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Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 25.05.2000
Aktenzeichen: 13 U 157/99
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 823 Abs. 1
BGB § 847
Leitsätze:

1.

Verursacht ein Erwachsener, der sich an einem Trainingsspiel der Fußball-E-Jugend beteiligt, erhebliche Verletzungen eines Jugendspielers, so haftet er nicht nur bei einem groben Regelverstoß, sondern schon dann auf Schadensersatz, wenn er die gebotene Zurückhaltung und Rücksichtnahme gegenüber den Jugendspielern vermissen ließ.

2.

Allein aus den Verletzungsfolgen kann jedenfalls dann nicht auf ein pflichtwidriges Verhalten des Erwachsenen geschlossen werden, wenn er trotz zurückhaltender Spielweise auf nassem Boden ausgeglitten und so unglücklich in den entgegenkommenden Jugendspieler hineingerutscht sein kann, daß es zu den Verletzungen kam.


Oberlandesgericht Stuttgart

13 U 157/99 23 O 67/99 LG Stuttgart

Urteil vom 25.05.2000

Sachverhalt:

Der Kläger verlangt Schadensersatz aufgrund eines Unfalls, den er am 25.02.1998 bei einem Trainingsspiel der Fußball-E-Jugend erlitt. Der damals noch nicht ganz 10 Jahre alte Kläger spielte als Torwart. Der Beklagte, der das Training leitete, bewegte sich auf regennassem Tartanbelag mit dem Ball auf den Kläger zu, welcher seinerseits einige Schritte entgegenkam. Beide kamen zu Fall, wobei der Beklagte den Kläger so unglücklich traf, daß er eine komplette Fraktur des linken Unterschenkels erlitt.

Der Kläger verlangt den Ersatz von Transport- und Fahrtkosten in Höhe von 496,88 DM, ein angemessenes Schmerzensgeld, wobei er sich einen Betrag von 17.000.- DM vorstellt, sowie Feststellung der Schadensersatzpflicht des Beklagten für künftigen materiellen und immateriellen Schaden, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger übergegangen sind. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auch die Berufung des Kläger blieb ohne Erfolg.

Aus den Gründen:

Das Landgericht hat nach dem Ergebnis seiner Beweisaufnahme ein zum Schadensersatz verpflichtendes Verhalten des Beklagten zu Recht verneint. Das Berufungsvorbringen des Klägers und die Erörterung der Sach- und Rechtslage vor dem Senat mit Anhörung der Parteien führen zu keiner anderen Beurteilung.

Zutreffend ist zwar der Hinweis des Klägers auf die besondere Ausgangslage, in der sich der Unfall vom 25.02.1998 ereignet hat, daß es sich nämlich um ein Trainingsspiel gehandelt hat, an dem sich der Beklagte als einziger Erwachsener neben Kindern der E-Jugend beteiligt hat. Wegen dieser Ausgangslage ist ein besonderer Sorgfaltsmaßstab im Vergleich zu normalen Fußballspielen an das Verhalten des Beklagten anzulegen: Rechtswidrigkeit und Schuld seines Verhaltens sind nicht nur bei einem groben Regelverstoß zu bejahen, sondern schon dann, wenn er als Erwachsener die gebotene Zurückhaltung und Rücksichtnahme gegenüber den Kindern vermissen ließ. Darauf hat schon das Landgericht hingewiesen. Auch bei Anlegung dieses besonderen Maßstabs kann jedoch eine Sorgfaltspflichtverletzung des Beklagten nicht festgestellt werden.

Von den vom Landgericht vernommenen Zeugen haben die Jugendlichen K. und P. den Unfallhergang gar nicht gesehen. Der Zeuge R., der als zweiter Betreuer das Spiel beobachtet hat, konnte ausschließen, daß der Beklagte mit gestrecktem Bein in den Kläger hineingerutscht ist. Er hat auch angegeben, daß der Beklagte für seine Verhältnisse nicht schnell gelaufen sei und daß er näher am Ball gewesen sei als der Kläger. Wie es letztlich zum Zusammenprall kam, konnte er nicht sagen; er sah nur noch, wie beide Spieler auf dem Boden lagen. Der Zeuge G., der als Zuschauer am Spielfeldrand war, hat angegeben, der aus dem Tor herauskommende Kläger und der den Ball führende Beklagte seien drei bis vier Meter vom Tor entfernt zusammengeprallt. Auf Nachfrage hat er jedoch ausgesagt, der Beklagte sei vor dem Zusammenprall weggerutscht, da der Boden feucht gewesen sei. Von einem übermäßigen Einsatz des Beklagten vor dem Ausrutschen hat er nichts gesagt.

