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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 07.09.2004
Aktenzeichen: 1 U 17/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB a. F § 276
1. Der Abschluss eines mit Haftungsrisiken verbundenen Verlustübernahmevertrags durch die Anlagegesellschaft und der Erlass einer für die Risikobeurteilung erheblichen Untersagungsverfügung durch das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen sind regelmäßig von erheblicher Bedeutung für die Frage einer Beteiligung an dieser Gesellschaft.

2. Prospektverantwortliche, die auf solche, nach Abfassung eines Prospekts entstandene oder bekannt gewordene Umstände nicht ausdrücklich hinweisen, können von auf die Richtigkeit und Vollständigkeit des Prospekts vertrauenden Anlegern auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden.


Oberlandesgericht Stuttgart 1. Zivilsenat Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 1 U 17/04

Verkündet am 07. September 2004

In dem Rechtsstreit

wegen Schadensersatzes

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart auf die mündliche Verhandlung vom 29. Juni 2004 unter Mitwirkung von

Vors. Richterin am Oberlandesgericht Rabbow-Geiß, Richter am Oberlandesgericht Dr. Groß und Richter am Landgericht Dr. Brennenstuhl

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Anschlussberufung des Klägers wird das Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Ulm vom 16.01.2004 - 4 O 560/02 - wie folgt abgeändert und neu gefasst:

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 10.758,57 € Zug um Zug gegen schriftliche Zustimmung des Klägers zur Übertragung der Beteiligung an der S. AG mit der Vertragsnummer 6 4 zu bezahlen.

2. Die Beklagten werden verurteilt, den Kläger von weiteren Ratenzahlungsverpflichtungen an die S. AG und von einer Rückzahlungsverpflichtung der enthaltenen Entnahmen aus dem Vertrag mit der Vertragsnummer 6 4 freizustellen.

3. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

II.

Die weitergehende Anschlussberufung des Klägers und die Berufung der Beklagten werden zurückgewiesen.

III.

Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen als Gesamtschuldner.

IV.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Streitwert in beiden Rechtszügen:

Antrag Ziffer 1: 10.758,57 € Antrag Ziffer 2: bis 2.823,99 € Summe: bis 13.582,56 €

(Streitwert der Berufung der Beklagten: 12.132,95 € Streitwert der Berufung des Klägers: 1.449,61 €)

- Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird abgesehen, §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO. -

Gründe:

A.

Sowohl die Berufung der Beklagten als auch die Berufung des Klägers sind zulässig. In der Sache hat lediglich die Anschlussberufung des Klägers einen Teilerfolg, weil diesem ein Zahlungsanspruch in Höhe von insgesamt 10.758,57 € Zug um Zug gegen schriftliche Zustimmung zur Übertragung der streitgegenständlichen Beteiligung an der S. AG zusteht.

I.

Die Berufung der Beklagten ist unbegründet. Der Kläger hat nach den Grundsätzen der bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung Zug um Zug gegen Übertragung der erworbenen Firmenbeteiligung einen Schadensersatzanspruch auf Zahlung (Ziff. 3.) und Freistellung (Ziff. 13.).

1.

Im Berufungsverfahren ist gemäß § 513 Abs. 2 ZPO nicht zu überprüfen, ob das Landgericht seine örtliche Zuständigkeit zu Recht bejaht hat (vgl. BGH, Urteil vom 16.12.2003 - XI ZR 474/02, NJW 2004, 1456).

2.

Die Modifizierung der "Zug um Zug angebotenen Gegenleistung" gegen schriftliche Zustimmungserklärung des Klägers zur Übertragung der Beteiligung an der S. AG ist zulässig und sachlich geboten, weil es sich bei dem Beteiligungsvertrag mit der S. AG um einen Teilgewinnabführungsvertrag im Sinne von § 292 Abs. 1 Ziffer 2 AktG (vgl. dazu Ziffer B II 2. des Prospekts, dort S. 16 rechte Spalte) handelt, hinsichtlich dessen Änderung es nach § 295 Abs. 1 AktG der Zustimmung der Hauptversammlung bedarf (vgl. auch S. 16 des Prospektes rechte Spalte). Entsprechendes gilt nach § 19 des abgeschlossenen Gesellschaftsvertrages (Anhang zur Anlage K 2). Die Parteien können daher die Übertragung der vom Kläger erworbenen Beteiligung nicht allein durch beiderseitige Vereinbarung wirksam vornehmen. Dies kann jedoch einem auf das negative Interesse gerichteten Schadenersatzanspruch des Klägers nicht entgegenstehen, weswegen es ausreichend ist, wenn der Kläger von seiner Seite alles Erforderliche veranlasst, um den Rechtsübergang auf die Beklagten Zug um Zug gegen Rückzahlung der geleisteten Einlage zu bewerkstelligen. Hierfür genügt seine schriftliche Zustimmung zur Übertragung.

