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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 23.02.2007
Aktenzeichen: 10 U 226/06
Rechtsgebiete: BGB, VVG


Vorschriften:

BGB § 906 Abs. 2 Satz 2 analog
VVG § 67
Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB anlaog erfasst auch Schäden, die infolge eines Brandes durch Rauch - und Rußimmissionen an beweglichen Sachen entstehen, die vom Mieter eines benachbarten Gebäudes dort bestimmungsgemäß gelagert sind.
Oberlandesgericht Stuttgart 10. Zivilsenat Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 10 U 226/06

Verkündet am 23. Februar 2007

In dem Rechtsstreit

wegen Schadensersatz

hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart auf die mündliche Verhandlung vom 08. Februar 2007 unter Mitwirkung von

Vors. Richter am Oberlandesgericht Dr. Orlowsky Richter am Oberlandesgericht Rast Richter am Landgericht Geßler

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Das Urteil des Landgerichts Ulm vom 18.09.2006 (Az.: 4 O 151/06) wird aufgehoben.

2. Der von der Klägerin verfolgte Anspruch wird dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.

3. Der Rechtsstreit wird zur Verhandlung und Entscheidung über die Höhe des Anspruchs an das Landgericht Ulm zurückverwiesen.

4. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens bleibt dem Landgericht vorbehalten.

5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

6. Die Revision wird zugelassen.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 138.998,38 €.

Gründe:

I.

Die Klägerin verlangt aus übergegangenem Recht vom Beklagten die Erstattung von nach einem Brandschaden an den geschädigten Versicherungsnehmer erbrachten Regulierungsleistungen und außerdem den Ersatz vorgerichtlich angefallener und nicht anrechenbarer Rechtsanwaltskosten.

Am 14.6.2004 kam es wegen eines defekten Küchengeräts zu einem Brand in der Wohnung des Beklagten in der . Das betroffene Gebäude ist unmittelbar an das Wohn- und Geschäftshaus gebaut, in welchem der Geschädigte in angemieteten Räumen einen Handel mit Lederartikeln im Rahmen einer Einzelfirma betreibt. Die Fa. hatte sowohl die Betriebseinrichtung als auch die Warenvorräte "bezüglich des Versicherungsortes Erdgeschoss und 1. OG", bei der Klägerin versichert. Außerdem bestand Versicherungsschutz für Betriebsunterbrechungsschäden.

Die Klägerin beauftragte nach dem Schadensfall den Sachverständigen Dipl.-Ing. mit der Schadensbegutachtung. Dieser ermittelte einen der Fa. entstandenen Schaden an Vorräten in Höhe von 118.510,00 € sowie einen Betriebsunterbrechungsschaden in Höhe von 17.000,00 €. Die Klägerin zahlte diese Beträge an ihren Versicherungsnehmer aus. Außerdem beglich sie die Rechnungen des Sachverständigen für dessen Gutachten in Höhe von 2.676,96 € sowie 811,42 €.

Die vom Sachverständigen ermittelten Schäden sowie die Sachverständigenkosten verlangte die Klägerin nebst einem Schaden am Gebäude in Höhe von 4.318,18 € vorgerichtlich vom Beklagten ersetzt. Dessen Haftpflichtversicherung regulierte jedoch lediglich den Gebäudeschaden und lehnte im übrigen eine Regulierung ab. Den sich ergebenden noch offenen Gesamtbetrag in Höhe von 138.998,38 € macht die Klägerin nunmehr nebst Zinsen und außergerichtlich entstandener, nicht anrechenbarer Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.160,23 € im Wege der vorliegenden Klage geltend.

