Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 14.08.2001
Aktenzeichen: 14 U 3/2001
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
Eine lokale Wunde ohne systemische Entzündungszeichen muss nicht antibiotisch behandelt werden.
Oberlandesgericht Stuttgart - 14. Zivilsenat - Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 14 U 3/2001

Verkündet am 14.08.2001

In Sachen

wegen Schadensersatz und Schmerzensgeld

hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart auf die mündliche Verhandlung vom 14.08.2001 unter Mitwirkung

der Vorsitzenden Richterin am Oberlandesgericht Rabbow-Geiss, des Richters am Oberlandesgericht Dr. Drescher sowie der Richterin am Oberlandesgericht Wiggenhauser

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Heilbronn vom 29.11.2000 - AZ.: 1b O 1650/98 Vier - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von jeweils 25.000,00 DM abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Streitwert und Beschwer des Klägers: 194.326,62 DM

Tatbestand:

Die Parteien streiten um Schadensersatz nach ärztlichen Behandlung.

Der Kläger war im Jahr 1996 als Schweißbrenner beschäftigt. Er litt zu diesem Zeitpunkt an arteriellem Hypertonus, Urolithiasis. Der Beklagten Ziffer 1, einer Allgemein- und Durchgangsärztin, war der Kläger als Hausärztin bekannt. Der Beklagte Ziffer 2 ist ein Orthopäde, bei dem der Kläger zuvor in den Jahren 1994 und 1995 wegen Gichtbeschwerden in Behandlung war.

Der Kläger stellte sich am 28.06.1996 bei der Beklagten Ziffer 1 vor und gab an, am 26.06.1996 einen Arbeitsunfall erlitten zu haben. Ihm sei glühendes Metall in seinen Sicherheitsschuh geraten. Entsprechend lautet die Unfallanzeige der Beklagten Ziffer 1 an die Berufsgenossenschaft vom 01.07.1996. Die Beklagte Ziffer 1 diagnostizierte eine weiche Schwellung, Rötung mit Druckschmerz und eine Prellung mit infiziertem Hämatom. Am Folgetag nahm sie eine Stichinzision vor. Die Beklagte Ziffer 1 dokumentierte den Austritt einer hellen Flüssigkeit. In die Wunde legte sie einen Leukasekegel ein. Am 30.06.1996 stellte sich der Kläger erneut vor. Die Beklagte dokumentierte: "VW Leukasekegel, nochmals Eiter entleert, Ichtholanverband". Unter dem 02.07.1996, der nächsten Wiedervorstellung des Klägers, ist vermerkt: "VW Ichtholan + Vaseline. Gut abgeschwollen. Gespreizt. Kein Eiter mehr. Noch Schmerzen." Am 03.07.1996 erfolgte erneut ein Verbandswechsel. Auch am Folgetag suchte der Kläger die Beklagte Ziffer 1 auf. Unter dem 04.07.1996 ist dokumentiert: "VW Leukasekegel u. Ichtholansalbe. Kaum noch geschwollen, nicht gerötet; Kaum noch Beschwerden!". Am Freitag, dem 05.07.1996, dokumentierte die Beklagte Ziffer 1: "VW 1 Leukasekegel. Gut rückläufig!". Die Beklagte Ziffer 1 schrieb den Kläger am 05.07.1996 arbeitsunfähig krank bis 14.07.1996.

Am Montag der übernächsten Woche, dem 15. Juli 1996, stellte sich der Kläger beim Beklagten Ziffer 2 vor. In der EDV-gestützten Dokumentation des Beklagten Ziffer 2 ist unter Anamnese festgehalten: "Es habe sich eine Schwellung, schmerzhaft am linken Fuß gebildet, jetzt sei diese Schwellung aufgeplatzt. Er habe starke Schmerzen beim Gehen", ferner als Befund: "An der Fußinnenseite links findet sich eine 1 x 0,5 cm große Öffnung mit nicht geröteten Wundrändern, aus der sich weißliches pastöses Material entleert. Kein Hinweis auf Pus. Der Fuß ist nicht geschwollen. Der Befund entspricht einem spontan perforierten Gichttophus. Röntgen linker Fuß: Arthrose li Fußwurzel mit ausgestanzten Knochendefekten." Ausweislich der weiteren Dokumentation wurde dem Kläger der Befund eingehend erklärt, er lehnte den Vorschlag einer operativ stationären Behandlung ab. Die Öffnung wurde mit einem scharfen Löffel gespreizt und weiteres pastöses Material entleert. Anschließend wurde ein Salbenverband angelegt.

