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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 30.07.2002
Aktenzeichen: 1 U 13/02
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 823
BGB § 276
BGB § 249
1. Der Hausarzt muss einen Patienten, bei dem nach einer Operation der Verdacht auf ein Liquorunterdurcksyndrom mit Kopfschmerzen nach einer Spinalanästhesie besteht, zur Behandlung an einen Anästhesisten überweisen.

2. Eine solche Überweisung muss dokumentiert werden.


1 U 13/02

Oberlandesgericht Stuttgart

- 1. Zivilsenat -

Im Namen des Volkes

Urteil

In Sachen

Verkündet am: 30. Juli 2002

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart auf die mündliche Verhandlung vom 9. Juli 2002 unter Mitwirkung

der Vors. Richterin am OLG Rabbow-Geiß, der Richterin am OLG Wiggenhauser, des Richters am OLG Haag

für Recht erkannt:

Tenor:

I.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Ulm vom 20.12.2001 (6 O 154/00) wird zurückgewiesen.

II.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung der Beklagten wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 8.650,- € abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 40.018,51 €

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt mit der vorliegenden Klage von der Beklagten im Wege der Leistungs- und Feststellungsklage materiellen und immateriellen Schadensersatz mit der Behauptung, sie sei von der Beklagten nach einer Varicosisoperation am linken Bein am 24. Juni 1997 in der Phlebologischen Klinik des Kreiskrankenhauses L fehlerhaft behandelt worden. Leitende Ärzte dieser Klinik sind die Beklagte sowie die Dres. M und D, mit denen die Beklagte in D eine Gemeinschaftspraxis betreibt.

Die am 3.12.1955 geborene Klägerin, von Beruf Krankenschwester, hatte sich schon am 6. Juni 1997 einer Varicosisoperation am rechten Bein in derselben Klinik unterzogen. Die Eingriffe sind jeweils in Spinalanästhesie bei kurzer stationärer postoperativer Überwachung in dem genannten Krankenhaus durchgeführt worden. Die anästhesiologische Betreuung erfolgte durch Dr. M, den früheren Beklagten Ziffer 1, Chefarzt der Anästhesieabteilung des Kreiskrankenhauses L.

Der Behandlungsdokumentation ist zu entnehmen, dass die Klägerin bei der Visite am Abend des 24.6.1997 subjektiv beschwerdefrei war und am 25. Juni 1997 vor der noch an diesem Tage erfolgten Entlassung gegenüber dem sie untersuchenden Dr. D Kreuzschmerzen und eine lokale Schwellung an der Einstichstelle der Spinalanästhesie angab. Ansonsten ist in der Behandlungskarte ein beschwerdefreier Zustand festgehalten. Der von Dr. D zugezogene frühere Beklagte Ziffer 1 wies darauf hin, dass die Schmerzen sich geben würden. Der Klägerin wurde gegen die Schmerzen Diclofenac verordnet.

Die Klägerin stellte sich am 26.6.1997 erstmals der Beklagten in deren Praxis vor. Diese vermerkte in den Behandlungsunterlagen lediglich "gut"; im Übrigen wurde die Lymphdrainage ("HV") an beiden Beinen, die Anlegung von Antithrombosestrümpfen und die Auflage eines Pflasters am linken Bein nach einem Verbandswechsel festgehalten.

Anlässlich eines Besuchs bei ihrem Hausarzt Dr. R am 30.6.1997 gab die Klägerin u.a. nächtliche Rückenbeschwerden und Kreislaufprobleme an.

Bei dem auf 1.7.1997 vereinbarten Wiedervorstellungstermin notierte die Beklagte nach dem Vermerk über eine wiederholte beiderseitige Lymphdrainage die erneute Anlegung von Antithrombosestrümpfen und die Ziehung der Fäden, dass die "Patientin noch Kreislaufprobleme + Cephalgien vom Spinale her" habe. Die Beklagte telefonierte deshalb mit dem früheren Beklagten Ziffer 1. Die Mitteilung an die Klägerin nach diesem Gespräch ist streitig.