Sie trägt vor, durch den Brand seien Rauch, Ruß und Löschwasser in die versicherten Betriebsräume der Fa. gelangt. Dabei habe sich rauch- und rußhaltiges Brandgaskondensat in unterschiedlicher Intensität vom Dachgeschoss bis zum Keller auf sämtlichen dort gelagerten Warenvorräten niedergeschlagen. Der Sachverständige habe zwei Tage nach Schadenseintritt eine Bestandsaufnahme sämtlicher zum Schadenszeitpunkt in den versicherten Räumen befindlicher Warenvorräte durchgeführt. Die Höhe der Vorratsschäden und des Betriebsunterbrechungsschadens ergebe sich aus den vorgelegten Gutachten. Der Beklagte hafte für die entstandenen Schäden in entsprechender Anwendung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB, der in Fällen der vorliegenden Art einen schadenersatzähnlichen Anspruch gewähre und auch Schäden an Betriebseinrichtungen, Warenvorräten und Betriebsunterbrechungen erfasse. Mit Auszahlung der genannten Beträge an den Geschädigten sei der Anspruch nach § 67 VVG auf sie übergegangen, wobei nicht entscheidend sei, ob der Versicherungsnehmer aus dem mit ihr bestehenden Versicherungsvertrag überhaupt Anspruch auf diese Leistung gehabt habe.

Der Beklagte tritt dem entgegen und bestreitet, dass Waren in dem von der Klägerin genannten Wert in den Räumen gelagert gewesen und beschädigt oder mit Brandgeruch beaufschlagt worden seien. Die Gutachten zu den Vorratschäden wie zur behaupteten Betriebsunterbrechung seien zur Darlegung des geltend gemachten Anspruchs ungeeignet, weil diese auf das Vertragsverhältnis zwischen der Klägerin und ihrem Versicherungsnehmer abstellten und nicht auf mögliche Ansprüche nach den Grundsätzen über die Enteignungsentschädigung. Außerdem habe die Klägerin an den Versicherungsnehmer Leistungen erbracht, auf welche dieser keine Ansprüche gehabt habe. Versicherungsort sei nach den Vertragsbedingungen lediglich das Erdgeschoß und das 1. Obergeschoß des Gebäudes gewesen. In diesen Gebäudeteilen habe sich jedoch nur ein geringer Teil der als beschädigt gemeldeten Gegenstände befunden. Insoweit habe kein Forderungsübergang auf die Klägerin stattfinden können.

Im übrigen vertritt er die Auffassung, § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB erfasse auch im Rahmen von dessen analoger Anwendung die geltend gemachten Schäden nicht. Die Vorschrift gewähre nur eine Entschädigung für Beeinträchtigungen der Nutzung oder des Ertrags eines Grundstücks. Die eingetretenen Schäden müssten daher in einem Bezug zum Grundstück stehen. Die Warenvorräte seien jedoch - wenn überhaupt - unabhängig von den Folgen für das Grundstück unmittelbar beschädigt worden. Auch Folgeschäden würden allenfalls dann erfasst, soweit sich diese aus der Beeinträchtigung der Substanz oder der Nutzung des betroffenen Grundstücks selbst entwickelten.

Das Landgericht hat sich der Argumentation der Beklagten angeschlossen und einen Anspruch der Klägerin mit der Begründung verneint, die geltend gemachten Schäden hätten sich nicht aus der Beeinträchtigung der Substanz oder der Nutzung des betroffenen Grundstücks selbst entwickelt, sondern seien unmittelbar an beweglichen Sachen eingetreten. Für derartige Folgeschäden verschaffe § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB analog keine Ersatzansprüche, da der Anspruch aus dem Grundstückseigentum abgeleitet sei. Auch der geltend gemachte Betriebsunterbrechungsschaden resultiere aus der Beschädigung der Warenvorräte. Wegen der näheren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes in erster Instanz und der näheren Begründung der erstinstanzlichen Entscheidung wird auf das Urteil des Landgerichts Ulm vom 18.08.2006 verwiesen.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr ursprüngliches Klageziel weiter. An der erstinstanzlichen Entscheidung rügt sie im wesentlichen, das Landgericht habe den analogen Anwendungsbereich des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB zu eng gefasst. Der Ausgleichsanspruch knüpfe an die Verletzung des Rechts zum Besitz an und solle daher alle mit dieser Rechtsverletzung verbundenen Vermögenseinbußen kompensieren. Hinsichtlich des Betriebsunterbrechungsschadens sei das Landgericht unzutreffend davon ausgegangen, dieser resultiere allein aus der Beschädigung der Warenvorräte. Ursache der Betriebsunterbrechung sei vielmehr gewesen, dass die Räume nach den intensiven Löschmaßnahmen im Nachbarhaus zunächst hätten getrocknet und anschließend renoviert werden müssen.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Ulm vom 18.09.2006 zur Zahlung von 138.998,38 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 10.10.2005 sowie außergerichtlicher Kosten in Höhe von 1.160,23 € zu verurteilen.

