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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 16.04.2002
Aktenzeichen: 10 U 38/2001
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 463 S. 2
Bezeichnet der Eigentümer einer Eigentumswohnung, unter dessen Leitung als freiem Architekten die Wohnanlage errichtet worden war, anlässlich von Verkaufsverhandlungen dem Kaufinteressenten bekannt gewordene Bedenken von Wohnungseigentümern bezüglich der Standfestigung einer hinter dem Haus befindlichen Handbefestigung als "fixe Idee" eines Wohnungseigentümers, obwohl die Eigentümerversammlung bereits die Einholung eines Gutachtens zur Handsanierung beschlossen hatte und dem Eigentümer die Standsicherheits-Probleme bekannt waren, handelt er auch dann arglistig, wenn er den Interessenten darauf hinweist, dass ein Gutachten in Auftrag gegeben worden sei.
Oberlandesgericht Stuttgart - 10. Zivilsenat - Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 10 U 38/2001

Verkündet am: 16.04.2002

hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart auf die mündliche Verhandlung vom 19.03.2002 unter Mitwirkung

des Vors. Richters am OLG Treuer, des Richters am OLG Riess sowie des Richters am OLG Dr. Hoffmann

für Recht erkannt:

Tenor:

I.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Tübingen vom 16.01.2001 abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

1.

Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger 80.334,18 € zzgl. 5,05 % Zinsen hieraus seit dem 30.10.1997 sowie weitere 8.615,03 € zzgl. 5,05 % Zinsen hieraus seit dem 31.12.1997 zu bezahlen, jeweils Zug um Zug gegen Rückübereignung und Übergabe der Eigentumswohnung Gemarkung H, Grundbuch-Nr. 7112 BV Nr. 1, bestehend aus einem Miteigentumsanteil von 121/1000 an Flst.-Nr. 134/2, 1940 qm, Gebäude- und Freifläche, verbunden mit dem Sondereigentum an der Wohnung im 2. Terrassengeschoss, Aufteilungsplan-Nr. 7, und der Garage (Teileigentumseinheit), Gemarkung H, Grundbuch-Nr. 7125 BV-Nr. 1, bestehend aus einem Miteigentumsanteil von 5/1000 an Flst.-Nr. 134/2, 1940 qm, Gebäude- und Freifläche, verbunden mit dem Sondereigentum an der Garage im Untergeschoss, Aufteilungsplan Nr. 20 und Zug um Zug gegen Abtretung von Ansprüchen auf Erstattung der Grunderwerbssteuer (festgesetzt durch Bescheid des Finanzamts C) zu bezahlen.

2.

Es wird festgestellt, dass sich die Beklagten mit der Rückübertragung und Rücknahme der Eigentumswohnung in Annahmeverzug befinden.

3.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4.

Die Widerklage wird abgewiesen.

II.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

III.

Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen tragen der Kläger 25 % und die Beklagten gesamtschuldnerisch 75 %, mit Ausnahme der Kosten der Beweisaufnahme im Berufungsrechtszug, die zu Lasten des Klägers gehen.

IV.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 100.000,-- € abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

V.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert: 244.849,53 DM = 125.189,57 €

Tatbestand:

Der Kläger macht wegen arglistiger Täuschung anlässlich eines Kaufvertrags vom 25.09.1997 bezüglich der im Urteilstenor erwähnten Eigentumswohnung nebst Tiefgaragenstellplatz den Anspruch auf "großen Schadensersatz" geltend.

Der Kläger erwarb mit notariellem Vertrag vom 25.09.1997 diese Eigentumswohnung von den Beklagten als damaligen Eigentümern. Die Wohnung war seinerzeit zum Preis von 960,-- DM ohne Nebenkosten vermietet gewesen. Der Kläger bewohnt die Wohnung seit der Übergabe, unstreitig bis zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung im Berufungsrechtszug 53 Monate lang.

