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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 02.08.2005
Aktenzeichen: 10 U 88/05
Rechtsgebiete: VVG, AHB


Vorschriften:

VVG § 12 Abs. 3
AHB § 5 Nr. 3
AHB § 6
AHB § 7 Nr. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Stuttgart 10. Zivilsenat Urteil

Geschäftsnummer: 10 U 88/05

Verkündet am 02. August 2005

In dem Rechtsstreit

wegen Schadensersatz und Feststellung

hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart auf die mündliche Verhandlung vom 12. Juli 2005 unter Mitwirkung von

Vors. Richter am Oberlandesgericht Dr. Orlowsky Richter am Oberlandesgericht Dr. Hoffmann Richterin am Amtsgericht Dr. Pientka

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin/Widerbeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hechingen vom 24.02.2005 wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsrechtszugs

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Kostenentscheidung abwenden gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss sich ergebenden Betrags ihrer Kostenerstattungspflicht, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Streitwert für beide Rechtszüge wird auf bis zu 40.000,- EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten wegen eines Schadensereignisses vom 30.07.2002 über wechselseitige Ansprüche aus einer privaten Haftpflichtversicherung, die der Vater des am 30.05.1986 geborenen Beklagten bei der Klägerin genommen hatte. Der damals noch minderjährige Beklagte, der bei seinem Vater wohnte, ist - was zwischen den Parteien nicht im Streit ist - mitversicherte Person.

Der Beklagte hantierte am 30.07.2002 mit dem Schreckschusssignalrevolver seines Bruders. Hierbei löste sich ein Schuss, der die damals 16-jährige Freundin (die Zeugin ...) des Beklagten im Gesicht traf. Diese wurde hierdurch erheblich verletzt, ins Krankenhaus gebracht und dort behandelt. Hierdurch sind Behandlungskosten entstanden, die der gesetzliche Krankenversicherer zwischenzeitlich gegen den Beklagten mit Mahnbescheid geltend gemacht hat.

Die Klägerin hat mit Schreiben vom 14.07.2003 dem Beklagten gegenüber geltend gemacht, er habe in Betrugsabsicht eine falsche Schadensmeldung abgegeben, und von ihm einen Schadensersatz in Höhe von 200,-- € für Sach- und Personal kosten gefordert. Diesen Betrag verlangt sie mit der Klage. Am 21.01.2003 hatte sie den Beklagten als mitversicherte Person aufgefordert, zum Schadenshergang umfassende und wahrheitsgemäße Angaben zu machen, und hinzugefügt: "Wir dürfen darauf hinweisen, dass unrichtige Angaben zum Entzug des Versicherungsschutzes, zu Schadenersatzansprüchen und sogar zu einer Strafanzeige führen können". Der Beklagte hatte im Anschluss hieran eine Sachverhaltsschilderung gegeben, wonach ihm die Waffe beim Aufräumen aus der Hand gefallen sei. Nach dem Aufheben habe er sie auf dem Tisch "aufgesetzt".

Dabei habe sich ein Schuss gelöst, der Frau ... im Gesicht getroffen habe. Auf die ergänzende Frage der Klägerin vom 26.05.2003, ob er selbst verletzt worden sei - eine Verletzung des Trommelfells erscheine z.B. möglich -, hat er handschriftlich geantwortet: "Ich wurde nicht verletzt oder verbrannt (Trommelfell, Hände Oberschenkel usw.)".

Die Klägerin macht geltend, dass der Unfall sich in der vom Beklagten beschriebenen Weise nicht ereignet haben könne und dass die Angabe des Beklagten, er sei unverletzt geblieben, wahrheitswidrig sei. Sie beruft sich deshalb auf ihre Leistungsfreiheit. Eine Belehrung über die Frist des § 12 Abs. 3 VVG zur gerichtlichen Geltendmachung des Leistungsanspruchs und die Rechtsfolgen der Fristversäumung hat sie ihrem Versicherungsnehmer - unstreitig - nicht übersandt, sondern nur dem damals nach wie vor minderjährigen Beklagten als mitversicherter Person.

