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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 20.12.2001
Aktenzeichen: 1 Sch 13/01
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 1058
ZPO § 1059 Abs. 2 Nr. 1 d)
ZPO § 1055
ZPO § 1056 Abs. 1
ZPO § 1056 Abs. 3
ZPO § 1054 Abs. 2
ZPO § 1059 Abs. 3
ZPO § 1059 Abs. 2 Nr. 1 a) od. c)
ZPO § 1057
ZPO § 1058 Abs. 1
ZPO § 1040 Abs. 2
ZPO § 1031 Abs. 6
ZPO § 91
Ein Berichtigungsschiedsspruch, der eine Änderung im Willen des Schiedsgerichts enthält, ist wegen fehlender Zuständigkeit des Schiedsgerichts aufzuheben. Rechtskräftig
Oberlandesgericht Stuttgart - 1. Zivilsenat - Beschluss

Geschäftsnummer: 1 Sch 13/01

Verkündet am: 20.12.2001

In Sachen

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart unter Mitwirkung von

Vors. Richterin am OLG, Richter am OLG, Richterin am OLG

auf die mündliche Verhandlung vom 13. Dezember 2001

beschlossen:

Tenor:

1. Der Schiedsspruch des Schiedsrichters Rainer R vom 02.05.2001 wird aufgehoben.

2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Aufhebungsverfahrens.

Streitwert und Beschwer des Antragsgegners: 7.251,50 DM

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um die Aufhebung eines Schiedsspruches.

Die Parteien hatten sich zu einer GbR zusammengeschlossen. Nach Unstimmigkeiten schlossen sie am 19.01.1999 einen notariellen Auseinandersetzungsvertrag, nach dem die Schulden der BGB-Gesellschaft hälftig aufgeteilt wurden. Darüber kam es erneut zu einem Streit zwischen den Parteien. Der Antragsgegner verklagte den Antragsteller auf Freistellung von Verbindlichkeiten bei der Volksbank S und der Raiffeisenbank A vor dem Landgericht R. Dort schlossen die Parteien am 21.09.2000 einen Vergleich, nach dem der gemeinsame Steuerberater der Parteien Rainer R bei Streit über die Höhe der zu ermittelnden Ausgleichsforderung für das Konto bei der Volksbank S verbindlich als Schiedsrichter bis 16.10.2000 zu entscheiden hatte.

Die Parteien versuchten zunächst vergeblich, sich zu einigen. Mit Schreiben vom 10.10.2000 bat der Antragsteller den Schiedsrichter um eine Entscheidung. Am 08.01.2001 übersandte der Antragsteller auf Aufforderung des Schiedsrichters weitere Unterlagen, in der Folge auch der Antragsgegner. Mit Schreiben vom 05.02.2001 mahnten die Prozessbevollmächtigten des Antragstellers eine Entscheidung des Schiedsrichters an. Unter dem Datum des 01.03.2001 übersandte Steuerberater R an beide Parteien ein Schreiben, in dem unter Bezugnahme auf den vor dem Landgericht Ravensburg geschlossenen Vergleich entschieden wird, dass der Antragsgegner den Sollsaldo bei der Volksbank S alleine auszugleichen habe. Das Schreiben ist unterschrieben und mit dem Stempel des Steuerberaters versehen.

Die Prozessbevollmächtigten des Antragsgegners wandten sich mit Schreiben vom 06.03.2000 an den Schiedsrichter, erklärten, die Entscheidung sei nicht nachvollziehbar und baten um Darlegung, wie der Schiedsrichter zu diesem Ergebnis komme. Ihrer Ansicht nach seien nur Zahlungen nach dem Auseinandersetzungsvertrag zu berücksichtigen. Auf Bitte des Schiedsrichters um eine nähere Erläuterung des Vergleichs erläuterte der Einzelrichter des LG R Dr. B am 28.03.2001, dass im Klageverfahren zwischen den Parteien immer nur von Ausgleichszahlungen nach Abschluss des Auseinandersetzungsvertrages die Rede gewesen sei. Diese Stellungnahme übersandte der Schiedsrichter am 04.04.2001 den Parteien, gab seine Absicht bekannt, die Entscheidung vom 01.03.2001 dahingehend abzuändern, dass zum Kontoausgleich nur Zahlungen herangezogen würden, die nach Abschluss des Auseinandersetzungsvertrags erfolgt sind, und gab Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 10 Tagen. Am 02.05.2001 übersandte der Schiedsrichter beiden Parteien ein Schreiben, nach dem er die Entscheidung vom 01.03.2001 abänderte und für den Antragsgegner 20.030,06 DM, für den Antragsteller 7.251,50 DM als auszugleichenden Betrag festlegte. Aufgrund der Einwendungen der Prozessbevollmächtigten des Antragsgegners sei die Entscheidung vom 01.03.2001 abzuändern, weil nur Einzahlungen Berücksichtigung finden könnten, die nach Abschluss des Auseinandersetzungsvertrages erfolgt sind.

Der Antragsteller trägt vor, der Schiedsrichter sei an seinen ersten Schiedsspruch gebunden gewesen und habe ihn nicht abändern dürfen.

Er beantragt, den Schiedsspruch des Schiedsrichters Rainer R vom 02.05.2001 aufzuheben.

Der Antragsgegner beantragt, den Antrag zurückzuweisen.

Er trägt vor, der Schiedsrichter habe den Schiedsspruch wegen eines offensichtlichen Fehlers nach § 1058 ZPO berichtigen dürfen.