Er stützt die Klage darauf, die Beklagten hätten ihn anlässlich des Abschlusses des Kaufvertrags darüber getäuscht, dass auf die Eigentümer der Wohnungen in diesem Gebäude nicht überschaubare Kosten zukommen, weil das Appartementhaus Anfang der 80-Jahre unter Leitung des Beklagten Ziff. 2 als freiem Architekten in stark abfallendes Gelände hinein errichtet worden war und den Beklagten im Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses bekannt gewesen sei, dass erhebliche Bedenken wegen der Standfestigkeit der Befestigung des Hanges und insbesondere der dort anlässlich des Baus verwendeten Holzpalisadenwände bestanden, weshalb - unstreitig - am 18.06.1997 die Wohnungseigentümersammlung mehrheitlich die Einholung eines Gutachtens zur Untersuchung des ansteigenden Geländes hinter dem Haus beschlossen hatte, was den Beklagten unstreitig bekannt war.

Das im November 1997 erstellte geotechnische Gutachten zu den Schäden der Palisadenwand (Anl. K 4) wertet die Einbindetiefe der Holzpfähle als zu gering und die notwendige Standsicherheit nicht mehr für gewährleistet. Die Sanierungskonzepte des Gutachtens sehen Kosten in einer Größenordnung von 125.000,-- DM bis 180.000,-- DM vor.

Der vereinbarte Kaufpreis von 208.000,-- DM ist bezahlt. Diesen Betrag macht der Kläger geltend, außerdem die Erstattung der Maklerprovision in Höhe von 7.176,-- DM, der Notarkosten in Höhe von 2.568,53 DM sowie die Grunderwerbssteuer in Höhe von 7.105,-- DM.

Der Kläger hat Zahlung von 208.000,-- DM sowie weiterer 16.849,53 DM, jeweils zzgl. Zinsen, Zug um Zug gegen Rückübereignung und Rückgabe - wie oben im Urteilstenor im einzelnen wiedergegeben - beantragt sowie festzustellen, dass sich die Beklagten mit der Annahme der Eigentumswohnung in Annahmeverzug befinden.

Die Beklagten haben Klagabweisung beantragt,

Sie haben geltend gemacht, sie hätten nicht arglistig getäuscht. Sie hätten den Kläger hinreichend informiert.

Widerklagend haben sie beantragt,

festzustellen, dass dem Kläger über die mit der Klage rechtshängig gemachten Ansprüche keine weiteren Forderungen zustehen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils ergänzend Bezug genommen.

Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens sowie Vernehmung des Zeugen S der Klage im Wesentlichen stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei das vom Kläger erworbene Miteigentum zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit Fehlern behaftet gewesen, die den Wert der Wohnung nicht unerheblich minderten. Dies ergebe sich aus der nicht ausreichenden Einbautiefe der Palisadenwand sowie dem fortgeschrittenen Verrottungszustand, sodass die Standsicherheit gemindert sei und eine ordentliche Hangabstützung zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht mehr gewährleistet gewesen sei. Diesen Mangel hätten die Beklagten im Zuge der wechselseitig geführten Verkaufsgespräche arglistig verschwiegen. Den Beklagten sei die dem Kläger redlich erweise offen zu legende Sanierungsbedürftigkeit der Hangstützwände bekannt gewesen. Keiner der Beklagten habe den Kläger in ausreichendem Umfang auf die von ihnen erkannte notwendige Erneuerung der Hangstützmauern hingewiesen. Deshalb seien dem Kläger die durch den Kauf bedingten Aufwendungen zu ersetzen. Die Beklagten seien in Annahmeverzug und weitere Schadensersatzansprüche seien möglich, so dass die Widerklage abzuweisen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Die Beklagten haben Berufung eingelegt und verfolgen ihr erstinstanzliches Ziel weiter.

Entscheidungsgründe:

Die in formeller Hinsicht einwandfreie Berufung der Beklagten ist teilweise begründet.

I.