Die Klägerin hat im Senatstermin vom 12.07.2005 das Formular "Allgemeine Haftpflicht-Schadenanzeige" in Kopie zu den Akten gegeben. Der Inhalt des Formulars, so wie es vom Vater des Beklagten als Versicherungsnehmer ausgefüllt worden war, ist zwischen den Parteien unstreitig. Ebenfalls unstreitig ist, dass der Beklagte kein solches Formular zugesandt erhalten, ausgefüllt und/oder unterzeichnet hat.

Die Klägerin hatte erstinstanzlich beantragt,

den Beklagten zur Zahlung von 200,- € nebst Zinsen zu verurteilen.

Der Beklagte hatte Klagabweisung beantragt sowie Widerklage erhoben, zuletzt mit dem Antrag, die Leistungspflicht der Klägerin für den Schadensfall vom 30.07.2002 festzustellen.

Die Klägerin hatte beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht Hechingen die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben mit der Maßgabe, dass die Leistungspflicht der Klägerin für den Schadensfall vom 30.07.2002 unter der dort angegebenen Schadensnummer festgestellt werde. Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Die Klägerin verfolgt zweitinstanzlich die erstinstanzlichen Anträge weiter.

Der Beklagte beantragt die Zurückweisung der Berufung und verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beiderseitigen Schriftsätze nebst deren Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor dem Senat waren, Bezug genommen.

Beide Parteien haben beweiswürdigende Schriftsätze nachgereicht. Die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung ist weder beantragt noch angezeigt.

II.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Landgericht hat zutreffend die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zunächst auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Ergänzend ist auszuführen:

1.

Zur Klage:

Der unter dem Gesichtspunkt des versuchten Betrugs geltend gemachte Anspruch auf Zahlung einer Fallbearbeitungspauschale besteht, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht. Die Berufungsbegründung rügt in diesem Zusammenhang mangelnde Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil (§ 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ZPO). Konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der landgerichtlichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten könnten (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), bestehen nach Ansicht des Senats jedoch nicht, auch nicht nach der Anhörung des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 12.07.2005. Das Landgericht hat festgestellt, dass die Angaben der bei dem Unfall verletzten Zeugin ... und des Zeugen ... in den wesentlichen Abläufen des Geschehens mit der Schilderung des Beklagten übereinstimmten. Das Landgericht hat sodann nachfolgende Wertung abgegeben: Soweit sich kleinere Abweichungen in der Darstellung der Einzelheiten ergäben, sei dies aufgrund des länger zurück liegenden Zeitpunkts der zu erinnernden Vorgänge sowie aufgrund des Umstandes erklärbar, dass vor dem schadensauslösenden Schuss die Aufmerksamkeit der Beteiligten nicht auf die einzelnen Bewegungsabläufe und Begleitumstände gerichtet gewesen sei. Die vorhandenen geringfügigen Aussagedifferenzen rechtfertigten daher nicht den Schluss, die Unfallschilderung sei inhaltlich falsch.

Dem schließt sich der Senat an. Bei der Frage, ob eine Schadensanzeige unwahre Angaben enthält, ist ein verständiger Maßstab anzulegen (Späte, AHB, 5 Rn. 34). Der verständige Maßstab muss - und darauf hat das Landgericht mit Recht entscheidend abgestellt - die Irrtumsmöglichkeite der jeweiligen Auskunftspersonen mit umfassen. Es handelte sich bei dem geschilderten Vorgang des beabsichtigten Aufräumens der Schreckschusswaffe um ein Ereignis, das in den Einzelheiten vor Auslösen des Schusses zunächst keine besondere Aufmerksamkeit des Beklagten erforderte. Das wesentliche Ereignis für alle am Gestehen Beteiligten war nicht die Frage, ob eine oder zwei Schreckschusswaffen auf dem Tisch lagen, wie dem Beklagten die Waffe aus der Hand gefallen war, wie er sie beim Aufheben vom Fußboden angefasst und dann wieder auf den Tisch "aufgestellt" hat. Das das Erinnerungsbild prägende Ereignis war der sich auslösende Schuss mit der Folge einer erheblichen Verletzung der Zeugin.