II.

Der Aufhebungsantrag hat Erfolg. Nach § 1059 Abs. 2 Nr. 1 d) ZPO ist der Schiedsspruch aufzuheben, wenn das schiedsrichterliche Verfahren einer Bestimmung des 10. Buches der ZPO oder einer zulässigen Vereinbarung der Parteien nicht entsprochen hat und anzunehmen ist, dass sich dies auf den Schiedsspruch ausgewirkt hat. Vereinbarungen über die Ausgestaltung des Schiedsverfahrens haben die Parteien nicht getroffen. Der Schiedsspruch vom 02.05.2001 entspricht nicht den Bestimmungen des 10. Buches der ZPO und durfte damit nicht erlassen werden. Nach § 1055 ZPO hatte der Schiedsspruch vom 01.03.2001 die Wirkungen eines rechtskräftigen Urteils, das schiedsrichterliche Verfahren war damit nach § 1056 Abs. 1 ZPO beendet. Damit endete nach § 1056 Abs. 3 ZPO auch das Amt des Schiedsgerichts. Der Berichtigungsschiedsspruch, der eine Änderung im Willen des Schiedsgerichts enthält, ist wegen fehlender Zuständigkeit des Schiedsgerichts nach § 1059 Abs. 2 Nr. 1 d) ZPO aufzuheben (Schwab-Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 6. Aufl., Kapitel 21 Rn. 14; Münchner Kommentar-Münch, ZPO, 2. Aufl. § 1058 ZPO Rn. 3).

1. Nach § 1056 Abs. 1 ZPO wird das Schiedsverfahren mit dem endgültigen Schiedsspruch beendet. Der Schiedsspruch vom 01.03.2001 war ein endgültiger Schiedsspruch. Das Schreiben des Schiedsrichters vom 01.03.2001 ist eindeutig als Entscheidung bezeichnet und lässt an keiner Stelle erkennen, dass nur eine vorläufige oder teilweise Entscheidung vorliegt. Er ist zwar entgegen § 1054 Abs. 2 ZPO nicht begründet. Das Fehlen einer Begründung macht den Schiedsspruch nicht unwirksam oder nichtig, sondern gibt nur einen Aufhebungsgrund nach § 1059 Abs. 2 Nr. 1 d ZPO (Zöller-Geimer § 1059 Rn. 43 und 45; BTDrs 13/5274 S. 60). Eine Aufhebung des Schiedsspruchs vom 01.03.2001 wurde innerhalb der Frist von drei Monaten nach § 1059 Abs. 3 ZPO nicht beantragt. Der Schiedsspruch war auch nicht nichtig. So wie es nichtige Urteile gibt, sind auch nichtige Schiedssprüche denkbar, die von vorneherein keine Wirkung entfalten. Nichtig sind Urteile, wenn die Gerichtsbarkeit fehlte, eine gesetz- oder sittenwidrige oder dem Recht unbekannte Rechtsfolge ausgesprochen wird oder außerhalb eines Prozessrechtsverhältnisses entschieden wird. Auch eine Entscheidung durch den Schiedsrichter nach Zeitablauf und damit außerhalb der Grenzen der Schiedsvereinbarung führte nur zur Aufhebung nach § 1059 Abs. 2 Nr. 1 a) oder c) (Schwab-Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 6. Aufl., Kapitel 24 Rn. 16). Auch das Fehlen der nach § 1057 ZPO erforderlichen Kostenentscheidung führte nicht zur Nichtigkeit, sondern nur zu einer Ergänzungspflicht (Münchner Kommentar-Münch, ZPO, 2. Aufl. § 1058 ZPO Rn. 7).

2. Der Schiedsspruch vom 02.05.2001 ist nicht nur eine Berichtigung des Schiedsspruches vom 01.03.2001. Eine Berichtigung ist nach § 1058 Abs. 1 ZPO bei Rechen-, Schreib- und Druckfehlern oder Fehlern ähnlicher Art möglich. Die Änderung im zweiten Schiedsspruch ist keine Angleichung des im ersten Schiedsspruch Niedergeschriebenen an das Gewollte, sondern eine Änderung im Willen. Damit ist sie keine Berichtigung mehr (Schwab-Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 6. Aufl., Kapitel 21 Rn. 14).

3. Eine neue Schiedsvereinbarung für ein zweites Schiedsverfahren liegt nicht vor. Eine ausdrückliche Vereinbarung ist nicht getroffen. Auch durch rügelose Einlassung des Antragstellers auf das zweite Schiedsverfahren ist keine neues Schiedsverfahren ermöglicht worden. Durch rügeloses Einlassen auf ein Verfahren kann das Schiedsgericht auch ohne schriftliche Schiedsvereinbarung zuständig werden, §§ 1040 Abs. 2, 1031 Abs. 6 ZPO (Schwab-Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 6. Aufl., Kapitel 24 Rn. 7). Die materielle Rechtskraft des alten Schiedsspruches vom 01.03.2001 können die Parteien durch Vereinbarung, die in der Fortsetzung des alten Verfahrens konkludent gesehen werden könnte, beseitigen (Zöller-Geimer § 1055 Rn. 9; BayObLG MDR 1984, 496; a.A. Schwab-Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 6. Aufl., Kapitel 21 Rn. 7). Der Antragsteller hat sich aber am zweiten Schiedsverfahren überhaupt nicht beteiligt und sich damit auch nicht rügelos darauf eingelassen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Ende der Entscheidung

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