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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 15.02.2000
Aktenzeichen: 10 U 118/99
Rechtsgebiete: bwLKrO, BGB


Vorschriften:

bwLKrO § 37
bwLKrO § 44
BGB § 242
Leitsätze:

1. Beschließt der Kreistag nach zeitweiligem Ruhen des Projekts die Fortführung der Planungen im Rahmen eines jeweils abzurufende Leistungsstufen enthaltenden Baubetreuungsvertrags, so bedeutet dies nicht die wirksame Beauftragung mit der Erbringung einer weiteren Leistungsstufe. Diese Beauftragung bedarf der Schriftform und der Unterzeichnung durch den Landrat. Ein entsprechender Kreistagsbeschluss stellt lediglich die Ermächtigung der Verwaltung zur weiteren Durchführung des Projekts dar.

2. Die Formvorschriften der Landkreisordnung sind ebenso wie diejenigen der Gemeindeordnung materielle Vorschriften über die Beschränkung der Vertretungsmacht, die dem Schutz der Körperschaft und ihrer Mitglieder dienen.

3. Der Einwand des Landkreises, die Verpflichtungserklärung sei formunwirksam, ist nur ausnahmsweise wegen Verstoßes gegen Treu und Glauben unbeachtlich. Sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Kreistag in einem Beschluss erhebliche Kosten nicht notwendiger Art verursachen wollte, und enthält der Kreistagsbeschluss keine eindeutig auf eine Beauftragung hindeutende Formulierung, scheidet ein Verstoß gegen Treu und Glauben aus. Vielmehr kann in seinem solchen Fall vom Unternehmer verlangt werden, auf einem Abrufen seiner Leistungen unter Einhaltung der gesetzlichen Schriftform zu bestehen.


Oberlandesgericht Stuttgart - 10. Zivilsenat - Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 10 U 118/99 13 O 173/98 LG Stuttgart

Verkündet am: 15. Februar 2000

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (Mauch) JOS/in

In Sachen

hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart auf die mündliche Verhandlung vom 7. Dezember 1999 unter Mitwirkung

des Vors. Richters am OLG Treuer;

des Richters am OLG Rless und

des Richters am OLG Dr. Hoffmann

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 7.05.1999 wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsrechtszugs.

3. Das Urteil ist bezüglich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung abwenden gegen Sicherheitsleistung in Höhe des im Kostenfestsetzungsbeschluß noch festzusetzenden Betrages ihrer Kostenerstattungspflicht, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Streitwert und Beschwer der Klägerin: 1.335.510,00 DM

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Zahlung restlicher Vergütung aus einem gekündigten Baubetreuungsvertrag, und zwar für nicht erbrachte Leistungen der Leistungsstufe IV. Mit Baubetreuungsvertrag vom 6./7. Juni 1988 beauftragte der Landkreis, vertreten durch den Landrat, als Bauherr die Klägerin mit der Umsetzung der Konzeption der künftigen Abfallverwertung und Abfallbeseitigung im Landkreis Ludwigsburg. Das Ziel des Projektes war die Errichtung eines Restmüllheizkraftwerkes.

Die Beklagte ist für den Landkreis durch 3-seitige Vertragsübernahme vom 20.10./6.11.1989 in den Vertrag eingetreten (Anl. K 2).

Bei kalkulierten Gesamtaufwendungen von 781.000.000 DM war für sämtliche Leistungen der Klägerin eine Gesamtvergütung von netto 16.026.120 DM vorgesehen. Gemäß Ziff. 3.1 des Vertrages hatte die Beauftragung in Leistungsstufen zu erfolgen, die sich nach der Notwendigkeit von Gremiumsbeschlüssen ergaben. Die Leistungsstufen wurden im Vertrag detailliert dargestellt. Im einzelnen wird bezüglich des gesamten Wortlauts des umfangreichen Betreuungsvertrages auf die Anl. K 1 Bezug genommen.

