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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 03.05.2001
Aktenzeichen: 1 U 95/00
Rechtsgebiete: LMBG, BGB, GG, ZPO, PolG BaWü, LandespresseG BaWü, AGLMBG


Vorschriften:

LMBG § 17 Abs. 1 Ziff. 1
LMBG § 52 Abs. 1 Ziff. 9
LMBG § 17 Abs. 1 Nr. 1
BGB § 839 Abs. 3
BGB § 839
GG Art. 34
ZPO § 253 Abs. 3 Nr. 1
ZPO § 176
ZPO § 120 Nr. 1
ZPO § 184 Abs. 1
ZPO § 91
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
PolG BaWü § 33
LandespresseG BaWü § 4
LandespresseG BaWü § 4 Abs. 4
LandespresseG BaWü § 4 Abs. 2 Ziff. 3 2. Alt.
AGLMBG § 13
AGLMBG § 15
Für wirtschaftliche Einbußen eines Unternehmens nach einer polizeilichen Pressemitteilung, in der ohne Namensnennung zutreffend über Ermittlungen des Wirtschaftskontrolldienstes und die vorgefundenen Zustände berichtet wird, bestehen keine Amtshaftungsansprüche, auch wenn Kunden das betroffene Unternehmen identifizieren können.

Rechtskräftig nach Nichtannahmebeschluss des BGH vom 25.04.2002 III ZR 152/01


Oberlandesgericht Stuttgart - 1. Zivilsenat - Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 1 U 95/00

Verkündet am: 3. Mai 2001

In Sachen

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart auf die mündliche Verhandlung vom 29. März 2001 unter Mitwirkung von

Vors. Richterin am Oberlandesgericht Rabbow-Geiß, Richterin am Oberlandesgericht Dr. Sulzberger-Schmitt, Richter am Oberlandesgericht Dr. Drescher

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung des beklagten L wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 28. Juli 2000 abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung des beklagten Landes abwenden durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von DM 100.000,00, wenn nicht das L vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Streitwert der Berufung und Beschwer der Klägerin: DM 3.859.614,50

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt vom beklagten L Schadensersatz wegen Amtspflichtverletzung durch Veröffentlichung einer Pressemitteilung.

Die Klägerin ist durch Umwandlung der früheren K "G" GmbH in eine KG, nämlich die K "G" GmbH & Co., vertreten durch die K V GmbH, diese vertreten durch den Geschäftsführer E K entstanden. Klageerhebung erfolgte unter der Bezeichnung K G GmbH & Co. KG, vertreten durch den Geschäftsführer F K.

Mit Schriftsatz vom 7.2.2000 hat die Klägerin beantragt, das Rubrum zu ändern. Klägerin sei die K "G" GmbH & Co. KG, vertreten durch die K V GmbH, diese vertreten durch deren Geschäftsführer, Herrn E K.

Die Klägerin betrieb bis 28.2.1997 in St. B C einen Frischfleisch-Service und eine Wurstproduktion für Großkunden, bis 30.7.1997 außerdem ein Metzgereiladengeschäft.

Am 29.5.1995 beschwerte sich ein Verbraucher beim Wirtschaftskontrolldienst, nachdem er nach dem Verzehr von bei der Klägerin gekaufter Schinkenwurst mehrere Stunden an einem pelzigen Gefühl im Mundraum und an Übelkeit gelitten hatte. Daraufhin führte der WKD am 30.5.1995 in Anwesenheit des Sachverständigen Dr. K vom Amt für öffentliche Ordnung, des Metzgermeisters von der Klägerin und des Mitarbeiters des WKD S eine Kontrolle im Metzgerbetrieb der Klägerin durch. Der WKD nahm eine Verdachtsprobe von einem Sauerbraten, dessen Beize eine grünlich missfarbene Haut aufwies sowie eine Vergleichsprobe der von dem Verbraucher beanstandeten Schinkenwurst. Am selben Tag wurden der im Untergeschoss befindliche Tiefkühlraum kontrolliert, was zu erheblichen Beanstandungen führte. Der Tiefkühlraum wurde versiegelt Am 1.6.1995 wurde der Tiefkühlraum wieder entsiegelt. Es fand eine Begehung statt in Anwesenheit der Herren K und G von der Klägerin, des Mitarbeiters des WKD S, des Sachverständigen Dr. F vom Amt für öffentliche Ordnung der Landeshauptstadt und des von Herrn beigezogenen Privatsachverständigen Prof. Dr. P. Da nach Ansicht der Sachverständigen die offene und verschmutzte Ware von insgesamt 1,6 t nicht mehr in den Verkehr gebracht werden konnte, fand sich Herr K bereit, diese selbst, jedoch unter amtlicher Aufsicht, zu beseitigen, um eine Beschlagnahme und amtliche Beseitigung zu verhindern. Am 8.6.1995 fand eine Nachkontrolle statt in Anwesenheit des Mitarbeiters des WKD S sowie der Herren Dr. S und Dr. H vom Amt für öffentliche Ordnung, der mit seiner Stellungnahme vom 17.11.1995 die am 30.5. und am 8.6.1995 festgestellten Beanstandungen im Erdgeschoss und im Untergeschoss (Tiefkühlraum) auflistete unter Beifügung der angefertigten Lichtbilder. Das Ergebnis der Untersuchung der Vergleichsprobe der Schinkenwurst ergab laut Bericht vom 12.6.1995, dass die Schinkenwurst zwar Staphylokokken enthielt, jedoch nicht feststellbar war, ob die Wurst bei der Produktion oder durch die Lagerung beim Verbraucher verunreinigt worden war. Die Untersuchung des Sauerbratens ergab keine Beanstandung. Der von der Klägerin beigezogene Privatsachverständige Prof. Dr. F teilte mit Schreiben vom 7.6.1995 an die Klägerin mit, die Tiefkühllagerung offener, unverpackter Fleischwaren sei verboten. Die Rohstoffe könnten zwar, sofern kein gesundheitliches Risiko bestehe, zu Fertigerzeugnissen verwendet werden, es müsse aber in der Kennzeichnung auf die Qualitätsänderungen hingewiesen werden. Er empfahl eine Sanierung und Reinigung des Tiefkühlraumes, die nicht erfolgte. Mit Urteil des Amtsgerichts Stuttgart-Bad C aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 27./28.8.1997 wurde Herr K als Geschäftsführer der Komplementärin der Klägerin bzw. als Geschäftsführer der früheren GmbH strafrechtlich verurteilt. Das Strafgericht sah einen Verstoß gegen §§ 17 Abs. 1 Ziff. 1, 52 Abs. 1 Ziff. 9 LMBG als bewiesen an.