3.

Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung darf ein Anleger erwarten, dass er ein zutreffendes Bild über das Beteiligungsobjekt erhält, er mithin von dem Prospekt über alle Umstände, die für seine Entscheidung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können - insbesondere die Tatsachen, die den Vertragszweck vereiteln können - sachlich richtig und vollständig unterrichtet wird (BGHZ 79, 334, 337; BGHZ 84, 141,144; BGHZ 116, 7, 12; BGHZ 123, 106, 109 und BGH NJW 2000, 3346). Ändern sich die Umstände nach der Herausgabe des Prospekts, so haben die Verantwortlichen den Prospekt zu berichtigen oder dem Anleger durch entsprechende Hinweise bei Abschluss des Vertrages Mitteilung über diese Umstände zu machen (BGH VersR 2004, 753; BGHZ 71, 284, 290 f.; BGHZ 123, 106, 110).

Von diesen Grundsätzen ausgehend waren die dem Kläger im Emissionsprospekt 13.3. vom 01.08.1999 (Anlage K 2) erteilten Risikohinweise unzureichend, da im Zeitpunkt der Erklärung des Beitritts des Klägers als stiller Gesellschafter des Segments VII der S. AG am 02.12.1999 und der Annahme des Beteiligungsangebots am 20.12.1999 an der Gesellschaft durch den Abschluss des Verlustübernahmevertrages mit dem Bankhaus P. vom 22.09.1999 und durch die Untersagungsverfügung des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen vom 22.10.1999 Veränderungen eingetreten waren, die nicht unerheblich auf die Risikobeurteilung der Beteiligung von Einfluss waren. Auf diese hätte hingewiesen werden müssen. Hierzu hatten die Beklagten ausreichend Zeit.

a) Gegenüber dem Kläger hätte der Abschluss des Verlustübernahmevertrages mit dem Bankhaus P. (im Folgenden: Bankhaus P.) vom 22.09.1999 offengelegt werden müssen.

aa) Zwar ist den Beklagten zuzugestehen, dass bereits zuvor Risikoübernahmen bestanden und durch die direkte und mittelbare Beteiligung von zusammen 50,6 % der S. AG am Bankhaus P. (vgl. dazu S. 22 f des Gutachtens von Prof. Dr. A., Anlage B 16) dessen Verluste auch vorher jedenfalls partiell wirtschaftlich von der S. AG zu tragen waren. Der Verlustübernahmevertrag, der sich nicht bei den Akten befindet, enthielt jedoch darüber hinaus unstreitig summenmäßig keinerlei Begrenzung nach oben. Dies bedeutete ein der Höhe nach nicht mehr eingrenzbares Risiko und geht daher über die zugunsten der Bank gestellten Sicherungsmittel hinaus.

bb) Bei der Bewertung der Veränderungen durch den Verlustübernahmevertrag in Abweichung zum Inhalt des Prospekts ist zu berücksichtigen, dass die Anlage nach dem Prospekt darauf gerichtet war, auch in Unternehmensgründungen und in der wirtschaftlichen Krise befindliche Unternehmen zu möglichst günstigen Konditionen zu investieren (Prospekt S. 103 linke Spalte und S. 116 rechte Spalte). Zur Absicherung der nicht unerheblichen Gefahr des Fehlschlags von einzelnen Investitionen sollten "die Kriterien der zukünftigen Investitionsobjekte nach Maßgabe u.a. der Veräußerbarkeit und der Ausgewogenheit (Risikostreuung) ausgewählt" werden (Prospekt S. 116 linke Spalte), wobei darauf hingewiesen wurde, dass "die in die Unternehmensbeteiligung investierten Mittel (...) teilweise oder vollständig als Folge von Insolvenzen wertberichtigt werden" müssten (Prospekt S. 117 linke Spalte). Mit den dargestellten Geschäftsabsichten lässt sich nicht vereinbaren, wenn die S. AG durch einen Verlustübernahmevertrag indessen - wie vorliegend - ihr wirtschaftliches Schicksal mit demjenigen einer bestimmten Bank betraglich unbeschränkt verknüpft. Diese Bindung steht nämlich im Krisenfall einer Trennung von der Bankbeteiligung entgegen, weswegen es sich auch aus diesem Grund um einen für die Risikobeurteilung wichtigen Umstand handelt, der in den Emissionsprospekt hätte aufgenommen werden oder der zumindest Gegenstand eines gesonderten Hinweises hätte sein müssen.

