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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 04.06.2002
Aktenzeichen: 1 Sch 22/01
Rechtsgebiete: ZPO, EGZPO, GKG


Vorschriften:

ZPO § 91
ZPO § 91 a
ZPO § 574 Abs. 1 Nr. 1 n.F.
ZPO § 1043 Abs. 1
ZPO § 1054 Abs. 1
ZPO § 1054 Abs. 3
ZPO § 1055
ZPO § 1056 Abs. 1
ZPO § 1057
ZPO § 1057 Abs. 2
ZPO § 1059 Abs. 1 Nr. 2 d)
ZPO § 1059 Abs. 2
ZPO § 1059 Abs. 3
ZPO § 1060 Abs. 2
ZPO § 1064 Abs. 2
ZPO § 1065 Abs. 1
EGZPO § 26 Nr. 10
GKG § 19 Abs. 1 Satz 1
GKG § 19 Abs. 1 Satz 3
1. Das Fehlen der Angabe des Ortes des schiedsrichterlichen Verfahrens macht einen Schiedsspruch nicht unwirksam.

2. Das Schiedsgericht darf einen Ergänzungsschiedsspruch zur Kostenerstattung erlassen, auch wenn über die Aufhebung des vorangegangenen Schiedsspruches, der die Kostengrundentscheidung enthält, noch nicht rechtskräftig entschieden ist.

3. Der Schiedsspruch, der die Kostengrundentscheidung enthält, ist im Verfahren über die Vollstreckbarerklärung des Ergänzungsschiedsspruchs, der die Kosten festsetzt, nicht nochmals zu überprüfen.


Oberlandesgericht Stuttgart - 1. Zivilsenat - Beschluß

Geschäftsnummer: 1 Sch 22/01

Verkündet am: 4. Juni 2002

In Sachen

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart unter Mitwirkung

der Vorsitzenden Richterin am OLG Rabbow-Geiß des Richters am OLG Dr. Drescher und der Richterin am OLG Wiggenhauser

auf die mündliche Verhandlung vom 28. Mai 2002

beschlossen:

Tenor:

I. Der von dem Schiedsgericht unter Mitwirkung von Vors. Richter am OLG Dr. E als Obmann, Rechtsanwalt Dr. T und Rechtsanwalt Dr. K als Beisitzer erlassene Schluss-Schiedsspruch vom 11.09.2001:

1. Die Schiedsklägerin wird verurteilt, an die Schiedsbeklagte DM 23.283,62 sowie SAR 9.800 zu bezahlen,

2. Der weitergehende Antrag der Schiedsbeklagten auf Kostenfestsetzung wird zurückgewiesen, wird für vollstreckbar erklärt.

II. Die Schiedsklägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Der Beschluss ist vorläufig vollstreckbar.

Streitwert: 14.941,51 €

Gründe:

Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung hat Erfolg.

I.

Die Parteien streiten um einen Schiedsspruch, in dem die Antragstellerin verpflichtet wurde, der Antragsgegnerin Kosten eines Schiedsverfahrens zu erstatten.

Die Parteien haben 1989 einen Beratervertrag und 1997 einen Vertrag über die Lieferung eines Panels geschlossen. Darüber kam es zu Streitigkeiten zwischen den Parteien. Sie vereinbarten am 08.03.2000 unter anderem, dass über die Ansprüche der Schiedsklägerin aus dem Beratervertrag in einem Schiedsverfahren in Deutschland entschieden wird. Diese Vereinbarung wurde am 15.05.2000 von der Antragsgegnerin angefochten.

Die Antragstellerin rief das Schiedsgericht an. Die Antragsgegnerin rügte die Zuständigkeit des Schiedsgerichts, das sich durch Teil-Prozess-Schiedsspruch vom 15.11.2000, berichtigt mit Beschluss vom 14.03.2001, für unzuständig erklärte und die Kosten des Schiedsverfahrens der Schiedsklägerin auferlegte. Den Antrag der Antragstellerin, diesen Schiedsspruch aufzuheben, wies der Senat am 12.07.2001 zurück (OLG Stuttgart 1 Sch 1/01). Über die Rechtsbeschwerde gegen diesen Beschluss ist noch nicht entschieden (BGH III ZB 44/01).