Am 6.6.1995 veröffentliche die Pressestelle der Landespolizeidirektion S eine Presseerklärung. Zum genauen Wortlaut wird auf das Urteil des Landgerichts Stuttgart S. 5 f verwiesen. Damals gab es in S B 11 Metzgereien und 19 weitere Betriebe mit Fleisch- und Wurstwarenverkauf. Die Presse nahm die Pressemitteilung der LPD II zum Anlass für eigene Berichte (vgl. hierzu K 10 a bis f/Bl. 107). Am 14.6.1995 (vgl. BK 2/Bl. 350) und am 5.10.1995 wandte sich die Klägerin ihrerseits an die Presse mit einer Presseerklärung, die wiederum zu Artikeln in der Presse führte (vgl. K 17 a bis b/BL 114 und K 17 c bis e/Bl. 114).

Die Klägerin hat geltend gemacht, sie sei aktivlegitimiert; die Unvollständigkeit der Firmenbezeichnung und die unvollständige Angabe der Vertretungsverhältnisse sei unschädlich. Die Pressemitteilung vom 6.6.1995 sei falsch, irreführend und grob fehlerhaft gewesen. Sie stelle eine öffentliche Warnung vor ihren Produkten dar, wozu das beklagte L nicht berechtigt gewesen sei. Sie sei für ihre Kunden identifizierbar gewesen, weshalb sie große Verluste erlitten habe. Sie habe durch die dadurch notwendig gewordene Einstellung des Geschäftsbetriebs einen Schaden von DM 3.859.614,50 erlitten.

Die Klägerin hat beantragt,

das beklagte L zu verurteilen, an die Klägerin DM 3.859.614,50 nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 5.8.1997 zu bezahlen.

Das beklagte L hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das beklagte L hat geltend gemacht, die Pressemitteilung entspreche im Wesentlichen der Wahrheit. Sie sei rechtmäßig. Sie stelle keine Warnung dar mangels Namensnennung und Identifizierbarkeit. Durch das Strafverfahren wären die Tatsachen ohnehin öffentlich bekannt geworden. Es bestreitet die Höhe des geltend gemachten Schadens.

Das Landgericht hat nach Aussetzung des Rechtsstreits wegen des laufenden Strafverfahrens nach dessen Abschluss das beklagte L dem Grunde nach zur Schadensersatzzahlung verurteilt. Es hat ausgeführt, das Rubrum könne durch Hinzufügen des Zusatzes "Wurst" berichtigt werden, die Klage sei somit zulässig von der Klägerin erhoben, in der Sache habe sich das beklagte L schadensersatzpflichtig gemacht, weil durch die Pressemitteilung, die inhaltlich nicht richtig sei, die Klägerin identifizierbar gewesen sei und deshalb Umsatzeinbußen erlitten habe. Der Eingriff in die Rechte der Klägerin sei nicht von einer Ermächtigungsgrundlage gedeckt gewesen; die Pressemitteilung sei nicht erforderlich gewesen. Zu den Einzelheiten der Begründung des Landgerichts wird auf dessen Urteil Bezug genommen.

Mit der hiergegen eingelegten Berufung macht das beklagte L geltend, die Klageerhebung sei unwirksam gewesen aufgrund der unrichtigen Angabe der Vertretungsverhältnisse. Die Berichtigung der Mangelhaftigkeit der Klageschrift wirke nur ex nunc. Der Anspruch sei im Zeitpunkt der Beseitigung der Mangelhaftigkeit verjährt gewesen. Zum Schadensersatzanspruch macht das beklagte L geltend, mit der Pressemitteilung habe es keine der Klägerin gegenüber bestehende Amtspflicht verletzt. Es habe weder die Amtspflicht zur Erteilung richtiger, wahrheitsgemäßer Auskünfte, die Amtspflicht zu verhältnismäßigem Verhalten noch die zum Unterlassen rechtswidriger Eingriffe in den Gewerbebetrieb der Klägerin verletzt. Darüber hinaus sei sein Verhalten nicht kausal für den der Klägerin entstandenen Schaden geworden. Ferner sei ein eventueller Ersatzanspruch ausgeschlossen, weil die Klägerin keine "Rechtsmittel" im Sinne des § 839 Abs. 3 BGB ergriffen habe. Außerdem müsse sich die Klägerin auf Ersatzansprüche gegen die unzutreffend berichtenden Medien verweisen lassen. Ein Anspruch aus enteignungsgleichem Eingriff bestehe nicht mangels Unmittelbarkeit eines eventuellen Eingriffs.

Das beklagte L beantragt:

1. Das Grundurteil des Landgerichts Stuttgart, verkündet am 28.7.2000, wird geändert.

2. Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Auch die Klägerin hält an ihrem Vortrag und ihren Rechtsansichten wie in erster Instanz geäußert fest. Sie sei aktivlegitimiert, der Schadensersatzanspruch nicht verjährt. Die Pressemitteilung sei falsch, unwahr und reisserisch gewesen. Die Klägerin sei identifizierbar gewesen, dadurch in ihren Rechten verletzt. Das Lebensmittelrecht erlaube derartige Presseveröffentlichungen nur bei einer Gefahren- oder gleichwertigen Interessenlage.

Zu den Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die beigezogene Akte der Staatsanwaltschaft S (1227 VRs 173 Js 48983/95) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Der von der Klägerin geltend gemachte Schadensersatzanspruch nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG ist nicht verjährt, da die Klageerhebung wirksam zum 28.7.1997 und damit verjährungsunterbrechend erfolgt ist.

1.

Zwar hat die Bezeichnung der Klägerin in der Klageschrift unter zwei Fehlern gelitten, zum einen war die Firmenbezeichnung unvollständig, indem das Wort "Wurst" gefehlt hat. Zum anderen waren die Vertretungsverhältnisse unvollständig angegeben. Der Zusatz "Wurst" konnte in den Firmennamen K "G Wurst" GmbH & Co. im Wege der Berichtigung eingefügt werden. Die Gefahr der Verwechslung mit einer anderen natürlichen oder juristischen Person oder einer Personenvereinigung, die unter eigenem Namen Rechte erwerben, Verpflichtungen eingehen, klagen und verklagt werden kann (§§ 141 Abs. 2, 124 Abs. 1 HGB), bestand nicht. Die Firmenbezeichnung war lediglich unvollständig, die Identität der Klägerin blieb gewahrt. Eine Verwechslungsgefahr mit einer anderen Partei bestand nicht.

2.

