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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 11.12.2008
Aktenzeichen: 1 U 75/08
Rechtsgebiete: SVG


Vorschriften:

SVG § 81 Abs. 1
Eine Wehrdienstbeschädigung nach § 81 Abs. 1 Soldatenversorgungsgesetz (SVG), der Ansprüche eines Soldaten gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen einer gesundheitlichen Schädigung auf solche des SVG beschränkt, liegt auch bei einer misslungenen ärztlichen Heilbehandlung eines Soldaten vor, wenn eine innere Beziehung zwischen der Behandlungsmaßnahme und dem soldatischen Bereich bestanden hat.

Dies ist bei einer ärztlichen Behandlung durch Militärärzte regelmäßig der Fall.


Oberlandesgericht Stuttgart

1. Zivilsenat

Beschluss

Geschäftsnummer: 1 U 75/08

11. Dezember 2008

In dem Rechtsstreit

wegen Ansprüchen aus Arzthaftung

hier: Hinweis auf eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart unter Mitwirkung

des Vorsitzenden Richters am OLG Dörr, des Richters am OLG Dr. Groß, des Richters am OLG Jakob

beschlossen:

Tenor:

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das am 18. Juni 2008 verkündete Urteil des Landgerichts Stuttgart - 15 O 389/07 - gemäß § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung zurückzuweisen.

2. Die Parteien können hierzu und zu den folgenden Hinweisen Stellung nehmen bis 30. Dezember 2008.

Gründe:

A.

Die Rechtssache ist ohne grundsätzliche Bedeutung (§ 522 Abs.2 Nr. 2 ZPO). Auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Senats (§ 522 Abs.2 Nr. 3 ZPO). Aufgeworfen sind ausschließlich Fragen, die höchstrichterlich hinreichend geklärt sind.

B.

Die Berufung hat nach Überzeugung des Senats auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs.2 Nr. 1 ZPO). Dem Kläger stehen keine Ansprüche gegen die Beklagte zu. Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen sind tragfähig; konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an ihrer Richtigkeit und Vollständigkeit begründen, sind nicht gegeben (§ 529 ZPO). Die der Entscheidung zugrunde liegende Rechtsansicht begegnet ebenfalls keinen Bedenken. Sie entspricht der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Reichweite von § 91 a SVG.

I.

Das Landgericht hat die gegen die B als Trägerin des B gerichtete Klage auf Zahlung von Schmerzensgeld und Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für Schäden aus einer Operation des Klägers im B am 20. Juli 2005 mit der Begründung zurückgewiesen, die beanstandeten Operationsfolgen erfüllten den Tatbestand der Wehrdienstbeschädigung im Sinn von § 81 Abs. 1 SVG, weswegen Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche gemäß § 91 a SVG gegen die Beklagte ausgeschlossen seien. Die nach der Rechtsprechung erforderliche "innere Beziehung" zwischen der Behandlungsmaßnahme und dem soldatischen Sozialbereich liege vor, obwohl die Nasenfehlstellung nicht auf den Wehrdienst zurückzuführen, sondern unabhängig von diesem entstanden sei.

Der Kläger beruft sich in der Berufungsbegründung im Wesentlichen darauf, das Landgericht habe zu Unrecht eine Wehrdienstbeschädigung bejaht. Die Nasenproblematik des Klägers habe schon vor Aufnahme der Wehrdiensttätigkeit bestanden, weswegen es sich um ein sog. eingebrachtes Leiden handele. Die Rechtsprechung habe eine innere Beziehung zwischen der Behandlung eines unabhängig vom Wehrdienst entstandenen Leidens in einem B und dem soldatischen Sozialbereich nur in Fällen bejaht, in denen das Leiden zwar unabhängig vom Wehrdienst, aber während des Wehrdienstes entstanden sei. Daran fehle es aber vorliegend.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keine Erfolgsaussicht.

Der Kläger kann die Bezahlung von Schmerzensgeld und die Feststellung des Bestehens von Ansprüche aus der Operation vom 20. Juli 2005 nicht verlangen.