cc) Es bestand die konkrete Gefahr, dass der fragliche Verlustübernahmevertrag sich merklich nachteilig auf die Liquiditätslage auswirken werde. Nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten hat das Bankhaus P. das Geschäftsjahr 1999 bereits mit einem Verlust in Höhe von 13,9 Millionen DM abgeschlossen (S. 18 der Berufungsbegründung, Bl. 989 der Akten). Die lange Laufzeit des Verlustübernahmevertrages bis 2003 beinhaltete das Risiko, dass weitere Verschlechterungen der Verhältnisse zu einer nicht unerheblichen Vergrößerung des Verlustes bis hin zur Insolvenz führen konnten. Der tatsächliche Verlauf bestätigt dies, denn dem Bankhaus P. wurde am 27.04.2001 die Lizenz entzogen.

dd) Der Verlustübernahmevertrag hat das für das Unternehmenssegment VII bestehende wirtschaftliche Risiko wesentlich erhöht. Die interne Teilung der S. AG in Unternehmenssegmente berührte den einheitlichen Haftungsverband nicht. Vielmehr konnten wirtschaftliche Fehlentwicklungen im Unternehmenssegment II auch negative Auswirkungen auf stille Beteiligungen am Unternehmenssegment VII haben. Dass die Liquidität durch den Verlustübernahmevertrag erheblich nachteilig beeinflusst wurde, ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass die vereinbarten jährlichen Entnahmen der stillen Gesellschafter von 10 % ihrer Einlage, die im Zeichnungsschein vorgesehen war, auch aus eben diesem Grund im Jahr 2001 ausgesetzt wurden (vgl. dazu den Newsletter vom 07.08.2001, Anlage K 4).

An dem Faktum einer Risikosteigerung durch den Verlustübernahmevertrag vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass sich die Ertragschancen, die sich aus der Absicherung des Bankhauses P. ergaben, in anderen Unternehmenssegmenten erhöht haben, da hierzu nicht das Sement VII gehörte. Die aus der Absicherung und damit verbundenen finanziellen Stärkung des Bankhauses P. erhofften künftigen Gewinne wären anderen Unternehmenssegmenten zugute gekommen; damit verschob sich das Verhältnis von Chancen und Risiken einseitig zu Lasten der Anleger im Segment VII.

b) Ein weiterer Prospektmangel ergibt sich daraus, dass der Prospekt vom 01.08.1999 die Auseinandersetzung der S. AG mit dem Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen (im Folgenden: BAKred) über die Zulässigkeit der in früheren Versionen der Beteiligungsverträge vorgesehenen Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens in Raten nicht erwähnt. Die Beklagten waren wegen der damit verbundenen Gefährdung der Liquidität der S. AG dazu verpflichtet, den Kläger auf die Änderung des Auszahlungsmodus von Auseinandersetzungsguthaben bei Altverträgen hinzuweisen.

aa) Zwar wurde auf das generelle Risiko, das sich mit einer frühzeitigen außerplanmäßigen Auszahlung von Auseinandersetzungsguthaben anderer Anleger verbindet, im Prospekt aufmerksam gemacht (dort S. 13 linke Spalte). Richtig ist auch, dass die durch das BAKred erzwungene Änderung der Auszahlungsweise bei Altverträgen, wonach sich Anleger nach Ablauf der Vertragsdauer von ihrer Anlage trennen können, eine spezielle Ausprägung des allgemeinen Risikos darstellt, dass nicht genügend Investoren gefunden werden können, um geplante Investitionen durchführen zu können (Trennungsrisiko).