Hilfsweise stellt sie für den Fall, dass ein Anspruch dem Grunde nach zu bejahen, der Rechtsstreit zur Höhe des Anspruchs jedoch nicht entscheidungsreif sein sollte, den Antrag,

den Rechtsstreit an das Landgericht Ulm zur Verhandlung über die Höhe des geltend gemachten Anspruchs zurückzuverweisen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der näheren Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf die Schriftsätze der Parteivertreter sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 08.02.2007 Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache insoweit Erfolg, als der mit der Klage geltend gemachte Anspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt zu erklären ist. Dem Versicherungsnehmer stand als Mieter des Gebäudes im Zusammenhang mit dem Brandereignis vom 14.06.2004 gegen den Beklagten ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch in entsprechender Anwendung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB zu, welcher mit der Regulierung des Schadensfalls durch die Klägerin gem. § 67 Abs. 1 VVG auf diese übergegangen ist. Wegen der Verhandlung über die zwischen den Parteien ebenfalls streitige Höhe des Entschädigungsanspruchs wird der Rechtsstreit auf Antrag der Klägerin nach § 538 Abs. 2 Nr. 4 ZPO an das Landgericht Ulm zurückverwiesen.

1.

Die Voraussetzungen für einen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB analog sind gegeben.

Ein solcher Entschädigungsanspruch entsprechend § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB besteht nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung regelmäßig dann, wenn von einem Grundstück auf ein benachbartes Grundstück rechtswidrig Einwirkungen ausgehen, die der Eigentümer oder Besitzer des betroffenen Grundstücks nicht dulden muss, er aus besonderen Gründen jedoch nicht in der Lage ist, diese gemäß §§ 1004 Abs. 1, 862 Abs. 1 BGB zu unterbinden. Der Anspruch setzt dabei voraus, dass der Betroffene Nachteile erleidet, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Einwirkung übersteigen (vgl. ständige höchtsrichterliche Rechtsprechung; vgl. BGH VersR 2002, 326; BGH VersR 2003, 1582). Dabei erstreckt sich der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch auch bei entsprechender Anwendung des § 906 Abs. 2 Satz 2 nicht nur auf den Eigentümer, sondern auch auf den Mieter und damit Besitzer des Nachbargrundstücks, denn der Ausgleichsanspruch dient als Kompensation für den Ausschluss primärer Abwehransprüche (vgl. BGHZ 111, 158; BGH VersR 2003, 1582).

a.

Die tatbestandlichen Voraussetzungen des nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs sind zunächst gegeben. Die durch das Brandereignis in die Geschäftsräume des Versicherungsnehmers eingetretenen Rauch- und Rußpartikel stellen eine Immission dar, die der Nachbar nicht dulden musste und die daher rechtswidrig waren. Auf ein Verschulden des Beklagten kommt es dabei in diesem Zusammenhang nicht an.

Soweit der Beklagte im Rahmen seiner Rechtsverteidigung pauschal in Frage stellt, dass im Zusammenhang mit dem Brandereignis überhaupt Rauch, Ruß und/oder Löschwasser in die Betriebsräume des Versicherungsnehmers eingedrungen sind, ist dieses Bestreiten unsubstantiiert und damit unzureichend, nachdem die hinter dem Beklagten stehende Haftpflichtversicherung dem Versicherungsnehmer bereits im Vorfeld des Prozesses die Kosten für die Sanierung der Räume und Reinigung der gesamten Einrichtung (u.a. Regale, Theken) ersetzt hat.

b.