Gemäß Ziff. 6.3 bedurften die Leistungsstufen jeweils als Grundlage für die weitere Bearbeitung der schriftlichen Zustimmung des Bauherrn.

Zwischen den Parteien streitig ist die Beauftragung der Klägerin mit den Tätigkeiten aus der Leistungsstufe IV.

Die Klägerin ist der Auffassung, mit Aufgaben der Leistungsstufe IV beauftragt worden zu sein. Sie verweist auf den Kreistagsbeschluß vom 29.09.1989 (An[., K 3). Dort hatte der Kreistag beschlossen, die Planung für ein Restmüllheizkraftwerk mit Sortieranlage auf dem Standort Freiberg/südlich Wilhelmshof für ein Planfeststellungsverfahren fortzusetzen. Mit dem Regierungspräsidium sei unverzüglich der Planungsrahmen für die technische Planung und für eine Umweltverträglichkeitsprüfung abzusprechen, die auch die Darstellung der Standortalternativen beinhalten müsse.

Unstreitig ist eine schriftliche Beauftragung der Klägerin durch den Landrat bezüglich Leistungsstufe IV nicht erfolgt. Am 18.10.1989 fand ein Arbeitsgespräch der Parteien (die Beklagte war in diesem Zeitpunkt noch nicht Vertragspartnerin) über die Fortführung der Planungsarbeiten statt. Insoweit existiert ein Aktenvermerk der Klägerin (Anl. K 4).

Am 13.08.1990 teilte die zwischenzeitlich in den Vertrag eingetretene Beklagte der Klägerin mit, daß die Beklagte zur endgültigen Beurteilung der anstehenden Verfahrensfragen noch weitere Abklärungen mit dem Land brauche. Weiter heißt es dort: "Bevor keine Klarheit darüber besteht, wie es in den Verfahrenswegen weitergeht, insbesondere ob ein Raumordnungsverfahren vorgeschaltet wird, können nur die Untersuchungen weitergeführt werden, die in beiden Fällen gebraucht werden." Bezüglich des vollen Wortlauts wird auf die Anl. K 8 Bezug genommen.

Am 20.10.1989, 19.12.1989, 23.12.1991 und 7.12.1992 erteilte die Klägerin Abschlagsrechnungen.

Am 12.10.1994/11.01.1995 schlossen die Parteien einen "Ziff. 1 Nachtrag zum Betreuungsvertrag". Darin wurde vereinbart, daß wegen des Kreistagsbeschlusses vom 1.07.1994, einen Großversuch zum Restmüll-Splitting-Verfahren durchzuführen, die weiteren Arbeiten zum bislang geplanten Restmüllheizkraftwerk während dieses Großversuchs zunächst ruhen und damit auch der Betreuungsvertrag bis zum 31.12.1995, und zwar ab dem 1.10.1994. Die bisher erbrachten Leistungen bis zum Abschluß des Raumordnungsverfahrens wurden mit 30 % der vertraglich vereinbarten Gesamtleistung festgesetzt und waren abzurechnen. Im übrigen sollten weiterhin die Festlegungen des Betreuungsvertrages gelten. Bezüglich des vollen Wortlauts wird auf die Anl. K 5 Bezug genommen.

Am 6.12.1996 beschloß der Kreistag die Aufgabe der Planungen. Am 7.01.1997 kündigte die Beklagte den Betreuungsvertrag mit sofortiger Wirkung, da auf den Bau des Restmüllheizkraftwerkes endgültig verzichtet worden sei. Die Kündigung verweist darauf, daß dieser Umstand den Landkreis nach Ziff. 10.1 des Betreuungsvertrages zur Kündigung aus wichtigem Grund berechtigte. Auf die Anl. K 6 wird Bezug genommen.

Die Klägerin macht mit ihrer Klage auf der Basis des Gesamthonorars die Hälfte der auf die noch nicht erbrachten Leistungen der Leistungsstufe IV entfallenden Vergütung geltend. Unter der Annahme, es seien bereits 10 der Leistungen aus der Leistungsstufe IV erbracht und durch die Vereinbarung vom 12.10.1994/11.01.1995 abgegolten worden, hat die Klägerin ihre Forderung erstinstanzlich mit 1.442.351,00 DM berechnet.