bb) Dennoch hat die Untersagungsverfügung vom 22.10.1999, in welcher der S. AG vorgeschrieben wurde, auch bei Altverträgen das Auseinandersetzungsguthaben in einer Summe bei Fälligkeit auszuzahlen, für neue Anleger das Erfüllungsrisiko nicht unerheblich nachteilig verändert. Zwar verblieb für die S. AG, weil Auseinandersetzungsguthaben bei Beteiligungen am Unternehmenssegment VII frühestens nach Ablauf des Geschäftsjahres 2007 fällig werden (vgl. S. 100 des Prospektes linke Spalte, S. 13 linke Spalte sowie S. 16 rechte Spalte), noch ein längerer Zeitraum, um sich auf die geänderte Vertragslage einzustellen. Dies ändert aber nichts an der Gefahr, dass der erhöhte Kapitalbedarf, der bereits absehbar nach Ablauf des Geschäftsjahres 2007 zur Erfüllung der fälligen Ansprüche auf Auszahlung von Auseinandersetzungsguthaben entstehen würde, potentielle Anleger davon abhalten werde, in das Unternehmenssegment VII der S. AG zu investieren, denn die wirtschaftliche Entwicklung dieses Unternehmenssegments und der S. AG insgesamt konnte bis zum Jahr 2007 nicht sicher vorhergesagt werden. Aus diesem Grunde musste bereits vor Dezember 1999 damit gerechnet werden, dass das Trennungsrisiko zu einer für den Anleger ungünstigen Steigerung des Erfüllungsrisikos führen konnte.

cc) Es war zu befürchten, dass der in der Unternehmensplanung nicht vorgesehene Liquiditätsabfluss durch die erzwungene Einmalzahlung von Auseinandersetzungsguthaben in Zukunft für die S. AG nur sehr schwer oder gar nicht verkraftbar werde und deshalb potentielle Neuanleger von einer Beteiligung an der S. AG Abstand nehmen würden, mithin neuer Geldzufluss ausbliebe. Dieser mögliche Kumulierungseffekt führt nach Auffassung des Senats zu einer nicht unwesentlichen Risikoerhöhung mit der Folge, dass über die dafür maßgeblichen Umstände hätte aufgeklärt werden müssen.

c) Bei dieser Betrachtungsweise kommt es auf den weiter vom Kläger geltend gemachten Mangel, die finanziellen und persönlichen Verflechtungen zwischen der S. AG und dem Bankhaus P. seien nicht bzw. nicht ausreichend deutlich gemacht worden, nicht entscheidend an.

Im Übrigen erscheint es fraglich, ob hierauf entsprechende Prospekthaftungsansprüche gestützt werden könnten. Finanzielle und persönliche Verpflechtungen der Anlagegesellschaft sind nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung nicht generell anzugeben, sondern nur dann, wenn es sich um wesentliche kapitalmäßige oder personelle Verflechtungen mit Unternehmen handelt, in deren Hand die Anlagegesellschaft die nach dem Prospekt durchzuführenden Vorhaben ganz oder wesentlich gelegt hat, weil nur dann die Gefahr einer Interessenkollision bei der Gestaltung und Durchführung der Verträge zum Nachteil der Anlagegesellschaft und ihrer Gesellschafter besteht (BGHZ 79, 337, 345).

Bei dem Bankhaus P. handelt es sich hingegen nicht um einen Vertragspartner, der das Investitionsvorhaben im Wesentlichen ausführen sollte wie etwa ein Generalunternehmer, sondern um eine Unternehmensbeteiligung der S. AG. Dass diese Beteiligung wirtschaftlich durchaus von einigem Gewicht war und direkte und indirekte Beteiligungen zusammen gerechnet der S. AG einen mehrheitlichen Einfluss auf das Bankhaus verschafften, begründet wohl noch keine Interessenkollision im dargelegten Sinne. Dann entfiele die Verpflichtung, einzelne Verflechtungen zu offenbaren oder Angaben darüber in den Emissionsprospekt aufzunehmen, da die Tatsache der Unternehmensbeteiligung selbst und der Umfang der Beteiligung im Prospekt durchaus dargestellt worden sind (vgl. dort S. 60 ff).

4.

