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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 26.11.2002
Aktenzeichen: 9 W 134/02
Rechtsgebiete: GKG, KV-GKG


Vorschriften:

GKG § 11 Abs. 1
KV-GKG Nr. 1201
Die Gebühr Nr.1201 KV GKG a. F. ermäßigt sich nicht nach Nr. 1202 c) KV GKG a. F., wenn nur der Klageantrag aber nicht die Widerklage verglichen wird.
9 W 134/02

Beschluss

In dem Rechtsstreit

hat der 9. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die Beschwerde der Klägerin vom 1. Juni 2001 gegen den Beschluss des Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen III des Landgerichts Lübeck vom 28. Mai 2001 durch die Richter Schlüter, Dr. Roth und Merth am 26. November 2002 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen

Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Die Klägerin erstrebt mit der Beschwerde eine Ermäßigung der Gebühr nach Nr. 1202 c) KV GKG a. F. (vgl. jetzt Nr. 1211 c) KV GKG).

Sie hatte Klage auf Zahlung von 20.000.000 DM erhoben, die Beklagte hilfsweise Widerklage auf Zahlung von 2.000.000 DM. In Betreff der Klage haben die Parteien den Rechtsstreit durch einen so genannten "Zwischenvergleich" beigelegt und darin vereinbart: "Die bis zum Abschluss dieses Vergleichs entstandenen Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben. Über die durch die Fortsetzung des Verfahrens 13 O 188/99 wegen des von der Beklagten geltend gemachten Betrages von DM 2 Mio entstehenden Kosten und Gebühren wird in dem Schlussurteil entschieden." Das Landgericht hat die Klägerin rechtskräftig zur Zahlung von 2.000.000 DM verurteilt und zu den Kosten entschieden: "Die Klägerin trägt die Kosten der Widerklage, die sich nach dem Differenzwert von 20.000.000 DM zu 22.000.000 DM richten." Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Landgerichts hat beim Kostenansatz eine Ermäßigung der Gebühr von 3,0 auf 1,0 für die Klage mit der Begründung abgelehnt, dass nicht entsprechend Nr. 1202 c) KV GKG a. F. der gesamte Rechtsstreit durch den Vergleich beendigt sei. Dagegen haben die Parteien Erinnerung eingelegt mit dem Antrag, die nach einem Streitwert von 20.000.000 DM zu bemessende Gerichtsgebühr hinsichtlich der durch den Vergleich erledigten Klage auf eine Gebühr zu ermäßigen. Der Vorsitzende der Kammer für Handelssachen hat die Erinnerungen der Parteien mit dem angefochtenen Beschluss unter Bestätigung der Rechtsauffassung des Urkundsbeamten zurückgewiesen.

Die Klägerin bringt mit ihrer Beschwerde dagegen wesentlich vor, dass nach Sinn und Zweck der Nr. 1202 KV GKG a. F. Klage und Widerklage jeweils für sich das "gesamte Verfahren" darstellten. Das müsse jedenfalls dann gelten, wenn keine Befassung des Gerichts mit dem erledigten Streitgegenstand erforderlich sei. Ansonsten falle der Anreiz zum Abschluss eines Vergleichs weg. Die Vermeidung unnützen Verwaltungsaufwandes könne eine derart große Gebührenungerechtigkeit nicht rechtfertigen. Für diese Sicht spreche auch die Unabhängigkeit von Klage und Widerklage, die jeweils selbständige Prozessrechtsverhältnisse begründeten. Sonst hätten die Parteien eine Gebührenermäßigung nur über eine Rücknahme der Widerklage und Erhebung einer dieser entsprechenden neuen Klage erreichen können. Eine allein am Wortlaut orientierte Auslegung der Nr. 1202 KV GKG a. F. begegne im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG verfassungsrechtlichen Bedenken. Denn von Verfassungs wegen müsse die Verknüpfung zwischen anfallenden Kosten und Gebühren sachgemäß sein. Für die erstrebte Gebührenermäßigung spreche schließlich auch die Kostenentscheidung des landgerichtlichen Urteils.

II.

Die nach § 5 Abs. 2 Satz 1 GKG zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Nach Nr. 1202 c) KV GKG a. F. ermäßigt sich die Gebühr Nr. 1201 KV GKG a. F. von 3,0 auf 1,0 bei Beendigung des gesamten Verfahrens durch Abschluss eines Vergleichs vor Gericht. Daran fehlt es nach dem klaren Wortlaut der Bestimmung, wenn durch den Abschluss eines Vergleichs nur die Klage, nicht die Widerklage beendigt wird. Nur beide zusammen machen das gesamte Verfahren aus. So sind ja auch die Parteien ausdrücklich von einer "Fortsetzung des Verfahrens 13 O 188/99" ausgegangen und haben nur einen "Zwischenvergleich" geschlossen .