Am 8.7.1997 veranlasste die Beklagte nach einer erneuten Vorstellung der Klägerin und weiterhin geklagter "Cephalgien bis zur Nasenwurzel, Kreislaufprobleme und Gleichgewichtsstörungen" eine neurologische Abklärung durch den Neurologen Dr. L, die noch am selben Tage stattfand. Dr. L diagnostizierte cervicogene Kopfschmerzen und Schwindelbeschwerden; ein Liquorunterdrucksyndrom sei abgeklungen und maskiere möglicherweise das Beschwerdebild noch etwas.

Eine von Dr. L in die Wege geleitete und beim Radiologen Dr. P durchgeführte Kernspintomographie des Schädels vom 11.7.1997 ergab "ein sehr eng gestelltes, supratentorielles Ventrikelsystem, praktisch einen Ventrikelkollaps". Der Radiologe empfahl eine Lecksuche bzw. -qualifizierung durch Liquorszintigraphie. Dr. L blieb nach Kenntnisnahme von diesem Befund und auf Grund einer erneuten Vorstellung der Klägerin bei ihm am 11.7.1997 bei der Diagnose "vertebragener Kopfschmerzen und Schwindelbeschwerden, die ursprünglich durch ein Liquorunterdrucksyndrom maskiert wurden."

Am 17.7.1997 begab sich die Klägerin aus eigenem Entschluss zu dem ihr von dritter Seite empfohlenen Prof. Dr. M in die Fachklinik für Neurologie D. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass es sich um ein "immer noch typisches, leider sehr protrahiertes Liquorunterdrucksyndrom" handle; vermutlich sei es bei der letzten Spinalanästhesie zu mehreren Duraperforationen gekommen mit kontinuierlichem Liquorverlust über einen längeren Zeitraum hinweg. Den Kernspin-Befund vom 11.7.1997 stufte Prof. Dr. M als "möglicherweise normal" ein. Ausgehend von einer von ihm erkannten deutlichen Besserung des Zustandes der Klägerin empfahl er eine erneute Liquorpunktion erst für einen Zeitpunkt nach Ablauf weiterer 6 Wochen bei Beschwerdepersistenz oder Zunahme der Kopfschmerzen. Zur Versorgung mit einem Blutpflaster verwies er die Klägerin an den Anästhesisten.

Die Klägerin stellte sich am 23.7.1997 bei Dr. Me in der Anästhesieabteilung des KKH L vor. Der Behandlungsdokumentation des Dr. Me ist zu entnehmen, dass die Klägerin dort über einen eine Woche nach der Operation aufgetretenen Schüttelfrost und danach fortwährend andauernden Schwindel berichtete, der ihr es nicht ermögliche zu arbeiten. Dr. Me legte am 28.7.1997 ein Eigenblutpflaster ( "blood patch" ) an, jedoch ohne durchgreifenden Erfolg. Die Klägerin klagte am 29.7.1997 über ein "sich rhythmisch immer wieder zusammenziehendes Gehirn, von links nach rechts". Über Schwindelattacken, Gleichgewichtsstörungen und einen Druck im Kopf berichtete die Klägerin am 1.8.1997 gegenüber ihrem Hausarzt Dr. R.

Ein während eines stationären Aufenthaltes in der Fachklinik für Neurologie D vom 5.8. - 4.9.1997 angefertigtes weiteres Kernspintomogramm ergab einen "unveränderten, trotz schmal konfigurierten Ventrikelsystems altersentsprechenden unauffälligen Befund".

Zu neurologisch unauffälligen Befunden führten auch eine weitere Untersuchung in D am 23.9.1997 und Untersuchungen am 11.11.1997 im Bezirkskrankenhaus Günzburg.

