbeschränkt bestehen (so die vorstehend Zitierten), ist nach anderer Auffassung die Beiordnung insgesamt unwirksam (OLG Karlsruhe, FamRZ 2007, 645 Rdnr. 12).

Dem unmissverständlich zu Tage tretenden Willen des Familiengerichts, eine weitere Beiordnung nur auf eine Weise vorzunehmen, die der Landeskasse keine Mehrkosten aufbürdet, kann nicht durch die Annahme einer Gesamtunwirksamkeit von Beiordnung u n d Beschränkung zum Durchbruch verholfen werden, denn die Beschränkung ist nicht rechtslogische Voraussetzung der Beiordnung, die dann mit der Wirksamkeit der Beschränkung stünde oder fiele, sondern bloße Motivation für einen konstitutiven Akt, den seine Rechtswidrigkeit nicht zu einem Nullum macht und dem die begünstigende Wirkung nicht deshalb fehlt, weil die Beiordnung bei anderem Verfahrensgang - nämlich einer Anfrage beim beizuordnenden Rechtsanwalt und dessen Weigerung, das Einverständnis mit einer Beschränkung zu erklären - unterblieben wäre. Die erworbene Rechtsposition darf dem Beschwerdeführer wegen des Verbots einer reformatio in peius nicht genommen werden (ebenso OLG Hamm, FamRZ 2006, 1551 Rdnr. 10) und wäre im übrigen selbst auf eine Beschwerde der Landeskasse nicht aufzuheben, weil eine sofortige Beschwerde der Landeskasse nur stattfindet, wenn weder Monatsraten noch aus dem Vermögen zu zahlende Beträge festgesetzt worden sind und nur darauf gestützt werden kann, dass die Partei nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Zahlungen zu leisten hat (§ 127 Abs. 3 S.1 ZPO); die Beiordnung eines Rechtsanwalts oder die Modifikation derselben können bei dieser eingeschränkten Beschwerdeberechtigung nicht durch die Landeskasse zur Überprüfung gestellt werden.

Ende der Entscheidung

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