In solchen Fällen eines plötzlichen unerwarteten Ereignisses, insbesondere wenn dieses mit erheblichen Verletzungsfolgen verbunden ist, verblasst sofort das Erinnerungsbild bezüglich der vor dem Unfallereignis geschehenen, vergleichsweise unwesentlichen und für die Beteiligten wenig Aufmerksamkeit erregenden Ereignisse. Dass deshalb bei den anwesenden Personen unterschiedliche Erinnerungsbilder bezüglich der als unwesentlich eingestuften Ereignisse vor dem Unfall auftreten, ist zu erwarten. Dies rechtfertigt daher nicht den Vorwurf einer unwahren Angabe, sondern erklärt Abweichungen in den Schilderungen der Einzelheiten über den Hergang der Ereignisse vor der Auslösung des Schusses. Es erklärt auch den Umstand, dass der Beklagte die Frage der Klägerin nach eigener Verletzung verneint hatte: Im Gegensatz zur Zeugin, die schwer verletzt wurde, verspürte er nur einen kurzzeitigen Schmerz ohne echte Verletzungsfolge und ohne jegliche ärztliche Behandlungsbedürftigkeit.

Mit Recht weist das Landgericht in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Frage nach einer Verletzung vom Beklagten unschwer dahin verstanden werden konnte, es seien behandlungsbedürftige Verletzungen gemeint. Solche waren nicht eingetreten.

Die Unwahrheit der Angaben des Beklagten ergibt sich auch nicht daraus, dass der vor der Klägerin eingesetzte Zeuge ... bei Fallversuchen die Schilderung des Beklagten nicht nachvollziehen konnte. Der Zeuge verfügte nicht über die erforderlichen Fachkenntnisse, um die bei diesen Waffen möglichen fehlerhaften Schussauslösungen in seine Versuche einbeziehen zu können. Der vom Landgericht vernommene Sachverständige hat entgegen der Aussage des Zeugen ... die Möglichkeit der Schussauslösung im Moment des "Aufsetzens" des Schreckschussrevolvers auf den Tisch bejaht und die Schilderung des Beklagten für nachvollziehbar gehalten einschließlich der bei dieser Schilderung zu erwartenden Verletzungen der Freundin des Beklagten.

Sonach hat die Klägerin den ihr obliegenden Beweise eines Betrugsversuchs des Beklagten nicht erbracht.

2.

Zur Widerklage:

Das Landgericht hat im Ergebnis zutreffend der Widerklage mit dem zuletzt in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag stattgegeben.

a)

Der Beklagte war, was zwischen den Parteien auch nicht in Streit ist, im Unfallzeitpunkt mitversicherte Person gemäß II 1 b BBR (Besondere Bedingungen und Risikobeschreibungen zur Privathaftpflichtversicherung), da er - damals noch minderjährig - im Haushalt seines Vaters, der Versicherungsnehmer der Klägerin ist, lebte. Er war, obwohl nicht Versicherungsnehmer, jedenfalls im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht und im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht für den geltend gemachten Anspruch aus dem Haftpflichtversicherungsvertrag aktivlegitimiert.

Zwar steht die Ausübung der Rechte aus dem Haftpflichtversicherungsvertrag zunächst ausschließlich dem Versicherungsnehmer zu, wie sich aus § 7 Nr. 3 AHB ergibt. Dem Mitversicherten ist die Ausübung seiner Rechte entzogen, auch wenn er materiell Anspruchsträger ist. Das gilt auch dann, wenn das dem Versicherungsfall zugrunde liegende Schadenereignis Haftpflichtansprüche zur Folge haben könnte. Durch diese Regelung soll der Versicherer in erster Linie davor geschützt werden, in Schadenfällen sich mit einer unbestimmten Vielzahl ihm unbekannter Personen (die mitversicherten Personen kennt er in der Regel nicht) auseinandersetzen zu müssen. Auch soll verhindert werden, dass der Versicherungsnehmer im Falle eines Deckungsprozesses die Stellung eines Zeugen erlangt und der Versicherer dadurch in der Beweisführung benachteiligt wird (vgl. BGHZ 41, 327, 330; BGH VersR 1983, 945; zusammenfassend: Späte, AHB, § 7 Rn. 4; Littbarski, AHB, § 7 Rn. 16).

