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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 04.01.2000
Aktenzeichen: 14 U 31/98
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 519
ZPO § 92 Abs. 1
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 100
ZPO § 708 Nr. 11
ZPO § 713

Entscheidung wurde am 14.09.2001 korrigiert: Titel durch Stichworte ersetzt
1. Ein Neugeborener ist bei einem erhöhten Risiko für das Auftreten einer Neugeboreneninfektion innerhalb der ersten 48 Stunden engmaschig zu beobachten.

2. Der Klinikträger muss für einen neonatologischen Notfall innerhalb dieser Zeit ausreichende organisatorische Vorkehrungen treffen, insbesondere sicherstellen, dass beim Auftreten von Atemnot ein kompetenter Arzt zugezogen wird, und regeln, welchen Arzt das Pflegpersonal zu verständigen hat.

3. Der zugezogene Kinderarzt darf sich, wenn er für eine erforderliche Intubation des Neugeborenen keine ausreichenden Kenntnisse und Erfahrungen besitzt, nicht mit einer Maskenbeatmung begnügen, sondern muss dafür sorgen, dass ein kompetenter Krankenhausarzt hinzugezogen wird.


Revision nicht angenommen des Beschluss des BGH VI ZR 51/00 vom 06.03.2001

Geschäftsnummer: 14 U 31/98 3 O 1260/96 LG Ravensburg

Oberlandesgericht Stuttgart - 14. Zivilsenat Im Namen des Volkes Urteil

In Sachen

verkündet am 04. Januar 2000

hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart auf die mündliche Verhandlung vom 19.10.99 unter Mitwirkung

des Vors. Richterin am OLG des Richters am OLG der Richterin am OLG

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Ravensburg vom 30.04.98 - 3 O 1260/96 - wie folgt abgeändert:

1. Die Beklagten Ziff. 1 und 4 werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 200.000,00 DM nebst 4 % Zinsen hieraus zu bezahlen, der Beklagte Ziff. 1 seit dem 13.07.96 und der Beklagte Ziff. 4 seit dem 30.01.98.

2. Die Beklagten Ziff. 1 und 4 werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger ab Juni 1996 eine monatliche, künftig im voraus, jeweils zum 1. eines jeden Monats zu entrichtende Schmerzensgeldrente von 700,00 DM zu bezahlen.

3. Die Beklagten Ziff. 1 und 4 werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 7.416,60 DM nebst 4 % Zinsen zu bezahlen, und zwar aus 4.270,00 DM der Beklagte Ziff. 1 vom 17.12.97 bis 10.10.99, der Beklagte Ziff. 4 vom 30.01.98 bis 10.10.99 sowie beide Beklagte aus dem Gesamtbetrag seit dem 11.10.99.

4. Es wird festgestellt, daß die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger alle künftigen materiellen Schäden zu ersetzen, die dieser infolge der fehlerhaften nachgeburtlichen Behandlung vom 22.12.93 erlitten hat, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des ersten Rechtszugs werden wie folgt verteilt:

Von den Gerichtskosten tragen der Kläger 5/6, die Beklagten Ziff. 1 und 4 als Gesamtschuldner 1/6;

die außergerichtlichen Kosten der Beklagten Ziff. 2, 3, 5 und 6 trägt der Kläger; diejenigen des Klägers tragen die Beklagten Ziff. 1 und 4 als Gesamtschuldner zu 1/6, diejenigen der Beklagten Ziff. 1 und 4 trägt der Kläger je zur Hälfte. Im übrigen tragen sie die Parteien selbst.

III. Die Kosten der Berufung werden wie folgt verteilt:

Von den Gerichtskosten tragen der Kläger 2/3, die Beklagten Ziff. 1 und 4 als Gesamtschuldner 1/3;

die außergerichtlichen Kosten der Beklagten Ziff. 3 trägt der Kläger; diejenigen des Klägers tragen die Beklagten Ziff. 1 und 4 als Gesamtschuldner zu 1/3, diejenigen der Beklagten Ziff. 1 und 4 trägt der Kläger je zur Hälfte. Im übrigen tragen sie die Parteien selbst.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagten können die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 300.000,00 DM abwenden, der Kläger die Vollstreckung der Beklagten Ziff. 1 und 4 durch Sicherheitsleistung in Höhe von jeweils 18.000,00 und die Vollstreckung der Beklagten Ziff. 3 durch Sicherheitsleistung von 36.000,00 DM abwenden, wenn nicht die jeweils andere Seite vor Vollstreckung Sicherheit in jeweils gleicher Höhe leistet.

Wert der Berufung: Anträge Ziff. 1 500.000,00 DM; Ziff. 2 60.000,00 DM, Ziff. 3 a) 7.416,60 DM; Ziff. 3 b) 100.000,00 DM.

insgesamt 667.416,60 DM.

Streitwert 1 Instanz: 664.270,00 DM.

Beschwer: jeweils über 60.000,00 DM.

Tatbestand:

Der am 22.12.93 geborene Kläger macht wegen behaupteter Mängel in der vor- und nachgeburtlichen Betreuung Schadenersatz- und Schmerzensgeldansprüche geltend. Gegen die Beklagte Ziff. 2, die den Kläger entbunden hat, und die Beklagten Ziffer 5 und 6, Kindernotarzt und Träger der nachbehandelnden Kinderklinik, verfolgt er im zweiten Rechtszug Ansprüche nicht mehr weiter.

Der beklagte Landkreis (Bekl. Ziff. 1) ist Träger des Kreiskrankenhauses T in dem der Kläger entbunden worden ist. Die Beklagte Ziffer 3, damals noch Ärztin im Praktikum, hatte dort als Stationsärztin Dienst. Der Beklagte Ziff. 4 ist niedergelassener Kinderarzt; er hat seine Praxis unweit des Krankenhauses. Er wurde damals neben anderen Kinderärzten - bei allgemeinen Erkrankungen von Kindern auf der Neugeborenenstation und zur routinemäßigen Durchführung der U2-Untersuchung bei operativ entbundenen Neugeborenen auch zur Durchführung der U1-Vorsorgeuntersuchung - gerufen.

Die Mutter des Klägers, Frau M Y wurde von der sie betreuenden Gynäkologin am 17.12.93 wegen vorzeitiger Wehentätigkeit und Verdachts auf einen Harnwegsinfekt an das Kreiskrankenhaus T überwiesen. Dort wurde sie ambulant - u a mit Ultraschall - untersucht. Die Befunde waren unauffällig. Wegen Verdachts auf eine Pilzerkrankung im Scheidenbereich erhielt die Mutter ein Medikament verordnet.

Da bei der Schwangeren - nunmehr in der 37. Schwangerschaftswoche - am 20.12.93 gegen 16.15 Uhr vorzeitig Fruchtwasser abging, wurde sie gegen 17.00 Uhr im Kreiskrankenhaus T stationär aufgenommen. Die um 18.00 Uhr erhobenen Blutbild- und CRP- Befunde sowie eine CTG-Kontrolre um 21.00 Uhr waren unauffällig. Ein Scheidenabstrich wurde nicht entnommen. Am 21.12.93 brachten Blutbild- und CRP-Befunde, Temperaturmessungen sowie CTG-Kontrollen und eine Ultraschalluntersuchung mit Fetometrie und Reifekontrolle unauffällige Ergebnisse. Spätestens am 22.12.93 sollte nach der Planung bei ausbleibender Wehentätigkeit die Geburt eingeleitet werden. Am Mittwoch, dem 22.12.93 setzten gegen 1.00 Uhr bei der Mutter des Klägers Wehen ein. Die Schwangere wurde deshalb gegen 3.00 Uhr in den Kreißsaal verlegt. Um 6.10 Uhr kam es zur Spontangeburt des Klägers mit einem Apgarwert von 9/10/10; der pH-Wert des venösen Blutes betrug 7,49. Der Kläger war bei der Geburt lebendfrisch und zeigte keine Auffälligkeiten. Es wurde ein Rachenabstrich genommen. Die weitere Versorgung erfolgte zunächst im Kreissaal. Gegen 8.15 Uhr kam das Neugeborene auf die Kinderstation. Diensthabende Kinderschwester war dort die Zeugin J . Dieser fiel im weiteren Verlauf eine leicht stöhnende Atmung des Klägers auf; sie saugte ihn deshalb ab. Wegen fortbestehender Atemschwierigkeiten verständigte die Kinderschwester die diensthabende Hebamme, die Zeugin B . Diese veranlaßte eine Blutentnahme und verständigte die Stationsärztin, die Beklagte Ziffer 3; diese saugte den Kläger nochmals ab. Der pH-Wert des an der Ferse entnommenen Blutes betrug um 11.06 Uhr 7,06 bei einer O²-Sättigung von 48,8 % und einem pCO² von 95,8 %; der BE-Wert betrug - 6,9; die Temperatur des Klägers wurde rektal mit 36,8 °C gemessen. Der bereits vorab verständigte Kinderarzt, der Beklagte Ziff. 4, wurde nunmehr eilig gerufen. Er traf gegen 11.12 Uhr ein. Sein später niedergelegte Befund lautete: "noch rosig, kaum Atemgeräusche; Herzfrequenz 140/min, apathisch". Der Beklagte Ziff. 4 führte eine intermittierende Sauerstoffbeatmung mit Maske durch und veranlaßte die Verlegung des Klägers in die Kinderklinik F durch den kinderärztlichen Abholdienst mit einem Notarzthubschrauber. Dort ging die Anforderung um 11.30 Uhr ein. Der Hubschrauber landete um 11.41 Uhr vor dem Kreiskrankenhaus.

Der Kindernotarzt war um 11.50 Uhr beim Kläger. Er stellte eine erhebliche Atemstörung mit Nasenflügeln und mäßigem Stöhnen fest. Er intubierte den Kläger und beatmete ihn mit Sauerstoff; ferner führte er eine Schockbehandlung mit Pufferung durch. Der Kläger wurde sodann in das Kinderkrankenhaus nach F verlegt, wo er um 12.45 Uhr eintraf. Der Kläger hatte eine B-Streptokokken-Sepsis mit Beteiligung der Lunge. Die Beatmung gestaltete sich wegen eines sekundären PFC-Syndroms schwierig. Eine Antibiose wurde eingeleitet. Infolge einer Niereninsuffizienz bildeten sich an den Folgetagen massive Ödeme. Er litt ferner an einer Hyponatriämie. Es traten cerebrale Krampfanfälle auf. Der Kläger war 8 Tage lang im Koma und konnte erst am 03.01.94 extubiert werden. Auch danach kam es mehrfach zu Apnoen. Die stationäre Behandlung dauerte bis zum 18.01.94.