Die Beklagten haben als Prospektverantwortliche für die Prospektmängel einzustehen.

a) Für den Prospektinhalt müssen diejenigen einstehen, die für die Geschicke des Unternehmens und damit für die Herausgabe des Prospekts verantwortlich sind. Das sind namentlich die Initiatoren, Gründer und Gestalter der Gesellschaft, soweit sie das Management der Gesellschaft bilden oder sie beherrschen (BGHZ 71, 284, 287; Siol, DRiZ 2003, 204, 207) einschließlich der sogenannten "Hintermänner" (BGHZ 72, 382, 387; BGHZ 115, 213, 217 f; BGH VersR 2002, 105). Darüber hinaus haften auch diejenigen, die aufgrund ihrer beruflichen und wirtschaftlichen Stellung oder aufgrund ihrer Fachkunde eine Art Garantenstellung einnehmen und durch ihre Mitwirkung an der Prospektgestaltung nach außen hin in Erscheinung treten (BGH VersR 2004, 601; BGHZ 111, 314, 319 f; BGH VersR 1992, 878, 880).

b) Die Beklagte Ziffer 1 und 2 haben, wie aus S. 121 des Prospektes Nr. 13.3. hervorgeht, den Prospekt als Vorstandsmitglieder unterschrieben und dadurch die Verantwortung für dessen Richtigkeit und Vollständigkeit übernommen. Außerdem ergibt sich eine Verantwortlichkeit sämtlicher Beklagten aus der im Prospekt enthaltenen Erklärung (S. 120 linke Spalte 2. Absatz), wonach der Vorstand der S. AG für den Inhalt des Prospektes die Verantwortung übernimmt und erklärt, dass seines Wissens die Angaben in dem Prospekt richtig und keine wesentlichen Umstände ausgelassen sind. Dabei ist unerheblich, dass die Beklagten Ziffer 3 und 4 den Prospekt nicht unterzeichnet haben, da aus S. 43 rechte Spalte des Prospektes ersichtlich ist, dass die vier Beklagten den Vorstand der S. AG bilden.

5.

Hinsichtlich der Beklagten liegt ein fahrlässiges Unterlassen vor, das für eine Schadenersatzverpflichtung nach den Grundsätzen der bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung ausreicht.

Fahrlässigkeit im Sinne von § 276 BGB setzt in diesem Zusammenhang nicht voraus, dass die massiven Probleme des Bankhauses P. oder wirtschaftliche Schwierigkeiten wegen des Erfordernisses der Auszahlung von Abfindungsguthaben bei Altverträgen in einer Rate vorhersehbar waren. Den Beklagten ist vielmehr deswegen Fahrlässigkeit zur Last zu legen, weil sowohl die mit dem Verlustübernahmevertrag als auch die mit der erzwungenen Änderung des Auszahlungsmodus von Auseinandersetzungsguthaben bei Altverträgen jeweils verbundene Risikosteigerung für sie erkennbar war.

Da die Beklagten die persönliche Verantwortung für die Richtigkeit und Vollständigkeit des Prospektes trugen, hatten sie sich die zu deren Beurteilung erforderlichen Rechtskenntnisse zu verschaffen, wobei die von ihnen hinzugezogenen Rechtsanwälte als ihre Erfüllungsgehilfen zu betrachten sind; denn hinsichtlich der Vorvertragspflicht, den Interessenten ein zutreffendes Bild von der Anlage zu vermitteln, haben die für den Prospekt Verantwortlichen gemäß § 278 BGB für diejenigen einzustehen, denen sie die Herstellung des Prospektes überlassen (vgl. BGH NJW 1992, 3296 und BGHZ 84, 141, 144). Soweit die Rechtsanwälte irrtümlich davon ausgegangen sein sollten, der Verlustübernahmevertrag vom 22.09.1999 sei nicht ergänzungspflichtig, hätten die Beklagten dies, wie grundsätzlich jeden anwaltlichen Irrtum in einer Frage des inländischen Rechts, als Fahrlässigkeit zu vertreten (vgl. Palandt / Heinrichs, 63. Aufl., RN 22 zu § 276 BGB), wobei diese Fahrlässigkeit die Beklagten nach § 278 BGB wie eigenes Verschulden trifft.

6.

Die im Prospekt enthaltene Haftungsbeschränkung für unrichtige oder unvollständige Angaben oder für Verletzung eventuell bestehender Aufklärungs- oder Hinweispflichten gegenüber dem Anleger auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit (vgl. S. 120 rechte Spalte und S. 121 linke Spalte) vermag die Beklagten nicht zu entlasten. Auch ein Haftungsausschluss für leichte Fahrlässigkeit steht zur Aufgabe des Prospektes, die potentiellen Anleger verlässlich, umfassend und wahrheitsgemäß informieren, in Widerspruch. Als Bestandteil des Prospektes ist er deshalb gemäß § 9 AGBG (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB) unwirksam (BGH VersR 2002, 1251).