Der Neurologe Dr. W kam nach einer Kernspintomographie der Lendenwirbelsäule am 7.11.1997 zum Ergebnis, dass "man die Beschwerden nicht auf ein Unterdrucksyndrom zurückführen sollte".

Eine Schmerztherapie von April 1998 bis Juni 2000 bei Prof. Dr. S in der Universitätsklinik U brachte trotz eines weiteren lumbalperiduralen Blutpflasters und eines stationären Aufenthaltes vom 13.3. - 28.3.2000 keinen Erfolg. Prof. Dr. S diagnostizierte einen Kopfschmerz vom Spannungstyp.

Die Klägerin hat der Beklagten vorgeworfen,

sie sei ihren postoperativen Behandlungspflichten nicht nachgekommen, weil sie ungeachtet der von Anfang an und anlässlich ambulanter Untersuchungen geklagten Beschwerden die Klägerin nicht ernst genommen und es versäumt habe, sofortige Bettruhe und darüber hinaus gebotene Maßnahmen wie erhöhte Flüssigkeitszufuhr zu verordnen. Bereits unmittelbar nach der Operation am 24.6.1997 seien Beschwerden in Gestalt von Rücken- und Kopfschmerzen sowie außerdem Schwindelgefühle aufgetreten. Davon habe sie der Beklagten am 26.6.1997 berichtet. Sie habe außerdem auf eine Entzündung im Bereich der Einstichstelle für die Spinalanästhesie hingewiesen. Die Beklagte habe 2 Tabletten Prioxin Merc (20mg) verabreicht und die Auffassung vertreten, es handle sich bei den Kreislaufbeschwerden um übliche Nebenwirkungen der Spinalanästhesie. Die Schmerzsymptomatik habe sich verschlechtert. Am 26.6.1997 sei bei ihr gegen 22.30 Uhr Schüttelfrost aufgetreten, vermehrter Kopfdruck und ein verstärktes Schwächegefühl sowie Kribbeln in beiden Beinen. Davon habe sie bei der Untersuchung am 1.7.1997 berichtet. Die Beklagte habe mit dem früheren Beklagten Ziffer 1 telefoniert und ihr daraufhin erklärt, nach Auffassung des früheren Beklagten Ziffer 1 handle es sich um einen Bluterguss im Wirbelkörper, der noch nicht vollständig absorbiert sei. Am 8.7.1997 habe sie auf eine unveränderte, eher verschlimmerte Situation hingewiesen, worauf hin die Beklagte dann die neurologische Abklärung durch Dr. L veranlasst habe.

Die postoperativ bei ihr aufgetretenen Symptome eines Liquorverlustes seien nicht rechtzeitig erkannt und behandelt worden. Zu einer richtigen Therapie hätte strengste Bettruhe verordnet werden müssen. Parallel dazu hätte eine erhöhte orale und intravenöse Flüssigkeitszufuhr erfolgen müssen. Der Versuch, das Duraleck mit einem Blutpflaster zu verschließen, sei verspätet erfolgt und die Verselbständigung und Chronifizierung der Schmerzen habe im weiteren nicht mehr verhindert werden können. Hätte bereits am 25.6.1997 eine umfassende Diagnostik stattgefunden, hätte das Duraleck festgestellt und verschlossen werden können. Anstelle der Empfehlung, einen Neurologen aufzusuchen, hätte die sofortige Einweisung in eine stationäre Behandlung veranlasst werden müssen.

Die Klägerin hat Ersatz materieller Schäden in Höhe von insgesamt (13.269,40 DM = ) 6.784,54 € für angefallene Fahrtkosten, Telefonkosten, Heilbehandlungs- und Medikamentenzuzahlungen sowie für einen Erwerbsausfall- und Haushaltsführungsschaden verlangt. Insoweit wird auf die Zusammenstellung in der Klageschrift ( Blatt 15- 20 d. A. ) Bezug genommen.