Es schlossen sich vom 23.02.94 bis 05.03.94, vom 06.03.94 bis 07.03.94, vom 29.04.94 bis 30.04.94 und vom 10.12.94 bis 13.12.94 weitere stationäre Behandlungen im Städt. Krankenhaus F an. Vom 03.04.95 bis 07.04.95 und vom 29.05.95 bis 01.06.95 befand sich der Kläger in der Universitätsklinik Tü . In den Zeiträumen vom 11.02.96 bis 17.02.96, vom 17.03.96 bis 20.03.96, vom 19.05.96 bis 24.05.96, vom 07.07.96 bis 10.07.96, vom 16.10.96 bis 26.10.96, vom 19.01.97 bis 29.01.97 und vom 20.04.97 bis 25.04.97 war der Kläger in stationärer Behandlung im Kinderzentrum M . Am 04.06.97 wurde in der H -Klinik in S ein Kernspintomogramm des Gehirns gefertigt. Für Fahrten im Zusammenhang mit den bezeichneten stationären Aufenthalten des Klägers legten die Eltern des Klägers 8.540 km zurück.

Der Kläger leidet an einer Hirnschädigung mit schwerer generalisierter spastischatethoider Bewegungs- und Tonusstörung (dystone Zerebralparese). Er kann nicht greifen, nicht sitzen und ist in seiner psychomotorischen Entwicklung erheblich verzögert. 1995 wurde eine an Taubheit grenzende Innenohrschwerhörigkeit festgestellt.

Der Kläger hat den Beklagten die unterlassene Erhebung von Befunden vorgeworfen, nämlich eines Muttermund- oder Scheidenabstrichs der Mutter bei ihrer Aufnahme, eines Nasen- und Ohrabstrichs beim Kläger nach seiner Geburt sowie einer CRP- und Blutbildkontrolle. Der Kläger habe wegen des zeitlichen Abstands zwischen Blasensprung und Geburt sofort in eine Kinderklinik verlegt werden müssen. Er sei auf der Säuglingsstation nur unzureichend überwacht worden.

Ferner sei versäumt worden, bei Auftreten der ersten Krankheitsanzeichen eine Antibiose einzuleiten. Dies stelle einen groben Behandlungsfehler dar. Die Antibiosebehandlung - auch ungezielt mit einer kombinierten Gabe von Penicillin und Aminocyclosiden - habe richtigerweise schon von der Beklagten Ziffer 3 veranlaßt werden müssen, aber auch vom Beklagten Ziff. 4. Beim Auftreten der ersten Atemstörungen habe er intubiert werden müssen.

Der Kläger hat weiter vorgetragen, schon bald nach der Geburt, als er zum Stillen angelegt worden sei, habe er bereits deutlich gestöhnt. Wäre er aufgrund des erheblichen Infektionsverdachts ständig überwacht, rechtzeitig antibiotisch behandelt und kontrolliert beatmet worden, so wäre die Hirnschädigung nicht eingetreten. Die Kinderschwester hätte, anstatt ihn abzusaugen, sofort einen Arzt zu verständigen müssen, der die gebotenen Maßnahmen hätte einleiten können. Zwischen 10.15 Uhr und 10.30 Uhr habe die Kinderschwester seinem Vater den Zutritt zum Säuglingszimmer mit dem Hinweis versagt, es gehe ihm nicht gut. Als die Tante des Klägers ihn habe sehen dürfen, sei er kurzatmig gewesen und habe im Gesicht eine bläuliche Hautfarbe aufgewiesen. Bei richtiger Behandlung wären keine oder nur ganz geringe neurologische Dauerschäden eingetreten. Auch der Beklagte Ziff. 4 sei als Konsiliararzt zur Durchführung wirksamer Maßnahmen verpflichtet gewesen.

Die Ansprüche des Klägers gegen den Beklagten Ziff. 4 (5 und 6) seien noch nicht verjährt. Seine Eltern hätten erst im Jahr 1997, nicht schon 1994, von einer nicht standardgemäßen Behandlung Kenntnis erhalten.

Aufgrund der erlittenen schweren Hirnschädigungen sei er zu 100 % schwerbehindert und werde zeitlebens mit schweren Behinderungen im Rollstuhl leben müssen. Er werde sein ganzes Leben ständig auf die vollständige Betreuung Dritter angewiesen sein. Er könne psychomental diese Situation erfassen. Seine Fähigkeiten zur Wahrnehmung der Umgebung und sein Sprachverständnis seien verglichen mit der schweren körperlichen Behinderung gut ausgeprägt. Angesichts dieser Beeinträchtigungen seien ein Schmerzensgeld in Höhe von 500.000.-- DM und zusätzlich eine monatliche Schmerzensgeldrente in Höhe von 1.000,-- DM angemessen.

Bei einem Ansatz von DM 0,50 pro gefahrenem km betrage der materielle Schaden mindestens 4.270.-- DM. Der insgesamt entstandene materielle Schaden könne derzeit nicht beziffert werden. Der Kläger werde keine normale Schul- und Berufsausbildung durchlaufen und für seinen Unterhalt nicht sorgen können. Ohne die Pflege durch seine Eltern müsse er in einer Einrichtung für Schwerstbehinderte untergebracht und dort versorgt und gepflegt werden.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagten zu verurteilen, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt werde, nebst 4 % Zinsen hieraus seit Rechtshängigkeit zu bezahlen;

2. die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an den Kläger ab Juni 1996 eine monatliche, im voraus zu entrichtende Geldrente in Höhe von 1.000.-- DM zu bezahlen;

3. a) die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an den Kläger DM 4.270.-- DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit Rechtshängigkeit zu bezahlen;

b) festzustellen, daß die Beklagten verpflichtet sind, als Gesamtschuldner dem Kläger alle künftigen materiellen Schäden aus dem Behandlungsfehler vom 22.12.1993 zu ersetzen, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger übergegangen sind.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben vorgebracht:

Den behandelnden Ärzten sei kein Behandlungsfehler vorzuwerfen. Das geburtshilfliche Management habe das erhöhte Infektionsrisiko ausreichend berücksichtigt. Die erforderlichen Abstriche seien gemacht worden. Das Ergebnis weiterer Abstriche hätte erst am 24.12.93 vorliegen können, da eine Blutuntersuchung unmittelbar nach der Geburt für die Auswertung 6 Stunden gebraucht hätte. Es sei nicht notwendig, Neugeborene in eine Kinderklinik zu verlegen, wenn sie 36 bis 48 Stunden nach einem vorzeitigen Blasensprung geboren seien. Die Überwachung des Klägers habe den Anforderungen entsprochen. Sein Bettchen sei in die vordere Reihe des Säuglingszimmers gestellt worden. Dadurch hätte die diensthabende Kinderschwester optische und akustische Veränderungen gut wahrnehmen können; der Kläger sei aber bis ca. 10.30 Uhr unauffällig gewesen. Es sei nicht angezeigt gewesen, den Kläger vor seiner Verlegung antibiotisch zu behandeln. Die Beklagte Ziff. 3 habe in der Zeit, in welcher sie tätig gewesen sei, die erforderlichen Maßnahmen ergriffen. Sie habe auf das Eintreffen des Konsiliararztes warten dürfen. Der Beklagte Ziffer 4 habe schon aus technischen Gründen keine Antibiose einleiten können. Eine solche sei auch nicht sinnvoll gewesen, zumal er nicht zwingend an eine Sepsis habe denken müssen. Für den Bekl. Ziff. 4 sei es nicht darauf angekommen, die Ursachen der Atemschwierigkeiten des Klägers zu behandeln, sondern als Sofortmaßnahme das Sauerstoffangebot zu erhöhen.

Die Schmerzensgeldansprüche gegen die Beklagten Ziff. 4 (5 und 6) seien verjährt.

Zum Zustand des Klägers sei nicht nachvollziehbar, daß er einerseits körperlich schwerstbehindert sei, aber andererseits geistig in der Lage sei, seine Situation richtig zu erfassen. Das beanspruchte Schmerzensgeld sei übersetzt. Beim materiellen Schaden könne der Kläger den Fahrtaufwand seiner Eltern nicht ohne weiteres DM 0,50 je km geltend machen.

Wegen der näheren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Angaben der Mutter des Klägers und der Parteien im Termin vom 28.11.97 (Bl. 111 f d.A.) und im Termin vom 02.04.98 (Bl. 122 ff d.A.) verwiesen. Beigezogen waren die Behandlungsunterlagen des Bodenseekreiskrankenhauses T , des Städt. Krankenhauses F , der Gynäkologin Dr. F -L , M , und des Kinderzentrums M .

Die Kammer hat ein Gutachten von Prof. Dr. R , Universitätsfrauenklinik U , eingeholt. Auf dieses (Bl. 69 ff d.A.) sowie auf sein Ergänzungsgutachten vom 16.02.98 (Bl. 162 ff d.A.) und die mündlichen Stellungnahmen des Sachverständigen im Termin vom 28.11.97 (Bl. 112 ff d.A.) und vom 02.0.98 (Bl. 227 ff d.A.) wird Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 30..0.98 abgewiesen. Es vermocht Fehler in der Behandlung der Mutter und des Klägers nicht festzustellen, wobei im Vordergrund Erwägungen zur Einleitung einer Antibiosebehandlung noch im Kreiskrankenhaus T standen. Die von den Beklagten Ziff. 3 und 4 ergriffenen Maßnahmen hat es nicht beanstandet. Für eine Bekämpfung der Infektion hätten ihnen auch nicht die erforderlichen Medikamente zur Verfügung gestanden.

Gegen dieses dem Kläger am 11.05.98 zugestellte Urteil hat dieser am 10.06.98 gerichtet gegen die Beklagten Ziff. 1, 3 und 4 - Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 10.08.98 - innerhalb verlängerter Frist - begründet.