7.

Die fehlende Aufklärung über die vorerwähnten Prospektmängel war für den Abschluss des Beteiligungsvertrages durch den Kläger kausal.

a) Grundsätzlich spricht bereits die Lebenserfahrung dafür, dass eine in wesentlichen Punkten unterbliebene Aufklärung für den Beitritt ursächlich geworden ist (BGH WM 2004, 928; BGH WM 2004, 1132; BGH NJW 1992, 3296). Nur dann, wenn der Kläger bei zutreffender Aufklärung über das zusätzliche Risiko sich ebenfalls für die Anlage entschieden hätte, würde es am Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und dem Schaden fehlen (BGHZ 123, 106; BGHZ 84, 141, 148; BGH ZIP 2000, 1296, 1298; BGH ZIP 2003, 1651; BGH ZIP 2004, 312). Die objektive Bedeutung der verschwiegenen Tatsache für die Werthaltigkeit des Anlageobjektes ist bei der Würdigung der Frage der Ursächlichkeit des Aufklärungsmangels für den Anlageentschluss mit zu berücksichtigen (BGHZ 123, 106).

Beide Prospektmängel bilden für die Werthaltigkeit der streitgegenständlichen Gesellschaftsbeteiligung einen objektiv gewichtigen Punkt. Daher trifft die Beklagten die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Schaden auch bei pflichtgemäßer Aufklärung und Information entstanden wäre.

b) Diesen Nachweis haben die Beklagten nicht geführt. Der Kläger hat im Rahmen seiner Anhörung vor dem Senat unwidersprochen vorgetragen, dass Grundlage der Unterzeichnung des Zeichnungsscheins vom 02.12./20.12.1999 ein Gespräch mit dem Vermittler S. war, dass Herr S. den Prospekt ihm übergeben und dass der Kläger selbst in den Prospekt auch hineingeschaut habe, ohne das Druckwerk ganz zu lesen. Insgesamt habe er den Eindruck gewonnen, dass es sich um eine vernünftige Anlage handele.

Auf die Durchführung der von den Beklagten beantragten Beweisaufnahme konnte verzichtet werden. Die Beklagten haben lediglich ganz pauschal und unsubstantiiert behauptet, dass die Haftungsverhältnisse für den Kläger ebenso wie der Abschluss eines Verlustübernahmevertrages irrelevant gewesen seien. Konkrete Tatsachen, aus denen hätte entnommen werden können, dass sich der Kläger auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung für die Beteiligung an der S. AG entschieden hätte, haben die Beklagten weder behauptet noch unter Beweis gestellt. Falls eine Partei - wie hier - ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhaltes willkürlich Behauptungen "aufs Geratewohl" oder "ins Blaue hinein" aufstellt, ist der angebotene Beweis nicht zu erheben (BGH NJW-RR 1991, 888).

8.

Am Eintritt eines Vermögensschadens ist nicht zu zweifeln.

a) Ob ein Vermögensschaden vorliegt, ist grundsätzlich nach der sogenannten Differenzhypothese zu beurteilen, also nach einem Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die sich ohne jenes Ereignis ergeben hätte (BGH NJW 1998, 302; BGHZ 98, 212, 217; BGHZ 123, 106). Es ist daher die Gesamtvermögenslage, wie sie sich nach dem Abschluss des auf den Erwerb der Beteiligung gerichteten Vertrages darstellt, zu vergleichen mit der Vermögenslage, wie sie sich ohne diesen Vertrag entwickelt hätte. Bei der Gegenüberstellung sind die Rechnungsposten, gemessen am Schutzweck der Haftung und an der Ausgleichsfunktion des Schadenersatzes, wertend zu bestimmen (BGH NJW 1998, 302; BGH MDR 2004, 520).