Die Beauftragung folge aus der weitgehenden Übereinstimmung des Wortlauts zwischen dem Kreistagsbeschluß vom 29.09.1989 und dem Leistungsprofil gem. Ziff. 4.2.5.2 des Betreuungsvertrages. Auch sei bei der Arbeitsbesprechung vom 18.10.1989 eine Beauftragung in mündlicher Form erfolgt, wobei die vertragliche Schriftformklausel zuvor einvernehmlich abbedungen worden sei. Zudem habe die Klägerin unter Beteiligung der Beklagten Tätigkeiten entfaltet, die zwingend Gegenstand der Leistungsstufe IV seien. Dies gelte insbesondere für die Erstellung eines Inhaltsverzeichnisses für das Planfeststellungsverfahren.

Zwar seien lediglich die Leistungsstufen I und II schriftlich abgerufen worden, nicht jedoch die Leistungsstufe III.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zur Zahlung von 1.442.351,00 DM nebst 5 % Zinsen hieraus seit dem 1.08.1997 zu verurteilen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Eine Beauftragung mit der Leistungsstufe IV liege nicht vor. Die Klägerin habe lediglich Leistungen aus den Leistungsstufen I und teilweise II erbracht. Der Kreistag habe mit seinem Beschluß eine weitere Beauftragung der Klägerin nicht beabsichtigt. Die Klägerin sei damals auch selbst nicht von einer Beauftragung mit der Leistungsstufe IV ausgegangen, da in den Abschlagsrechnungen lediglich Leistungen aus den Leistungsstufen I-III abgerechnet worden seien.

Durch Urteil vom 7.05.1999 hat das Landgericht Stuttgart die Klage abgewiesen. Der Kreistagsbeschluß sei nicht geeignet, im Verhältnis zwischen der Klägerin und dem Landkreis Ansprüche aus dem Betreuungsvertrag auszulösen, solange der Beschluß nicht zum Gegenstand einer rechtsgeschäftlichen Willenserklärung gemacht worden sei. Die Klägerin habe der Übermittlung des Kreistagsbeschlusses im Hinblick auf das Fehlen der Planungen aus der Leistungsstufe III nicht den Willen des Landkreises L beilegen dürfen, dieser wolle die Leistungsstufe IV abrufen. Aus dem Arbeitsgespräch vom 18.10.1989 könne sich eine Beauftragung mit der Leistungsstufe IV nicht ergeben. Gleiches gelte für die Absprache der Parteien über die Durchführung eines Raumordnungsverfahrens, da dieses nicht Teil des Planfeststellungsverfahrens, sondern diesem lediglich vorgeschaltet sei. Ein Anspruch ergebe sich letztlich auch nicht aus dem von der Klägerin vorgetragenen Umstand, die Beklagte habe sich an Tätigkeiten der Leistungsstufe IV beteiligt.

Gegen dieses den Klägervertretern am 17.05.1999 zugestellte Urteil hat die Klägerin durch Anwaltsschriftsatz vom 15.06.1999, beim Oberlandesgericht Stuttgart am gleichen Tag eingegangen, Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 16.08.1999 durch Verfügung des Vorsitzenden vom 16.06.1999 sowie nach erneuter Verlängerung bis 16.09.1999 durch Verfügung des Vorsitzenden vom 6.08.1999 mit Schriftsatz vom 16.09.1999, beim Oberlandesgericht am gleichen Tag eingegangen, mit einer Begründung versehen.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihren Anspruch in Höhe von 1.335.510,00 DM nebst 5 % Zinsen hieraus seit 1.08.1997 weiter.

Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihren erstinstanzlichen Vortrag. Das Landgericht habe den Beschluß des Kreistags zu Unrecht nicht als Beschlußfassung zur Beauftragung der Klägerin im Sinne der Leistungsstufe IV gewertet. Der reine Wortlaut des Beschlusses des Kreistags entspreche einer Beschlußfassung zur Leistungsstufe IV. Aber auch vom Inhalt her könne diesem Beschluß letztlich keine andere Bedeutung zugemessen werden.

Eine Diskrepanz zwischen den Meinungen des Kreisrates und des Landrats habe nicht vorgelegen. Der Landrat habe nicht nur die Sitzung des Kreisrats einberufen und vorbereitet, sondern darüber hinaus auch geleitet.

Unmittelbar nach dem Kreistagsbeschluß und vor der weiteren Besprechung vom 18.10.1989 sei es zu einem Gespräch der wesentlichen Beteiligten gekommen, anläßlich dessen die Beauftragung mit der Leistungsstufe IV ausdrücklich erklärt worden sei. Der Zeuge H erinnere sich genau, daß nach diesem Gespräch Herr G ihm diese Beauftragung mitgeteilt und ihn gleichzeitig als Projektleiter für das Projekt Restmüllheizkraftwerk Landkreis L eingesetzt habe, und zwar speziell in erster Linie für die Arbeiten für die Planfeststellung.

Zu den Tätigkeiten der Klägerin im Rahmen der Leistungsstufe IV gehörten insbesondere die in Anl. K 12 aufgeführten Besprechungen beim Regierungspräsidium. Es sei zu einfach, wenn bezüglich dieser Besprechungen die Teilnahme der Beklagten an diesen Besprechungen juristisch nicht gewertet werde.

Der Höhe nach streicht die Klägerin im Berufungsrechtszug die Nebenkosten. Bezüglich der Berechnung wird auf Bl. 212 d.A. Bezug genommen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Die Klägerin meine zu Unrecht, schon der Wortlaut des Kreistagsbeschlusses spreche dafür, daß ihr der Auftrag für die Leistungsstufe IV erteilt worden sei. Denn im Wortlaut des Kreistagsbeschlusses sei nicht von einer Auftragserteilung an die Klägerin die Rede. Es werde auch nicht an die Leistungsmerkmale der Leistungsstufe IV aus dem Betreuungsvertrag angeknüpft. Im Kreistagsbeschluß seien die Leistungen dieser Leistungsstufe nicht angesprochen worden. Der Kreistagsbeschluß vom 29.09.1989 habe nicht auf eine Beauftragung der Leistungsstufe IV gezielt. Vielmehr habe die Planung im Anschluß an die vertieften Standortuntersuchungen und die nun vom Bauherrn getroffene Standortauswahl im Rahmen der Leistungsstufen II und III fortgeführt werden sollen.

Die Klägerin habe dies zum Zeitpunkt des Kreistagsbeschlusses ebenfalls nicht. anders gesehen, wie sich aus ihrer zweiten Abschlagsrechnung vom 20.10.1989 (Anl. B 5) ergebe. Vertiefend weist die Beklagte in diesem Zusammenhang auf die verschiedenen Abschlagsrechnungen der Klägerin bis zum Jahre 1991 hin und folgert daraus, die Klägerin selbst sei damals nicht davon ausgegangen, Leistungen der Leistungsstufe IV erbracht zu haben.

Auch Ziff. 4.2.5.2 des Betreuungsvertrages, in der die Leistungen des zweiten Teils der Leistungsstufe IV beschrieben werden, spreche gegen eine Beauftragung.

Der in zweiter Instanz neue Vortrag bezüglich eines Gesprächs vor dem 18.10.1999 sei bezüglich der Beauftragung der Klägerin nicht substantiiert.

Die vereinbarte Schriftform sei nicht nur bloß Förmelei gewesen. Denn der Landkreis L als öffentlich-rechtliche Körperschaft unterliege besonderen kommunalrechtlichen Bindungen. So bedürften Erklärungen, durch welche der Landkreis verpflichtet werden solle, nach § 44 LKrO der Schriftform und seien vom Landrat handschriftlich zu unterzeichnen. Dies stelle nach der Rechtsprechung des BGH eine Zuständigkeitsregelung dar, die nicht unbeachtlich sei, sondern zur Anwendung der §§ 177 ff. BGB führe. Die Beauftragung löse nach dem Vertrag Honoraransprüche in beträchtlicher Größenordnung aus und stelle danach eine Verpflichtungserklärung i.S. von § 44 LKrO dar.