Probleme hinsichtlich der grundsätzlichen Berechtigung des Anspruchs können sich allenfalls aus der Tatsache ergeben, dass die Klägerin mit dem Ausgleichsanspruch in erster Linie Schäden geltend macht, die an beweglichen Sachen ihres Versicherungsnehmers - nämlich an dessen Vorräten - eingetreten sind. Das Landgericht und der Beklagte haben sich auf den Standpunkt gestellt, der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch greife insoweit nicht ein, weil sich der geltend gemachte Schaden nicht aus der Beeinträchtigung der Substanz oder der Nutzung des betroffenen Grundstücks entwickelt habe, sondern unmittelbar an den beweglichen Sachen eingetreten sei. Sie stützen sich dabei auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 18.9.1984 (BGH NJW 85, 47 - Kupolofen-Fall). Im dortigen Fall kam es aufgrund von aus einem Kupolofen der dortigen Beklagten ausgetretenem Staub zu Beschädigungen am Lack von Fahrzeugen, welche Betriebsangehörige eines benachbarten Unternehmens auf dessen Betriebsparkplatz abgestellt hatten. Der Bundesgerichtshof hat in diesem Zusammenhang einen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch mit der Begründung verneint, dieser werde aus dem Grundstückseigentum abgeleitet und durch den Bezug zu dem von der Immission betroffenen Grundstück bestimmt und begrenzt. Auch Folgeschäden erfasse er allenfalls, wenn und soweit diese sich aus der Beeinträchtigung der Substanz oder Nutzung des betroffenen Grundstücks selbst entwickelten (BGH NJW 85, 47; Münchener Kommentar-Säcker, 4. Aufl., § 906, Rdziff. 139).

Diese vom Bundesgerichtshof gewählte Formulierung legt auf den ersten Blick in der Tat nahe, dass durch von einem Nachbargrundstück ausgehenden Rauch beeinträchtigte bewegliche Sachen nicht ohne weiteres vom Ausgleichsanspruch des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB analog erfasst werden. Für den vorliegenden Fall greifen diese Erwägungen nach Ansicht des Senats jedoch nicht durch. Entscheidend ist dabei, dass der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch entsprechend § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB von der Rechtsprechung als Ausdruck des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses als eigenständiger Entschädigungsanspruch entwickelt worden ist. Der Anspruch dient dem Ausgleich von aufgrund der Situationsgebundenheit der Grundstücke sich ergebenden gleichrangigen Nachbarinteressen und beruht auf dem Gedanken, dass im nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis der betroffene Eigentümer oder Nutzer bei einer nicht abwehrbaren, vom Nachbargrundstück ausgehenden rechtswidrigen Einwirkung auf sein Grundstück hinreichend geschützt sein soll (BGH VersR 2003, 1582). Der Ausgleichsanspruch dient dabei als Kompensation für den Ausschluss primärer Abwehransprüche, die nach § 862 Abs. 1 BGB auch dem Besitzer eines Nachbargrundstücks zustehen (BGH NJW 2000, 2901).