Auf Antrag der Antragsgegnerin erließ das Schiedsgericht am 11.09.2001 einen Schluss-Schiedsspruch, in dem die Antragstellerin verurteilt wurde, an die Antragsgegnerin 23.283,62 DM sowie 9.800,00 SAR zu zahlen.

Die Antragstellerin trägt vor, das Schiedsgericht habe sich nicht für unzuständig erklären dürfen, sondern habe das Verfahren bis zum Erlass einer Sachentscheidung fortsetzten müssen. Eine Kostengrundentscheidung habe nicht ergehen dürfen, folglich auch keine darauf beruhende Kostenfestsetzung. Wenn das Schiedsgericht wegen Wegfalls der Schiedsvereinbarung wirklich unzuständig gewesen wäre, hätte es auch nicht über die Kosten entscheiden dürfen, sondern nur seine Unzuständigkeit feststellen dürfen. Der Schluss-Schiedsspruch sei auch nach § 1059 Abs. 1 Nr. 2 d) ZPO aufzuheben, weil die Zuständigkeit des Schiedsgerichts zum Erlass einer Kostenentscheidung nicht begründet sei. Die Voraussetzungen des § 1057 ZPO für eine Kostenfestsetzung lägen nicht vor, weil die Kosten des schiedsrichterlichen Verfahrens noch nicht feststünden. Die Kostenfestsetzung setzte einen endgültigen Schiedsspruch voraus, der keiner Nachprüfung durch staatliche Gerichte mehr unterliege. Das Verfahren vor dem BGH sei noch nicht beendet.

Den von der Antragstellerin gestellten Aufhebungsantrag hinsichtlich des Schluss-Schiedsspruchs haben die Parteien übreinstimmend für erledigt erklärt.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den am 11.09.2001 durch das Schiedsgericht unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. E als Obmann sowie den Rechtsanwälten Dr. T und Dr. K als Beisitzer erlassenen Schiedsspruch für vollstreckbar zu erklären.

Sie trägt vor, die Antragstellerin wende sich ausschließlich gegen die Kostengrundentscheidung des Schiedsspruchs vom 15.11.2000. Sie habe nicht geltend gemacht, dass jener Schiedsspruch wegen fehlender Zuständigkeit zum Erlass der Kostenentscheidung rechtswidrig sei. Die Frist zur Aufhebung sei abgelaufen. Der neue Schiedsspruch über die Kostenfestsetzung begründe keine neue Anfechtungsmöglichkeit. Die geltend gemachten Aufhebungsgründe lägen nicht vor. Beide Parteien hätten im übrigen vor dem Schiedsgericht eine Kostenentscheidung beantragt und seien damit zumindest konkludent auch mit einer Kostenentscheidung des unzuständigen Schiedsgerichts einverstanden. Eine ausführliche Begründung der Kostenentscheidung werde in der Zivilprozessordnung nicht verlangt.

Die Antragstellerin beantragt, den Antrag auf Vollstreckbarerklärung abzuweisen.

Sie trägt vor, die dargelegten Aufhebungsgründe müssten zur Abweisung des Antrags auf Vollstreckbarerklärung führen.

II.

1. Der Antrag auf Vollstreckbarklärung ist begründet.

a) Er ist zulässig. Dass bereits die Aufhebung beantragt war, hinderte den weitergehenden Antrag auf Vollstreckbarerklärung nicht und nimmt ihm nicht das Rechtsschutzbedürfnis.

b) Der Antrag ist begründet.