Der Kreistagsbeschluß vom 29.09.1989 habe sich nur mit der Standortentscheidung zwischen mehreren im Rahmen der vertieften Standortuntersuchungen geprüften Standorten und die daran anschließende Fortführung des Verfahrens befaßt. Der Betreuungsvertrag mit der Klägerin und die Beauftragung der Klägerin mit weiteren Leistungsstufen seien nicht Gegenstand dieses Kreistagsbeschlusses gewesen.

Das Raumordnungsverfahren sei kein Genehmigungsverfahren i.S. der Leistungsstufe IV des Betreuungsvertrages.

Die von der Klägerin aufgelisteten Tätigkeiten aus den verschiedenen Anlagen seien nicht der Leistungsstufe IV zuzuordnen.

Auf die beiderseits eingereichten Schriftsätze und deren Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, nämlich form- und fristgerecht eingelegt und innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist mit einer Berufung versehen worden. Sie erweist sich jedoch als unbegründet.

I.

Eine Beauftragung der Klägerin mit Leistungen der Leistungsstufe IV des Betreuungsvertrags ist zu verneinen.

1.

Das Landgericht hat im angefochtenen Urteil zutreffend eine Beauftragung der Klägerin mit der Leistungsstufe IV nicht bereits im Abschluß des Betreuungsvertrags gesehen. Dies ergibt sich zwingend aus Ziff. 10.3 S. 2 des Betreuungsvertrages, wonach ein Vergütungsanspruch nur für beauftragte Leistungsstufen besteht. Dieser Satz wäre sinnlos, wenn alle Leistungsstufen sofort beauftragt wären und damit eine 50 %ige Vergütung für nicht erbrachte Leistungen in allen Leistungsstufen unabhängig von einer Einzelbeauftragung der Leistungsstufen vereinbart wäre. Ergänzend wird auf die zutreffenden Ausführungen unter I 1. des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

2.

Ebenso zutreffend hat das Landgericht im angefochtenen Urteil eine Beauftragung der Klägerin mit der Leistungsstufe IV nicht im Kreistagsbeschluß vom 29.09.1989 gesehen (I 2. der Entscheidungsgründe im angefochtenen Urteil). Der Kreistag hatte die Fortführung der Planungen beschlossen. Mit dem Regierungspräsidium abzusprechen sei unverzüglich der Planungsrahmen für die technische Planung und für eine Umweltverträglichkeitsprüfung, die auch die Darstellung der Standortalternativen beinhalten müsse (Bl. 33 d.A.). Dies gilt selbst dann, wenn man davon ausgeht, daß die Klägerin den Kreistagsbeschluß durch das Landratsamt übersandt erhalten hatte. Die Klägerin hat nicht behauptet, daß einer Übersendung einer Kopie des Kreistagsbeschlusses ein Schreiben des Landrats beigefügt gewesen sei, wonach die Klägerin mit der Leistungsstufe IV hiermit beauftragt werde. Vielmehr existiert ein solches Beauftragungsschreiben des Landrats unstreitig nicht.