Die Klägerin hat ein Schmerzensgeld in Höhe von ( 60.000,- DM = ) 30.677,51 € für angemessen erachtet und zur Begründung auf die permanenten, chronifizierten Kopfschmerzen, Rückenschmerzen und Schwindelattacken sowie auf die Entwicklung einer sekundären Depression verwiesen. Die Schmerzen seien regelrecht zermürbend. Die Klägerin habe praktisch keine Perspektive mehr in Bezug auf eine positive Entwicklung.

Die Klägerin hat mit der im ersten Rechtszug noch zusätzlich gegen den früheren Beklagten Ziffer 1 geführten Klage beantragt:

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin wegen der ärztlichen Behandlung ab dem 6.6.1997

a) für bisherige materielle Schäden 13.269,40 DM sowie

b) ein angemessenes Schmerzensgeld und 4 % Zinsen aus dem insgesamt zuzusprechenden Betrag ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin alle künftigen materiellen und derzeit nicht absehbaren immateriellen, auf die Behandlung ab dem 6.6.1997 zurückzuführenden Schäden zu ersetzen, soweit Ersatzansprüche nicht auf Träger der öffentlichen Sozialversicherung und/oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Behandlungsfehler hat sie bestritten. Sie sei erstmals von der Klägerin am 1.7.1997 auf Kreislaufprobleme und Kopfschmerzen hingewiesen worden. Sie habe sich daraufhin in Anwesenheit der Klägerin mit dem früheren Beklagten Ziffer 1 telefonisch in Verbindung gesetzt und ihn unterrichtet. Sie habe der Klägerin erklärt, sie möge den früheren Beklagten Ziffer 1 aufsuchen. Die am 8.7.1997 erneut vorgebrachten Beschwerden hätten sie veranlasst, die Klägerin sofort an den zuständigen Arzt, nämlich einen Neurologen, zu überweisen. Ein etwaiger Behandlungsfehler sei im Übrigen nicht die Ursache für die von der Klägerin geklagten Folgen.

Das Landgericht hat u.a. zu den behaupteten Behandlungsfehlern Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens, das Prof. Dr. Dr. D schriftlich vorlegte ( vgl. Blatt 139/161 d.A. ) und im Termin vor dem Landgericht am 28.11.2001 mündlich erläuterte und ergänzte (vgl. Blatt 196/205 d.A.).

Mit Urteil vom 20.12.2001 hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Das Landgericht hat es als behandlungsfehlerhaft gewertet, dass die Beklagte die Klägerin nicht schon am 1.7.1997 an den früheren Beklagten Ziffer 1 als behandelnden Anästhesisten überwiesen hat. Es hat jedoch nicht festzustellen vermocht, dass die dadurch bewirkte Verzögerung bis zur Vorstellung beim Neurologen Dr. L am 8.7.1997 ursächlich geworden sei für das Kopfschmerzsyndrom, an welchem die Klägerin seit Juli 1997 in wechselnder Ausprägung leide.

Gegen dieses ihr am 2.1.2002 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 28.1.2002 Berufung eingelegt, die sie am 26.4.2002 nach entsprechender Verlängerung begründet hat.

Sie trägt nun vor,

schon die am 25.6.1997 von Dr. D festgestellte lokale Schwellung an der Einstichstelle und die ihm gegenüber geklagten Kreuzschmerzen hätten Veranlassung geben müssen, einen eventuellen Liquorverlust abzuklären.

Sie habe der Beklagten schon am 26.6.1997 Kopfschmerzen, Schwindelgefühle, Gleichgewichtsstörungen und stechende Schmerzen im LWS-bereich geschildert.

Sie habe die Beklagte auch am 1.7.1997 über den am Abend des 26.6.1997 aufgetretenen Schüttelfrost, das Schwächegefühl und den enormen Kopfdruck informiert. Die Beklagte habe sie nur nach Hause geschickt mit dem Hinweis, sich bei Fortdauer der Beschwerden wieder vorzustellen.