Unbeschadet dieses Zwecks der Regelung ist es dem Versicherer allerdings unbenommen, auf diesen Schutz zu verzichten und sich damit einverstanden zu erklären, dass das Deckungsverhaltnis im Rechtsstreit zwischen ihm und der mitversicherten Person geklärt wird (vgl. BGHZ 43, 42). Dieses Einverständnis kann nicht nur ausdrücklich, sondern auch durch Schweigen erklärt werden; dies ist der Fall, wenn der Versicherer jedenfalls bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung im ersten Rechtszug keine Einwendungen gegen die Aktivlegitimation der mitversicherten Person unter dem hier erörterten Gesichtspunkt der mangelnden Rechtsinhaberschaft des Mitversicherten erhebt (OLG Düsseldorf, VersR 1966, 481; Späte, AHB, § 7 Rn. 5). Die Klägerin hat weder im ersten Rechtszug noch auf entsprechenden ausdrücklichen Hinweis des Senats in der Berufungsverhandlung vom 12.07.2005 Einwendungen gegen diese Verfahrensweise erhoben und damit ihr Einverständnis mit der Klärung der Frage in diesem Rechtsstreit erklärt.

Ob von einem konkludenten Einverständnis der Klägerin als Versicherer auch deshalb auszugehen ist, weil die Klägerin nicht ihren Versicherungsnehmer, sondern ausschließlich den Beklagten als mitversicherte Person auf die Frist zur Klageerhebung nach § 12 Abs. 3 VVG hingewiesen hat (Johannsen, in: Bruck/Möller/Johannsen, VVG, Vierter Band, Anm. A 14; Späte, AHB, § 7 Rn. 5; Littbarski, AHB, § 7 Rn. 16), kann deshalb offen bleiben.

b)

Die Klägerin kann sich aus tatsächlichen (aa.) und rechtlichen (bb.) Gründen nicht auf eine Leistungsfreiheit berufen.

aa)

"Bezüglich der behaupteten, gegebenenfalls die Leistungsfreiheit des Versicherers auslösenden Obliegenheitsverletzung des Beklagten wird auf die obigen Ausführungen unter Ziff. 1 Bezug genommen. Der Senat konnte, ebenso wie das Landgericht im angefochtenen Urteil, eine Obliegenheitsverletzung nicht feststellen.

bb)

Die Klägerin kann sich aber auch aus Rechtsgründen nicht auf eine Leistungsfreiheit berufen. Denn sie hat den Beklagten nicht in ausreichendem Umfang über die Folgen einer etwaigen Obliegenheitsverletzung belehrt. Nach gefestigter Rechtsprechung, deren Anwendbarkeit die Klägerin auch nicht in Zweifel zieht, bedarf es zur Vermeidung unbilliger Härten nach dem "Alles-oder-Nichts-Prinzip" des § 6 i.V.m. § 5 Nr. 3 AHB bei vorsätzlichen Obliegenheitsverletzungen mit nur geringem Verschulden einer ausdrücklichen unmissverständlichen Belehrung des Versicherers bezüglich der für den Versicherungsnehmer eintretenden negativen Rechtsfolgen infolge einer etwaigen Obliegenheitsverletzung. Diese Belehrung hat dahingehend zu erfolgen, dass bei vorsätzlich falscher Beantwortung von Fragen die Rechtsfolge in dem Verlust des Versicherungsschutzes auch dann besteht, wenn ein Nachteil für den Versicherer nicht eingetreten ist, und zwar generell ohne Rücksicht auf die Lage des Einzelfalls.

Das von der Klägerin erst im zweiten Rechtszug in der mündlichen Verhandlung vom 12.07.2005 vorgelegte Schadenanzeige-Formular enthält in drucktechnisch hervorgehobener Weise direkt oberhalb der Unterschrift des Versicherungsnehmers eine solche Belehrung. Diese für die Klägerin günstige Tatsache war, obwohl insoweit ein Vortrag erstinstanzlich nicht erfolgt war, für die Entscheidung zu berücksichtigen, weil der Sachverhalt insoweit unstreitig ist (BGH, NJW 2005, 291).