b) Vor diesem rechtlichen Hintergrund haben die Kläger durch die Beteiligung am Segment VII der S. AG einen Vermögensschaden erlitten. Die Werthaltigkeit der Beteiligung am Unternehmenssegment VII der S. AG ist inzwischen gemindert. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Auszahlung von Entnahmen, wie sie im Zeichnungsschein vertraglich vereinbart war, durch die S. AG als Folge der schlechten Liquiditätslage ausgesetzt wurde (vgl. dazu den vorerwähnten Newsletter 03/01 vom 07.08.2001). Unerheblich ist, ob sich die S. AG wieder finanziell konsolidieren kann oder nicht. Unmaßgeblich ist ferner, ob sich im Vermögensschaden - was hier allerdings nahe liegt - gerade das nicht aufgeklärte Risiko verwirklicht hat (vgl. BGH NJW 1982, 1095). Der betroffene Anleger, der von einer Beteiligung abgesehen hätte, wenn er zusätzlich zu den ihm bekannten Risiken und Unwägbarkeiten der Anlage auch die im Prospekt verschwiegenen Umstände gekannt hätte, kann deshalb verlangen, im Schadenersatzweg so gestellt zu werden, als hätte er die Anlage nicht getätigt (vgl. BGHZ 123, 106).

9.

Nach der Rechtsprechung des BGH sind Steuervorteile dann nicht auszugleichen, wenn der verlangte Schadenersatzbetrag seinerseits der Versteuerung unterliegt (BGHZ 74, 103). Dies ist vorliegend gemäß § 15 EStG der Fall, da es sich um Einkommen handelt, das dem Kläger aus der unternehmerischen Beteiligung zufließt (vgl. BGH VersR 2002, 1251).

10.

Entgegen der Auffassung der Beklagten sind die geltend gemachten Ansprüche auch nicht verjährt.

a) Schadenersatzansprüche nach der von der Rechtsprechung entwickelten Prospekthaftung verjähren in 6 Monaten seit Kenntnis des Prospektfehlers, spätestens aber in drei Jahren seit dem Beitritt zur Gesellschaft (BGH VersR 2002, 1251; BGHZ 123, 106; BGH WM 1990, 1276 ff und BGHZ 83, 222). Die Beteiligung setzt die Annahme des Beitrittsangebots voraus (BGH WM 2004, 928). Auch im vorliegenden Fall war die Wirksamkeit der Beteiligung nach den Vereinbarungen im Gesellschaftsvertrag an die Annahme des Beitrittsantrages geknüpft (vgl. § 1 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages, vorgelegt als Anhang zur Anlage K 2).

b) Unstreitig wurde die Beitrittserklärung des Klägers durch die S. AG am 20.12.1999 angenommen (Anlage K 1). Die Klage, die beim Landgericht am 20.12.2002 per Fax einging, wurde dem Beklagten am 31.01. bzw. 01.02.2003 zugestellt (Bl. 71 ff der Akten), nachdem der mit Verfügung vom 03.01.2003 (Bl. 16 der Akten) angeforderte Vorschuss am 17.01.2003 einbezahlt worden war. Bei dieser Sachlage ist die Zustellung demnächst im Sinne von § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB, § 167 ZPO n. F. (Art. 229 § 6 Abs. 1 BGB) erfolgt.

c) Dass dem Kläger zu einem mehr als 6 Monate vor Erhebung der Klage liegenden Zeitpunkt die Prospektmängel bekannt geworden wären, wurde von den Beklagten nicht substantiiert unter Beweisantritt vorgetragen. Eine derartige Erkenntnis ergibt sich auch nicht aus dem Informationsschreiben vom 07.08.2001.

11.

Dem Kläger stehen keine Prozesszinsen zu. Die Verpflichtung des Schuldners, eine Geldschuld vom Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen (§ 291 BGB), setzt die Fälligkeit der Schuld voraus. Diese ist insoweit nicht eingetreten, als den Beklagten ein Zurückbehaltungsrecht zusteht und sie deshalb nur zur Zahlung Zug um Zug gegen schriftliche Zustimmung zur Übertragung der Beteiligung zu verurteilen sind. Das Zurückbehaltungsrecht begründet eine verzögerliche Einrede mit der Wirkung, dass die Forderung noch nicht fällig ist (BGHZ 55, 198, 200; Palandt / Heinrichs, 63. Aufl., RN 5 zu § 291 BGB).

12.

Wegen der sich aus den Grundsätzen über die bürgerlich-rechtliche Prospekthaftung ergebende Schadenersatzverpflichtung der Beklagten kann dahingestellt bleiben, ob zusätzlich Ansprüche gemäß §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 264a StGB bzw. gemäß § 826 BGB bestehen.

13.

