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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 12.11.2002
Aktenzeichen: 12 W 48/02
Rechtsgebiete: GKG, ZPO, ArbGG


Vorschriften:

GKG § 12 Abs. 1 Satz 1
GKG § 15
GKG § 17 Abs. 3
GKG § 25 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 3
ArbGG § 12 Abs. 7 Satz 1
ArbGG § 12 Abs. 7 Satz 2
1. a) Der Gebührenstreitwert einer von einem Vorstandsmitglied einer Genossenschaft erhobenen Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit einer Kündigung bemisst sich nach der Bruttovergütung, die das Vorstandsmitglied innerhalb des Zeitraums erzielen kann, für den eine rechtlich geschützte Entgelterwartung besteht. Dieser Zeitraum beginnt mit dem Zeitpunkt, zu dem die streitgegenständliche Kündigung wirksam werden soll und endet mit dem Zeitpunkt, zu dem die Genossenschaft das Vertragsverhältnis aufgrund der nächstmöglichen ordentlichen Kündigung beenden könnte.

b) Für die Frage, wann das Vertragsverhältnis nächstmöglich gekündigt werden kann, ist auf die erste, dem Eingang der Klage folgende Möglichkeit zur ordentlichen Kündigung abzustellen.

2. Übersteigt der Zeitraum der rechtlich geschützten Entgelterwartung die Dauer von drei Jahren, ist für die Streitwertfestsetzung nur auf diesen kürzeren Zeitraum abzustellen.

3. Die danach maßgebliche Bruttovergütung ist um den bei positiven Feststellungsklagen üblichen Abschlag von 20% zu kürzen.


Oberlandesgericht Stuttgart -12. Zivilsenat- Beschluss

vom 12. November 2002

Geschäftsnummer: 12 W 48/02

In Sachen

wegen: Feststellung des Fortbestehens eines Anstellungsvertrages

hier: Streitwertbeschwerde

hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart unter Mitwirkung

des Vorsitzenden Richters am OLG Oleschkewitz, des Richters am OLG Dr. Groß, des Richters am LG Schreiber

beschlossen:

Tenor:

Im Hinblick auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Landgerichts Heilbronn vom 22. Juli 2002 abgeändert und der Streitwert von Amts wegen auf 45.607,20 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Das Landgericht hat nach Klagerücknahme den Streitwert der auf Feststellung des Fortbestehens des zwischen den Parteien auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Anstellungsvertrages über den 30. September 2002 hinaus gerichteten Klage auf 273.643 € festgesetzt. Hierbei hat es nach § 12 Abs. 1 Satz 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO die Vorschrift des § 17 Abs. 3 GKG entsprechend angewandt und hat den Streitwert unter Berücksichtigung eines Abzuges vom 20% wegen der positiven Feststellungsklage auf den dreifachen Jahresbetrag des Bruttojahreseinkommens des Klägers festgesetzt. Eine Beschränkung auf den Zeitraum bis zur nächstmöglichen fiktiven Kündigungsmöglichkeit hat es abgelehnt mit dem Hinweis darauf, dass nach dem Klagvortrag eine Kündigung durch die beklagte Volksbank einen Beschluss der Vertreterversammlung voraussetze. Ob ein solcher Beschluss gefasst werde, sei ungewiss.

Der Kläger begehrt unter Hinweis auf einen Beschluss des OLG Köln (OLGR Köln 1994, 268) eine Herabsetzung des Streitwertes auf einen Jahresbetrag seines Bruttoeinkommens. Er meint, angesichts des der Beklagten zustehenden Kündigungsrechts von 12 Monaten zum Ende eines Quartals könne für die Streitwertfestsetzung lediglich der Zeitraum bis zur nächstmöglichen ordentlichen Kündigung des Anstellungsvertrages herangezogen werden.

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat im eigenen Namen den angefochtenen Beschluss mit näherer Begründung als zutreffend verteidigt.

Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die zulässige Beschwerde des Klägers führt nicht nur zu einer antragsgemäßen Herabsetzung des Streitwerts auf einen Jahresbetrag des Bruttojahreseinkommens des Klägers. Der Streitwert ist vielmehr nach § 25 Abs. 2 Satz 2 GKG von Amts wegen auf das vom Kläger in sechs Monaten zu erzielende Bruttoeinkommen von 57.009 € abzüglich eines Abschlags für die Feststellungsklage von 20%, somit auf 45.607,20 € festzusetzen.