Die von ihr berichteten Beschwerden seien typisch für einen spinalen Kopfschmerz und hätten zwingend den Verdacht auf einen fortbestehenden Liquorverlust aufkommen lassen müssen, sodass die unterbliebene Vorstellung bei einem Anästhesisten als ein grober Behandlungsfehler angesehen werden müsse. Bei einer rechtzeitigen Diagnose und Therapie wäre ein Blutpflaster früher gesetzt worden, was zu einer 90%igen Erfolgsquote geführt hätte. Außerdem hätten früher Analgetika, Bettruhe und vermehrte Flüssigkeitszufuhr verordnet werden müssen. Die chronifizierten Kopfschmerzen wären hierdurch vermieden worden.

Die Klägerin beantragt daher

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Ulm vom 20.12.2001 ( Aktenzeichen 6 O 154/00 ) zu erkennen wie in erster Instanz beantragt.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für richtig.

Wegen des übrigen Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze, je nebst Anlagen, sowie auf das Vorbringen der Parteien in den verschiedenen mündlichen Verhandlungen und wegen des übrigen Inhalts des landgerichtlichen Urteils auf dieses Bezug genommen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines ergänzenden mündlichen Sachverständigengutachtens, das wiederum Prof. Dr. Dr. D im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 9.7.2002 erstattet hat. Wegen des Ergebnisses wird auf Blatt 316 - 321 d.A. verwiesen.

Zu den Beschwerden der Klägerin am 26.6. und 1.7.1997 wurde deren Ehemann, Herr S, als Zeuge vernommen. Wegen des Ergebnisses seiner Vernehmung wird auf Blatt 312 - 315 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Landgericht hat richtig entschieden.

Der Klägerin stehen auf Grund des von der Beklagten zu verantwortenden Behandlungsgeschehens nach der Operation vom 24.6.1997 weder aus § 823 BGB noch auf Grund der Grundsätze über die Folgen einer "positiven Vertragsverletzung" Ansprüche auf Ersatz materiellen oder immateriellen Schadens zu.

Der Beklagten ist zwar vorzuwerfen, auf die ihr bereits am 1.7.1997 von der Klägerin geschilderten Beschwerden nicht sachgerecht reagiert zu haben ( s.u. I. ).

Die Klägerin hat jedoch nicht den ihr obliegenden Beweis für eine Kausalität dieses Behandlungsfehlers für die später aufgetretenen Beschwerden geführt; Beweiserleichterungen im Blick auf diesen Nachweis kommen der Klägerin dabei nicht zugute ( s.u. II ).

Die Feststellungen des Senats beruhen auf den klaren, nachvollziehbaren, widerspruchsfreien und daher überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. D, an dessen Sachkunde niemand zweifelt.

I.

Der Beklagten ist ein Behandlungsfehler am 1.7.1997 vorzuwerfen, nicht aber zuvor.

1.

Für den 25.6.1997 ist ein Behandlungsfehler schon nach dem eigenen Vortrag der Klägerin nicht anzunehmen. Die Klägerin hat im Termin vor dem Landgericht am 11.10.2000 ( Blatt 107 ) angegeben gehabt, dass Dr. D nach Schilderung von Kreuzschmerzen und einer Schwellung an der Einstichstelle den früheren Beklagten Ziffer 1 informiert hat, der der Klägerin schließlich erklärt haben soll, die vorgebrachten Schmerzen würden sich geben. Auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat sich die Klägerin in demselben Sinne geäußert ( vgl. Protokoll Seite 2, Blatt 308 d.A. ). Demnach ist am 25.6.1997 der von der Klägerin vermisste fachärztliche, nämlich anästhesiologische Rat eingeholt worden.