3.

a) Ergänzend zu den Ausführungen im angefochtenen Urteil unter I 2., auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, scheitert bei dieser unstreitigen Sachlage einer nicht vorhandenen schriftlichen Beauftragung der geltend gemachte Anspruch auf pauschale Entschädigung für nicht erbrachte Werkleistungen nach Kündigung an § 44 LKrO. Gem. § 44 Abs. 1 LKrO bedürfen Erklärungen, durch welche der Landkreis verpflichtet werden soll, der Schriftform. Sie sind vom Landrat handschriftlich zu unterzeichnen. Gem. Abs. 3 soll den Unterschriften die Amtsbezeichnung und im Falle des Abs. 2 (Vertretung des Landrats) ein das Vertretungsverhältnis kennzeichnender Zusatz beigefügt werden. Nach Abs. 4 gelten diese Formvorschriften nicht für Erklärungen in Geschäften der laufenden Verwaltung oder aufgrund einer in der vorstehenden Form ausgestellten Vollmacht.

b) Das Schriftformerfordernis ist unstreitig nicht eingehalten worden. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH zu inhaltsgleichen Vorschriften der Gemeindeordnungen verschiedener Bundesländer handelt es sich bei den Formvorschriften der Gemeindeordnung, die die Vertreter der Gemeinden beim Abschluß von Verträgen beachten müssen, um materielle Vorschriften über die Beschränkung der Vertretungsmacht, die dem Schutz der öffentlich-rechtlichen Körperschaften und ihrer Mitglieder dienen (vgl. die Nachweise bei BGH NJW 1994,1528).

c) Im Hinblick auf diese Schutzfunktion kann sich der Vertragspartner einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft nur unter besonderen Umständen nach § 242 BGB darauf berufen, der Einwand der öffentlich-rechtlichen Körperschaft, ihre Verpflichtungserklärung sei wegen eines Verstoßes gegen die Formvorschriften der Gemeindeordnung unwirksam, verstoße gegen den Grundsatz der unzulässigen Rechtsausübung. Einen derartigen Ausnahmefall hat der BGH u.a. dann angenommen, wenn der mit der Formvorschrift bezweckte Schutz deshalb bedeutungslos geworden ist, weil das nach der Gemeindeordnung für die Willensbildung zuständige Organ der öffentlich-rechtlichen Körperschaft den Abschluß des Verpflichtungsgeschäftes gebilligt hat (BGH NJW 1973, 1494, 1495; BGH NJW 1994, 1528).

Der BGH hatte einen solchen Fall der Billigung darin gesehen, daß die Gemeindevertretung vor der Erteilung des Auftrags an eine Architektengemeinschaft den Vertragsabschluß beschlossen hatte, dann der Vertrag geschlossen wurde und die Gemeindevertretung nachträglich geplanten Änderungen des ursprünglich abgeschlossenen Vertrages zugestimmt hat.

d) Ein vergleichbarer Fall einer Billigung liegt hier nicht vor.

aa) Der Kreistagsbeschluß enthält seinem Wortlaut nach keine ausdrückliche Beauftragung der Klägerin mit der Leistungsstufe IV. Diese Leistungsstufe ist (vgl. Bl. 18 d.A.) unterteilt in "Wettbewerb", Entwurfs-, Genehmigungs- und Ausführungsplanung" sowie Genehmigungsverfahren". Demgegenüber spricht der Kreistagsbeschluß nur allgemein von einer Fortführung der Planungen und legt fest, daß mit dem Regierungspräsidium der Planungsrahmen mit Standortalternativen abzusprechen sei. Dies läßt sich auch unter die Leistungsstufen II und III des Betreuungsvertrages subsumieren. Die Leistungsstufe II enthält u.a. vertiefte Standortuntersuchungen auch zur Thematik der Umweltverträglichkeit. Ein Auftrag an den Landrat, nunmehr gem. § 44 LKrO die Leistungsstufe IV abzurufen, läßt sich angesichts der allgemeinen Formulierungen im Kreistagsbeschluß diesem nicht entnehmen.

bb) Dies wird gestützt durch die Erwägung, daß der zweite Teil der Leistungsstufe II und die Leistungsstufe III bei einer Beauftragung der Leistungsstufe IV übersprungen würden. Dies ist zwar nach dem Betreuungsvertrag nicht ausgeschlossen, andererseits aber wegen der weitreichenden finanziellen Verpflichtungen insbesondere auch aus der Leistungsstufe IV, wie sich aus der Höhe des Streitwerts dieses Rechtsstreits ergibt, nicht naheliegend. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß der Kreistag mit seinem Beschluß erhebliche Kosten nicht notwendiger Art verursachen wollte. Die spätere Abrechnungspraxis der Klägerin mit Rechnungen für die vorangegangenen Leistungsstufen zeigt, daß die Klägerin dies zunächst auch so gesehen hat.