Der Versicherungsnehmer hätte unzweifelhaft einen Abwehranspruch gegen die von dem Brandereignis ausgehenden Immissionen gehabt. Hätte er diese durchsetzen können, dann wäre der Schaden an seinen Warenvorräten nicht eingetreten. Von daher spricht bereits die von der Rechtsprechung beabsichtigte Zielrichtung des Entschädigungsanspruchs dafür, diesen auch auf beeinträchtigte bewegliche Sachen zu erstrecken. Der wesentliche Unterschied zu der Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 1984 (Kupolofen-Fall) ist darin zu sehen, dass vorliegend der Nachbar und nicht ein bloßer Benutzer des Nachbargrundstücks geschädigt wurde. Damit ist der Aussage des Bundesgerichtshofs Rechnung getragen, dass der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch aus dem Grundstückseigentum (bzw. dem Besitz) abgeleitet wird und durch Bezug zu dem von der Immission betroffenen Grundstück zu bestimmen und zu begrenzen ist. Die in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall betroffenen Eigentümer der Fahrzeuge hatten zwar ggf. ebenfalls einen Abwehranspruch nach § 1004 BGB, dieser beruhte allerdings auf ihrer Stellung als Eigentümer der Fahrzeuge und nicht als Eigentümer oder Besitzer eines benachbarten Grundstücks, woran die Vorschrift des § 906 BGB jedoch ausdrücklich anknüpft. Im hier zu entscheidenden Fall ist der erforderliche Bezug durch die Nachbarschaft der "beteiligten" Grundstücke und deren Situationsgebundenheit dagegen gegeben. Die beschädigten Warenvorräte befanden sich bestimmungsgemäß in einem auf dem Nachbargrundstück befindlichen Gebäude, das grundsätzlich dem Schutz dieser Gegenstände vor Umwelteinflüssen dient. Auch von daher erscheint es angezeigt, diese in den Schutzbereich des nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch einzubeziehen, zumal nicht nachvollziehbar ist, warum sie anders behandelt werden sollten, als etwa Maschinen oder sonstige Betriebseinrichtungen, die mit dem Grundstück fest verbunden sind und dadurch zu wesentlichen Bestandteilen des Grundstücks im Sinne von § 94 BGB werden.

Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass der dem Versicherungsnehmer entstandene und von der Klägerin geltend gemachte Betriebsunterbrechungsschaden ausgehend von den vorgenannten Grundsätzen ohnehin anders zu behandeln wäre, als dies das Landgericht und der Beklagte meinen. Soweit das Landgericht davon ausgegangen ist, der Betriebsunterbrechungsschaden resultiere nach dem von der Klägerin nicht bestrittenen Vortrag der Beklagten allein auf der Beschädigung der Warenvorräte durch den Brand, trifft dies nicht zu. Aus dem von der Klägerin mit der Klageschrift vorgelegten Gutachten des Sachverständigen zur Höhe des Betriebsunterbrechungsschadens ergibt sich, dass maßgeblich für die Dauer der Betriebsunterbrechung neben der Wiederbeschaffungsdauer des betroffenen Warenbestandes vor allem die notwendigen Reinigungs- und Sanierungsarbeiten an den betroffenen Gebäudebestandteilen sowie an den Einrichtungsgegenständen gewesen sind. Der Betriebsausfallschaden geht daher - zumindest teilweise - auf eine Beeinträchtigung der Substanz des Grundstücks bzw. dessen mangelnde Nutzungsmöglichkeit und damit auf Umstände zurück, welche auch nach den vom Bundesgerichtshof in der Entscheidung aus dem Jahr 1984 aufgestellten Grundsätzen dem nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch ohne weiteres unterfallen würden.

2.

Der ursprünglich dem Versicherungsnehmer zustehende Entschädigungsanspruch ist mit der Erbringung der Versicherungsleistung der Klägerin auf diese nach § 67 Abs. 1 Satz 1 VVG übergegangen.

a.

Dass die Versicherungsleistungen in dem mit der Klage geltend gemachten Umfang von der Klägerin an den Versicherungsnehmer geflossen sind, stellt der Beklagte inzwischen nicht mehr in Frage. Damit sind die Voraussetzungen für den gesetzlichen Forderungsübergang nach § 67 Abs. 1 VVG erfüllt. In dieser Vorschrift ist zwar von einem "Ersatz des Schadens" die Rede. Es besteht jedoch Einigkeit, dass sich der Forderungsübergang nicht nur auf Schadenersatzansprüche im engeren Sinne bezieht, sondern diese Formulierung weit zu verstehen ist und davon sämtliche Ansprüche eines Geschädigten gegen Dritte erfasst werden, die auf den Ausgleich von Vermögensnachteilen gerichtet sind (vgl. OLG Düsseldorf, VersR 2003, 455). Damit geht auch der verschuldensunabhängige nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch mit Erbringung von Leistungen an den Versicherungsnehmer nach § 67 Abs. 1 VVG regelmäßig auf den Versicherer über.

b.