Das angefochtene Urteil bejaht zutreffend einen Rückzahlungsanspruch des Klägers gegen die Beklagten gem. § 463 Satz 2 BGB a.F. nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des Kaufgegenstandes sowie Abtretung von Steuerrückerstattungsansprüchen gegen die Finanzverwaltung. Der Gerichtssachverständige hat in Übereinstimmung mit der vorgerichtlich eingeholten Stellungnahme der Dipl.-Ing. M u.a. ausgeführt, dass die erforderliche Einbindetiefe einer Palisadenwand zwischen 1,5 und 2 m betrage. Die Sicherung des Geländes oberhalb des Appartementhauses ist jedoch durch ca. 68 cm tief in das Erdreich eingebundene Holzpalisadenwände erfolgt, wie zwischenzeitlich fortgeschrittene Verrottungszeichen insbesondere in unmittelbarer Umgebung zur Geländeoberkante zeigen. Die zur Absicherung des Hauses zwingend erforderliche Sanierung ist mit erheblichen Kosten verbunden, die sich zwischen dem streitgegenständlichen Kaufvertrag und dem Schluss der mündlichen Verhandlung bereits teilweise realisiert haben.

Diesen Mangel haben die Beklagten, wie das Landgericht im angefochtenen Urteil zutreffend ausführt, im Zuge der wechselseitig geführten Verkaufsgespräche arglistig verschwiegen. Die vom Landgericht mit Recht als "mit Händen zu greifende Instandsetzungsbedürftigkeit" bezeichnete Situation in Verbindung damit, dass die Mehrheit der Wohnungseigentümerversammlung bereits die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu diesem Fragenkreis beschlossen hatte, war ungefragt zu offenbaren.

Die Anhörung der Parteien in den Verhandlungsterminen vor dem Senat ergab den gleichen Sachverhalt wie vom Landgericht als erwiesen zugrunde gelegt. Zwar hat der Kläger eingeräumt, dass es ein Telefonat am 13.10.1997 gegeben hat, also mehrere Wochen nach dem Abschluss des Kaufvertrags vom 25.09.1997 (vgl. Bl. 7 d.A.). Dort hat er sich Ansprüche für den Fall vorbehalten, dass aus dem in Auftrag gegebenen Gutachten sich Folgen ergeben sollten. Eine Kenntnis des Klägers im Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages bezüglich der dem Beklagten bekannt gewesenen Probleme bezüglich des Hangs liegt zur Überzeugung des Senats nicht vor, da die Beklagten die Problematik zwar kannten, gegenüber dem Kläger ihre Kenntnis jedoch nicht offenbarten.

Die Beklagten zeigen nicht auf, dass das von der Wohnungseigentümerversammlung in Auftrag gegebene Gutachten, das die Sanierungsbedürftigkeit festgestellt hat, unrichtig sei. Es erscheint auch dem Senat, wie dem Landgericht, überzeugend, so offenbar auch der Wohnungseigentümerversammlung, die die Sanierung momentan betreibt.

Da diese Frage in der mündlichen Verhandlung vom 19.03.2002 von den Beklagten angesprochen worden ist, weist der Senat darauf hin, dass es bei der hier zu treffenden rechtlichen Beurteilung nicht um die Frage geht, ob der Beklagte Ziff. 2 seinerzeit als Architekt irgendwelche Fehler gemacht hat, sondern lediglich um die Frage der Erfüllung einer gegebenen Aufklärungspflicht bezüglich der Sanierungsbedürftigkeit der Hangbefestigung.

Entgegen der Auffassung der Berufung spricht die Erklärung des Klägers, er habe sich anlässlich des Telefonats vom 13.10.1997 dahin geäußert, er habe sich ausdrücklich vorbehalten, für den Fall, dass sich aus dem Gutachten Folgen ergäben, wieder auf die Beklagten zuzugehen, nicht zugunsten der Beklagten. Die Beklagten hatten die Gutachtensbeauftragung auf eine "fixe Idee" eines Wohnungseigentümers geschoben. Die Mitteilung, ein Gutachten werde eingeholt, stellt keine Offenbarung der den Beklagten positiv bekannten Tatsachen bezüglich der Probleme mit dem Hang dar.

Damit liegt, wobei ergänzend auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen wird, sowohl eine Täuschungshandlung der Beklagten als auch eine dadurch verursachte Fehlvorstellung des Klägers vor.

II.