Auch soweit die Vertretungsverhältnisse in der Klageschrift unvollständig angegeben waren, bewirkt dies keine Unwirksamkeit der Klageerhebung. Die in der Klageschrift aufgeführte K G GmbH & Co. KG ist eine Personenvereinigung, die durch ihre vertretungsberechtigten Gesellschafter handelt. Dies ist bei der klagenden KG deren Komplementär, also die K Verwaltungs-GmbH, die ihrerseits, da juristische Person, durch ihren Geschäftsführer E K vertreten wird. Die K V GmbH war existent, ebenso deren Geschäftsführer E K. Die Klägerin und ihre persönlich haftende Gesellschafterin waren damit also partei-, handlungs- und prozessfähig.

Das Fehlen der vollständigen Angaben der Vertretungsverhältnisse ist für die Klageerhebung unschädlich. Die Ergänzung der Vertretungsverhältnisse konnte im Wege der Rubrumsberichtigung nachgeholt werden. Aus der Parteibezeichnung der Klägerin war unmissverständlich ersichtlich, dass eine GmbH & Co. KG als Klägerin auftrat, deren Komplementärin eine GmbH ist, die ihrerseits von einer natürlichen Person vertreten wird. Die Parteibezeichnung weist nicht auf eine GmbH oder eine andere Person als Klägerin hin. Damit ist offenkundig, dass lediglich der Vertreter der GmbH & Co. KG bei der Parteibezeichnung fehlte. Die Gefahr einer Verwechslung der Klägerin mit einer anderen Person bestand nicht.

Zwar ist eine Klage nicht wirksam erhoben, wenn sie die Partei nicht bezeichnet, § 253 Abs. 3 Nr. 1 ZPO; sie ist unzulässig; eine Berichtigung wirkt grundsätzlich nur ex nunc. Dies gilt auch für die Angabe des gesetzlichen Vertreters, jedoch nur, soweit die Angabe des gesetzlichen Vertreters für die Zustellung erforderlich ist Dies war vorliegend nicht der Fall. Im laufenden Rechtsstreit mussten Zustellungen an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin erfolgen, § 176 ZPO. Die Angabe des Vertreters war, obwohl sie nach § 120 Nr. 1 ZPO angegeben werden soll (anders etwa § 690 Abs. 1 Nr. 1 ZPO muss), deshalb für Zustellungen nicht unbedingt erforderlich (vgl. BGH NJW 1989, 26S9: Vorstand einer Aktiengesellschaft ist nicht angegeben bei Zustellung im Geschäftslokal). Die Angabe des Geschäftsführers E K der persönlich haftenden Gesellschafterin, der K Verwaltungs-GmbH, war auch deshalb ausreichend, weil Zustellungen an die Partei selbst, nicht an die K Verwaltungs-GmbH zu erfolgen hatten, sondern an den Geschäftsführer der GmbH. Nur er war der Adressat der Zustellung, nach dem sich insbesondere die Möglichkeit einer Ersatzzustellung nach § 184 Abs. 1 ZPO richtete. Bei Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte war eine Bezeichnung der KG als der Person, für die der Geschäftsführer der (ungenannten) GmbH die Zustellung entgegennehmen sollte, mit der Angabe vertreten durch den Geschäftsführer ausreichend (so BGH NJW 1993, 2811 wenn sowohl die persönlich haftende Gesellschafterin, die GmbH, als auch der Name des Geschäftsführers nicht angegeben waren).

II.

1.

Das beklagte L hat entgegen der Ansicht des Landgerichts keine Amtspflicht durch Erteilung einer unvollständigen, unrichtigen oder unklaren Auskunft verletzt.

Die Verpflichtung des Amtsträgers zur Erteilung von vollständigen, richtigen, unmissverständlichen, eindeutigen Auskünften besteht jedem Dritten gegenüber, in dessen Interesse oder auf dessen Antrag eine Auskunft erteilt wird. Der Empfänger der Auskunft soll im Vertrauen auf die gegebene Auskunft entsprechend disponieren können. Durch eine Auskunft wird also ein Vertrauenstatbestand zu Gunsten des schutzwürdigen Dritten als Empfängers einer Auskunft geschaffen (Ausnahme: Auskunft in einem förmlichen Verfahren, BGHZ 117, 83; NJW 1994, 2087). Es ist also stets zu prüfen, ob eine Auskunft eine hinreichende Verlässlichkeitsgrundlage begründet (BGH NJW 1994, 2087/90), etwa für etwaige finanzielle Dispositionen.

Vorliegend hat das beklagte L keine Auskunft, also keine Wissens-, Willens- oder Absichtserklärung gegenüber der Klägerin abgegeben. Die Pressemitteilung war nicht an die Klägerin, sondern an die Öffentlichkeit gerichtet. Sie wurde nicht im Interesse der Klägerin oder auf deren Antrag erteilt. Bei der Klägerin ist durch die Pressemitteilung kein Vertrauenstatbestand geschaffen worden, aufgrund dessen sie Dispositionen getroffen und dafür sich nachträglich als unnötig erweisende Aufwendungen gemacht hätte.

Die Amtspflicht zur Erteilung richtiger, vollständiger und eindeutiger Auskünfte ist bereits deshalb nicht verletzt.

Sie ist auch deshalb nicht verletzt, weil die Landespolizeidirektion II eine Auskunft nicht gegeben hat. Zweck der Pressemitteilung war es, die Öffentlichkeit über die Tätigkeit und die Erfolge der Tätigkeit des WKD zu informieren. Die LPD II bzw. der WKD sind von niemandem gefragt worden noch bestand ein von Amts wegen zu schließendes, erkennbares Informationsdefizit bei einem bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis, der eine aktive Aufklärung erfordert hätte (vgl. Tremml/ Karger, Der Amtshaftungsprozess, Rn. 102f). Nicht war Sinn der Pressemitteilung, ein Informationsdefizit bestimmter oder bestimmbarer Bürger zu beheben, um diesen Verhaltensorientierung für zukünftige Dispositionen zu geben, um einen Sachverhalt zu klären, damit bestimmten oder bestimmbaren Personenkreisen ein sachgerechtes Verhalten ermöglicht wird. Die Pressemitteilung hatte lediglich über vergangenes Tun des WKD und in der Vorwoche festgestellte Tatsachen berichtet. Die Pressemitteilung war erkennbar nicht dazu erlassen, den Adressaten ein bestimmtes Verhalten nahezulegen bzw. Entscheidungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Dazu war die Pressemitteilung bereits deshalb ungeeignet, weil sie keinen Hinweis enthielt, in welcher Metzgerei die geschilderten Zustände festgestellt worden waren. Die Öffentlichkeit - abgesehen von Insidern, die aufgrund ihres ohne die Pressemitteilung bereits vorhandenen Vorwissens in der Lage sind, die gemeinte Metzgerei zu erkennen - war durch die Pressemitteilung nicht in die Lage versetzt, ihr Verhalten gegenüber einer bestimmten Metzgerei zu überdenken. Dies lässt sich bereits den Zeitungsartikeln (K 10) entnehmen, die als Reaktion auf die Pressemitteilung erschienen sind, indem etwa (vgl. K 10 c) der Obermeister der S Fleischerinnung, dem die Zustände bei der Klägerin offenbar ohnehin seit längerer Zeit bekannt waren, bedauerte, auf die Klägerin mangels deren Mitgliedschaft in der S. Fleischerinnung nicht einwirken zu können. In den Zeitungsartikeln kommt zum Ausdruck, dass öffentlich über die Identität der Klägerin gerätselt wird, diese aus der Pressemitteilung also nicht erkennbar war für den Durchschnittsleser.

