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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 07.04.2003
Aktenzeichen: 9 W 37/03
Rechtsgebiete: BRAGO


Vorschriften:

BRAGO § 6 I
Die Anerkennung der Parteifähigkeit der BGB-Gesellschaft rechtfertigt es nicht ohne weiteres, den Mehrvertretungszuschlag gemäß § 6 I BRAGO abzuerkennen. Ob die Mitglieder einer Rechtsanwaltssozietät, diese selbst oder zusammen mit einzelnen Mitgliedern in Anspruch genommen werden sollen, richtet sich nach dem Klagebegehren.
9 W 37/03

Beschluss

In Sachen

hat der 9. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 24.03.2003 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin bei dem Landgericht Kiel vom 18.03.2003 durch den Vorsitzenden als Einzelrichter am 07.04.2003 beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird geändert:

Die von den Klägerinnen als Gesamtschuldner an die Beklagten zu erstattenden Kosten werden anderweit auf 4.820,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 17.02.2003 festgesetzt.

Die Entscheidung ist gerichtsgebührenfrei.

Die Klägerinnen tragen die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Wert von 2.400,00 €.

Gründe:

Die gemäß §§ 11 Abs. 1 RPflG, 104 Abs. 3, 567 Abs. 2, 569 ZPO n.F. zulässige Beschwerde ist begründet.

Die Rechtspflegerin hat die von den Beklagten zur Festsetzung angemeldete Erhöhungsgebühr aus § 6 Abs. 1 BRAGO zu Unrecht mit der Erwägung abgesetzt, die Klage habe sich gegen die Beklagten als die zwischen ihnen bestehende Anwaltssozietät gerichtet; Auftraggeber der Beklagten als Prozessbevollmächtigte sei die BGB-Gesellschaft.

Für diese Betrachtungsweise gibt es keine hinreichend klaren Anhaltspunkte. Dafür könnte allenfalls sprechen, dass sämtliche Beklagten in der Klageschrift ausschließlich mit der Kanzleianschrift angeführt sind und dass vorprozessual eine Beschränkung der zuzustellenden Abschriften abgesprochen war (vgl. Schriftsatz der Klägerinnen vom 06.08.2002). Das allein genügt für die dem angefochtenen Beschluss ersichtlich zugrunde liegende Annahme nicht, die Klägerinnen hätten ausschließlich die Gesellschaft bürgerlichen Rechts als solche im Hinblick auf deren seit dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 29.01.2001 (z.B. NJW 2001, 1056 ff.) anerkannte Rechts- und Parteifähigkeit auf Schadensersatz aus der Verletzung von Anwaltspflichten aus dem früheren Mandatsverhältnis in Anspruch nehmen wollen. Dagegen spricht schon die namentliche Anführung aller Beklagter (statt der zulässigerweise geführten Sozietätsbezeichnung "L. Rechtsanwälte.Notare") und - vor allem - der Klagantrag, nach dem alle Beklagten jeweils als Gesamtschuldner der an die Klägerinnen zu zahlenden Beträge verurteilt werden sollten. Daraus geht hervor, dass den Klägerinnen eventuell nicht einmal die Möglichkeit, von der Sozietät als solcher Ersatz zu verlangen, bewusst gewesen ist; sie haben jedenfalls von der Empfehlung des Bundesgerichtshofs, die BGB-Gesellschaft als solche und daneben die Gesellschafter persönlich zu verklagen (a.a.O. S. 1060), eindeutig keinen Gebrauch gemacht. Auch sonst lässt sich dem Klagevorbringen nichts für die Auffassung entnehmen, die Klägerinnen hätten Schadensersatz nur von der Sozietät begehrt.

In gegen die Mitglieder einer Anwaltssozietät geführten Passivprozessen ist nach der bisherigen Auffassung des Senats (JurBüro 1987, 1719) und der ganz überwiegenden Meinung in der obergerichtlichen Rechtsprechung (z.B. OLG Düsseldorf, MDR 2000, 851 f. m.w.Nachw.) § 6 Abs. 1 BRAGO sowohl bei Vertretung durch Sozietätsmitglieder als auch durch einen außenstehenden Anwalt anwendbar. Der vorwiegend auf Billigkeitserwägungen gestützten Mindermeinung (vgl. Riedel-Sußbauer, BRAGO, 8. Aufl., § 6 Rn. 13) ist durch die genannte BGH-Entscheidung die Grundlage entzogen. Der Mandant hat es seither selbst in der Hand, ob er nur die Sozietät als solche oder zusätzlich oder nur die einzelnen Gesellschafter mit dem Ziel einer Vollstreckung auch in deren Privatvermögen in Anspruch nehmen will. Demgemäß ist die Erstattungsfähigkeit des Mehrvertretungszuschlags im Passivprozess auch in der neueren Rechtsprechung anerkannt (OLG Nürnberg, RPfleger 2001, 514 f.; OLG Saarbrücken, OLGR 2002, 260 f.). Auf die fortbestehenden bzw. neuen Probleme zu Aktivprozessen von Anwaltssozietäten (vgl. BGH, JurBüro 2003, 89 ff. m. Anm. Enders) kommt es nicht an.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO i.V.m. dem Umkehrschluss aus Nr. 1957 KV-GKG.

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