Der Kläger hat bei seiner Anhörung vor dem Senat angegeben, daß der Beklagte zunächst relativ schnell auf das Tor zugelaufen sei, aber langsamer geworden sei, als er sich dem Tor angenähert habe. Er meinte, er selbst sei stehengeblieben, bevor der Beklagte in ihn hineingerutscht sei. Die Frage, ob der Beklagte ausgerutscht sei, hat der Kläger zunächst bejaht, anschließend jedoch verneint. Der Beklagte hat sich dahin eingelassen, er sei bei dem Versuch, den Kläger zu umspielen, bei einer Bewegung nach rechts weggerutscht. Dabei ist er offenbar in den aus dem Tor gekommenen Kläger hineingerutscht. Da der Beklagte aus dem linken Mittelfeld gekommen war, erscheint es durchaus möglich, daß er beim Wegrutschen nach rechts das linke Bein des Klägers getroffen hat. Nach den Aussagen der Zeugen erscheint dies naheliegend.

Die von den Parteien angeregten Versuche, den Sachverhalt weiter aufzuklären, erscheinen dem Senat nicht sinnvoll. Insbesondere ist nicht erforderlich, die behandelnden Ärzte dazu zu befragen, ob bei der Erstversorgung des Klägers an dessen Bein Spuren vom Anprall des Beklagten erkennbar waren. Der Beklagte kann selbst nicht ausschließen, daß er so in den Kläger hineingerutscht ist, daß er dessen Bein getroffen hat. Auch ein Sachverständigengutachten dazu, ob bei der vom Beklagten geschilderten Bewegung die tatsächlich eingetretene Verletzung entstanden sein kann, führt deshalb nicht weiter, weil die genauen Ausgangspositionen der Beteiligten nicht mehr feststellbar sind und deshalb auch Einzelheiten des Bewegungsablaufs nicht rekonstruiert werden können.

Nach den Bekundungen der Beteiligten und den Zeugenaussagen ist nicht bewiesen, daß der Beklagte durch unbeherrschte Spielweise oder übermäßigen Körpereinsatz den Unfall verursacht hat. Die Argumentation des Klägers, das Hineinrutschen in den Kläger mit den schweren Verletzungsfolgen zeige, daß der Beklagte nicht kontrolliert und zurückhaltend genug gespielt habe, überzeugt letztlich nicht, denn auch bei zurückhaltender Spielweise des Beklagten ist nicht völlig auszuschließen, daß er auf nassem Boden ausgeglitten und so unglücklich in den entgegenkommenden Kläger hineingerutscht ist, daß es zu den Verletzungen kommen konnte. Deshalb ist der Schluß von den Verletzungsfolgen auf ein pflichtwidriges Verhalten des Beklagten nicht zulässig.

Auch der Hinweis des Klägers auf die vorgelegte Entscheidung des OLG Oldenburg vom 01. Juli 1987 - 3 U 53/87 - verfängt nicht, weil sie einen anderen Sachverhalt betrifft. Dort ging der Erwachsene mit vollem Körpereinsatz in den Zweikampf mit einem Jugendlichen, um den Ball, hinter dem beide herliefen, zu gewinnen. Im vorliegenden Fall hatte der Beklagte den Ball bereits vom Mittelfeld her geführt. Es ist nicht auszuschließen, daß er beim Versuch, den Kläger zu umspielen, weggerutscht ist, auch wenn der Zeuge G. dies anders gesehen hat. Der Kläger hat selbst angegeben, daß der Beklagte bei der Annäherung langsamer geworden ist, also gerade nicht unter Aufbietung aller Kräfte versucht hat, einen zu weit vorgelegten Ball noch vor dem Kläger zu erreichen.

Damit scheiden Schadensersatzansprüche des Klägers nach §§ 823, 847 BGB gegen den Beklagten aufgrund des Vorfalls vom 25.02.1998 aus. Hinsichtlich des gestellten Feststellungsantrags bezüglich künftiger Schäden spricht viel für die Auffassung des Landgerichts, daß angesichts der Verletzungen des Klägers und der nach Abschluß des Heilungsprozesses festgestellten Verlängerung des linken Beines um 0,8 cm Zukunftsschäden nicht auszuschließen sind, vielmehr für deren Eintritt eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht. Da die Möglichkeit von Spätfolgen von Beklagtenseite entschieden bestritten wurde, könnte das Feststellungsinteresse abschließend nur durch Einholung eines Sachverständigengutachtens geklärt werden. Nachdem aber die Unbegründetheit des Feststellungsantrags bereits feststeht, ist eine derartige zeit- und kostenaufwendige Klärung des Feststellungsinteresses abzulehnen (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 21. Aufl., § 256 RN 7; Stein/Jonas/Schumann, 21. Aufl., § 256 RN 120).

Die Berufung des Klägers ist demnach in vollem Umfang zurückzuweisen.

Ende der Entscheidung

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