2.

Der Anspruch der Klägerin ist auch nicht wegen Beeinträchtigung wirtschaftlicher Interessen durch falsche Tatsachenbehauptung (§ 824 BGB) bzw. wegen Eingriffs in den geschützten Gewerbebetrieb gerechtfertigt. Die Kernaussage der Presseverlautbarung ist nicht unwahr; die Beklagte hat nicht rechtswidrig und schuldhaft in die Rechte der Klägerin, nämlich in ihren eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb und in ihren Anspruch auf Achtung ihres Ansehens im Wirtschaftsverkehr eingriffen. Voraussetzung wäre, dass die LPD II unwahre Tatsachen in ihrer Pressemitteilung öffentlich gemacht hat, dass sie den Sachverhalt nicht bzw. ungenügend ermittelt hat, dass sie unverhältnismäßig gehandelt oder ihr Ermessen fehlerhaft betätigt hat (vgl. Tremml/Karger a.a.O. Rn. 738 ff). Dies ist nicht der Fall.

a) In der Pressemitteilung der LPD II vom 6.6.1995 sind keine unwahren Behauptungen aufgestellt, die ein unzutreffendes Bild von den Feststellungen bei den Betriebskontrollen am 30.5. und 1.6.1995 vermittelt hätten. Die geringen Ungenauigkeiten, die sich in der Pressemitteilung befinden, haben keinen Einfluss auf das Gesamtbild des im Wesentlichen richtig dargestellten Sachverhalts. Maßgeblich abzustellen ist darauf, wie der unbefangene Durchschnittsempfänger, der mit der Materie nicht besonders vertraut ist hier die Öffentlichkeit und damit der durchschnittliche Verbraucher, nicht die Mitarbeiter der Medien oder besonders vorinformierte, mit speziellem Vorwissen versehene Personen -, die Mitteilung versteht. Dabei kommt es nicht auf den reinen Wortlaut der Erklärung an, sondern auf den Eindruck, den eine solche zur Veröffentlichung in der Presse bestimmte Mitteilung in den Kreisen hervorruft, an welche sich die Presse wendet. Auch nicht maßgeblich ist eine juristisch oder fachlich wissenschaftliche Ungenauigkeit, sondern das Bewusstsein der Bevölkerung und die Vorstellung beim durchschnittlichen Leser und damit beim durchschnittlichen Verbraucher.

aa) Die in der Überschrift der Presseerklärung mitgeteilte "Beschlagnahme" von 1,6 t Lebensmitteln ist zwar eine stark verkürzte, juristisch nicht ganz genaue, den Sinngehalt der Vorgänge vom 30.5./1.6.1995 aber zutreffend wiedergebende Mitteilung, dass die Ware unter amtlichem Zwang aus dem Verkehr gezogen wurde. Die freie Verfügung über die im Tiefkühlraum vorgefundene und beanstandete Menge von 1,6 t Fleisch wurde der Klägerin von Amts wegen, zwangsweise entzogen. Die zunächst am 30.5.1995 erfolgte Versiegelung des Tiefkühlraumes ist ein Fall einer vorläufigen Beschlagnahme nach § 33 Polizeigesetz Baden-Württemberg, die erfolgte, um die Feststellungen zur endgültigen Beseitigung der Ware im Beisein eines von der Klägerin beizuziehenden Privatsachverständigen zu ermöglichen. Sie machte es der Klägerin zwangsweise unmöglich, auf die dort gelagerte Ware zuzugreifen und sie der von ihr vorgesehenen Verwendung zuzuführen. Die am 1.6.1995 von der Klägerin durchgeführte "freiwillige" Entsorgung des beanstandeten Materials erfolgte unter amtlicher Aufsicht (vgl. Beiakte Bl. 197) und nicht ohne Zwang, denn der Klägerin war nur die Entscheidung überlassen werden, wo die Ware entsorgt wird, nicht aber ob sie entsorgt werden muss (vgl. die Aussage des Mitarbeiters des WKD S Beiakte Bl. 187), was zeigt, dass die "freiwillige" Entsorgung durch die Klägerin lediglich dazu diente, einer amtlichen und damit kostenintensiven, weil kostenpflichtigen Entsorgung zuvorzukommen. Die vom Durchschnittsverbraucher mit dem Begriff "Beschlagnahme" verbundene zwangsweise Außerverkehrziehung der Ware ist also zutreffend.

Auch der in der Pressemitteilung in Absatz 1 verwendete Ausdruck, der beschwerdeführende Verbraucher sei erkrankt nach dem Verzehr einer bei der Klägerin gekauften Schinkenwurst, ist im Verständnis eines Durchschnittslesers richtig. Der Verbraucher hatte mehrere Stunden lang nach dem Verzehr der bei der Klägerin gekauften Schinkenwurst an Übelkeit und einem pelzigen Gefühl im Mund gelitten. Im Verständnis des Durchschnittslesers kommt es sicherlich nicht, wie die Klägerin meint, darauf an, dass der im Sozialversicherungsrecht (z.B. in der Krankenversicherung SGB V) verwendete Krankheitsbegriff erfüllt ist, der als maßgeblich die Behandlungsbedürftigkeit bzw. die Arbeitsunfähigkeit für die Erfüllung der Voraussetzungen für den Begriff "Krankheit" ansieht (vgl. Rüfner, Einführung in das Sozialrecht S. 96 m.w.N.) und damit eine längere Dauer des Unwohlseins als nur einige Stunden lang voraussetzt, da dieser Krankheitsbegriff leistungsrechtliche und arbeitsrechtliche Gesichtspunkte steuern soll. Beim juristisch nicht vorgebildeten Durchschnittsleser verbindet sich der Begriff "krank" mit der Vorstellung eines Unwohlseins nicht nur dann, wenn dieses über längere Zeit z.B. mehrere Tage vorliegt. Mit dem Wort "krank" durch den Genuss eines verdorbenen Lebensmittels verbindet sich nach der Vorstellung des Durchschnittslesers das Verständnis, dass dadurch die Gesundheit geschädigt werden kann z.B. durch Magen- und Darmstörungen oder Vergiftungen. Mehrere Stunden eines derartigen Unwohlseins wird in der Bevölkerung mit dem Begriff "krank sein" verbunden.