In der Berufung stellt der Kläger unter Wiederholung seines Vorbringens vor allem auf den Grundsatz ab, daß bei Verdacht auf das Vorliegen einer Neugeboreneninfektion oder -sepsis sofort antibiotisch zu behandeln sei. Dagegen hätten sowohl die Beklagte Ziff. 3 als auch der Beklagte Ziff. 4 verstoßen. Die Beklagte Ziff. 3 hätte sofort nach der Geburt die Verlegung des Klägers anordnen müssen. Die notwendigen Medikamente hätten vorrätig gehalten werden müssen. Die gebotene lückenlose Überwachung des Neugeborenen sei nicht gewährleistet gewesen, sofern er nicht ohnehin sofort zu verlegen gewesen sei. Die Atmung sei schon beim Anlegen an der Brust der Mutter auffällig gewesen. Die Überwachung sei nicht ordnungsgemäß gewesen. Schwester und Hebamme hätten früher kompetente Ärzte rufen müssen, als erste Zeichen einer schweren Atemnot aufgetreten seien. Zur gebotenen Behandlung hätte die sofortige Intubation des Kindes und seine rasche Verlegung nach F gehört. Insgesamt sei die Organisation mangelhaft gewesen; dies gelte vor allem angesichts der unzureichenden Kompetenz der Beklagten Ziff. 3 und der fehlenden Vorhaltung von Antibiotika. Auch dem Beklagten Ziff. 4 sei ein grobes ärztliches Verschulden vorzuwerfen.

Der Kläger beziffert den Schaden wegen weiterer Fahrten zu Nachuntersuchungen und Nachbehandlungen in Tü , F , Fr , W , B K und V , u.a. zur Durchführung einer Atlastherapie, sowie wegen nicht übernommener Übernachtungs- und Unterbringungskosten und der Anschaffung eines Kinder-Sicherheitssitzes mit Haltegurt und eine Therapie-Gymnastikpferd auf weitere 3.146,60 DM. Der Kläger hält daran fest, daß das in erster Instanz verlangte Schmerzensgeld angemessen sei.

Der Kläger beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils

1. die Beklagten zu verurteilen, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt werde, nebst 4 % Zinsen hieraus seit Rechtshängigkeit zu bezahlen;

2. die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an den Kläger ab Juni 1996 eine monatliche, im voraus zu entrichtende Geldrente in Höhe von 1.000.-- DM zu bezahlen;

3. a) die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an den Kläger DM 7.416,60 DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit Rechtshängigkeit zu bezahlen;

b) festzustellen, daß die Beklagten verpflichtet sind, als Gesamtschuldner dem Kläger alle künftigen materiellen Schäden aus dem Behandlungsfehler vom 22.12.1993 zu ersetzen, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen.

Die Beklagten Ziff. 1 und 3 beantragen,

die Berufung zurückzuweisen,

der Beklagte Ziff. 4,

die Berufung in erster Linie als unzulässig zu verwerfen oder sie im Fall der Zulässigkeit zurückzuweisen.

Der Beklagte Ziff. 4 ist der Auffassung, die Berufung sei wegen nicht ausreichender Begründung unzulässig. Der Kläger habe nicht ausgeführt, inwiefern er angesichts der nicht vorrätigen Antibiotika für die unterlassene Antibiose verantwortlich sei. Er habe ferner nicht an eine Neugeborenensepsis denken müssen, zumal ihm die Vorgeschichte unbekannt gewesen sei. Für eine Notfallversorgung des Neugeborenen sei er nicht zuständig gewesen. Eine Intubation habe er nicht beherrschen müssen. Die Schädigung des Klägers sei für ihn nicht abwendbar gewesen.

Die Beklagten Ziff. 1 und 3 tragen klarstellend vor, daß die für eine Antibiose erforderlichen Medikamente zwar im Kinderzimmer nicht zur Verfügung gestanden hatten, aber im Krankenhaus - auf der Intensivstation - vorrätig gewesen seien. Die Beklagte Ziff. 3 sei nicht allein auf der Station gewesen, der Oberarzt und der Chefarzt seien ebenfalls anwesend gewesen. Es habe aber ausgereicht, die Behandlung durch einen Kinderarzt sicherzustellen. Im übrigen sei eine ausreichende Überwachung gewährleistet gewesen.

Die Beklagten tragen vor, daß die Atmung des Klägers im Kreissaal unauffällig gewesen sei. Die Schädigung des Klägers beruhe nicht auf einer etwa verzögerten Behandlung des Klägers.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens in zweiter Instanz wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen; der Senat hat die Parteien angehört. Er hat Beweis erhoben durch ergänzende - schriftliche und mündliche - Gutachten von Prof. Dr. Kr (Gynäkologie), Prof. Dr. v. Sto (Pädiatrie) und Prof. Dr. Str (Neuropädiatrie). Auf die schriftlichen Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Kr vom 24.11.98 (Bl. 341 ff.), des Sachverständigen Prof. v Sto vom 29.12.98 und 22.06.98 (Bl. 358 ff., 521 ff.) und des Sachverständigen Prof. Dr. Str vom 09.06.99 (Bl. 446 ff.) und ihre Erläuterungen in den Terminen vom 19.01.99 (Bl. 403 ff.) und vom 19.10.99 (Bl. 601 ff.) wird verwiesen. Der Senat hat ferner Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeuginnen G J (Bl. 395 ff.) und K B (Bl. 593 ff.). Auch hierauf wird verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist insgesamt zulässig und gegenüber den Beklagten Ziff. 1 und 4 auch begründet. Der Beklagte Ziff. 1 muß sich in der nachgeburtlichen Behandlung des Klägers Fehlverrichtungen des ärztlichen und nichtärztlichen Personals zurechnen lassen, die im Blick auf ungenügende organisatorische Vorgaben für den eingetretenen neonatologischen Notfall in der Folgenzurechnung eine Umkehr der Beweislast rechtfertigen. Der Beklagte Ziff. 4 hat nach Übernahme der Behandlung die - für ihn klar erkennbar - dringend notwendige Intubation des Klägers nicht veranlaßt und hat deshalb neben dem Beklagten Ziff. 1 für die eingetreten Schädigung des Klägers einzustehen. Hinsichtlich der Beklagten Ziff. 3 bleibt die Berufung indessen ohne Erfolg.

I. Die Berufung ist auch gegen die Beklagten Ziff. 3 und 4 zulässig. Sie ist fristgemäß in einer nach § 519 ZPO ausreichenden Weise begründet worden.

Die Berufungsbegründung muß erkennen lassen, in welchem Punkt das angegriffene Urteil falsch ist. Das Vorbringen muß geeignet sein, den Entscheidungsgründen die Tragfähigkeit zu nehmen (Thomas/Putzo ZPO 20. Aufl., § 519 ZPO Rn. 24 f.). Diese Voraussetzung erfüllt - wenngleich knapp - die Begründung der Berufung gegen die Beklagten Ziff. 3 und 4.

Das Landgericht hat bei den Beklagten Ziff. 3 und 4 u.a. darauf abgestellt, daß ihnen die zur Bekämpfung der Infektion erforderlichen Medikamente nicht zur Verfügung gestanden hätten; das in der Bewertung der unterlassenen antibiotischen Behandlung zunächst anders lautende Gutachten sei vom Sachverständigen revidiert worden. Bei dieser Sachlage genügt es, den Angriff gegen die Würdigung des Sachverständigengutachtens zu richten und an der These eines grob fehlerhaften ärztlichen Verhaltens festzuhalten, auch wenn sich das Diagnoseversäumnis - der Logik des Urteils folgend - dann nicht auswirkt, wenn die Beklagten Ziff. 3 und 4 eine Antibiose gar nicht hätten einleiten können.

Diesem Einwand begegnet die Berufung bei der Beklagten Ziff. 3 mit der Erwägung, daß sie - als Stationsärztin - die vorsorgliche Verlegung des Klägers hätte anordnen müssen. Auf die Richtigkeit dieses Arguments kommt im Rahmen des § 519 ZPO nicht an.

Bezüglich des Beklagten Ziff. 4 fehlt zwar eine gleiche Erwägung. Auch die vom Kläger angesprochene Pflicht zur Bevorratung betrifft nach seinem Vorbringen nicht den Beklagten Ziff. 4. Angesichts der in Arzthaftungssachen herabgesetzten Anforderungen an die Substantiierung des Parteivorbringens reicht es aber für eine ausreichenden Berufungsangriff aus, wenn - wie hier - nicht nur formelhaft an einem groben Diagnosefehler festgehalten wird und aus dem Zusammenhang der Begründung ersichtlich ist, daß sich dieser nachteilig ausgewirkt haben kann, weil unter der zutreffenden Verdachtsdiagnose der Zustand des Klägers hätte verbessert und/oder die initiale Behandlung mit Antibiotika früher hätte erfolgen können.

II. Berufung gegen den Beklagten Ziff. 1

A) Vorgeburtliche Behandlung

Hinsichtlich der vorgeburtlichen Behandlung bleiben die Angriffe der Berufung gegen den Beklagten Ziff. 1 ohne Erfolg. Die vorgeburtliche Betreuung der Schwangeren durch die Ärzte des Kreiskrankenhaus T läßt keine Behandlungsfehler erkennen. Bei Aufnahme der Mutter des Klägers gab es keine Anzeichen für eine erhöhte Gefährdung des Feten. Die durchgeführten Untersuchungen waren ausreichend. Mit der Einleitung der Geburt durfte bis zum Eintreten spontaner Wehen noch zugewartet werden. Eine vorsorgliche antibiotische Behandlung der Mutter war nicht zwingend geboten.