cc) Sonach fehlt es im Gegensatz zum vom BGH NJW 1994, 1528 entschiedenen Fall an der eindeutigen Beschlußlage im Hinblick auf einen Vertragsabschluß mit der Klägerin - hier: vertragsgemäße Abrufung einer Leistungsstufe. Es liegt aber auch nicht nur kein der Schriftform des § 44 LKrO entsprechendes Schreiben des Landrats bezüglich der Leistungsstufe IV vor, sondern auch keine zwar nicht der Schriftform entsprechende aber doch eindeutige diesbezügliche Erklärung des Landrats, erst recht keine nachträgliche Genehmigung einer solchen Erklärung des Landrats durch den Kreistag.

e) Die Rechtsprechung des BGH zu den Formvorschriften der Gemeindeordnungen als materielle Vorschriften über die Beschränkung der Vertretungsmacht der Vertreter von Gemeinden ist uneingeschränkt auch auf § 44 LKrO anwendbar. In beiden Fällen handelt es sich um rechtliche Regelungen über die Beschränkung der Vertretungsmacht der gesetzlichen Vertreter von öffentlich-rechtlichen Gebietskörperschaften mit gleicher Interessenlage. Die Formvorschrift soll die Körperschaften und ihre Mitglieder vor der Inanspruchnahme wegen angeblich mündlich erteilter Verpflichtungserklärungen schützen. Dieser grundlegende Gedanke trifft auch hier schon im Hinblick auf die hohen Beträge, um die es vorliegend geht, uneingeschränkt zu. Hierbei ist auch nicht außer acht zu lassen, daß die Klägerin für nicht erbrachte Leistungen einen pauschalen Betrag nach dem Vertrag, wenn die Leistungsstufe abgerufen worden ist, in beträchtlicher Größenordnung verlangen kann, den sie jedenfalls nach gegenwärtiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Bau- und Architektenrecht in dieser pauschalen Form keinesfalls verlangen könnte, wenn nicht eine entsprechende ausdrückliche Vereinbarung vorliegt.

f) Insbesondere bei der erheblichen Größenordnung der Beträge, um die es hier geht, konnte von der Klägerin verlangt werden, seinerzeit im Rahmen von Gesprächen, die über das weitere Vorgehen geführt worden sind, auf einem schriftlichen Abrufen der Leistungsstufe entsprechend dem Vertrag unter Einhaltung der Form des § 44 LKrO zu bestehen:

Insgesamt sieht der Senat keine besonderen Umstände, die dafür sprechen würden, eine unzulässige Rechtsausübung nach § 242 BGB darin zu sehen, daß die Nichteinhaltung der Formvorschriften des § 44 LKrO geltend gemacht wird.

4.

Nach der Rechtsprechung des BAG (NJW 1986, 2271, 2272) steht dem Landrat gemäß § 37 LKrO für den Bereich des privaten Rechtsverkehrs die umfassende und alleinige Vertretungsmacht zu. Damit korrespondiert die Auffassung des BGH, daß im baden-württembergischen Kommunalrecht strikt zwischen interner Willensbildung und externer Vertretungsbefugnis zu unterscheiden ist (BGH NJW 1998, 3058, 3059). Dieser Auffassung zur Auslegung der LKrO schließt sich der Senat an. Die umfassende und alleinige Vertretungsmacht des Landrats, gebunden an die Schriftlichkeit seiner Verpflichtungserklärungen, führt zur Ablehnung der rechtlichen Möglichkeit des Kreistags, im Beschlußwege unmittelbare erhebliche finanzielle Folgen auslösende rechtsgeschäftliche Erklärungen im privaten Vertragsrechtsbereich abgeben zu können.