bb) Die in Absatz 2 der Presseerklärung mitgeteilten Feststellungen, dass im Tiefkühlraum die Decke mit einer dicken Eisschicht bedeckt war, dass vom Eis Tropfwasser auf unabgedeckte, in Wannen gestapelte Fleischwaren lief, dass Fleischwaren mit einer dicken Eisschneeschicht überzogen waren, dass die Wannen und der Fußboden unsauber waren und eine Schmutzschicht hatten, dass auf dem Fußboden zwischen Kartonagen mehrere unverpackte und verpackte Fleisch- und Geflügelteile lagen, deren Verpackungen zum Teil beschädigt waren, sind zutreffend.

Dass die Decke vereist war, hat die Klägerin in ihrer Presseerklärung vom 14.6.1995 (K 17 a/Bl. 114, BK 1/BL 342) selbst zugestanden. Diese Feststellung ist auch in der Stellungnahme des Sachverständigen Dr. H vom 17.11.1995 S. 5 unter Punkt 15.3 aufgrund der Betriebskontrollen vom 30.5. und 1.6.1995 enthalten, wonach die Kühlraumdecke mit einer bis ca. 40 cm dicken Eisschneeschicht überzogen war. Diese Feststellung wurde von Dr. K vom Amt für öffentliche Ordnung der Landeshauptstadt S. der am 30.5.1995 bei der Betriebskontrolle anwesend war, bestätigt, aufgrund dessen Notizen Dr. H. diese Feststellungen in seine Stellungnahme vom 17.11.1995 aufgenommen hat. Die Eiszapfenbildung hat Dr. K bei seiner Aussage vor dem Amtsgericht Stuttgart-Bad C ebenfalls bestätigt. Es seien Eiszapfen entstanden. Es habe wie in einer Tropfsteinhöhle ausgesehen. Dies hat Dr. H aufgrund der Notiz von Dr. K bei der Kontrolle am 30.5.1995 in seiner Stellungnahme vom 17.11.1995 unter Punkt 15.3, S. 5, festgehalten. Er hat auch bestätigt, dass von den Eiszapfen Tropfen auf unabgedecktes Fleisch liefen, das er als Hackfleisch qualifiziert hat. Auch der Mitarbeiter des Wirtschaftskontrolldienstes S, der bei allen Betriebskontrollen anwesend war, hat dies vor dem Amtsgericht Stuttgart-Bad C (dort fälschlicherweise als Schleh bezeichnet) bestätigt (Beiakte Bl. 184 ff). Dass Wannen und Fußboden verschmutzt waren, lässt sich der Stellungnahme Dr. H entnehmen; unter Punkt 15.9 ist festgehalten, dass Stapel- und Transportbehältnisse unsauber waren, unter 15.11 ist eine starke Verschmutzung des Fußbodens durch dunkelbraunen Altschmutz aus Blut-, Fleisch- und Fettrückständen, durch neu eingetragenen Begehschmutz, verdreckte Eis- und Eisschneebeläge, gröbere Fleisch-Fettabfälle und verschmutzte Kartonagenreste festgehalten, unter Punkt 15.12 und 15.13 Verschmutzung der Wandsockelleisten und der Metallwände. Die Verschmutzungen hat Dr. K im Strafverfahren vor dem Amtsgericht Stuttgart-Bad C bestätigt (Beiakte Bl. 190 f). Auch Dr. H hat Verschmutzungen bestätigt (Beiakte Bl. 193 Rückseite, 194), ebenso der Privatsachverständige der Klägerin Prof. Dr. P (Beiakte Bl. 194 Rückseite) und der Mitarbeiter des WKD S (Beiakte Bl. 185 Rückseite). Eine zentimeterdicke Eisschneedecke auf Fleischoberflächen in den oberen der gestapelten Behältnisse, die verschmutzt waren, ist in der Stellungnahme Dr. H unter Punkt 15.6 festgehalten. Sie wird von Dr. H bei seiner Aussage vor dem Amtsgericht Stuttgart-Bad C bestätigt (Beiakte Bl. 190, 191 Rückseite).

cc) Auch der zweite und dritte Abschnitt der Pressemitteilung enthält keine unwahren Behauptungen wenn dort mitgeteilt wird, der Sachverständige habe alle im Tiefkühlraum gelagerten Lebensmittel als nicht mehr verkehrsfähig bezeichnet. Der amtliche und der private, von der Klägerin zugezogene Sachverständige seien zum gleichen Ergebnis gekommen.

Zwar ist der Klägerin zuzugestehen, dass nach § 4 der Verordnung über tiefgefrorene Lebensmittel vom 29.10.1991 nicht bzw. nicht ordnungsgemäß verpackte Tiefkühlware noch in den Verkehr gebracht werden darf, allerdings unter solchen Einschränkungen und Kennzeichnungen, dass sie vom Verbraucher ohne weiteres als minderwertige Ware zu erkennen ist; sie wäre allenfalls zur weiteren Verarbeitung für minderwertige Endprodukte (Fertigprodukte) tauglich gewesen. Auf die juristische Regelung und Definition der Verkehrsfähigkeit der Ware kommt es aber nicht an, da die Vorstellung des durchschnittlichen Lesers und damit des durchschnittlichen Verbrauchers maßgeblich ist Aus dem Verständnis des Normalverbrauchers aber ist eine Ware nicht mehr verkehrsfähig, wenn sie nicht ohne erhebliche Einschränkungen an den Verbraucher abgegeben werden kann. Die Ware war darüber hinaus nach den Feststellungen der Sachverständigen im Strafverfahren sogar verzehrunfähig im Sinne des § 17 Abs. 1 Nr. 1 LMBG. Die Ware war auch nicht mehr verarbeitungsfähig, weil das Fleisch nicht lediglich teilweise oder vollständig unverpackt war, sondern darüber hinaus sichtbare Verunreinigungen und Veränderungen aufwies, die beim durchschnittlichen Verbraucher Ekelgefühle und Widerwillen hervorrufen würden. Diese Ansicht hat auch der Privatsachverständige Prof. Dr. P geteilt. Die Fleischware war deshalb nicht mehr verzehrfähig. Der Verantwortliche für die Klägerin, E K, wurde deshalb auch rechtskräftig zu einer Geldstrafe verurteilt.