1. Das Landgericht ist im Ausgangspunkt zu Recht davon ausgegangen, dass sich der Streitwert einer im Verfahren vor den Zivilgerichten erhobenen Klage auf Feststellung des Fortbestehens eines Anstellungsvertrages nicht nach dem gemäß § 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG maßgebenden Entgelt für die Dauer eines Vierteljahres richtet. Der Gebührenstreitwert ist vielmehr nach § 3 ZPO zu bemessen, in dessen Rahmen § 17 Abs. 3 GKG entsprechend heranzuziehen ist (BGH, Beschluss vom 13. Februar 1986 - IX ZR 114/85, NJW-RR 1986, 676).

2. Entgegen der in der angefochtenen Entscheidung vertretenen Ansicht und über die vom Kläger selbst begehrte Abänderung hinaus führt die analoge Anwendung von § 17 Abs. 3 GKG dazu, dass der Streitwertberechnung lediglich das vom Kläger in sechs Monaten zu erzielende Bruttoeinkommen zugrunde zu legen ist.

a) Nach soweit ersichtlich einhelliger obergerichtlicher Rechtsprechung (OLG Celle OLGR 1994, 298; OLG Köln OLGR 1994, 268; OLG Stuttgart, Beschluss vom 28. Januar 2000 - 12 U 71/98, nicht veröffentlicht; wohl auch OLG Naumburg OLGR 1995, 214, 215) bemisst sich der Streitwert einer auf Feststellung des Fortbestehens eines Anstellungsvertrages gerichteten Klage auf das bis zur nächstmöglichen ordentlichen Kündigung, höchstens aber auf das in drei Jahren zu erzielende Entgelt. Dies steht auch im Einklang mit der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung zu der inhaltlich weitgehend mit § 17 Abs. 3 Satz 1 GKG übereinstimmenden Vorschrift des § 12 Abs. 7 Satz 2 ArbGG (LAG Baden-Württemberg BB 1986, 532). Damit richtet sich der Streitwert nach der Höhe der rechtlich geschützten Entgelterwartung des Gekündigten. Da der Zeitraum bis zum Wirksamwerden der ausgesprochenen streitgegenständlichen Kündigung regelmäßig nicht im Streit steht, beginnt die rechtlich geschützte Entgelterwartung mit dem Zeitpunkt, zu dem die umstrittene Kündigung wirksam werden soll und endet in dem Zeitpunkt, zu dem das Vertragsverhältnis aufgrund der nächstmöglichen ordentlichen Kündigung beendet werden kann. Somit bemisst sich das einer Streitwertfestsetzung für eine Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit einer ausgesprochenen Kündigung eines Arbeits- oder Dienstverhältnisses zugrunde zu legende Entgelt nach dem Zeitraum zwischen dem Wirksamwerden der umstrittenen und dem des Wirksamwerdens der nächstmöglichen ordentlichen Kündigung.

Das Landgericht beruft sich für seine gegenteilige Ansicht zu Unrecht auf Beschlüsse des Bundesgerichtshofes (NJW-RR 1986, 676) und des Oberlandesgerichts Bamberg (JurBüro 1988, 227). Beide Entscheidungen enthalten keinerlei Angaben zu den jeweils nächstmöglichen ordentlichen Kündigungsmöglichkeiten. Insbesondere lässt sich den genannten Entscheidungen nicht entnehmen, dass im Zuge der entsprechenden Anwendung von § 17 Abs. 3 GKG den Streitwertberechnungen der dreifache Jahresbetrag der jeweils vereinbarten Vergütung zugrunde gelegt worden ist, obwohl die streitigen Rechtsverhältnisse jeweils zu einem früheren Zeitpunkt hätten ordentlich gekündigt werden können.