1. Die Mutter des Klägers war bereits in der 37. Schwangerschaftswoche, als sie am 20.12.93 mit vorzeitigem Blasensprung stationär aufgenommen wurde. Anzeichen für eine erhöhte Gefährdung durch Infektion der Mutter oder des Feten (Amnioninfektssyndrom) bestanden nicht. Der Verdacht einer Harnwegsinfektion der Mutter, die sich u.a, deshalb schon am 17.12.93 im Krankenhaus vorgestellt hatte, hatte sich nicht bestätigt. Für die später eingetretene Sepsis ist die Frage nach der Urindiagnostik ohne Bedeutung (Gutachten Prof. Dr. Kr v. 23.11.98 Bl. 342 f., 348). Lediglich dann, wenn B-Streptokokken im Harnsediment nachweisbar gewesen wären, hätte dies auf ein erhöhtes Infektionsrisiko des Kindes hingewiesen (Gutachten Prof. Dr. Sto Bl. 366). Auch die Pilzinfektion der Mutter barg kein erhöhtes Risiko etwa einer septischen Pilzinfektion (Gutachten Prof. Dr. Sto Bl. 368).

Klinische Anzeichen für eine anlaufende Infektion, die Anlaß für eine antibiotische Behandlung hätten sein können, fehlten. Die wegen bestehender Infektionsgefahr allgemein gebotenen Kontrolluntersuchungen (bei der Mutter Blutbild, CRP, Temperatur- und Pulskontrolle, beim Feten CTG-Ableitungen) sind in üblichem Umfang gemacht worden und blieben - eine diskrete Erhöhung der Pulszahl bei der Mutter ausgenommen - unauffällig.

2. Nach Auffassung von Prof. Dr. Kr war es angesichts der angestrebten Geburt nicht geboten, die Mutter mit dem Spekulum zu untersuchen und dabei einen Abstrich vom Gebärmutterhals zu nehmen, da - jedenfalls bei der vorliegend erforderlichen Einschaltung eines externen Labors in W auch bei gebotener Beschleunigung - mit dem Eingang der Untersuchung nicht vor der Geburt zu rechnen war; Schnelltests zur Erkennung einer B-Streptokokkeninfektion waren 1993 noch nicht routinemäßig im Einsatz (schr. Gutachten Bl. 344). Auch Prof. Dr. Sto hält eine Abstrichuntersuchung lediglich für nützlich (Bl. 366); sie hätte angesichts des zeitlichen Ablaufs bis zum wahrscheinlichen Vorliegen eines Ergebnisses das geburtshilfliche Management und die nachgeburtliche Behandlung nicht mehr beeinflußen können (noch einmal zusammenfassend im Termin vom 19.11.99, Bl. 602).

3. Ist - wie hier in der 37. Schwangerschaftswoche - mit der Geburt eines (lungen-) reifen Kindes zu rechnen, steht es - bei fehlenden klinischen Anzeichen für eine mütterliche oder kindliche Infektion - im Ermessen des Geburtshelfers, ob er nach vorzeitigem Blasensprung die Geburt sogleich beschleunigt oder ob er zunächst das Eintreten natürlicher Wehentätigkeit abwarten will. Zwar wird allgemein empfohlen, die Wehentätigkeit anzustoßen, wenn nach 8-12 Stunden Wehen nicht in Gang gekommen sind (Gutachten Prof. Dr. Kr v. 23.11.98, Bl. 347). Diese Empfehlung ist aber nicht obligatorisch. Es wird auch für vertretbar erachtet, mit der Einleitung der Geburt noch länger zuzuwarten (Prof. Dr, Kr im Termin vom 19.01.99, Bl. 403). Nach der Auffassung des erstinstanzlichen Sachverständigen Prof. Dr. R (S. 16 des Gutachtens vom 18.08.97) durfte bis zu 36 Stunden das spontane Eintreten von Eröffnungswehen abgewartet werden. Die hier gegebene Zeitspanne von rund 33 Stunden zwischen Blasensprung und Wehenbeginn liegt noch in diesem Rahmen.

4. Eine prophylaktische antibiotische Behandlung hätte 10 Stunden nach dem vorzeitigen Blasensprung und unklarer Prognose über den Zeitpunkt der mutmaßlichen Geburt eingeleitet werden können. Schon 1993 gab es in Fachkreisen und Lehrbüchern dahingehende Empfehlungen; es bestand ferner eine entsprechende Übung in großen Kliniken. Der Sachverständige Prof. Dr. Kr hätte deshalb im vorliegenden Fall mit einer solchen Behandlung begonnen. Es läßt sich jedoch nicht feststellen, daß sich eine solche Handhabung schon 1993 für alle Krankenhäuser im Sinne eines verbindlichen Standards durchgesetzt hatte und deshalb obligatorisch war (Prof. Dr. Kr und Prof. Dr. v. Sto im Termin vom 19.01.99, Bl. 404 und im Termin vom 19.11.99, Bl. 601). Die unterlassene prophylaktische antibiotische Behandlung begründet deshalb keinen Fehlervorwurf. Klinische Auffälligkeiten, die in jedem Fall Anlaß zu einer solchen Behandlung gegeben hätten, haben nicht vorgelegen (vgl. Prof. Dr. Kr Bl. 404).

B) Nachgeburtliche Behandlung

Die Beklagte Ziff. 1 haftet vertraglich und deliktisch für die Schädigung des Klägers infolge von Fehlern und Versäumnissen, die im Rahmen der nachgeburtlichen Behandlung aufgetreten sind. Bei seiner Behandlung hätte gewährleistet sein müssen, daß die Säuglingsschwester nach dem ersten Auftreten von Hinweisen für eine Atemnot des Klägers alsbald einen kompetenten Arzt der gynäkologischen oder geburtshilflichen Abteilung ruft, der über die Verlegung und ev. zu treffende Notfallmaßnahmen zu entscheiden gehabt hätte. Die Behandlung des Klägers allein durch die Beklagte Ziff. 3 und den herbeigerufenen Beklagten Ziff. 4 hat den medizinischen Anforderungen nicht entsprochen; dies hätte durch die gebotene Organisation vermieden werden können.

1. Eine vorsorgliche Verlegung des lebendfrisch geborenen Klägers, der eine nahezu optimale Apgar-Benotung hatte, war freilich nicht geboten. Auch erfolgte die Geburt nicht vor der 35 Schwangerschaftswoche (vgl. Gutachten Prof. Dr. Sto Bl. 367). In diesem Zusammenhang spielt die Frage der Ausstattung des Krankenhauses T noch keine ausschlaggebende Rolle. Allein das Fehlen einer pädiatrischen Abteilung indiziert noch keine vorsorgliche Verlegung eines mit vorzeitigem Blasensprung - ohne Anzeichen einer Infektion - auf die Welt gekommenen Kindes.

2. Der Kläger vermag ferner nicht zu beweisen, daß seine Atmung bereits im Kreissaal nach dem ersten Anlegen an der Brust seiner Mutter in besonderer Weise auffällig war. Zwar hat die Mutter des Klägers bei ihrer Anhörung angegeben, E habe bereits gegen 08.00 Uhr nach Luft gerungen, worauf sie Hebamme hingewiesen habe (Bl. 395). Auch der Vater will bemerkt haben, daß das Kind Schwierigkeiten hatte.

Luft zu holen (Bl. 592). Es erscheint durchaus möglich, daß sich hinter diesen Beobachtungen erste Anzeichen der beginnenden Infektion des Klägers verborgen haben. Die hierzu vernommene Hebamme, die Zeugin B , konnte die Äußerung der Mutter indes nicht bestätigen. Sie hatte nur in Erinnerung, daß das Kind nicht so kräftig gesaugt habe wie andere Kinder, was aber nicht ungewöhnlich sei. Prof. Dr. Str ist dazu der Auffassung, daß diese Trinkunlust ein Zeichen dafür war, daß es dem Kind nicht gut ging (Termin vom 19.11.99, Bl. 603).

Der Senat vermag sich nicht davon zu überzeugen, daß der glaubhaften Besorgnis der Mutter und der Mitteilung des Vaters tatsächlich eine erkennbar auffällige und gestörte Atmung zugrunde gelegen hat. Allein die anzunehmende Trinkunlust begründete aus Sicht ex ante nicht die Besorgnis, mit dem Kind stimme etwas nicht.

Besondere Überwachungsmaßnahmen waren allein deshalb nicht geboten.

3. Der Senat ist aber davon überzeugt, daß sich der Zustand des Klägers nach Übernahme auf die Säuglingsstation alsbald verschlechtert hat und dies von der Zeugin J gegen 10.00 Uhr, jedenfalls aber kurze Zeit danach bemerkt worden ist. Beim Ausbleiben einer Besserung - spätestens gegen 10.15 Uhr - hätte sie deshalb den für die Station zuständigen Arzt unterrichten müssen, damit dieser die erforderlichen Entscheidungen trifft. Dies ist fehlerhaft unterblieben. Die Zeugin hätte in entsprechender Weise instruiert werden müssen. Erst die Hebamme hat sehr viel später sowohl die Stationsärztin, die Beklagte Ziff. 3, als auch den Beklagten Ziff. 4 als Kinderarzt, verständigt. Die Koordination der Behandlungsaufgabe und eine kompetente Behandlung des Frühgeborenen waren organisatorisch nicht mehr sichergestellt.

a) Wie Prof. Dr. v. Sto ausgeführt hat, war der Kläger angesichts des erhöhten Risikos für das Auftreten einer Neugeboreneninfektion innerhalb der ersten 48 Stunden nach seiner Geburt engmaschig zu beobachten (so bereits in seinem schriftlichen Gutachten vom 29.12.98, Bl. 368). Dazu hätte eine klinische Kontrolle mit Überwachung der Atemfrequenz und des Pulses im Abstand von einer halben Stunde, besser einer Viertelstunde, durch eine kompetente Fachkraft erfolgen müssen (Bl. 602 f.). Ob dies in der erforderlichen Weise - auch unter Kontrolle der Puls- und Atemfrequenz - geschehen ist, kann letztlich dahinstehen, da der Säuglingsschwester, der Zeugin J , im Zeitraum zwischen 10.00 Uhr und 10.15 Uhr eine gestörte Atmung des Klägers aufgefallen ist, die gebotenen Reaktionen aber dennoch ausblieben.

b) Wie die Vernehmung der Zeugin J ergeben hat, stellte sie etwa in diesem Zeitraum eine stöhnende Atmung des Klägers fest (Bl. 396). Nach ihrer Schilderung hatte der Kläger zunächst etwas Schleim im Mund. Sie nahm ihn deshalb aus dem Bettchen und saugte ihn ab. Eine durchgreifende Besserung des Zustandes wurde dadurch - auch nach ihrem Bekunden - nicht erreicht. Sonst hätte sie nicht den Vater des Klägers abgewiesen, der etwa in diesem Zeitraum - gegen 10.00 Uhr, nach seiner Aussage möglicherweise schon früher (Bl. 593) - das Kind sehen wollte. Mit dieser zeitlichen Einordnung stimmt ferner überein, daß die Zeugin J nach ihrer eigenen Bekundung das Kind etwa eine Stunde unter Beobachtung hatte, bis - um 11.06 Uhr - die Blutgasanalyse gemacht worden ist (Bl. 397 und 398). Wegen der ausbleibenden Besserung verständigte sie später die Hebamme, die Zeugin B Unter Berücksichtigung der Aussage dieser Zeugin muß es sich dabei um den zweiten Ruf gehandelt haben, den der Senat auf etwa 10.30 Uhr ansetzt. Die Zeugin B hatte nämlich in Erinnerung, zweimal gerufen worden zu sein, einmal deshalb, weil das Kind - bei ihrer Auffassung nach unauffälliger Atmung - gespuckt habe und etwa eine halbe Stunde später, weil nunmehr die Atmung auffällig geworden sei (hierzu die Zeugin Bl. 598). Dabei ist das von der Zeugin B geschildert "Spucken" als Indiz für eine eingeschränkte Beatmungssituation zu werten, weil Kinder in diesem Zustand nicht mehr so häufig schlucken und deshalb Speichel und Sekret aus dem Mund fließen (Prof. Dr. v. Sto Bl. 603).