dd) Die Aussagen im vierten Absatz der Pressemitteilung enthalten insofern eine unrichtige Darstellung, als im Betrieb der Klägerin nicht ein verschimmelter Sauerbraten, sondern ein verschimmelter Schweinebauch gefunden worden war. Der Sauerbraten wies lediglich eine grünlich missfarbene Oberfläche auf, die beim Sachverständigen Dr. K den Verdacht auf Schimmel erregte, weshalb eine Verdachtsprobe entnommen wurde. Der Sauerbraten hat sich später, d.h. nach der Presseerklärung als ohne Beanstandung erwiesen. Beim durchschnittlichen Verbraucher hat sich dadurch aber keine Vorstellung zum Nachteil der Klägerin gebildet. Für den durchschnittlichen Leser ist es unerheblich, ob ein Sauerbraten oder ein anderes Stück Fleisch verschimmelt ist. Der wesentliche Inhalt der Mitteilung, dass verschimmeltes Fleisch gefunden wurde, war zutreffend. Die Presseerklärung teilt nicht vorrangig etwas mit über Sauerbraten mit, sondern berichtet über unhygienische Verhältnisse und dabei vorgefundene beanstandungswürdige Fleischwaren, ohne dass es auf den Unterschied zwischen verschiedenen Fleischarten ankäme. Dies ergibt sich bereits daraus, dass in Absatz 5 der Pressemitteilung von Lebensmitteln die Rede ist, die aus dem Verkehr gezogen wurden und nur in einem Klammerzusatz verschiedene Fleischwaren aufgeführt sind, wozu auch Rindfleisch gehört, aus dem Sauerbraten gemacht wird, ohne dass diese Ware näher nach Menge oder Verschmutzung spezifiziert wurde und ohne dass hinsichtlich einzelner Fleischwaren die Art und das Ausmaß der Beanstandung bekannt war. Die Art des verschimmelten Fleisches ist für den Durchschnittsverbraucher eine unerhebliche Nebensächlichkeit, die auf den durch die Presseerklärung vermittelten Gesamteindruck keinen Einfluss hat. Dies ergibt sich auch aus den Formulierungen in der Überschrift und in den Absätzen 2, 3 und 4, in denen die Ware mit den zusammenfassenden Begriffen "Fleischwaren", "Fleischerzeugnisse", "Fleisch- und Geflügelteile", "Lebensmittel" bezeichnet wird. Es besteht nach der Lebenserfahrung auch keine Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Kunden der Klägerin wegen dieser Ungenauigkeit vom Kauf bei ihr Abstand genommen haben. Wäre die Mitteilung, dass ein verschimmelter Sauerbraten gefunden wurde, beim durchschnittlichen Zeitungsleser als die wesentliche Botschaft angekommen, wäre zu erwarten gewesen, dass die Kunden nur oder aber überwiegend vom Kauf von Sauerbraten Abstand nehmen, im Übrigen die Klägerin aber ihre Ware weiterhin verkaufen kann.

Die übrigen Aussagen in Absatz 4 der Pressemitteilung sind wiederum richtig. Von einer Schinkenwurst wurde eine Vergleichsprobe, vom Sauerbraten eine Verdachtsprobe genommen. 1,6 t Fleisch wurden aus dem Verkehr gezogen und zur Tierkörperbeseitigungsannahmestelle transportiert. Wer dies veranlasst hat, ist nicht gesagt, ist aber auch nicht wesentlich für den Bericht über die festgestellten Zustände und den weiteren Verbleib der beanstandeten Fleischwaren.

Auch die Aussage in Absatz 5, der Sachverständige werde ein Gutachten erstellen über die erheblichen Beanstandungen in baulicher und hygienischer Hinsicht, ist zutreffend. Die in der Stellungnahme des Dr. H vom 17.11.1995 aufgelisteten Beanstandungen sind erheblich. Der Sachverständige stellt zu den zusammengestellten hygienischen Mängeln fest, dass diese ein hohes Maß an Gleichgültigkeit gegenüber den hygienischen Anforderungen erkennen lassen. Die zahlreichen festgestellten Verschmutzungen und Unsauberkeiten in allen Bereichen seien besorgniserregend. Die aufgeführten Mängel widersprächen den Hygienevorschriften in krasser Weise. Er bescheinigt einen allgemein niedrigen hygienestandard im Betrieb.

Die baulichen Beanstandungen sind unter Punkt 16 aufgeführt; die festgestellten Bauschäden in der Wurstküche, im Fleischkühlraum, im Vorkühlraum und im Zerlegeraum genügten nicht den Anforderungen. Diese Mängel waren bereits bei Herausgabe der Pressemitteilung vorhanden, ohne dass sie in der Pressemitteilung aufgeführt sind. Dass das Gutachten erst erstellt wird, ist aus der Pressemitteilung zu entnehmen.

Die Pressemitteilung enthält damit keine die Vorstellung des durchschnittlichen Zeitungslesers prägenden falschen Tatsachen. Sie ist ihrem wesentlichen Inhalt nach richtig und enthält keine Übertreibungen, wie die Klägerin meint. Die Pressemitteilung hält sich im Rahmen sachlicher Mitteilung, ohne einen falschen Eindruck vom Ausmaß der Beanstandungen zu erwecken. Damit scheidet eine Verletzung der Amtspflicht zur wahrheitsgemäßen Berichterstattung aus.

b) Die Pressemitteilung enthält auch keine unbewiesenen, lediglich auf Vermutungen oder Wahrscheinlichkeiten beruhenden Tatsachen. Im Zeitpunkt der Veröffentlichung der Pressemitteilung am 6.6.1995 waren die Beanstandungen im Tiefkühlraum, im Kühlraum im Obergeschoss, in dem der verschimmelte Schweinebauch gefunden wurde, und der Sauerbraten in den Betriebsräumen durch die Betriebskontrollen am 30.4. und 1.5.19S5 festgestellt. Die Behauptungen in der Presseerklärung beruhten also nicht auf Vermutungen. Ermittlungen zu diesen mitgeteilten Tatsachen waren nicht mehr erforderlich. Damit scheidet auch eine Verletzung der Amtspflicht zur Erforschung des Sachverhalts (BGH NJW 1989, 99; NJW 1981, 675) aus.

c) Das beklagte L hat auch nicht die Amtspflicht zu verhältnismäßigem Verhalten verletzt, die jedem Amtsträger gebietet, einen hoheitlichen Eingriff von vornherein in seinem Umfang und seiner Dauer auf das notwendige Maß zu beschränken, sodass kein zu dem beabsichtigten Erfolg, offensichtlich außer Verhältnis stehender Schaden entsteht.