Der Kläger stellte sich am 16. Juli 1996 erneut beim Beklagten Ziffer 2 vor. Er klagte über ziehende Schmerzen klagte und gab an, das am Vortag verordnete Gicht-Medikament Colchicum nicht zu vertragen, er habe gute Erfahrung mit A, dieses Medikament wolle er. Als Befund ist dokumentiert: "Reizlose Wunde; es entleert sich weiter pastöses, weißliches Material. Kein Pus, kein Ödem, lokale Begrenzung." Nach Nachräumen der Wunde wurde ein Betaisadona-Salbenverband angelegt.

Bei der Wiedervorstellung am 17.07.1996 klagte der Kläger über Schmerzen in der linken Hand, wie sie schon früher aufgetreten waren. Der Beklagte Ziffer 2 dokumentierte: "Röntgen li Hand: Stanzdefekte linke Hand im Mittelhand- und Handwurzelknochenbereich, gichttypisch", als Befund: "reizlos und unverändert an der Fußwurzel und Schwellung der linken Handwurzel im Sinne einer Arthritis, keine Rötung."

Unter dem 18. Juli 1996, der nächsten Wiedervorstellung des Klägers, ist dokumentiert: "Lokalbefund wie zuvor, die Wunde am Fuß reizlos, der Lokalbefund an der Hand links ebenso. A spricht an! Will nach wie vor ambulante Therapie, lehnt stationäre Aufnahme ab, auch wenn's dann vielleicht schneller ginge".

Am 19. Juli 1996 suchte der Kläger den Beklagten Ziffer 2 letztmalig auf. Aus der Dokumentation ergibt sich ein unveränderter Befund, keine Entzündungszeichen, keine Rötung an der Hand. Der Kläger wurde vom Beklagten Ziffer 2 darauf hingewiesen, dass er im Fall einer Verschlechterung oder bei Auftreten von Fieber sofort vorbeikommen oder das Krankenhaus aufsuchen solle. Der in der Dokumentation festgehaltene Wiedervorstellungstermin am 20.07.1996 wurde vom Kläger nicht eingehalten.

Am Montag, dem 22.07.1996 stellte sich der Kläger in der Klinik mit starker Rötung und Schwellung im Bereich des gesamten linken Vor- und Mittelfußes mit deutlicher Fluktuation über den Metatarsalia vor. Der beigezogene Kieferchirurg stellte ein völlig vernachlässigtes Lückenrestgebiss mit profunder und marginaler Parondontopathie mit chronischem Eiterfluss aus tiefen Zahnfleischtaschen und kariöse Zerstörung mehrerer Zähne fest. Noch am Aufnahmetag erfolgte die Ausräumung des Abszesses am linken Fußrücken zwischen dem dritten und fünften Mittelfußstrahl. Am 23., 25. und 30.07.1996 wurden lokale Revisionen durchgeführt, wobei sich die Abszedierung auf die gesamte Fußwurzel erstreckte und eine zunehmend fulminante Nekrotisierung eintrat. Am 25.07.1996 wurde ein Abszess am linken Handgelenk festgestellt und operiert. Die bakteriologische Untersuchung von Abstrichen vom linken Fußrücken und linken Handgelenk ergab Streptokokken der Gruppe B. Am 30.07.1996 wurde ein schwerer Weichteilknochen- und Gelenkinfekt am linken Fuß und am linken Handgelenk diagnostiziert; eine Fußamputation in den nächsten Tagen wurde für wahrscheinlich gehalten. Auf eigenen Wunsch wurde der Kläger in die berufsgenossenschaftliche Unfallklinik verbracht, wo am 07.08.1996 eine Revision und Sequestrotomie am linken Fuß und am linken Handgelenk durchgeführt wurden. Am 12.08.1996 wurde der linke Unterschenkel amputiert.

Die pathologische Untersuchung des Unterschenkelamputates ergab unter anderem ausgedehnte Uratablagerungen im Weichgewebe bei klinisch bekannter Gicht sowie Uratablagerungen im Weichgewebe und im Markraum des Knochens.