Mit dieser Feststellung stimmt überein, daß nach den um 11.06 Uhr gemessenen Blutgaswerten eine erhebliche Einschränkung der ventilatorischen Funktion der Lunge bestanden hat, die Ausdruck einer schon längere Zeit vorbestehenden Atemstörung ist (vgl. das Gutachten Prof, Dr. v. Sto vom 29.12.98, Bl. 369, und im Termin vom 19.01.99, Bl. 404 mit der Einschränkung, daß allein aus den Analysewerten nicht auf den Zeitpunkt des Beginns der Atemstörung geschlossen werden kann).

c) In dieser Situation, d.h. nach der Feststellung einer durch Absaugen nicht behebbaren Störung der Atemfunktion, also im Zeitraum zwischen 10.00 Uhr und 10.15 Uhr, hätte die Säuglingsschwester einen kompetenten Arzt der geburtshilflichen Abteilung herbeirufen müssen, damit dieser die Ursache der gestörten Atmung klären und ggf. erforderliche ärztliche Maßnahmen ergreifen konnte. Dieser hätte dann zu entscheiden gehabt, ob er die Situation selbst beurteilen bzw. beherrschen kann oder einen Pädiater hinzuziehen muß (so klar Prof. Dr. Kr in seinem Gutachten Bl. 350). Die Säuglingsschwester hat jede von der Norm abweichende Besonderheit im Zustand des Kindes dem verantwortlichen Arzt zu melden; dabei ist es aus Sicht des Kinderarztes ein auffälliger Befund, wenn ein Kind 4 Stunden nach seiner Geburt stöhnt. Sofern dieser Zustand länger als fünf Minuten andauert, muß ein Arzt gerufen werden (so zusammenfassend Prof. Dr. v. Sto im Termin vom 19.01.99, Bl. 406 f.). Dies hätte nach damaliger Auffassung des Sachverständigen um 10.30 Uhr geschehen müssen (schriftl. Gutachten vom 29.12.98, Bl. 370); aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme ist dieser Zeitpunkt 15 Minuten früher anzusetzen. Daß diese Nachricht unterblieben ist, beruht mit darauf, daß keine besondere Anweisung an das Pflegepersonal gegeben worden ist, bei Auffälligkeiten eines nach vorzeitigem Blasensprung geborenen Säuglings sofort einen Arzt zu rufen (Bl. 397).

Der herbeigerufene Arzt hätte unschwer die vorliegenden Symptome einer Atemstörung feststellen können, die noch vor den Zeichen eines Kreislaufschocks häufig der erste Hinweis auf eine B-Streptokokkeninfektion ist, da diese regelmäßig mit einer Beeinträchtigung der Lungenfunktion im Sinne einer Pneumonie einhergeht (schriftl. Gutachten Prof. v. Sto vom 29.12.98, Bl. 369). Die selbstverständliche Konsequenz hätte sein müssen, daß der Arzt umgehend die Verlegung des Klägers in die nächstgelegene Kinderklinik veranlaßt.

Stattdessen hat die Säuglingsschwester zunächst die Hebamme verständigt und sie erneut gerufen, nachdem sich die Situation weiter verschlechtert hatte. So fiel der Zeugin J neben der stöhnenden Atmung ein blasses Munddreieck auf (Bl. 395). Die Zeugin B spricht davon, daß das Kind bei ihrem zweiten Eintreffen ein Nasenflügeln hatte und später Einziehungen und eine "knorksige" Atmung vorlagen (Bl. 595). Auch in dieser Situation riefen Schwester und Hebamme noch immer nicht nach einem Arzt, sondern kümmerten sich in guter Absicht selbst um den Kläger, indem sie ihn in einen Inkubator legten, wobei lediglich unklar ist, ob die weitere Beobachtung und spätere Behandlung des Klägers im Kreissaal (so die Zeugin B ) oder in einem Nebenraum des Kinderzimmers stattfand (so der Beklagte Ziff. 4). Erst gegen 11.00 Uhr - also nach Ablauf einer weiteren halben Stunde nach dem zweiten Ruf der Zeugin B - gab die Hebamme der Zeugin J den Auftrag, den Kinderarzt Dr. M und die Stationsärztin zu verständigen. Zu dieser Zeit entnahm sie Blut aus der Ferse des Kindes, um eine Blutgasanalyse zu machen. Das von ihr als schlecht erkannte Ergebnis der Untersuchung war dann Anlaß, nochmals nach Dr. M zu rufen, damit er sofort komme (Bl. 595).

Mit diesem Ablauf stimmt überein, daß die Beklagte Ziff. 3 nach dem Vorliegen der Blutgasanalyse - 11.06 Uhr - und vor dem Beklagten Ziff. 4 eintraf, der seine Ankunft auf 11.12 Uhr angibt. Die Zeugin B hatte schon begonnen, über eine Maske Sauerstoff in den Inkubator zu leiten.

4. Auch in der Folgezeit war eire kompetente Versorgung des Klägers, bei dem mittlerweile eine durch Sepsis und Atemnot bedingte Notfallsituation vorlag, nicht gewährleistet. Hierzu kam es, weil für einen neonatologischen Notfall keine ausreichenden organisatorischen Vorkehrungen getroffen waren.

a) Die Beklagte Ziff. 3 setzte nach ihrem Eintreffen die eingeleitete Behandlung fort, indem sie nach Absaugung des Mundraums dem Kläger die Maske aufsetzte.

Zuvor hatte sie die Blutgaswerte zur Kenntnis genommen, den Kläger kurz abgehört, wobei ihr Rasselgaräusche aufgefallen waren. Der Senat hat keinen Anlaß, an der Richtigkeit der Schilderung der Beklagten Ziff. 3 zu zweifeln; sie stimmt auch mit der Darstellung der Zeugin B im wesentlichen überein. Die Benachrichtigung des Kindernotarztes unterblieb, da die Beklagte Ziff. 3 als Ärztin im Praktikum zu einem solchen Ruf - unwidersprochen - nicht befugt war (so die Beklagte Ziff. 3 bei ihrer Anhörung Bl. 400).

b) Auch der Beklagte Ziff. 4 setzte nach seinem Eintreffen um 11.12 Uhr die begonnene Behandlung fort, die er als intermittierende Maskenbeatmung bezeichnet hat. Nach seinem schriftlich niedergelegten Befund traf er das Kind "noch rosig" an; es hatte aber "kaum Atemgeräusche" und war "apathisch"; die Herzfrequenz lag bei 140/min. Der Muskeltonus war schlaff. Die Entscheidung zur notfallmäßigen Verlegung des Klägers in die Kinderklinik des Städt. Krankenhauses F wurde zwar getroffen. Der Ruf ging aber erst um 11.30 Uhr dort ein. Die Übernahme der Behandlung durch den Kindernotarzt fand deshalb erst um 11.51 Uhr statt.

c) Diese Behandlung entspricht nicht den medizinischen Anforderungen. Der Kläger hätte nach den Feststellungen der Sachverständigen, denen der Senat folgt, unter der Annahme einer Neugeboreneninfektion mit Sepsis und Lungenbeteiligung sofort intubiert und notfallmäßig in die neonatologische Abteilung eines Krankenhauses verlegt werden müssen.

Bereits die um 11.06 Uhr vorliegenden Blutgaswerte zeigten den bedrohlichen Zustand einer respiratorischen Insuffizienz mit erheblicher Einschränkung der ventilatorischen Funktion der Lunge an (schr. Gutachten Prof. Dr. v. Sto vom 29.12.98 Bl. 362 f., 369 f.). Damit stimmen die von den Beklagten Ziff. 3 und 4 erhobenen klinischen Befunde überein. Danach lag das Vollbild einer Sepsis vor. Der Kläger hätte deshalb sofort intubiert und beatmet werden müssen (so noch einmal zusammenfassend Prof. Dr. v. Sto im Termin v. 19.11.99, Bl. 408); eine Maskenbeatmung war allenfalls als unterstützende Maßnahme bis zur Intubation indiziert. Ihre Durchführung über längere Zeit war schwierig und bei einer - wie hier - schweren Pneumonie kaum erfolgversprechend (Bl. 372).

Die notfallmäßige Verlegung des Klägers ist angeordnet worden. Jedoch erfolgte der Ruf des Kindernotarztes erst um 11.30 Uhr, ohne daß für die Verzögerung ein Grund ersichtlich ist.