aa) Mit der Pressemitteilung hat die LPD II den Zweck verfolgt, die Öffentlichkeit über die Tätigkeit des Wirtschaftskontrolldienstes und die von diesem erzielten Resultate zu informieren. Dies ist Aufgabe der LPD; sie fällt in ihren Zuständigkeitsbereich und ist von öffentlichem Interesse. Sie zeigt auf - insbesondere in Zeiten, in denen Lebensmittel-"Skandale" immer wieder auftreten -, dass der Wirtschaftskontrolldienst seiner Arbeit nachgeht, dabei in der Lage ist, Missstände aufzuspüren und abzustellen und für die Zukunft aufzuzeigen, dass Verstöße bemerkt und verfolgt werden. Solche Mitteilungen haben also ein in die Vergangenheit und in die Zukunft gerichtetes öffentliches Interesse. Die Behörde ist auf Nachfrage der Presse zur Information auch verpflichtet nach § 4 Absatz 1 Landespressegesetz Baden-Württemberg, es sei denn, eine der in Abs. 2 des § 4 Landespressegesetz genannten Ausnahmen läge vor. Dieser Informationspflicht, auch unter dem Gesichtspunkt des Anspruchs auf Gleichbehandlung der Presse nach § 4 Abs. 4 Landespressegesetz und der Vermeidung von mit Einzelanfragen der Presse verbundenem Arbeitsaufwand, kann die Behörde durch amtliche Bekanntmachungen bzw. Pressemitteilungen nachkommen (vgl. etwa Löffler, Presserecht, 4. Aufl., § 4 Rn. 3).

Nicht hat die LPD H mit der Pressemitteilung vom 6.6.1995 eine Warnung im Sinne des § 13 AGLMBG Baden-Württemberg ausgesprochen noch wäre die Pressemitteilung zur Warnung in diesem Sinne geeignet gewesen. Die Pressemitteilung enthält keine irgendwie geartete Aufforderung an die Adressaten, ein bestimmtes Verhalten zu unterlassen, vom Kauf der Ware bei der Klägerin Abstand zu nehmen, um irgendwelche Gefahren oder Risiken zu vermeiden. Die Pressemitteilung enthält im Gegensatz dazu die Information, dass die beanstandeten Waren bereits beseitigt sind, also nicht mehr in den Verkehr kommen können und damit auch keine Gefahr mehr für die Verbraucher darstellen können. Sie war deshalb eher als Entwarnung denn als Warnung geeignet. Ein irgendwie geartetes Verhalten des Verbrauchers wird nicht angemahnt.

Die Pressemitteilung wäre als Warnung auch ungeeignet, da sie den Hersteller und die beanstandete, für den Verbraucher noch risikobehaftete Ware nicht nennt. Ohne Nennung des Namens der Klägerin war aber dem durchschnittlichen Verbraucher nicht erkennbar, vor welchen Waren in welcher Metzgerei gewarnt werden soll. Allenfalls über das Normalmaß hinaus vorinformierte Verbraucher waren ggf. in der Lage, zusammen mit ihrem Vorwissen Rückschlüsse auf die Klägerin zu ziehen. Dieser Adressatenkreis ist aber nicht der für eine Warnung maßgebliche. Eine berechtigte und erforderliche Warnung dürfte nicht so unklar formuliert werden, dass der durchschnittliche Verbraucher die Gefahrenquelle nicht erkennen kann.

Ebensowenig machte die LPD II von dem Informationsrecht nach § 15 AGLMBG Gebrauch, das unter bestimmten Voraussetzungen die Information der Öffentlichkeit unter Nennung von Produktnamen und Unternehmer erlaubt.

In der Pressemitteilung sind die festgestellten Zustände im Betrieb der Klägerin sachlich, zurückhaltend und ohne Übertreibungen dargestellt. So ist dort lediglich eine dicke Eisschicht an der Decke und eine dicke Eisschneeschicht auf Fleischerzeugnissen, Tropfwasser und eine Schmutzschicht auf Waren und Fußboden erwähnt, während die tatsächlich angetroffenen Verhältnisse weit gravierender waren (vgl. Stellungnahme Dr. H vom 17.11.1995): Dr. K vom Amt für öffentliche Ordnung der Landeshauptstadt S hat die Eiszapfenbildung mit einer Tropfsteinhöhle verglichen. Die Tür zum Tiefkühlraum hat nicht dicht geschlossen; im Türrahmen und Eingangsbereich war eine ca. 20 bis 30 cm dicke Eis- und Eisschneeschicht vorhanden. Die Verschmutzung des Fußbodens war stark durch dunkelbraunen Altschmutz aus Blut-, Fleisch- und Fettrückständen, die Wände waren verschmutzt, die Eis- und Eisschneebeläge waren verdreckt. Die Verschmutzungen waren besorgniserregend. Die Behältnisse waren auf unverpacktem Fleisch gestapelt, sodass die Unterseite der Behältnisse auf dem unverpackten Fleisch stand.

bb) Der Bekanntgabe in einer Pressemitteilung steht nicht ein schutzwürdiges Interesse der Klägerin an der Nichtveröffentlichung entgegen, § 4 Abs. 2 Ziff. 3 2. Alt. Landespressegesetz Baden-Württemberg. Die Güter- und Interessenabwägung zwischen dem Informationsrecht einerseits, dem Geheimhaltungsinteresse andererseits lässt angesichts des Ausmaßes der festgestellten hygienischen Missstände einen Vorrang der Interessen der Klägerin nicht erkennen.

Ein schutzwürdiges Interesse der Klägerin an der Nichtveröffentlichung besteht jedenfalls so weit nicht, als sie aufgrund der in der Presseerklärung mitgeteilten Einzelheiten für den durchschnittlichen Zeitungsleser und auch für die Presse nicht identifizierbar war. Dies zeigt sich in sämtlichen nach der Presseerklärung erschienenen Zeitungsartikeln (K 10 a bis h/Bl. 107) an dem darin zum Ausdruck kommenden Rätselraten, welcher der beanstandete Betrieb sein könnte (K 10 c, e, g). Auch noch in einer Veröffentlichung vom 10./11.6.1995 (K 10 h) war der Betrieb der Klägerin nicht öffentlich genannt, für den nicht mit speziellem Vorwissen ausgestatteten Zeitungsleser also nicht identifizierbar, zumal es zum Zeitpunkt der Presseerklärung in Stuttgart-Bad C 11 Metzgereien und 19 andere Einzelhandelsbetriebe mit Fleisch- und Wurstverkauf gab. Öffentlich bekannt und damit auch dem durchschnittlichen Zeitungsleser erkennbar wurde die Klägerin erst mit ihrer Pressekonferenz am 14.6.1995.