Zur Vorbereitung der erforderlichen Handgelenksversteifung hielt sich der Kläger vom 13.04.1997 bis 06.05.1997 im Krankenhaus und anschließend zur Durchführung der Handgelenksversteifung vom 28.07. bis 11.08.1997 in der berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik in auf.

Der Kläger hat vorgetragen,

die Verletzung, derentwegen er von den Beklagten behandelt worden sei, habe er sich am 26.06.1996 am Arbeitsplatz zugezogen; glühende Teilchen seien seitlich in den Sicherheitsschuh hineingefallen. Bei der Inzision durch die Beklagte Ziffer 1 sei am 29.06.1996 Eiter ausgetreten. Die von der Beklagten Ziffer 1 dokumentierte Besserung sei tatsächlich nicht eingetreten. Er sei auch am 8. Juli, 10. Juli und 12. Juli zur Behandlung in der Praxis der Beklagten Ziffer 1 erschienen und jeweils von Arzthelferinnen behandelt worden. Die Beklagte Ziffer 1 habe die Unterschenkelamputation dadurch verursacht, dass sie die gebotenen und möglichen präventiven Maßnahmen unterlassen habe. Sie habe keine Temperaturmessung vorgenommen, keinen Abstrich aus der geöffneten Wunde entnommen und kein Breitbandantibiotikum verschrieben. Dies sei als grober Behandlungsfehler zu werten.

Dem Beklagten 2 habe er die Vorgeschichte und die Vorbehandlung durch die Beklagte Ziffer 1 geschildert. Auch der Beklagte Ziffer 2 habe weder eine Temperaturmessung vorgenommen, noch einen Abstrich entnommen, noch ein Breitbandantibiotikum verschrieben. Die Dokumentation des Beklagten Ziffer 2 sei unzutreffend, da der Zustand nicht besser, sondern schlechter geworden sei. Täglich sei Eiter ausgetreten. Die Diagnose eines spontan perforierten Gichttophus sei falsch.

Beide Beklagte seien veranlasst gewesen, den Blutzuckergehalt des Klägers festzustellen. Das Ergebnis eines erhöhten Wertes hätte eine antibiotische Behandlung geboten. Bei richtiger Behandlung wäre die Unterschenkelamputation vermieden worden. Er könne deshalb ein Schmerzensgeld in Höhe von 120.000,00 DM und eine monatliche Schmerzensgeldrente in Höhe von 300,00 DM verlangen. Außerdem müssten die Beklagten einen Verdienstausfall in Höhe von 26.528,61 DM sowie den Eigenanteil der Zahnsanierung von 2.698,01 DM ersetzen.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagten Ziffer 1 und 2 als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld für den Zeitraum seit dem 22. Juli 1996 bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nebst 4 % Zinsen hieraus seit 24. Januar 1998 zu zahlen,

2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger rückwirkend eine monatliche Schmerzensgeldrente in Höhe von 300,00 DM beginnend mit Juni 1996 bis einschließlich Juli 1998, mithin insoweit 7.200,00 DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

3. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger eine monatliche Schmerzensgeldrente in Höhe von 300,00 DM beginnend ab August 1998 jeweils monatlich im Voraus zu zahlen,

4. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche materiellen und immateriellen Schäden - letztere auch, soweit sie nach dem Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung entstehen, aus dem Schadensereignis vom 22. Juli 1996 zu zahlen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen,

5. die Beklagten Ziffer 1 und 2 als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 29.226,62 DM für bis 1. August 1998 entstandenen Verdienstausfall sowie für eine im Zusammenhang mit der Superinfektion erforderlich gewordene prothetische Zahnversorgung zu zahlen.

Die Beklagten haben beantragt,

Die Klage abzuweisen.

Die Beklagte Ziffer 1 hat vorgetragen,

schon die Anamnese am 28.06.1996 sei wegen widersprüchlicher Angaben des Klägers schwierig gewesen. Von der bei der Inzision der Schwellung ausgetretenen Flüssigkeit habe sie nicht den Eindruck gehabt, dass es sich um Eiter gehandelt habe. Die Beschwerden des Klägers seien rückläufig gewesen. Am 5. Juli 1996 sei die Wunde fast vollkommen unauffällig gewesen. Zu weiteren vorgesehenen Behandlungsterminen sei der Kläger nicht erschienen. Eine Behandlung des Klägers durch Arzthelferinnen sei auszuschließen. Die Behandlung sei nicht fehlerhaft gewesen. Die Behandlung mit einem Antibiotikum sei aufgrund des Zustandes der Wunde nicht erforderlich gewesen.