Selbst wenn den aufgeführten Beschlüssen diese Rechtsansicht zugrunde läge, wäre dieser nicht zu folgen. Der Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit einer konkret ausgesprochenen Kündigung ist vor dem Hintergrund des Interesses des Gekündigten an einem solchen Ausspruch auszulegen. Dieses Interesse ist auf den Zeitraum beschränkt, bis zu dem ihm erneut ordentlich gekündigt werden kann. Denn weder hat der sich auf die Unwirksamkeit einer Kündigung berufende Kläger auf das künftige Verhalten seines Vertragspartners im Hinblick auf eine erneute ordentliche Kündigung Einfluss, noch stünde ein Ausspruch über die Unwirksamkeit einer im Streit stehenden Kündigung einer solchen erneuten Erklärung zur Beendigung des Vertragsverhältnisses entgegen.

b) Danach ist hier von dem vom Kläger innerhalb von sechs Monaten zu erzielenden Bruttoentgelt auszugehen.

Die streitgegenständliche Kündigung vom 13. September 2001 wurde entsprechend den Vorschriften des zwischen den Parteien abgeschlossenen Anstellungsvertrages zum 30. September 2002 ausgesprochen. Damit stand das vom Kläger bis zu diesem Zeitpunkt zu erzielende Entgelt nicht im Streit. Angesichts des Umstandes, dass nach § 15 GKG für die Wertberechnung auf den Zeitpunkt der die Instanz einleitenden Antragstellung abzustellen ist, kommt es auf die am 25. Januar 2002 bei Gericht eingegangene Klage an. Zu diesem Zeitpunkt hätte die Beklagte das Anstellungsverhältnis mit dem Kläger im Wege einer erneuten ordentlichen Kündigung zum 31. März 2003 beenden können. Die für die Streitwertfestsetzung maßgebende rechtlich geschützte Entgelterwartung beläuft sich somit auf den Zeitraum zwischen dem 1. Oktober 2002 und dem 31. März 2003 und damit auf sechs Monate. Das Bruttojahresgehalt des Klägers beträgt unstreitig 114.018 €, das Gehalt für sechs Monate beläuft sich somit auf 57.009 €. Hiervon ist für die Feststellungsklage noch ein Abschlag von 20% zu machen, so dass der Streitwert auf 45.607,20 € festzusetzen ist.

c) Konkrete Umstände dafür, dass der der Streitwertberechnung zugrunde zu legende Zeitraum um drei Monate verlängert werden müsste, liegen nicht vor.

Nach § 13 des Anstellungsvertrages können die Parteien den Anstellungsvertrag mit einer Frist von zwölf Monaten zum Ende eines jeden Kalendervierteljahres schriftlich kündigen. Ausgenommen ist eine Kündigung zum Ende des Geschäftsjahres. Dass das Geschäftsjahr der Beklagten zum 31. März eines jeden Jahres endet, ist weder dargetan noch ersichtlich.

d) Entgegen der vom Landgericht vertretenen Auffassung steht der Ungewisse Ausgang eines von der Vertreterversammlung der Beklagten zu fassenden Beschlusses über eine erneute ordentliche Kündigung des Klägers der dargelegten Beschränkung des für die Streitwertfestsetzung maßgebenden Zeitraumes nicht entgegen. Entscheidend ist allein, dass die Beklagte nach der konkreten Vertragsgestaltung den Anstellungsvertrag mit dem Kläger erneut zum 31. März 2003 kündigen konnte. Die Frage, ob eine solche Kündigung überhaupt bzw. ob sie gegebenenfalls wirksam ausgesprochen worden wäre, ist als reine Spekulation im Rahmen der Streitwertfestsetzung unberücksichtigt zu lassen. Etwas anderes kann allenfalls dann gelten, wenn schon im Zeitpunkt der Klageerhebung Tatsachen feststehen, aus denen sich ergibt, dass die theoretisch mögliche nächste ordentliche Kündigung aus bestimmten konkreten Gründen nicht rechtzeitig ausgesprochen werden kann. In diesem Fall ist für die Streitwertberechnung auf die folgende nächstmögliche ordentliche Kündigungsmöglichkeit abzustellen.

3. Eine an sich gebotene Zulassung der Rechtsbeschwerde scheitert daran, dass Entscheidungen über Streitwertbeschwerden mit diesem Rechtsmittel nicht angefochten werden können (vgl. OLG München, Beschluss vom 12. März 2002 - 27 W 55/02, bislang nicht veröffentlicht; vgl. auch BGH Report 2002, 750 zur Rechtslage vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses vom 27. Juli 2001, BGBl. I 1887).

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