Keiner der von der Klägerin genannten Gründe rechtfertigt nach Entstehungsgeschichte, Systematik sowie Sinn und Zweck der Nr. 1202 KV GKG a. F. ein davon abweichendes Verständnis (vgl. gleichfalls eine Gebührenermäßigung verneinend: OLG Stuttgart, MDR 2002, 298 m. w. Nachw. [Rücknahme der Widerklage, Entscheidung über die Klage]; OLG Düsseldorf, JurBüro 2001, 313 [Teilvergleich nach Erlass eines Versäumnisurteils und späterer Klageerweiterung]; OLG Schleswig, OLGR 2001, 482 [Teilversäumnisurteil]; Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., § 33 Rn. 31 m. w. Nachw.; and. Ans. im Fall der Rücknahme einer Widerklage ohne nähere Begründung: Hartmann, Kostengesetze, 31. Aufl., Nr. 1211 KV Rn. 4).

Unrichtig ist, dass beim Abschluss eines Vergleichs eine Befassung des Gerichts mit dem erledigten Streitgegenstand nicht erforderlich sei. Vergleichsverhandlungen kann ein Gericht sinnvoll und verantwortlich nur führen, wenn es sich mit dem Streitgegenstand so befasst hat, dass es auch eine Entscheidung treffen könnte. Die Verknüpfung zwischen den für die Justiz durch die Klage ausgelösten Kosten und den von einem Kläger dafür geschuldeten Gebühren ist damit zweifellos nicht unsachgemäß. Dass Nr. 1202 c) KV GKG a. F. den Anreiz zum Abschluss eines Vergleichs bei Klage und Widerklage auf die Fälle der Beendigung des gesamten Verfahrens beschränkt, ist keine Besonderheit bei Klage und Widerklage. Das ist bei allen anderen von Nr. 1202 KV GKG a. F. erfassten Fällen nicht anders und Folge der Entscheidung des Gesetzgebers. Das Erfordernis der Beendigung des gesamten Verfahrens gilt selbst dann, wenn etwa nach einem Teilvergleich nur noch über die als Nebenforderung geltend gemachten Zinsen durch Urteil entschieden werden muss (vgl. Beschluss des Senats vom 6. Juni 1996; 9 W 94/96; unveröffentlicht).

Klage und Widerklage mögen bezüglich der zwischen den Parteien begründeten Prozessrechtsverhältnisse voneinander unabhängig sein, kostenrechtlich im Verhältnis der Parteien zum Justizfiskus sind sie es nicht. Denn nach § 19 Abs. 1 Satz 1 GKG werden in einer Klage und in einer Widerklage geltend gemachte Ansprüche, die nicht in getrennten Prozessen verhandelt werden, für die Ermittlung des für die Gebühren maßgeblichen Wertes des Streitgegenstandes zusammengerechnet. Dem entspricht, dass nach dem Grundsatz der Einheit der Kostenentscheidung nicht über die Kosten der Klage und der Widerklage gesondert entschieden werden darf, sondern ausgehend von deren zusammengerechneten Werten eine Kostenquote gebildet werden muss. Mit einer - unzulässigen - Abweichung davon würde das mit dem Kostenrechtsänderungsgesetz 1994 verfolgte Ziel des Gesetzgebers, eine deutliche Vereinfachung der Kostenberechnung zu erreichen, gerade verfehlt (vgl. zu diesem Ziel: OLG Stuttgart, a. a. O.; OLG Düsseldorf, a. a. O.). Im übrigen bleibt es den Parteien unbenommen, sich zum Zwecke der Gebührenermäßigung in einem Vergleich auf die Rücknahme einer nicht durch diesen beendigten Klage oder Widerklage und Erhebung einer entsprechenden neuen Klage zu verständigen. Auf diese, nach einem Vergleich der entstehenden Kosten unter Berücksichtigung der Kostendegression mitunter sinnvollen Möglichkeit, hat die Klägerin zu Recht hingewiesen.

Die Kostenentscheidung des landgerichtlichen Urteils ändert an diesem Ergebnis schon deshalb nichts, weil sie nur die durch die Fortsetzung des Verfahrens nach dem Vergleich noch entstehenden Kosten betrifft, nicht die bis dahin bereits entstandenen Kosten. Die Gerichtskosten, deren Ermäßigung die Klägerin mit ihrer Beschwerde erstrebt, waren aber bereits vor Abschluss des Vergleichs entstanden.

Die Nebenentscheidung beruht auf § 5 Abs. 6 GKG.

Ende der Entscheidung

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