5.

Der Umstand, daß nachträglich die Durchführung des Raumordnungsverfahrens beschlossen worden war, führt nicht zur Begründetheit der mit der Klage geltend gemachten Ansprüche. Aus den Vertragsunterlagen ist, worauf die Beklagte mit Recht hinweist (Bl. 229 d.A.), kein Gesichtspunkt dafür erkennbar, daß die Parteien anläßlich der Vertragsgespräche nach dieser Entscheidung der Meinung waren, das Raumordnungsverfahren sei der Leistungsstufe IV zuzuordnen. Eine entsprechende Äußerung der Klägerin gegenüber dem Landkreis oder gegenüber der Beklagten ist weder behauptet worden noch aus den Akten ersichtlich.

6.

Das Gespräch vom 18.10.1989 führte nicht zu einer Beauftragung mit der Leistungsstufe IV. Die Vertragsübernahme erfolgte erst am 20.10./6.11.1989. Sonach war am 18.10.1989 noch der Landkreis der Vertragspartner der Klägerin. Anhaltspunkte dafür, daß die Mitarbeiter der Beklagten, die an diesem Gespräch teilgenommen haben, zur Abgabe von finanziell weitreichenden Erklärungen für die Beklagte ohne Bindung an § 44 LKrO durch die Beklagte und unter Verzicht auf die Einhaltung des vertraglich vereinbarten Schriftformerfordernisses bevollmächtigt waren, sind weder ersichtlich noch von der Klägerin vorgetragen. Ein nachträglicher Verzicht auf die Schriftform schon vor Vertragsübernahme durch die Beklagte ist nicht ersichtlich oder vorgetragen. Gleiches gilt für ein nicht näher vorgetragenes Gespräch der wesentlichen Beteiligten, das vor dem 18.10.1989 stattgefunden habe. Zum damaligen Zeitpunkt konnte die Beklagte noch keine bindenden Erklärungen abgeben; mündliche Erklärungen sind wie dargelegt unwirksam und konnten von der Klägerin auch nicht als bindende Erklärung zu Lasten des Landkreises verstanden werden, da der Klägerin das Erfordernis der schriftlichen Beauftragung durch den Landrat bekannt war.

7.

Falls die Klägerin im Anschluß an diese Gespräche tatsächlich gewisse Leistungen erbracht haben sollte, die eindeutig der Leistungsstufe IV zuzuordnen wären und nicht auch unter die Leistungsstufe Il oder III einzuordnen wären, so würde dies wegen des nicht wirksamen Abrufs der Leistungsstufe IV jedenfalls nicht dazu führen, daß der hier geltend gemachte Anspruch für nicht erbrachte Leistungen der Leistungsstufe IV rechtlichen Bestand haben könnte, sondern allenfalls ein Anspruch für erbrachte Leistungen, soweit sie später nicht insoweit sowieso abgerechnet worden sind, entstehen könnte.

8.

Ob, wie die Klägerin vorträgt, eine Diskrepanz zwischen den Meinungen des Kreisrates und des Landrats nicht vorgelegen oder doch vorgelegen habe, spielt für die Entscheidung des Rechtsstreits keine Rolle. Der Kreisratsbeschluß kann nicht mehr sein als eine politische Entscheidung, wie in dem Projekt weiter zu verfahren sei, mit der Ermächtigung an die Verwaltung zur Durchführung des Projekts im Rahmen des Beschlusses. Damit hatte der Landrat bis auf weiteres noch freie Hand zu entscheiden, daß er bestimmte Leistungen des Vertrages zu einem bestimmten Zeitpunkt noch nicht abrufen will. Das Schriftformerfordernis nach dem Vertrag einerseits und § 44 LKrO andererseits stellte auch insoweit ein eindeutiges Kriterium zur späteren Beurteilung dar, ob eine bestimmte Leistungsstufe abgerufen und damit honorarpflichtig auch für nicht erbrachte Leistungen dieser Leistungsstufe werden würde oder nicht.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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