Der Beklagte Ziffer 2 hat vorgetragen,

der Kläger habe weder einen vorausgegangenen Arbeitsunfall noch die Vorbehandlung durch die Beklagte Ziffer 1 erwähnt. Dies zeige sich darin, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den Kläger vom 15. Juli bis 24. Juli als Erstbescheinigung ausgestellt worden sei und die Behandlung des Klägers über die Krankenkasse abgerechnet worden sei, wogegen die Abrechnung bei der Behandlung der Folgen eines Arbeitsunfalles als BG-Durchgangsarzt hätte erfolgen müssen. Im Hinblick auf die bekannte Gicht sei die Diagnose eines spontan perforierten Gichttophus zutreffend gewesen. Die Behandlung sei so erfolgt, wie dies von ihm dokumentiert worden sei. Die Behandlung durch ihn sei sachgerecht gewesen. Ein Abstrich aus der Wunde sei nicht erforderlich, eine Antibiotikagabe nicht geboten gewesen.

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeuginnen L., K., B.; und G., sowie durch Einholung eines Sachverständigengutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. G. und eines weiteren Sachverständigengutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. H., das der Sachverständige Dr. W. mündlich erläuterte.

Mit Urteil vom 29.11.2000 hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Es hat weder einen Behandlungsfehler der Beklagten Ziffer 1 noch des Beklagten Ziffer 2 als erwiesen angesehen. Der Kläger hat gegen das ihm am 06.12.2000 zugestellte Urteil am 08.01.2001 Berufung eingelegt und diese innerhalb der verlängerten Begründungsfrist am 08.03.2001 begründet.

Der Kläger vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen, macht jedoch nicht mehr geltend, dass wegen eines erhöhten Blutzuckerspiegels weitere Maßnahmen geboten gewesen seien. Der Kläger beharrt auf seiner Überzeugung, beide Beklagten hätten weitere diagnostischen Maßnahmen ergreifen, jedenfalls auf die Gefahr einer fortschreitenden Infektion hinweisen müssen. Er hält die Beweiswürdigung des Landgerichts für fehlerhaft; die von beiden Beklagten dokumentierte stetige Besserung des Befundes sei aufgrund der Aussage seiner Ehefrau widerlegt.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des am 29.11.2000 verkündeten Urteils des Landgerichts Heilbronn - 1 b O 1650/98 -

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld nebst 9,42 % Zinsen hieraus seit 23.08.1996 zu zahlen,

2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 17.100,00 DM zuzüglich 9,42 % Zinsen seit 01.03.2001 zu zahlen, sowie ab 01.04.2001 eine monatliche Rente in Höhe von 300,00 DM, zahlbar jeweils monatlich im Voraus bis zum dritten Werktag eines jeden Monats,

3. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche materiellen und immateriellen Schäden aus dem Schadensereignis vom 22.07.1996 zu zahlen, soweit die Ansprüche nicht an Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind,

4. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 29.226,62 DM zu zahlen zuzüglich 9,42 % Zinsen seit 01.08.1998.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie vertiefen ebenfalls ihr erstinstanzliches Vorbringen und beharren auf der Überzeugung, den Kläger fehlerfrei behandelt zu haben. Sie bestreiten weiterhin eine Befundverschlechterung während ihrer jeweiligen Behandlungszeit.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Partei Vorbringens in beiden Instanzen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Der Senat hat den Sachverständigen Dr. W. mündlich angehört. Auf seine Angaben im Termin vom 14.08.2001 wird verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Das Landgericht hat in der angefochtenen Entscheidung einen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagten zutreffend verneint. Der Kläger hat weder einen Behandlungsfehler der Beklagten Ziffer 1 noch einen Behandlungsfehler des Beklagten Ziffer 2 bewiesen.

I.