5. Diese Versäumnisse sind dem Klinikträger teilweise als Verschulden seines Personals, teilweise als eigenes Verschulden infolge ungenügender organisatorischer Vorkehrungen zuzurechnen.

a) Nach den Ausführungen der Sachverständigen unterliegt keinem Zweifel, daß es die selbstverständliche Pflicht von Säuglingsschwester und Hebamme war, nach den beobachten Auffälligkeiten in der Atmung des Klägers sogleich einen Arzt hinzuzuziehen (Gutachten Prof. Dr. Kr v. 24.11.98, Bl. 349 f.; Prof. Dr. v. Sto in seinem Gutachten vom 28.12.98, Bl. 370 f.). Auch der Hebamme hätte klar sein müssen, daß im vorliegenden Fall nicht ihr Rat, sondern der eines Arztes gefragt war. Diese Beurteilung kommt auch in der von Prof. Dr. v. Sto geäußerten Verwunderung zum Ausdruck, daß die Krankenschwester in ihrer Besorgnis die Hebamme anstatt eines Arztes gerufen hat (im Termin vom 19.01.99, Bl. 406).

b) Im vorliegenden Fall hätte die Säuglingsschwester vorsorglich darüber instruiert werden müssen, daß sie das Kind regelmäßig zu kontrollieren hatte (vgl. Gutachten Prof. Dr. v. Sto , Bl. 368). Ferner wäre, wie der Ablauf zeigt, veranlaßt gewesen, die Pflicht zur Benachrichtigung des Arztes bei Auftreten von Auffälligkeiten zu betonen. Das ist nicht geschehen, da andernfalls nicht erklärbar ist, daß die Zeugin B trotz der von ihr empfundenen Sorge, die sie veranlaßt hat, den Vater abzuweisen, nicht den Arzt gerufen hat, sondern - nach der Aussage der Zeugin B - zweimal die Hebamme verständigt hat und erst im Zusammenhang mit der Blutgaskontrolle die Benachrichtigung erfolgt ist.

c) Aber selbst für den dann offenkundigen neonatologischen Notfall war keine Vorsorge zur Sicherstellung einer schnellen und kompetenten Behandlung getroffen, insbesondere bestand keine klare Anweisung, wie in einem solchen Fall vorzugehen war.

Das Kreiskrankenhaus T hat keine neonatologische Abteilung. Ein für die Behandlung Neugeborener zuständiger Facharzt stand deshalb innerhalb des Krankenhauses nicht zur Verfügung. Für die routinemäßige Behandlung gesund geborener und zur Kontrolle operativ geborener Säuglinge wurden niedergelassene Kinderärzte konsiliarisch hinzugezogen. Zu diesem Kreis von Ärzten gehörte auch der Beklagte Zift. 4. Chefarzt Dr. Sch ging nach seinen Angaben davon aus, daß im Notfall Ärzte des Krankenhauses bereit stünden, aber auch die konsiliarisch tätigen Kinderärzte zur Bewältigung einer Situation wie der vorliegenden in der Lage seien (Bl. 402). Eine besondere Absprache im Sinne einer Klarstellung der Aufgaben war dazu aber nicht getroffen worden, wie der Chefarzt und der Beklagte Ziff. 4 übereinstimmend bekundet haben. So war es mehr oder weniger dem Zufall überlassen, ob der Ruf an die für eine notfallmäßige Intubation ausgebildeten Krankenhausärzte - so den Oberarzt, den Chefarzt der gynäkologischen Abteilung oder einen Anästhesisten - oder an den Kinderarzt gehen mußte. Dieser war nach seiner glaubhaften Bekundung überrascht, zu einem Notfall gerufen worden zu sein.

Durch den gleichzeitigen Ruf der Stationsärztin und des Kinderarztes konnte für die Beklagte Ziff. 3 der Eindruck entstehen, daß sie keine weitere Entscheidung mehr zu treffen brauchte. Dies ist - nach ihrer eigenen Einschätzung - mit eine Ursache dafür gewesen, daß sie sich nicht um eine Verständigung des Oberarztes bemüht hat.

Diese Organisation entspricht nicht den Anforderungen. Wie schon oben ausgeführt, war die diagnostische und therapeutische Behandlung der Atemstörung ärztliche Aufgabe und hätte zunächst einem Arzt der geburtshilflichen oder gynäkologischen Abteilung oblegen. Dieser hätte zu entscheiden gehabt, ob er die Situation selbst beherrschen kann oder er einen Pädiater hinzuziehen muß (Gutachten Prof. Dr. Kr Bl. 350). Durch den gleichzeitigen Ruf von Stationsärztin und Kinderarzt, zu welchem die Hebamme offenbar befugt war (Bl. 598), wurde eine unklare Lage geschaffen. Dies widersprach dem Grundsatz, daß in der ärztlichen Behandlung von Notfällen eine klare Struktur gewährleistet sein muß, damit der kompetente Arzt möglichst schnell - und ohne Umwege wie im vorliegenden Fall (vgl. Gutachten Prof. Dr. v. Sto vom 28.12.98 Bl. 370 und im Termin vom 19.01.99 Bl. 402, 406) - am Bett des Patienten steht und dieser rasch notfallgerecht behandelt und verlegt werden kann. In keinem Fall durfte die dringliche Behandlung des akut bedrohten Klägers allein dem Beklagten Ziff. 4 überlassen werden, solange nicht gesichert war, daß er zur Durchführung einer Notfallbehandlung mit etwa erforderlicher Intubation des Neugeborenen in der Lage war. Tatsächlich war dies bei dem Beklagten Ziff. 4 nicht der Fall. Die Einschaltung der Beklagten Ziff. 3 genügte nicht, da sie als Ärztin im Praktikum selbst nicht über die erforderliche Erfahrung verfügte und sie nicht angewiesen war, in einem solchen Fall stets auch den Oberarzt zu rufen.

6. Es ist davon auszugehen, daß der Beklagte Ziff. 1 durch die bezeichneten Fehler und Versäumnisse die Schädigung des Klägers verursacht hat. Zwar läßt sich nicht beweisen, daß die Schädigung des Klägers hätte vermieden werden können, wenn er alsbald nach der Entdeckung der Atemstörung notfallmäßig in das Städt. Krankenhaus F verlegt worden wäre. Der Kläger hätte aber eine gute Chance gehabt, bei früherem Behandlungsbeginn seine Erkrankung ohne eine bleibende Schädigung zu überstehen. Die hierzu bestehende Ungewißheit geht zu Lasten des Beklagten Ziff. 1, da dem Kläger wegen eines anzunehmenden groben Behandlungsfehlers Beweiserleichterungen zuzubilligen sind.

a) Beim Kläger liegt eine schwere dyston-dyskinetische Zerebralparese vor. Es handelt sich um eine diffuse Schädigung des Gehirns, überwiegend im Bereich beider Stammganglien sowie des hinteren Marklagers. Hinweise für eine pränatale oder intranatale Entstehung der Hirnschädigung haben sich nicht feststellen lassen (zum ganzen schriftl. Gutachten von Prof. Dr. Str Bl. 456 ff.).

b) Diese Schädigung des Klägers hätte sich mit hoher Wahrscheinlichkeit vermeiden lassen, wenn aus dem erkannten Atemnotsyndrom frühzeitig die erforderlichen Konsequenzen gezogen worden wären.

Die beim Kläger vorliegenden Befunde lassen sich mit einer in den ersten Lebensstunden abgelaufenen fulminanten Sepsis durch B-Streptokokken mit Störung der Mikrozirkulation besonders im Bereich der zentralen Hirnstrukturen und eine möglicherweise begleitende bakterielle Meningitis erklären (Bl. 456). Auch angesichts des schweren Verlaufs der Erkrankung im Städt. Krankenhaus F ist es zwar eher unwahrscheinlich, daß bereits in der Zeit zwischen Geburt und erster Blutgasanalyse um 11.06 Uhr eine bleibende Hirnschädigung stattgefunden hat. Indes befand sich der Kläger bis zur Einleitung suffizienter Reanimationsmaßnahmen nach 11-50 Uhr (Intubation, Sauerstoffbehandlung, Schockbehandlung) in einem Zustand, der eine allgemeine, aber - wie hier auch herdförmig betonte Hirnschädigung infolge einer gestörten Mikrozirkulation herbeiführen kann, auch bei Annahme einer möglichen primären Entzündungsreaktion an den Hirnstrukturen. Die postnatal ab dem 2. Lebenstag nachweisbaren Odeme mit Störung des Elektrolythaushalts, die als Ursache mitberücksichtigt werden müssen (Bl. 457 ff.), können Folge der initial verzögerten Behandlung sein.

Die Schädigung, für die in erster Linie die Störung der Mikrozirkulation in den betroffenen Arealen verantwortlich zu machen ist, ist durch die Störung der Sauerstoffaufnahme aufgrund des Atemnotsyndroms bei persistierendem fetalem Kreislauf wesentlich verstärkt worden (Bl. 458). Deshalb liegt nahe, daß die lange Dauer dieses Zustands, die noch nach der Intubation weitergewirkt hat, für die Schädigung des Klägers ausschlaggebend gewesen ist. Für diese Annahme spricht auch, daß typische Ursache der beschriebenen Schädigung des Klägers eine akute schwere Sauerstoffunterversorgung ist, die sich in den ersten Stunden nach der Geburt zugetragen hat (Prof. Dr. Str im Termin vom 19.10.99, Bl. 606). Dies unterstreicht die Bedeutung einer erheblich früher einsetztenden und suffizienten Beatmung, zumal in Betracht steht, daß dadurch die weitere krisenhafte Zuspitzung hätte vermieden werden können. Tatsächlich hat sich der Kläger auch noch nach seiner Intubation lange Zeit in einem kreislaufinstabilen, stark deprimierten und säurenegativen Zustand befunden (Prof. Dr. v. Sto im Termin vom 19.10.99, Bl. 606). Deshalb ist die Schlußfolgerung der Sachverständigen, nämlich daß die Chancen eines günstigen Ausgangs der Erkrankung des Klägers sehr gut gewesen seien, hätte man ihn spätestens um 11.06 Uhr intubiert (im Termin vom 19.10.99, Bl. 605 f.), überzeugend und gut nachvollziehbar. Umso mehr muß dies auf eine noch früher einsetzende suffiziente Behandlung zutreffen.