Mit dem Schluss-Schiedsspruch vom 11.09.2001 liegt ein Schiedsspruch vor, der den Vorschriften des § 1054 Abs. 1 ZPO entspricht. Das Fehlen der nach § 1054 Abs. 3 ZPO vorgeschriebenen Ortsangabe ist unschädlich, weil unstreitig ein inländischer Schiedsspruch vorliegt und die Auslegung im Zusammenhang mit dem vorangegangenen Schiedsspruch vom 15.11.2000 als Schiedsort nach § 1043 Abs. 1 ZPO Stuttgart ergibt. Das Fehlen der Ortsangabe macht einen Schiedsspruch nicht unwirksam (Musielak-Voit, ZPO 3. Aufl. § 1054 Rn. 7; Zöller-Geimer ZPO 23. Aufl. § 1054 Rn. 9 und 10), jedenfalls wenn wie hier durch Auslegung der Schiedsort festgestellt werden kann (so wohl auch Münchner Kommentar-Münch ZPO 2. Aufl. § 1054 Rn. 22).

Aufhebungsgründe nach § 1059 Abs. 2 ZPO bestehen nicht.

A) Die Wirksamkeit des Schiedsspruchs vom 15.11.2000 ist im Verfahren zur Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs vom 11.09.2001 nicht mehr zu überprüfen. Bei der Kostenfestsetzung ist die Kostengrundentscheidung im Festsetzungsverfahren unkorrigierbar bindend (Zöller-Herget, ZPO § 23. Aufl. § 104 ZPO Rn. 21 "Bindung" m.w.N.). Das muss auch für das Verhältnis des schiedsrichterlichen Urteils und der schiedsrichterlichen Kostenfestsetzung gelten, weil sonst Aufhebungsgründe gegen ein schiedsrichterliches Urteil trotz Ablauf der Frist nach § 1059 Abs. 3 ZPO im Verfahren gegen die schiedsrichterliche Kostenfestsetzung geltend gemacht werden könnten. Zwar steht nicht fest, dass das Schiedsurteil vom 15.11.2000 bestehen bleibt. Der Aufhebungsantrag ist aber zurückgewiesen worden, so dass es nach wie vor existent ist und nach § 1055 ZPO die Wirkungen eines bindenden Urteils zwischen den Parteien entfaltet. Sonst entstünden auch Schwierigkeiten, wenn das Schiedsurteil vom 15.11.2000 im Rechtsbeschwerdeverfahren bestätigt würde, der Senat jetzt aber die Kostengrundentscheidung aber für anfechtbar hielte. Wenn der Senat von der Wirksamkeit der Kostengrundentscheidung ausgeht, sie aber aufgehoben wird, entstehen diese Schwierigkeiten nicht, weil dann eine Voraussetzung für die Kostenfestsetzung entfiele und damit wie bei abgeänderten Urteilen (Zöller-Herget ZPO § 23. Aufl. § 104 Rn. 21 Stichwort "Wegfall des Titels") die Kostenfestsetzung ihre Wirkung verliert. Im Verhältnis des Schiedsurteils mit der Kostengrundentscheidung zum Schiedsurteil mit der Kostenfestsetzung gilt dieser allgemeine Grundsatz ebenfalls (Münchner Kommentar-Münch ZPO 2. Aufl. § 1057 Rn. 14). Bei einer Aufhebung des Schiedsspruches mit der Kostengrundentscheidung muss dann auch die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruches mit der Kostenfestsetzung ihre Wirkung verlieren.