Die zuerkannten Ansprüche bestehen daher, wie vom Landgericht festgestellt. Jedoch haben die Beklagten erfolgreich hilfsweise die Aufrechnung erklärt mit Ansprüchen auf Nutzungsersatz für jetzt insgesamt 53 Monate. Der Kläger hat, wie er im Grundsatz gar nicht in Zweifel zieht, den Wert der von ihm gezogenen Nutzung der Wohnung einschließlich des Tiefgaragenstellplatzes den Beklagten zu erstatten. Dass der Kläger möglicherweise im Rahmen einer Gesamtabwicklung noch weitere Ansprüche haben mag, hat mit der Berechtigung der Beklagten, die Aufrechnung mit den Ansprüchen auf Ersatz des Wohnwerts zu erklären, nichts zu tun.

Der Senat bemisst den Wohnwert einschließlich Tiefgaragenstellplatz mit 960,-- DM pro Monat. Dies ist der Betrag, den die Beklagten zuletzt vor dem Verkauf an den Kläger als Monatsmiete erzielt haben. Er wird bestätigt durch das Gutachten B, das der Senat eingeholt hat, vom 17.10.2001 sowie den mündlichen Erläuterungen des Sachverständigen im Senatstermin vom 19.03.2002. Der Sachverständige hat einen Mietwert ohne Tiefgaragenstellplatz von 910,-- DM gerundet angenommen. Dies erscheint dem Senat auch angesichts der Erläuterungen des Sachverständigen im Verhandlungsprotokoll vom 19.03.2002, auf die ebenso wie auf das Gutachten Bezug genommen wird, nachvollziehbar und plausibel. Den Garagenplatz bewertet der Senat im unteren Bereich der vom Sachverständigen angegebenen Bandbreite eines Garagenplatzes (50-80,-- DM) mit 50,-- DM.

Daraus ergibt sich folgende Abrechnung:

Kaufpreisrückerstattung 208.000,00 DM ./. 53 x 960,-- DM = 50.880.00 DM 157.120,00 DM

Dies entspricht 80.334,18 €.

Hinzu kommen die erstinstanzlich zuerkannten 16.849,53 DM (8.615,03 €) Kostenerstattung.

Ohne Erfolg beziehen die Beklagten sich auf das Urteil des BGH vom 06.04.2001 (NJW 2001, 2021) bezüglich der c.i.c.-Haftung des Verkäufers einer Eigentumswohnung aus unterlassener Aufklärung des Käufers. In dieser Entscheidung des Bundesgerichtshofs ging es nicht um die Aufklärung bezüglich Mängeln, sondern bezüglich der finanziellen Belastung aus dem Erwerb. Der BGH hat die Auffassung des Berufungsgerichts, dass der Verkäufer wegen Verschuldens bei Vertragsschluss schon deshalb zu Schadensersatz verpflichtet sei, weil eine umfassende Beratung des Käufers über seine monatlichen Belastungen aus dem Erwerb des Wohnungseigentums unterblieben sei, als rechtsfehlerhaft erachtet. Eine ganz andere Frage als diejenige, ob der Verkäufer sich mit den finanziellen Belastungen des Käufers befassen muss, ist diejenige einer Verpflichtung zur Offenbarung bekannter Mängel bzw. eines möglichen Schadenseintritts aufgrund latent vorhandener Mängel der Bausubstanz.

IV.

Da die Beklagten sich weigern, die Kaufsache zurückzunehmen, sind sie im Verzug. Da weitere Schäden des Klägers möglich sind, ist auch der Feststellungsantrag begründet. Aus der Begründetheit der Klage dem Grunde nach ergibt sich die Unbegründetheit der Widerklage, wie schon das Landgericht zutreffend festgestellt hat, von selbst.

V.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO, wobei allerdings die Kosten der Beweisaufnahme im Berufungsrechtszug, da diese zu Lasten des Klägers ausgegangen ist, von diesem zu tragen sind. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen. Es geht nicht um rechtsgrundsätzliche Fragen, sondern um die Würdigung der Angaben der Parteien zum festzustellenden Sachverhalt und der Einordnung unter geläufige juristische Kathegorien. Rechtsgrundsätzliche Fragen sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

Ende der Entscheidung

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