Fehl geht Einwand des Beklagten, ein Übergang des Anspruchs nach § 67 Abs. 1 VVG habe - zumindest teilweise - nicht stattgefunden, weil die Klägerin an ihren Versicherungsnehmer Leistungen erbracht habe, auf welche dieser aufgrund des Versicherungsvertragsverhältnisses keinen Anspruch gehabt habe. Die Beklagte bringt in diesem Zusammenhang vor, ein erheblicher Teil der als beschädigt gemeldeten Waren habe sich nicht in den versicherten Räumlichkeiten (Erdgeschoss und 1. Obergeschoss des Gebäudes) befunden. Dies kann jedoch dahinstehen. Der Übergang des Anspruchs nach § 67 VVG hängt vom Bestehen einer Leistungspflicht gegenüber dem Versicherungsnehmer nicht ab, sondern allein davon, ob der Versicherer die entsprechende Leistung an seinen Versicherungsnehmer erbracht hat (ständige Rechtsprechung des BGH, vgl. VersR 89, 250; Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 67, Rdziff. 20 mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Voraussetzung ist selbstverständlich, dass ein Anspruch des Versicherungsnehmers gegen den Schädiger bestand, was hier nach den obigen Ausführungen jedoch der Fall ist.

c.

Nach § 67 Abs. 1 VVG auf die Klägerin übergegangen sind schließlich auch die Ansprüche, die daraus resultieren, dass die Klägerin die Kosten für die Gutachten gegenüber dem Sachverständigen unmittelbar beglichen hat. Insoweit ist zwar keine Zahlung an den Versicherungsnehmer erfolgt, doch § 67 Abs. 1 VVG greift auch dann ein, wenn der Versicherer außer der eigentlichen Versicherungsleistung sonstige Aufwendungen für den Versicherungsnehmer erbringt (vgl. Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 67, Rdziff. 18).

3.

Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch richtet sich auf eine angemessene Entschädigung in Geld, dessen Höhe nach den Grundsätzen über die Enteignungsentschädigung zu bestimmen ist (ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, vgl. BGH VersR 2003, 1582). Da die Entschädigung grundsätzlich den eingetretenen Vermögensverlust ausgleichen soll, besteht in der Rechtsprechung Einigkeit darüber, dass sich der Anspruch im Falle von Substanzschädigungen oder bei der Beeinträchtigung der gewerblichen Nutzung eines Grundstücks regelmäßig - wegen der besonderen Nähe zu einem Schadenersatzanspruch - an §§ 249 ff. BGB zu orientieren hat. Daher ist bei Beeinträchtigungen der gewerblichen Nutzung des Grundstücks regelmäßig die Ertragseinbuße als Grundlage für die Bemessung des Ausgleichsanspruchs heranzuziehen, die nach § 287 ZPO zu schätzen ist (vgl. BGH VersR 2003, 1582; BGH VersR 2002, 326).

4.

Allerdings steht die Höhe des eingetretenen Schadens zwischen den Parteien im Streit. So hat der Beklagte hinsichtlich sämtlicher von der Klägerin als beschädigt aufgelisteter Gegenständen bestritten, dass sich diese während des Brandeinereignisses überhaupt in den Räumen des Versicherungsnehmers befunden haben bzw. bei dem Brandereignis beschädigt worden sind. Außerdem hat er sowohl die angegebenen Ausgangswerte im unbeschädigten Zustand als auch die von der Klägerin angesetzten Restwerte in Frage gestellt. Auf dieser Basis ist ein Ausspruch zur Höhe des Entschädigungsanspruchs derzeit noch nicht möglich. Vielmehr ist zu der Frage der Höhe des Anspruchs zunächst eine Beweisaufnahme durchzuführen, die sich unter den gegebenen Umständen als sehr umfangreich darstellen dürfte, nachdem für jeden der knapp 300 als beschädigt gemeldeten Gegenstände geklärt werden muss, ob sich dieser in den Räumen befunden hat, wie stark dieser beschädigt wurde und welche Verkehrswerte für den unbeschädigten und den beschädigten Zustand anzusetzen sind.