Darüber hinaus hatte die Schwellung nichts mit dem in der Folge aufgetretenen Kopfschmerz zu tun ( Prof. Dr. Dr. D im Termin vor dem Landgericht am 28.11.2001, Protokoll Seite 10, Blatt 204 d.A. ).

2.

Ein Behandlungsfehler ist auch für den 26.6.1997 nicht nachgewiesen. Dies hätte vorausgesetzt, dass die Klägerin auch schon am 26.6.1997 der Beklagten gegenüber Rücken- und Kopfschmerzen sowie Schwindelgefühle angegeben hat.

Die Beklagte hat den entsprechenden Vortrag der Klägerin, den diese auch im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat wiederholte, schon im erstinstanzlichen Verfahren ( vgl. Blatt 110 ) unter Hinweis auf ihre Aufzeichnungen in der Behandlungskarte, die keine entsprechenden Vermerke, sondern nur die Kurzformel "gut" enthalten, bestritten.

Die Vernehmung des Ehemannes der Klägerin als Zeugen hat zu diesem Beweisthema keinen weiteren Aufschluss geben können.

Er hat die Darstellung seiner Frau zum Geschehen am 26.6.1997 zwar im Wesentlichen bestätigt, jedoch mit der Einschränkung, erst am Abend des 26.6.1997 von seiner Frau erfahren zu haben, was diese wiederum der Beklagten gesagt habe.

Die Angaben dieses Zeugen sind jedoch nicht geeignet, den Senat vom Wahrheitsgehalt der Angaben der Klägerin zu überzeugen. Der Zeuge hat auf entsprechende Frage des Senats eingeräumt, dass er gemeinsam mit seiner Frau noch am Abend vor dem Verhandlungstermin die handschriftlichen Aufzeichnungen anfertigte, aus denen er im Rahmen seiner Vernehmung wiederholt zitierte. Vorlage dieser Aufzeichnungen waren wiederum von der Klägerin zur Verfügung gestellte Unterlagen, ergänzt durch eigene Bemerkungen der Klägerin. Was der Zeuge also dem Senat berichten konnte, war erklärtermaßen keine eigene Erinnerung an das damalige Geschehen, sondern schlicht das, was dem Senat auch die Klägerin selbst vortrug. Zudem war der Zeuge S bei keinem der Termine selbst zugegen, zu denen sich die Klägerin bei der Beklagten vorstellte und über angebliche Beschwerden berichtete.

Der erst am 23.7.1997 von der Klägerin konsultierte frühere Beklagte Ziffer 1 hat zudem unter diesem Datum in seinen Unterlagen notiert, die Klägerin habe ihm gegenüber Schüttelfrost und Schwindel erst für einen Zeitpunkt angegeben, als der Eingriff schon eine Woche zurücklag. Die Klägerin hat dies zwar nach Vorhalt dieser Dokumentation durch den Senat bestritten ( vgl. Blatt 310 d.A. ); die daraus folgenden Zweifel an der Richtigkeit der Darstellung der Klägerin sind aber nicht widerlegt.

3.

Fehlerhaft war es allerdings, dass die Beklagte die Klägerin nicht auf Grund deren Beschwerdeschilderung schon am 1.7.1997 in die Weiterbehandlung durch den früheren Beklagten Ziffer 1 überwies.

Unstreitig ist zwischen den Parteien, dass die Beklagte am 1.7.1997 mit dem früheren Beklagten Ziffer 1 telefonierte. Streitig geblieben ist lediglich, ob die Beklagte der Klägerin empfahl, sich beim früheren Beklagten Ziffer 1 vorzustellen. Nach der Dokumentationslage ist davon auszugehen, dass die Beklagte dies versäumt hat.

Grundsätzlich trägt die Patientenseite die Beweislast für einen behaupteten Behandlungsfehler.

Eine Maßnahme, die der Dokumentation bedurft hätte, aber keinen Niederschlag in der Dokumentation gefunden hat, wird jedoch als nicht angeordnet vermutet ( vgl. u.a. BGH NJW 1995, 1611 ff, 1612 ).