Das Landgericht ist zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass § 91 a SVG der Geltendmachung von Schmerzensgeld- und Schadensersatzansprüchen gegen die Beklagte entgegensteht. Dass die Nasenproblematik beim Kläger schon vor der Aufnahme der Wehrdiensttätigkeit vorgelegen hat und deswegen als sog. eingebrachtes Leiden anzusehen ist, gebietet keine andere rechtliche Beurteilung.

1. Nach § 91 a SVG sind Ansprüche eines Soldaten gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen einer gesundheitlichen Schädigung auf solche nach dem Soldatenversorgungsgesetz beschränkt, wenn dieser eine Wehrdienstbeschädigung im Sinn von § 81 Abs. 1 SVG zugrunde liegt. Eine Wehrdienstbeschädigung liegt vor, wenn ein Gesundheitsschaden durch eine Wehrdienstverrichtung, einen während der Ausübung des Wehrdienstes erlittenen Unfall oder durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt worden ist. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (BGHZ 120, 176 m.w.Nachw.) kann ein misslungener ärztlicher Heileingriff oder ein sonstiger ärztlicher Behandlungsfehler bei der ärztlichen Betreuung eines Soldaten im Rahmen des Wehrdienstverhältnisses ein schädigendes Ereignis darstellen, das zu einer Wehrdienstbeschädigung führt, sofern zwischen der Behandlungsmaßnahme und dem soldatischen Sozialbereich eine "innere Beziehung" bestanden hat. Dies ist nur zu verneinen für den Fall nicht voraussehbarer Folgen einer Operation, die aus vitaler Indikation wegen eines vor Beginn des Wehrdienstes entstandenen ("eingebrachten") Leidens nach den Regeln der ärztlichen Kunst in einem allgemeinen Krankenhaus vorgenommen worden ist (BGH aaO unter Hinweis auf die Rspr. des BSG). Das Bundessozialgericht (Urteil vom 23. März 1987 - 4b RV 13/86, Rdn. 17) hat in der zitierten Entscheidung ausgeführt, dass ein Gesundheitsschaden, der durch einen in einem allgemeinen Krankenhaus durchgeführten chirurgischen Eingriff verursacht werde, deswegen nicht als auf den dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnissen im Sinn von § 81 SVG beruhend erachtet werden könne, weil er unter Umständen und Bedingungen erfolge, die sich von den normalen Umständen des Zivillebens nicht unterscheide. Der Kläger sei mit seiner Einwilligung in einem zivilen Krankenhaus durch zivile Ärzte - und somit nicht anders als eine Privatperson - behandelt worden.

2. Vor diesem rechtlichen Hintergrund stehen dem Kläger die geltend gemachten Ansprüche gegen die Beklagte nicht zu. Anders als der Kläger meint, kommt es nicht entscheidend darauf an, ob der Anlass für die Heilbehandlung eines Soldaten schon vor Aufnahme der Wehrdiensttätigkeit (sog. "eingebrachtes Leiden") oder - unabhängig vom Wehrdienst - erst während der Wehrdiensttätigkeit entstanden ist. Maßgebend ist vielmehr, dass die Soldaten die wehrdiensteigentümliche Verpflichtung trifft, sich gesund zu erhalten, die freie Heilfürsorge für Krankheitsfälle in Anspruch zu nehmen und als deren Besonderheit der Ausschluss von der freien Arztwahl (BSGE 57, 171). Die Eigenarten der ärztlichen oder zahnärztlichen Behandlungen durch Militärärzte, denen sich Soldaten der Bundeswehr unterziehen müssen, sind deswegen im Regelfall den wehrdiensteigentümlichen Verhältnissen zuzuordnen (BGHZ 120, 176 mit Hinweis auf die Rspr. des BSG). Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die erforderliche "innere Beziehung" zwischen der Behandlungsmaßnahme und dem soldatischen Sozialbereich sich bereits daraus ergibt, dass sich der Kläger - trotz seines schon vor Beginn des Wehrdienstes entstandenen Leidens - im B hat operieren lassen. Anhaltspunkte, die eine ausnahmsweise andere rechtliche Beurteilung rechtfertigen könnten, liegen nicht vor.

III.

Dem Kläger wird Gelegenheit gegeben zu überdenken, ob die Berufung unter Kostengesichtspunkten durchgeführt werden soll.



Ende der Entscheidung

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