Angesichts des Umfangs der anstehenden Beweisaufnahme und der vom Senat für sachgerecht erachteten Zulassung der Revision (vgl. unten III.) erschien es zweckmäßig, zunächst im Wege eines Grundurteils nach § 304 Abs. 1 ZPO vorab eine rechtskräftige Entscheidung über den Grund des Anspruchs herbeizuführen.

5.

Die Voraussetzungen des § 538 Abs. 2 Nr. 4 ZPO für die von der Klägerin beantragte gleichzeitige Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landgericht zur weiteren Verhandlung über die Höhe des Anspruchs liegen vor (Thomas/Putzo, ZPO, 27. Aufl., § 538, Rz. 19; Zöller-Gummer, ZPO, 26. Aufl., § 538, Rz. 43)

Zwar führt eine Zurückverweisung der Sache in aller Regel zu einer weiteren Verteuerung und Verzögerung des Rechtstreits und zu weiteren Nachteilen (vgl. BGH BauR 2004, 1611). Die im vorliegenden Fall noch durchzuführende Beweisaufnahme ist jedoch aufwändig und umfangreich. Zur Herbeiführung der Entscheidungsreife wird Zeugenbeweis dazu zu erheben sein, welche Gegenstände sich tatsächlich in den Geschäftsräumen des Versicherungsnehmers befunden haben und welche davon durch Ruß oder Rauch beeinträchtigt wurden. Außerdem steht die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu den (Rest-)Werten der beschädigten Gegenstände im Raum. Vor diesem Hintergrund überwiegt das nachvollziehbare Interesse der Parteien - insbesondere der beweisbelasteten Klägerin, die den Antrag auf Zurückverweisung gestellt hat - keine Tatsacheninstanz zu verlieren; der Beklagte ist dem Antrag nicht entgegengetreten.

Die Zurückverweisung hat nach § 538 Abs. 2 Satz 1 ZPO die Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils zur Folge. Eine gleichzeitige Aufhebung des zugrunde liegenden Verfahrens erübrigt sich, da die im Urteil getroffenen Feststellungen selbst nicht fehlerhaft zustandegekommen sind, sondern das Landgericht lediglich eine abweichende Rechtsauffassung vertreten hat (Zöller-Gummer/Heßler, ZPO, 26. Aufl., § 538, Rz. 56).

III.

Die Kostenentscheidung ist dem Schlussurteil des Landgerichts vorzubehalten (Zöller-Gummer/Heßler, ZPO, 26. Aufl., § 538, Rz. 58).

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Auch wenn die angefochtene Entscheidung bereits mit Verkündung des aufhebenden Urteils nach § 717 Abs. 1 ZPO außer Kraft tritt und das Urteil daher selbst keinen vollstreckungsfähigen Inhalt hat, ist die Entscheidung für vorläufig vollstreckbar zu erklären, da gemäß § 775 Nr. 1 ZPO und § 776 ZPO das Vollstreckungsorgan die Vollstreckung aus dem erstinstanzlichen Urteil erst dann einstellen und bereits getroffene Vollstreckungsmaßregeln aufheben darf, wenn eine vollstreckbare Ausfertigung der aufhebenden Entscheidung vorgelegt wird (OLG München NZM 2002, 1032; Zöller-Gummer/Heßler, ZPO, 26. Aufl., § 538, Rz. 59).

Die im Rechtsstreit zu klärende Frage, ob ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch in entsprechender Anwendung von § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auch Schäden erfasst, die auf dem Nachbargrundstück befindliche bewegliche Sachen betreffen, ist für den Senat Anlass, die Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen. Der Senat sieht sich aufgrund der obigen Ausführungen zwar zu den Ausführungen des Bundesgerichtshofs in der zitierten Kupolofen-Entscheidung nicht in Widerspruch, die Frage ist jedoch - wie auch die Erörterung in der mündlichen Verhandlung gezeigt hat - für die Versicherungswirtschaft von solch grundsätzlicher Bedeutung, dass eine höchstrichterliche Klärung herbeigeführt werden sollte.

Ende der Entscheidung

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