Wie oben festgestellt worden ist, hätte die Säuglingsschwester spätestens um 10.15 Uhr einen Arzt rufen müssen, der wenige Minuten später wegen der fortbestehenden Atemstörung den Kindernotarzt alarmiert hätte, so daß dieser weitere 20 Minuten später den Kläger in dementsprechend besserer Verfassung übernommen hätte. Der Zeitgewinn zwischen einer Übernahme schon gegen 10.40 Uhr anstatt um 11.50 Uhr läge bei mehr als 1 Stunde; der Gewinn für den Beginn mit der stationären Intensivtherapie dürfte noch größer sein, da auch die weiteren Schritte unter weniger angespannten Verhältnissen leichter hätten bewerkstelligt werden können.

c) Danach verbleibende, eher geringe Restzweifel an der Vermeidbarkeit der Schädigung des Klägers gehen zulasten des Beklagten Ziff. 1. Dem Kläger kommen hinsichtlich der Kausalität der festgestellten Fehler Beweiserleichterungen bis hin zur Umkehr der Beweislast zu, da die festgestellten Fehler und Versäumnisse jedenfalls in einer Gesamtbetrachtung die Annahme eines groben Behandlungsfehlers rechtfertigen (vgl. Steffen/Dressier, Arzthaftungsrecht, 7. Aufl., Rn. 523 und zur Beweislastumkehr 515).

Auch organisatorische Versäumnisse können den Schluß auf einen groben Behandlungsfehler rechtfertigen (vgl. Geiß/Greiner, Arzthaftplichtrecht 3. Aufl. 1999 S. Rn. 253 m.w.N.). Für einen groben Behandlungsfehler kommen vor allem Verstöße gegen elementare Behandlungsregeln, gegen elementare Erkenntnisse der Medizin in Betracht, die aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich sind, weil sie dem Betreffenden - Arzt oder nichtärztlichem Personal - schlechterdings nicht unterlaufen dürfen (vgl. Steffen/Dressier, Arzthaftungsrecht, 7. Aufl., Rn. 522 m.w.N.).

Jedenfalls in einer Gesarrtbetrachtung liegt ein solcher Fehler vor. So ist bereits kaum nachvollziehbar und dem Grunde nach unverständlich, daß die Säuglingsschwester trotz ihrer Besorgnis über die Atmung des Klägers zwar dem Vater den Zutritt versagte und zweimal die Hebamme hinzuzog, aber die Verständigung eines Arztes unterließ. Dabei stand sie keineswegs unter einem besonderen zeitlichen Druck. Sie hat zwar auf die anhaltend gestörte Atmung des Klägers reagiert, aber die grundlegende und dringend gebotene Maßnahme, nämlich die Hinzuziehung eines kompetenten Arztes, unterlassen. Dies gilt auch für die Phase, in welcher sich Schwester und Hebamme gemeinsam um den Kläger gekümmert haben. Dabei unterliegen nicht die Einzelmaßnahmen der Kritik (Beobachtung, Lagerung im Inkubator, Einleitung von Sauerstoff, Blutgaswertbestimmung), sondern die Vernachlässigung der an sich selbstverständlichen, einfachen und naheliegenden Pflicht, einen Arzt zu verständigen. Es darf in einer Geburtsklinik nicht geschehen, daß ein zwar nach dem äußeren Erscheinungsbild gesund zur Welt gekommenes, aber durch den Ablauf der Geburt gefährdetes Kind mit Zeichen dieser Gefährdung über einen Zeitraum von mehr als einer Stunde ohne ärztliche Betreuung bleibt (vgl. OLG München VersR 1997, 977 unterlassene Hinzuziehung eines Arztes nach Hinweisen auf die gestörte Atmung eines Neugeborenen und später Transport des Kindes in eine Kinderklinik ohne ärztliche Begleitung und Beatmung, grob fehlerhaft; OLG München VersR 1991, 586 - unterlassene Hinzuziehung eines Arztes durch die Hebamme nach ersten Unregelmäßigkeiten im CTG, grob fehlerhaft; OLG Oldenburg VersR 1997, 749 - unterlassene Unterrichtung des zuständigen Arztes durch nichtärztliches Personal nach Eintritt ernsthafter Komplikationen, grob fehlerhaft; OLG Stuttgart VersR 1993, 1358 - eigene Therapieentscheidung durch Krankenschwester bei Erreichbarkeit eines Arztes, grob fehlerhaft;). In dieser Bewertung sind sich auch die Sachverständigen einig, wenn sie in der Verständigung des Arztes eine selbstverständliche Pflicht sehen. Dementsprechend hat es Prof. Dr. v. Sto auch als nicht nachvollziehbar bezeichnet, weshalb zwei Zwischeninstanzen eingeschaltet werden mußten, bis endlich ein Facharzt gerufen wurde (Gutachten Bl. 373), und seine Verwunderung darüber zum Ausdruck gebracht (Bl. 406).

Daß die Sachverständigen die im einzelnen von Schwester und Hebamme getroffenen Maßnahmen billigen (vgl. Prof. Dr. Kr in seinem schriftl. Gutachten Bl. 352; Prof. Dr. v. Sto im schriftl. Gutachten vom 29.12.98, Bl. 373), steht der Bewertung der aufgezeigten Versäumnisses als grob fehlerhaft nicht entgegen, zumal Prof. Dr. Kr bei seiner Wertung die Sicht der handelnden Personen übernimmt. Durch ihre Bemühungen konnte das grundlegende Versäumnis nicht ausgeglichen werden. Die ergriffenen Maßnahmen haben zur Bewältigung der Krise auch nichts beigetragen.

Die von Prof. Dr. v. Sto geäußerte Verwunderung bezieht die fehlende Abstimmung in der Zuständigkeit von konsiliarisch tätigem Kinderarzt und den Krankenhausärzten im Fall eines nach der Geburt auftretenden neonatologischen Notfalls ein. Angesichts des üblichen Einsatzgebiets der Kinderärzte zur Durchführung der U2 Untersuchung und zur Behandlung nicht akut kranker Säuglinge, durfte sich der Klinikträger nicht darauf verlassen, daß diese auch zur Bewältigung eines neonatologischen Notfalls in der Lage sein würden (Prof. Dr. v. Sto in seinem Gutachten vom 21.06.99, Bl. 524 f.). Wenn in der geburtshilflichen Abteilung eines Krankenhauses ein kompetenter Neonatologe nicht jederzeit zur Verfügung steht, muß - wie der Sachverständige weiter ausgeführt hat - das Management zur Überwachung von Risikoneugeborenen bzw. zur Benachrichtigung eines neonatologischen Notarztes besonders gut organisiert sein. Es müssen klare Anweisungen bestehen, was in einem Notfall zu geschehen hat, um die notwendige ärztliche Hilfe geben zu können. Dies war eindeutig nicht der Fall, wie sich angesichts des konkreten Ablaufs in den Verrichtungen der Säuglingsschwester, der Hebamme und der Stationsärztin gezeigt hat; allen Beteiligten war nicht klar, wie in einem Notfall vorzugehen war (Gutachten Prof. Dr. v. Sto , Bl. 525). Das begründet den Vorwurf eines groben Organisationsverschuldens (vgl. OLG Köln VersR 1997, 1404 - unzureichende postoperative Betreuung eines frisch operierten Patienten durch nicht geschultes Pflegepersonal, grob fehlerhaft).

III.

Auch der Beklagte Ziff. 4 haftet vertraglich und deliktisch für die Schädigung des Klägers aufgrund der konsiliarisch übernommenen Behandlung. Diese war fehlerhaft. Wie bereits oben ausgeführt worden ist, hätte er nach orientierender Untersuchung und angesichts des klinischen Befunds und der ihm vorliegenen Blutgaswerte sofort die Intubation des Klägers veranlassen müssen. In der unterlassenen Hinzuziehung eines Krankenhausarztes zur Durchführung der Intubation ist ein grober Behandlungsfehler zu sehen, welcher hinsichtlich der Kausalität dieser Unterlassung eine Beweislastumkehr rechtfertigt.

1. Der Kläger wies bei dem Einreffen des Beklagten Ziff. 4 bereits die Zeichen einer schweren Sepsis auf. Er hatte, wie sich aus den Aufzeichnung des Beklagten Ziff. 4 ergibt, kaum Atemgeräusche, war apathisch; die Herztöne, waren tachycard, der Muskeltonus schlaff.

Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. v. Sto war dabei an erster Stelle der möglichen Differentialdiagnosen an eine Neugeborenensepsis mit Lungenbeteiligung zu denken (schr. Gutachten Bl. 369 und 371; im Termin vom 19.01.99, Bl. 407; ebenso Prof. Dr. Kr in seinem Gutachten Bl. 351). Diese hätte ihm klar vor Augen liegen müssen (so Prof. Dr. v. Sto zusammenfassend im Termin vom 19.01.99, Bl. 409). Dieses Bewußtsein war umso mehr zu fordern, als es bei einer B-Streptokokkeninfektion, die in der Regel vorliegt, sehr foudroyante Verläufe gibt und ein Kind nach 12 Stunden versterben kann (der Sachverständige a.a.O.). Ein Atemnotsyndrom infolge mangelnder Lungenreife stand im Fall des Klägers nicht ernsthaft in Betracht. Sollte der Beklagte Ziff. 4 nicht ausreichend zur Vorgeschichte - Geburt nach vorzeitigem Blasensprung länger als 36 Stunden vor der Geburt - informiert worden sein, muß er sich entgegenhalten lassen, daß er diese Informationen auf die gebotene Nachfrage jederzeit hätte erhalten können. Im übrigen hat die Beklagte Ziff. 3 glaubhaft angegeben, den Beklagten Ziff. 4 über die Umstände der Geburt des Klägers informiert zu haben.