Diese Belehrung reichte jedoch nicht aus, im Falle einer Obliegenheitsverletzung, die allein durch den Beklagten als mitversicherter Person und nicht durch den Versicherungsnehmer erfolgt, die Leistungsfreiheit der Klägerin als Versicherer zu begründen. Geht es, wie hier, ausschließlich darum, dass die mitversicherte Person eine vorsätzliche Obliegenheitsverletzung deshalb begangen haben soll, weil sie unwahre Angaben über den Hergang des Haftpflichtfalles gemacht habe, gebietet es der Schutz des Mitversicherten ebenso wie im Regelfall einer behaupteten Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers, dass mit identischen Anforderungen an die Eindringlichkeit auch die mitversicherte Person über die Folgen einer Obliegenheitsverletzung belehrt wird. Dies ergibt sich zwangsläufig daraus, dass eine Obliegenheitsverletzung der mitversicherten Person auch dann zur Leistungsfreiheit des Versicherers führt, wenn dem Versicherungsnehmer keinerlei Vorwurf einer Obliegenheitsverletzung gemacht wird. Sind aber die Rechtsfolgen einer Obliegenheitsverletzung identisch, muss auch die Belehrung in gleicher Weise erfolgen.

Unstreitig hatte die Klägerin dem Beklagten das bei ihr verwendete Schadenanzeige-Formular mit der vorgedruckten oben erwähnten Belehrung nicht übersandt. Der Beklagte hat auch das seinem Vater als Versicherungsnehmer übersandte Formular nicht ausgefüllt und nicht unterzeichnet.

Die Klägerin kann sich daher, was ihre Verpflichtung zur Belehrung betrifft, nur auf ihr Schreiben vom 21.01.2003 (Bl. 20, Anl. K 1) an den Beklagten stützen. Dort heißt es ohne besondere Hervorhebung im Fließtext im zweiten Absatz nach der Anrede: "Wir dürfen darauf hinweisen, dass unrichtige Angaben zum Entzug des Versicherungsschutzes zu Schadenersatzansprüchen und sogar zu einer Strafanzeige führen können". Die in ihrem eigenen Schadenanzeige-Formular enthaltene zusätzliche und auch erforderliche Belehrung, dass bei bewusst falschen Antworten auch dann Leistungsfreiheit eintritt, wenn dem Versicherer hierdurch kein Nachteil entsteht, fehlt in diesem Text. Damit bleibt der Text hinter der zu fordernden Eindringlichkeit der Belehrung zurück. Der Einwand der Klägerin, wie in der Berufungsverhandlung ausgeführt, ein derartig eindringlicher Text stelle einen zu großen Aufwand für die Klägerin dar, ist einerseits für den Senat im Zeitalter von Textverarbeitssystemen nicht nachvollziehbar und andererseits auch rechtlich unbeachtlich. Gleiches gilt für den Einwand der Klägerin, der Beklagte hätte aus ihrer Sicht auch dann unrichtige Angaben gemacht, wenn er von der Klägerin eindringlicher belehrt worden wäre. Dieses Kausalitätsargument ist ebenso unbeachtlich wie umgekehrt bei bewusst falschen Angaben des Versicherungsnehmers die Frage, ob dem Versicherer hieraus ein Nachteil entstanden ist; auch insoweit ist bezüglich der beiderseitigen Rechtspflichten mit gleichen Maßstäben zu werten.

c)

Im Berufungsrechtszug hat die Klägerin ihren erstinstanzlichen Einwand, sie sei nach § 12 Abs. 3 VVG von ihrer Leistungsverpflichtung frei geworden, weil die Geltendmachung der Ansprüche erst mit der Widerklage vom 09.08.2004 erfolgt sei, im Hinblick darauf fallen gelassen, dass sie auf die Rechtsfolgen dieser Norm nur den damals minderjährigen Beklagten und nicht ihren Versicherungsnehmer hingewiesen hatte.

Die Widerklage erweist sich damit als begründet.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht. Kern der Auseinandersetzung waren streitige Tatsachenfragen, die der Revision nicht zugänglich sind.

Ende der Entscheidung

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