Auch der Freistellungsanspruch (Antrag Ziffer 2) ist begründet.

a) Der Freistellungsantrag ist zulässig. Auf das Vorliegen eines Feststellungsinteresses im Sinne von § 256 ZPO kommt es nicht an, da es sich vorliegend nicht um einen Feststellungsantrag, sondern um einen Freistellungsantrag als Unterfall der Leistungsklage handelt, der lediglich eine Sonderform des Schadenersatzanspruches darstellt, d. h. gerichtet ist auf Vermögensausgleich wegen der vom Schädiger zu verantwortenden Belastung des Vermögens mit einer Verbindlichkeit (BGH NJW 1985, 1152; 1994, 944). Die betragsmäßige Aufführung der noch offenen Raten sowie die Einbeziehung der Entnahmen stellen nur eine Konkretisierung des Freistellungsantrages dar und können nicht als Klageerweiterung angesehen werden. Im Übrigen lägen auch die Voraussetzungen des § 533 ZPO vor.

b) Dem Freistellungsanspruch kann ebenfalls nicht mit Erfolg die Einrede der Verjährung entgegengehalten werden. Dieser wurde zwar erst mit Schriftsatz des Verfahrensbevollmächtigten des Klägers vom 24.05.2003 (Bl. 197 der Akten), der am 2.06.2003 beim Landgericht eingegangen ist, erhoben. Jedoch wird in Fällen wie dem vorliegenden, in denen der vom Schädiger zu ersetzende Schaden in der Belastung mit einer Verbindlichkeit besteht, die Verjährung des Freistellungsanspruches bereits durch die Erhebung der Zahlungsklage gehemmt. Denn sowohl der Freistellungsanspruch als auch der Schadenersatzanspruch sind lediglich verschiedene Ausprägungen ein- und desselben Anspruches, nämlich des Schadenersatzanspruches des Geschädigten auf Vermögensausgleich wegen der vom Schädiger zu verantwortenden Belastung des Vermögens mit einer Verbindlichkeit (BGH NJW 1985, 1152; 1994, 944).

II.

Die Anschlussberufung des Klägers hat teilweise Erfolg.

1.

Die Anschlussberufung ist zulässig, insbesondere wurde die Einlegungsfrist des § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO gewahrt.

2.

Der Zahlungsanspruch des Klägers wurde vom Landgericht fehlerhaft berechnet. Er beläuft sich auf 10.758,57 €. Der Kläger hat neben der einmaligen Einlage in Höhe von 10.200,27 € bis Dezember 2002 unstreitig Ratenzahlungen in Höhe von insgesamt 1.449,61 € geleistet. Sein Zahlungsanspruch beläuft sich daher auf insgesamt 11.649,88 €. Von dieser Gesamtforderung sind die Entnahmen in Höhe von 891,31 € abzuziehen.

B.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 2 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Festsetzung des Streitwerts hat ihre Grundlage in § 3 ZPO. Zwar entspricht der Streitwert des Feststellungsantrages üblicherweise dem bezifferten Schuldbetrag (BGH NJW-RR 1990, 958; NJW 1974, 2128), vor allem, wenn die noch offene Verbindlichkeit stets bezifferbar war und - wie hier - im Berufungsverfahren auch konkret beziffert wurde. Vorliegend besteht jedoch die Besonderheit, dass der Kläger gemäß § 21 des Gesellschaftsvertrages (Anhang zur Anlage K 2) nach vier Jahren jederzeit Erlass der restlichen Einlageverpflichtung verlangen kann - unter Zahlung eines Ausgleichsbetrages in Höhe von 15 % der ausstehenden Einlagen und des gesamten Agios gemäß § 17 des Gesellschaftsvertrages. Dies rechtfertigt die Herabsetzung des Streitwertes auf den Betrag, den 48 Monatsraten ergeben. Unter Zugrundelegung einer Monatsrate in Höhe von 78,75 DM (einschließlich Agio) errechnet sich für den Freistellungsantrag ein Streitwert in Höhe von 3.780,-- DM = 1.932,68 €. Zu diesem sind die Entnahmen in Höhe von 891,31 € hinzuzurechnen, sodass sich insgesamt ein Streitwert von 2.823,99 € ergibt.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 543 Abs. 2 ZPO. Eine grundsätzliche Bedeutung ist der vorliegenden Rechtssache nicht beizumessen. Die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht.

Ende der Entscheidung

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