Schutzwürdige Belange der Klägerin stehen nur insoweit in Betracht, als die Klägerin für einen allenfalls kleinen mit erheblichem Vorwissen ausgestatteten Personenkreis identifizierbar war. Dies ergibt sich etwa aus den Zeitungsartikeln K 10 c und e, in denen der Obermeister und der Geschäftsführer der Stuttgarter Fleischerinnung aufgrund ihrer vorhandenen Insider-Kenntnisse hinsichtlich der "schwarzen Schafe" ihres Berufsstandes die Klägerin identifizieren konnten. Identifizierbar mag die Klägerin aufgrund der genannten aus dem Verkehr gezogenen Fleischmengen auch für ihre Großkunden gewesen sein, zumal in den Zeitungsartikeln auch die großen Mengen hervorgehoben und damit der Schluss auf einen Großbetrieb gezogen wurde. Die Identifizierbarkeit aufgrund vorhandenen Vorwissens aber ist nicht auszuschließen. Müsste diese Gefahr von der Behörde immer ausgeschlossen werden, hätte dies zum Ergebnis, dass bei Identifizierbarkeit aufgrund vorhandenen Insiderwissens eine Pressemitteilung unzulässig wird, Mitteilungen an die Presse wären nahezu ausgeschlossen.

Angesichts der tatsächlichen Feststellungen von gravierendem Gewicht durfte vorliegend dem Informationsbedürfnis der Allgemeinheit Vorrang eingeräumt werden vor den Interessen der Klägerin (vgl. zur Abwägung BGHZ 143, 199 ff; BGH WM 1994, 992, 995; NJW 1987, 2746). Das Interesse der Klägerin an der Geheimhaltung war auch deshalb gering zu veranschlagen, weil ihr Tun eine Straftat darstellte. Zwar entbehrt verbotenes Tun nicht jeglichen Schutzes (vgl. BVerwGE 87, 37 ff, Glycolwein). Der Verdacht auf Straftaten darf, auch unter Namensnennung, öffentlich gemacht werden (BGHZ 27, 338), jedoch stets unter Beachtung des Eindrucks, den eine solche Mitteilung bei den Kreisen, an die sie sich wendet, hervorruft. Die Presseerklärung der LPD II war jedoch, gemessen an den tatsächlich vorgefundenen Zuständen, zurückhaltend und hat die Zustände eher unter- als übertrieben.

Die Betriebsschließung statt einer Presseerklärung hätte kein milderes Mittel dargestellt. Die Presseerklärung wollte nicht den Betrieb der Klägerin für die Zukunft verhindern bzw. beeinträchtigen, was aber durch eine Betriebsschließung geschehen wäre, die der Klägerin jegliche Betätigung unmöglich gemacht hätte mindestens bis zur Beseitigung der festgestellten Mängel, die die Klägerin (mindestens teilweise) jedoch bis zur Aufgabe des Geschäfts im Jahre 1997 nicht beseitigt hatte. Die Schließung über längere Zeit zerstört ebenfalls den Goodwill eines Unternehmens zum einen weil die Gründe für die Schließung bekannt werden, zum anderen weil die Kundschaft das Unternehmen vergisst und sich anderen Metzgereien zuwendet.

Aufgrund der dargelegten Umstände scheidet ein rechtswidriger und schadhafter Eingriff des beklagten Landes in Rechte der Klägerin aus.

3.

Das Produktsicherungsgesetz ist auf vorliegenden Fall nicht anwendbar, weil es erst im Jahre 1997 in Kraft getreten ist, die Pressemitteilung aber vom Juni 1995 datiert.

4.

Ein Anspruch aus enteignendem Eingriff, d.h. wenn die fallbezogene nachteilige Einwirkung auf den geschützten Gegenstand die ungewollte Nebenfolge rechtmäßiger hoheitlicher Maßnahmen ist und dadurch die Schwelle des enteignungsrechtlich Zumutbaren überschritten wird (BGH NJW 1992, 3229; BGHZ 102, 350) bzw. aus enteignungsgleichem Eingriff, d.h. wenn rechtswidrig durch hoheitliche Maßnahmen in einen geschützten Gegenstand eingegriffen und dadurch dem Beteiligten ein Sonderopfer für die Allgemeinheit auferlegt wird (vgl. BGH WM 1997, 1755; NJW 1997, 3432) scheidet aus. In beiden Fällen müsste die Maßnahme unmittelbar in den geschützten Gegenstand eingreifen, indem sich eine in der Maßnahme selbst angelegte Gefahr verwirklicht (BGHZ 125,19).

An der Unmittelbarkeit des Eingriffs und an einem Sonderopfer fehlt es hier. Als Zwischenschritt zwischen der rechtmäßigen Presseveröffentlichung und dem Verlust von Kundschaft und damit von Umsatz ist die hierzu nicht aufgeforderte oder nahegelegte freie Entscheidung der Kundschaft der Klägerin erforderlich, vom Kauf bei der Klägerin Abstand zu nehmen. Die Kaufenthaltung der Kundschaft der Klägerin ist, da durch den Bericht über die Außerverkehrziehung der beanstandeten Ware das Vorhandensein eines Gesundheitsrisikos für die Verbraucher als nicht mehr vorhanden dargestellt wurde, nicht zwangsläufig. Ebenso möglich ist die Genugtuung der Kunden über die Beseitigung der beanstandeten Ware und die Zuversicht, die Klägerin werde sich die Beanstandung zur Warnung und Besserung gereichen lassen, sodass der Kunde zukünftig bessere Qualität als bei anderen, nicht kontrollierten Betrieben erwarten kann.

Der Klägerin wurde auch kein Sonderopfer zugemutet. Die Klägerin hat Strafrechtsverstöße begangen, über deren Vorhandensein in angemessener Form hätte berichtet werden dürfen, ohne dass dies zu einem Sonderopfer führen kann, das anderen Personen nicht zugemutet wird. Der Bericht über den Verdacht von Straftaten kann ebenfalls zu unterschiedlichen Verhaltensweisen der Öffentlichkeit führen.

Aus diesen Gründen scheidet auch eine Entschädigung aus enteignendem bzw. enteignungsgleichem Eingriff aus.

5.

Da der Klägerin unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Schadensersatz- bzw. Entschädigungsanspruch zusteht, war ihre Klage unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Stuttgart vom 28.7.2000 abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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