Zu dokumentieren war dasjenige, was die Beklagte als getroffene Maßnahme behauptet hatte.

Dies hat der Sachverständige Prof. Dr. Dr. D deutlich gemacht; eine Dokumentation hätte dem "Standard des Qualitätsmanagements in der Medizin" entsprochen ( Protokoll vom 9.7.2002, Seite 11, Blatt 317 d.A. ).

Die Beklagte hätte demnach den Beweis dafür führen müssen, dass sie die von ihr behauptete Maßnahme, nämlich die Überweisung der Klägerin an Dr. Me, ergriffen hat.

Der Beklagten ist dieser Beweis aber nicht gelungen. Für ihren streitig gebliebenen Vortrag hat sie keinen Beweis angeboten. Ihre eigenen Angaben stehen denjenigen der Klägerin gegenüber. Auch das zeitlich näher zum Ereignis verfasste Schreiben vom 23.10.1997 ( Blatt 49 d.A. ) konnte insoweit nichts erhellen.

4.

Der Umstand, dass die Beklagte die Klägerin am 8.7.1997 schließlich an einen Neurologen überwies, entsprach ebenfalls nicht den an eine ordnungsgemäße Nachbehandlung zu stellenden Anforderungen. Eine Überweisung hätte jedenfalls auch an den fraglichen Auslöser der geklagten postoperativen Beschwerden, also den Anästhesisten, erfolgen müssen ( Protokoll vom 9.7.2002, Seite 11, Blatt 317 ).

II.

Die dargestellte fehlerhafte Behandlung der Klägerin durch die Beklagte war jedoch nicht nachweisbar ursächlich für die späteren chronifizierten Kopfschmerzen der Klägerin.

1.

Die Beweislast für die Kausalität eines Behandlungsfehlers für die daraus folgende Gesundheitsbeeinträchtigung eines Patienten, die hier in der Fortdauer der postoperativen Beschwerden, deren Auftreten als solche nicht der Beklagten angelastet werden kann, zu sehen ist, trägt grundsätzlich der Anspruchsteller, hier also die Klägerin.

Die Klägerin vermag nicht zu beweisen, dass sie - regelgerecht behandelt - von den Kopfschmerzen dauerhaft befreit worden wäre.

Rein statistisch gesehen haben zwar rechtzeitig, also innerhalb eines Zeitraumes von 5 - 8 Tagen nach einem Eingriff, angelegte Blutpflaster eine Effektivität von 90 - 95 %, bezogen auf die Befreiung von Beschwerden nach einer Spinalanästhesie, die Folge eines Liquorunterdrucksyndroms sind ( Protokoll vom 9.7.2002, Seite 11/12, Blatt 317/318 d.A. ).

Dieser verhältnismäßig hohe Prozentsatz hat den Senat gleichwohl nicht davon überzeugen können, dass eine rechtzeitig eingeleitete Blutpflasterbehandlung auch gerade bei der Klägerin den beschriebenen Erfolg gezeigt hätte.

Überzeugung von einer zu beweisenden Tatsache setzt zwar nicht den Ausschluss letzter Zweifel, sondern lediglich einen für das praktische Leben brauchbaren Grad an Gewissheit voraus ( vgl. BGH NJW 1994, 801 ff, 802 ). Die im vorliegenden Fall die Überzeugungsbildung des Senats hindernden Zweifel beruhen einmal darauf, dass es noch nicht einmal als gesichert angenommen werden kann, dass es bei der Klägerin überhaupt zu einem LUS-induzierten Kopfschmerz gekommen war. Sie selbst berichtete davon, dass der Kopfschmerz auch dann nicht sogleich verschwand, wenn sie sich hinlegte. Der typisch LUS-induzierte Kopfschmerz wird aber recht schnell durch Flachlagerung beruhigt ( Protokoll vom 9.7.2002, Seite 14, Blatt 320 d.A. ). Der Sachverständige konnte bei der Klägerin nicht die typischen, im Lehrbuch beschriebenen Merkmale feststellen ( Protokoll vom 9.7.2002, Seite 15, Blatt 321 d.A. ).