B) Wenn entgegen der Auffassung des Senats die Kostengrundentscheidung im Schiedsspruch vom 15.11.2000 zu überprüfen wäre, wäre von ihrer Wirksamkeit auszugehen. Der Schiedsspruch vom 15.11.2000 ist nicht aufzuheben (siehe Beschluss vom 12.07.2001 OLG Stuttgart 1 Sch 1/01) und enthält zu recht einen Kostenausspruch. § 1057 ZPO hat ausdrücklich eine Verpflichtung des Schiedsgerichts zum Erlass einer Kostenentscheidung normiert. Im Gegensatz zum alten Recht, das eine solche Vorschrift nicht kannte und sich mit einer konkludenten Einigung der Parteien zu einer Kostenentscheidung durch das unzuständige Schiedsgericht behelfen musste (BGH NJW 1973, 191), ist danach auch das unzuständige Schiedsgericht zu einer Kostenentscheidung verpflichtet (Münchner Kommentar-Münch § 1057 Rn. 11; Raeschke-Kessler/Berger, Recht und Praxis des Schiedsgerichtsverfahrens, 1999, Rn. 890; unklar Zöller-Geimer § 1057 Rn. 2 a.E.; a.A. Thomas in Thomas-Putzo 24. Aufl. § 1057 Rn. 9 und widersprüchlich in § 1040 Rn. 9; Schwab-Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kapitel 33 Rn. 4; Musielak-Voit, ZPO 3. Aufl. § 1057 Rn. 2). Nach dem früheren Recht fehlte es an der Kompetenz des unzuständigen Schiedsgerichts für die Kostenentscheidung, wenn sich die Parteien einer Entscheidung durch ein unzuständiges Schiedsgericht gerade nicht unterworfen hatten. Das Gesetz sieht die Entscheidung in § 1057 ZPO aber jetzt vorbehaltlich einer anderen Vereinbarung der Parteien für jedes Schiedsgericht vor. Wenn wie hier die Vorschriften der deutschen Zivilprozessordnung auf das Schiedsverfahren anwendbar sind, verleiht das Gesetz in § 1057 ZPO auch dem unzuständigen Schiedsgericht die Kompetenz zu einer Kostenentscheidung.

C) Der Ergänzungsschiedsspruch durfte ergehen, obwohl über die Aufhebung des ursprünglichen Schiedsspruch noch nicht rechtskräftig entschieden ist. § 1057 Abs. 2 ZPO sieht die Entscheidung über die Höhe der Kosten nach Beendigung des schiedsrichterlichen Verfahrens vor. Sie kann sogar im ursprünglichen Schiedsurteil erfolgen, wenn die Höhe feststeht. Die Vollstreckbarerklärung oder gar die Rechtskraft der Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruches sind nicht Voraussetzung der kostenfestsetzungsähnlichen Entscheidung. Dass § 1056 Abs. 1 ZPO die Beendigung des schiedsrichterlichen Verfahrens erst mit dem "endgültigen" Schiedsspruch vorsieht, bedeutet nicht, dass das schiedsrichterliche Verfahren erst mit der Überprüfung durch ein staatliches Gericht oder ab dem Zeitpunkt, zu dem diese Überprüfung nicht mehr möglich ist, beendet ist und erst dann eine Kostenfeststellung möglich ist. § 1056 Abs. 1 ZPO grenzt vom "endgültigen" Schiedsspruch den Teilschiedsspruch ab.

D) Der Ergänzungsschiedsspruch ist nicht aufgrund fehlender Begründung aufzuheben. Er enthält eine Begründung. Ob diese ausführlich oder richtig ist, ist nicht zu überprüfen.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO und hinsichtlich des übereinstimmend für erledigt erklärten Aufhebungsantrags auf § 91 a ZPO. Der Aufhebungsantrag war nicht begründet, so dass die Antragstellerin insoweit die Kosten zu tragen hat. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 1064 Abs. 2 ZPO. Einer Entscheidung über die Zulassung der Rechtsbeschwerde bedarf es nicht, §§ 1065 Abs. 1, 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO n.F. Auf Beschwerden gegen Entscheidungen nach dem 31.12.2001 findet nach § 26 Nr. 10 EGZPO neues Recht Anwendung. Bei der Bemessung des Streitwerts wurden der Wert des Aufhebungsantrags und des Antrags auf Vollstreckbarerklärung entsprechend § 19 Abs. 1 Satz 1 und 3 GKG nicht addiert, weil die Anträge denselben Gegenstand betreffen. Im Vollstreckbarerklärungsverfahren muss der Schiedsspruch aufgehoben werden, wenn Aufhebungsgründe vorliegen, § 1060 Abs. 2 ZPO. Das Verhältnis von Aufhebungsantrag und Antrag auf Vollstreckbarerklärung entspricht damit dem Verhältnis von negativer Feststellungsklage und Leistungswiderklage (Münchner Kommentar-Münch ZPO 2. Aufl. § 1059 Rn. 41).

Ende der Entscheidung

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