1. Ein Behandlungsfehler der Beklagten Ziffer 1 im Zeitraum vom 28.06.1996 bis zum 05.07.1996 ist nicht bewiesen.

a) Die Eröffnung der Schwellung am Fuß des Klägers durch die Beklagte Ziffer 1 am 29.06.1996 erfolgte nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. W. in der mündlichen Verhandlung vom 14.08.2001 zu Recht. Auch der Sachverständige hätte bei dem von der Beklagten Ziffer 1 dokumentierten Ausgangsbefund inzidiert. Das Einbringen von Leukasekegeln in die eröffnete Wunde entspricht medizinischem Standard.

b) Eine systemische Behandlung des Klägers mit Antibiotika war nicht geboten, nachdem der Befund während der gesamten Behandlungsdauer bei der Beklagten Ziffer 1 lokal begrenzt blieb. Nach den Ausführungen im schriftlichen Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. H (Bl. 295) wird eine lokale Wunde ohne systemische Entzündungszeichen prinzipiell nicht antibiotisch behandelt. Diese Ausführungen hat der Sachverständige Dr. W. bei seiner Anhörung im Senatstermin vom 14.08.2001 dahin bekräftigt, eine systemische Antibiose verstoße bei einem Befund, wie er von der Beklagten Ziffer 1 dokumentiert ist, gegen den medizinischen Standard. Nach dem geltenden Standard ist eine lokale Eiterung chirurgisch anzugehen. Eine Indikation für die Anwendung systemischer Antibiotika ist nur bei der Feststellung einer Lymphangitis, bei Auftreten von Fieber und Schüttelfrost und bei einer lokal nicht mehr beherrschbaren Infektion gegeben.

Dass der Befund während der Behandlung bei der Beklagten Ziffer 1 lokal begrenzt blieb und allgemeine Infektanzeichen nicht vorlagen, ergibt sich aus der Dokumentation der Beklagten Ziffer 1. Sie enthält keinen Hinweis auf das Vorliegen systemischer Entzündungszeichen. Solche werden vom Kläger auch nicht behauptet. Anhaltspunkte für Mängel oder Unrichtigkeiten der Dokumentation bestehen nicht. Der Kläger hat seine Behauptung, entgegen der Dokumentation sei eine Verschlechterung des Befundes eingetreten, nicht bewiesen. Seine Ehefrau hat bei ihrer Vernehmung als Zeugin diese Behauptung nicht bestätigt. Auf die unter 11. ausgeführten Gründe des landgerichtlichen Urteils wird ergänzend Bezug genommen.

c) Das Unterlassen einer Abstrichentnahme aus der offenen Wunde ist nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. W. nicht fehlerhaft. Der Sachverständige hat schon vor dem Landgericht (Bl. 349) und erneut vor dem Senat überzeugend dargelegt, dass das Ergebnis der Untersuchung des entnommenen Materials ohne Einfluss auf die Behandlung geblieben wäre. Die Therapie wäre nicht am Ergebnis der Untersuchung ausgerichtet worden, weswegen die Entnahme des Abstrichs aus medizinischer Sicht nicht geboten war.

Selbst wenn ein Abstrich entnommen und ein Keim gefunden worden wäre, hätte dies, so der Sachverständige Dr. W., angesichts der lokalen Begrenzung keine Indikation für eine systemische antibiotische Behandlung gegeben.

d) Für die Beklagte Ziffer 1 gab es nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. W. angesichts des lokalen Geschehens auch keine Veranlassung, Entzündungsparameter allgemein zu erheben.

e) Ob die Beklagte Ziffer 1 gehalten gewesen wäre, genauer zu erfragen, wie und wodurch die Verletzung des Klägers entstanden ist, und ob die Annahme eines infizierten Hämatoms vertretbar war, kann dahingestellt bleiben. Entscheidend ist nach den wiederholten und eindeutigen Ausführungen der Sachverständigen Prof. H. und Dr. W., dass der Befund während der gesamten Behandlungsdauer lokal begrenzt war und daher weitere Maßnahmen nicht geboten waren. Die Ursache des Befundes ist nicht maßgeblich

f) Die Verletzung einer Aufklärungs- oder Hinweispflicht durch die Beklagte Ziffer 1 ist nicht ersichtlich. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. W. im Senatstermin ist bei einer lokal begrenzten Wunde der Hinweis notwendig, dass sich der Patient bei Verschlechterung des Zustandes in weitere ärztliche Behandlung begeben muss. Dass die Beklagte Ziffer 1 diesen Hinweis nicht erteilt hätte, wird vom Kläger nicht behauptet. Im übrigen wäre das Unterlassen des Hinweises ohne Folgen geblieben. Ausweislich des vom Beklagten Ziffer 2 dokumentierten Befundes war am 15.07.1996 weiterhin ein lokal begrenzter Befund und damit keine Verschlechterung gegeben.