Zweifel ergeben sich zum anderen aus der Krankengeschichte der Klägerin.

Wie auch der Sachverständige ausdrücklich betont hat ( Protokoll vom 9.7.2002, Seite 12, Blatt 318 ), ist bei der Klägerin in der folgenden Zeit, also von Juli 1997 an, "ein Wust an Diagnosen" gestellt worden, als es jeweils um die Einordnung der von der Klägerin geklagten Beschwerden und dabei vorrangig um deren Kopfschmerzen und deren Ursache ging. So wurden der Klägerin neben einem verselbständigten Liquorunterdrucksyndrom ( Prof. Dr. M ) u.a. auch cervicogene Kopfschmerzen und Schwindel bei abgeklungenem Liquorunterdrucksyndrom ( Dr. L ), keine LUS-beschwerden, sondern eine Reizung des nervus occipitalis als Ursache ( Dr. W ), und ein Kopfschmerz vom Spannungstyp ( Prof. Dr. S ) attestiert.

Der Senat hält es demnach mit dem Sachverständigen durchaus für möglich, dass die Klägerin von vornherein zu den verbleibenden 5% an Therapieversagern gehört hat ( Protokoll vom 9.7.2002, Seite 13, Blatt 319 d.A. ).

2.

Eine Beweiserleichterung im Blick auf den von der Klägerin zu führenden Kausalitätsnachweis kommt nicht in Betracht. Ein grober Behandlungsfehler, der eine solche Beweiserleichterung ermöglicht hätte, kann nicht festgestellt werden.

Ein grober Behandlungsfehler ist nicht bereits bei zweifelsfreier Feststellung einer Verletzung des maßgeblichen ärztlichen Standards gegeben; er setzt vielmehr neben einem eindeutigen Verstoß gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse die Feststellung voraus, daß der Arzt einen Fehler begangen hat, der aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil er einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf. Auch wenn es insoweit um eine juristische, dem Tatrichter obliegende Beurteilung geht, muß diese doch in vollem Umfang durch die vom ärztlichen Sachverständigen mitgeteilten Fakten getragen werden und sich auf die medizinische Bewertung des Behandlungsgeschehens durch den Sachverständigen stützen können; es ist dem Tatrichter nicht gestattet, ohne entsprechende Darlegungen oder gar entgegen den medizinischen Ausführungen des Sachverständigen einen groben Behandlungsfehler aus eigener Wertung zu bejahen ( BGH zuletzt am 28.5.2002, VI ZR 42/01 ).

Prof. Dr. Dr. D hat den der Beklagten unterlaufenen Fehler nicht dahin bewertet, dass er schlechterdings nicht unterlaufen darf, sondern als verständlich bezeichnet, da "so etwas im täglichen Betrieb vorkommen kann und keinen schwerwiegenden Aspekt bedingt" ( Protokoll vom 9.7.2002, Seite 12, Blatt 318 ).

Auch wenn die Beklagte - über das Allgemeinwissen der nicht anästhesistisch und neurologisch tätigen Fachärzte hinaus ( Protokoll vom 9.7.2002, Seite 12, Blatt 318 d.A. ) - von der Therapiemöglichkeit mittels Blutpflaster wusste, ist die Feststellung eines groben Behandlungsfehlers auf dieser Grundlage nicht möglich.

III.

Die Klage kann daher keinen Erfolg haben.

Die Berufung ist mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 und der Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aufgrund der §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO zurückzuweisen.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben. Weder hat die Sache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts ( § 543 II ZPO ).



Ende der Entscheidung

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