2. Dass die letzte Behandlung des Klägers durch die Beklagte Ziffer 1 am 5. Juli 1996 erfolgte und daher Behandlungsfehler nach dem 5. Juli 1996 nicht vorliegen können, steht aufgrund der Aussagen der Zeuginnen B. und G. fest. Auf die zutreffende Beweiswürdigung im angefochtenen Urteil unter 11. wird Bezug genommen.

II.

1. Der Kläger hat auch einen Behandlungsfehler des Beklagten Ziffer 2 nicht bewiesen.

a) Dass die Diagnose einer perforierten Gichttophus fehlerhaft war, ist nicht bewiesen. Das Ergebnis der histologischen Untersuchung des beim Kläger am 08.08.1996 entnommenen Materials (Sehnenexcisat und Fußwurzelknochen) spricht vielmehr für die Richtigkeit der Diagnose. Die Untersuchung ergab typische Gichttophi mit eingelagerten Uratkristallen. Letztlich ist die Ursache der Schwellung am Fuß des Klägers völlig ungeklärt.

Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. W. im Senatstermin vom 14.08.2001 war die Diagnose des Beklagten 2 im Blick auf Anamnese und Befund jedenfalls vertretbar. Dem Sachverständigen war kein anderes Krankheitsbild bekannt, das damit in engeren Zusammenhang gebracht werden könnte.

b) Der Beklagte Ziffer 2 war nicht gehalten, weitere Diagnose- und Kontrollbefunde zu erheben oder eine systemische Antibiose einzuleiten. Auf die zutreffenden Gründe der landgerichtlichen Entscheidung unter II 3. bis 6. wird Bezug genommen. Der Sachverständige Dr. W. hat im Senatstermin vom 14.08.2001 die der landgerichtlichen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverständigenausführungen nochmals bekräftigt. Danach ist auch für die Bewertung der Behandlung des Klägers durch den Beklagten Ziffer 2 entscheidend, dass bei Vorliegen einer lokal begrenzten Wunde kein Anlass zu weiteren Maßnahmen bestand. Auch die ab 17.07.1996 geklagten Beschwerden in der linken Hand gaben keinen Anlass zu weiterer Befunderhebung. Über vergleichbare Beschwerden hatte der Kläger schon im Vorjahr bei bekannter Gicht geklagt. Der Beklagte Ziffer 2 durfte davon ausgehen, dass es sich im Bereich des Handgelenks um eine Arthritis im Rahmen der Gicht handelte. Der Sachverständige Dr. W. erachtete es zudem für äußerst unwahrscheinlich, dass zur Zeit der Behandlung durch den Beklagten Ziffer 2 bereits eine eitrige Entzündung des Handgelenks im Rahmen der späteren Sepsis vorgelegen hat.

Dass der Befund während der Behandlungszeit durch den Beklagten Ziffer 2 bis zum 19.07.1996 nicht lokal begrenzt blieb, sondern zumindest begonnen hatte, sich auszubreiten, hat der Kläger nicht bewiesen. Nach der Dokumentation des Beklagten Ziffer 2 ist eine Verschlechterung nicht festzustellen, Entzündungszeichen lagen nicht vor, die Schmerzen nahmen ab. Eine Verschlechterung ist auch nicht durch die Aussage der Ehefrau des Klägers bewiesen. Diese hat nach ihren Angaben den Fuß des Klägers am Donnerstag, dem 18.07.1996, ohne Verband im Sprechzimmer des Beklagten Ziffer 2 gesehen. Die Wunde habe so ausgesehen wie ein offener Riss, der mindestens fingerbreit gewesen sei. Demgegenüber hat die Zeugin K. angegeben, bei jeder Behandlung des Klägers mit Ausnahme des Freitags zugegen gewesen zu sein. Nach ihrer Erinnerung hatte der Fuß eine Öffnung, die nicht gerötet war. Eine Verschlechterung hatte sie nicht in Erinnerung. Die Aussagen beider Zeuginnen geben Anlass, an ihrem Erinnerungsvermögen zu zweifeln. So hat die Zeugin L. angegeben, der Kläger sei am Freitag nicht mehr zur Behandlung zum Beklagten Ziffer 2 gegangen, obwohl dies unstreitig der Fall war. Die Zeugin K. war der Meinung, der Beklagte Ziffer 2 habe das rechte Bein des Klägers behandelt. Soweit die Zeuginnen Aussagen zum Zustand des Fußes des Klägers machen, widersprechen sich ihre Angaben. Der Aussage der Ehefrau des Klägers zur Verschlechterung des Befundes während der Behandlungszeit beim Beklagten kommt jedenfalls kein höheres Gewicht zu als derjenigen der Zeugin K.. Der Kläger hat deshalb den ihm obliegenden Beweis nicht geführt.

Nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. W. spricht auch der spätere Krankheitsverlauf nicht gegen die Dokumentation des Beklagten Ziffer 2 und die Aussage der Zeugin K.. Danach war die Sekundärinfektion der Wunde am Fuß mit Streptokokken am Samstag wahrscheinlich erkennbar; dass dieses schon am Freitag, dem 19.07.1996, der Fall gewesen ist, hält der Sachverständige für ziemlich unwahrscheinlich, wenn man den späteren sich aus den Krankenakten der Klinik ergebenden Verlauf nach rückwärts interpoliert. In dem OP-Bericht vom 22.07.1996 wird eine nicht besonders gravierende Ausbreitung des Abszedierung am 22.07.1996 beschrieben, wogegen die weitere Entwicklung an den beiden folgenden Tagen fulminant ist. Ob am 19.07.1996 schon Hinweise vorhanden waren, lässt sich, so der Sachverständige Prof. H (Bl. 302), nicht sicher sagen.

2. Dass der Beklagte Ziffer 2 Kenntnis vom Arbeitsunfall des Klägers und der vorausgegangenen Entwicklung hatte und daher gehalten gewesen wäre, weitere oder andere Maßnahmen zu ergreifen, ist nicht bewiesen.

Ausweislich der Dokumentation des Beklagten Ziffer 2 hat der Kläger bei der Vorstellung am 15.07.1996 angegeben, seit einigen Tagen eine Schwellung am linken Fuß zu haben, die aufgeplatzt sei. Gegen die Behauptung des Klägers, den Beklagten Ziffer 2 schon bei der Aufnahme von dem Arbeitsunfall und der Vorbehandlung durch die Beklagte Ziffer 1 unterrichtet zu haben, spricht zum einen, das der Beklagte Ziffer 2 die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den Kläger als Erstbescheinigung ausstellte, obwohl der Kläger schon von der Beklagten Ziffer 1 krankgeschrieben worden war, zum anderen, dass die Abrechnung der Behandlung durch den Beklagten Ziffer 2 unstreitig nicht als Betriebsunfall, sondern über die Krankenkasse erfolgte. Entgegen der Ansicht des Klägers ergibt sich auch nicht aus dem Krankheitsbericht des Beklagten Ziffer 2 an die Berufsgenossenschaft vom 16.08.1996, dass der Beklagte Ziffer 2 die behauptete Kenntnis gehabt hätte. Zum einen ist aus dem Wortlaut des Krankheitsberichtes kein zwingender Rückschluss zu ziehen, zum anderen war dem Beklagten Ziffer 2 zwischenzeitlich durch Schriftwechsel die Behauptung des Klägers bekannt geworden, so dass der Eingang in die Formulierung des Krankenberichts eine Erklärung findet.

3. Die Verletzung von Hinweis- oder Aufklärungspflichten durch den Beklagten Ziffer 2 ist nicht ersichtlich. Unstreitig hat er den Kläger darauf hingewiesen, dass er bei Verschlechterung oder Fieber den Notarzt aufsuchen oder sich ins Krankenhaus begeben solle. Dieser Hinweis war nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. W. im Senatstermin ausreichend.

III.

Nachdem im Senatstermin vom 14.08.2001 keine neuen Gesichtspunkte erörtert worden sind, war dem Kläger das von ihm beantragte Schriftsatzrecht nicht zu gewähren.

IV.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

Zurück