Es war deshalb sofortiges Handeln geboten. Dabei ging es vorrangig um die Sicherstellung der vitalen Funktionen und nicht um die Einleitung einer Antibiose (Prof. Dr. v. Sto Bl. 371 f.). In dieser Lage kann es auf Minuten ankommen (so der Sachverständige a.a.O.). Der Beklagte Ziff. 4 hätte praktisch dasjenige tun müssen, was später der pädiatrische Notarzt gemacht hat (Prof. Dr. v. Sto im Termin vom 19.01.99, Bl. 407). Ein Kind mit so schlechten Blutgaswerten, wie sie der Kläger damals aufwies, muß sofort intubiert werden (der Sachverständige Bl. 408). Der Senat ist davon überzeugt, daß der Kläger die Situation selbst so eingeschätzt hat. Auch für ihn lag - wie er selbst eingeräumt hat - "Alarmstufe 1" vor und er sah sich in der Notlage, das Kind "über Wasser halten" zu müssen (Bl. 408). Dies war die Auffassung auch der anderen Beteiligten. Der Beklagten Ziff. 3 war klar, daß ein Notfall vorlag (Bl. 400). Für die Zeugin B war das gräuliche Aussehen des Klägers ein deutlicher Anhaltspunkt für seine schlechte Verfassung ("so wie Kinder halt aussehen, wenn sie ein Amnioninfektsyndrom entwickeln", Bl. 596). Alle wußten, daß das Kind intubiert werden mußte (die Zeugin B Bl. 596 f.: "Wir wußten alle, daß es notwendig war ..."). Nach ihrer glaubhaften Schilderung wollte der Beklagte Ziff. 4 die Intubation den Notärzten überlassen, die darin Erfahrung hätten (Bl. 596). Dem entspricht die Äußerung des Beklagten Ziff. 4, wonach er nichts falsch machen wollte und anfügte: "Wäre mir die Intubation nicht gelungen, säße ich heute hier in einer sehr schlechten Situation", Bl. 408).

Ihm ist bei dieser Lage nicht vorzuhalten, daß er die Intubation nicht selbst durchführen wollte. Eine sachgerechte Intubation Neugeborener setzt, wie dem Senat aus der Befassung mit zahlreichen Fällen dieser Art bekannt ist, neben den erforderlichen Kenntnissen auch Erfahrung voraus. Der Beklagte hätte aber nach stattgehabter Übernahme der Behandlung darauf bestehen müssen, daß ein kompetenter Krankenhausarzt die Intubation übernimmt (so der Sachverständige a.a.O.). Der Oberarzt oder der Chefarzt der geburtshilflichen Abteilung oder ein Anästhesist hätten zur Verfügung gestanden und wären zu einer Intubation in der Lage gewesen. Nur in diesem Fall hätte sich der Beklagte Ziff. 4 bis zum Erscheinen dieses Arztes auf die Verbesserung der Sauerstoffzuführung durch Maskenbeatmung beschränken dürfen. Da er dies nicht getan hat, ist ihm ein Übernahmeverschulden anzulasten.

Der Beklagte Ziff. 4 hat die Behandlung als konsiliarisch beauftragter Arzt übernommen, was sich in seinen Verrichtungen zeigt. Er war in seinem Behandlungsauftrag nicht beschränkt. Seine Verständigung ist wegen der Atemstörung des Klägers erfolgt. Seitens des Krankenhauses waren allenfalls vorbereitende Maßnahmen ergriffen (Blutgasanalyse, Maskenbeatmung und Eingangsuntersuchung durch die Beklagte Ziff. 3). Ein kompetenter Krankenhausarzt war mit der Behandlung nicht befaßt.

Die unterlassene Verständigung eines kompetenten Arztes durch den Beklagten Ziff. 4 hat dazu geführt, daß - gerechnet von seinem Erscheinen um 11.12 Uhr - noch mehr als eine halbe Stunde verging, bis der Kindernotarzt am Krankenbett eintraf und der Kläger suffizient versorgt wurde. Dabei ist ohne Bedeutung, ob der Beklagte Ziff. 4 die späte Verständigung des Kindernotarztes um 11.30 Uhr (mit-) zu vertreten hat. Denn er hätte auch bei einer früheren Verständigung in Rechnung zu stellen gehabt, daß der Kindernotarzt von dem Ruf bis zu seinem Eintreffen am Krankenbett mindestens 20 Minuten benötigen werde.

2. Danach ist davon auszugehen, daß auch der Beklagte Ziff. 4 die Schädigung des Klägers verursacht hat.

a) Wie bereits oben ausgeführt, war die Schädigung bei Übernahme der Behandlung durch den Beklagten Ziff. 4 noch nicht eingetreten; auch war das Kind noch nicht "verloren" in dem Sinne, daß die Schädigung nicht mehr abwendbar war (Prof. Dr. Str im Termin v. 19.10.99, Bl. 604). Eine Schädigung hätte vielmehr, wie schon ausgeführt, mit hoher Wahrscheinlichkeit vermieden werden können, wenn der Kläger um 11.06 Uhr intubiert worden wäre. In diesem Sinne hat sich der pädiatrische Sachverständige schon in seinem ersten Gutachten geäußert, wonach sich die durch die Einschaltung von Hebamme und Stationsärztin eingetretene Verzögerung "wahrscheinlich noch voll hätte kompensieren lassen", wenn der Beklagte Ziff. 4 den Kläger sofort intubiert und beatmet hätte (Gutachten Bl. 371). Dies hängt, wie schon oben ausgeführt, damit zusammen, daß die für die Schädigung in erster Linie ursächlich zu machende Störung der Mikrozirkulation durch die Fortdauer des Atemnotsyndroms bei persisitierendem fetalem Kreislauf wesentlich verstärkt wird. Eine kurze Zeit nach 11.12 Uhr durchgeführte Intubation wäre danach zumindest geeignet gewesen, die Schädigung des Klägers zu vermeiden, nachdem der zeitliche Gewinn - verglichen mit der später durchgeführten Intubation - bei etwa einer halben Stunde gelegen hätte (vgl. Prof. Dr. v. Sto in seinem Gutachten vom 21.06.99, Bl. 525; auf Bl. 524 wird insoweit von einem "Gewinn" gesprochen; ferner Prof. Dr. Str im Termin vom 19.10.99, Bl. 604, wonach bereits eine Behandlungsverzögerung von einer halben Stunde von entscheidender Bedeutung sein kann).

b) Auch im Fall des Beklagten Ziff. 4 gehen die bestehenden Zweifel an der Vermeidbarkeit einer Schädigung des Klägers zu seinen Lasten. Die Kausalität seines Fehlers ist zu vermuten, da ihm ein grober Behandlungsrehler zur Last zulegen ist.

Er hat gegen das auch für ihn als Kinderarzt eindeutig bestehende Handlungsgebot, daß der Kläger angesichts seiner klar erkennbaren akuten Gefährdung umgehend intubiert und beatmet werden muß, dadurch verstoßen, daß er - nicht neben der Benachrichtigung des Kindernotarztes - umgehend auf der Beiziehung eines kompetenten Krankenhausarztes zur Durchführung der Intubation und Beatmung bestandern hat. Zwar befand sich der Beklagte Ziff. 4 angesichts der unzureichenden organisatorischen Vorkehrungen, die das Krankenhaus für den hier vorliegenden neonatologischen Notfall getroffen hat, in einer Überforderungssituation (Prof. Dr. v Sto im Termin vom 19.01.99, Bl. 407); dazu hat er jedoch teilweise selbst beigetragen, weil er in Gesprächen mit dem Chefarzt der geburtshilflichen Abteilung hätte klar machen müssen, daß er bei ernsthaften neonatologischen Notfällen nicht die Verantwortung übernehmen könne (Prof. Dr. v. Sto in seinem Gutachten vom 21.06.99, Bl. 524). In jedem Fall aber mußten bei ihm schon angesichts der Blutgaswerte "alle Alarmglocken läuten", da erkennbar "rasch" gehandelt werden mußte (Prof. Dr. v. Sto im Termin vom 19.11.99, Bl. 605). In dieser Situation ist es letztlich - wie sich auch aus der wertenden Äußerung des Sachverständigen ergibt - unverständlich, nicht mehr vertretbar und darf einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen, daß er sich mit einem Notbehelf - der Maskenbeatmung abfindet -, anstatt einen Kollegen rufen zu lassen, der die notwendige Intubation durchführen kann (vgl. seine Angaben im Termin v. 19.01.99, Bl. 409 "... nicht richtig verstehen kann"). Soweit Verständnis für das Verhalten des Beklagten Ziff. 4 geäußert wird, geschieht dies ersichtlich aufgrund der im Rechtssinne unerheblichen Erwägung, daß der Beklagte Ziff. 4 sich persönlich zu einer Intubation nicht in der Lage sah (Bl. 409: "Wenn er diese Kompetenz nicht hatte, muß ich mich auf die vorher schon gegebene Wertung zurückziehen, daß niemand über seine Fähigkeiten hinaus kritisiert werden kann").

Dabei muß auch berücksichtigt werden, daß es bei der Bewertung des ärztlichen Verhaltens nicht um eine Sanktion für Arztverschulden, sondern um einen Ausgleich dafür geht, daß das Spektrum der für eine Schädigung in Betracht kommenden Ursachen gerade durch den Fehler besonders verbreitert bzw. verschoben worden ist (Steffen/Dressier, Arzthaftungsrecht, 7. Aufl., Rn. 516). Das ist hier der Fall. Hätte der Beklagte Ziff. 4 einen entsprechenden Ruf veranlaßt, hätten der anwesende Oberarzt oder der Chefarzt die Intubation durchführen können, von welcher der Kläger mit großer Wahrscheinlichkeit profitiert hätte.

c) Das im Schriftsatz des Beklagten Ziff. 4 vom 07.12.99 nachgereichte Vorbringen gibt keinen Anlaß, erneut in die Beweisaufnahme einzutreten. Auch der Senat geht davon aus, daß die Kausalität des Beitrags des Beklagten Ziff. 4 nicht erwiesen ist. Die Kausalität ist aber auch nicht äußerst unwahrscheinlich, da der Zustand des Klägers beim Eintreffen des Beklagten Ziff. 4 keineswegs hoffnungslos war. Auch die erneut angesprochenen Fragen zur Qualität der Maskenbeatmung und den anzustellenden differentialdiagnostischen Erwägungen sind erschöpfend behandelt. Auf die Möglichkeit zur Anlegung einer Infusion kommt es nicht an. Allein der Umstand, daß der vom Krankenhausträger zu vertretende ursächliche Beitrag, der zeitlich vor demjenigen des Beklagten Ziff. 4 liegt, höher wiegen mag als derjenige des Beklagten Ziff. 4, kann diesen im Verhältnis zum Kläger nicht entlasten.

3. Die Ansprüche des Klägers sind - soweit sie sich auf Delikt stützen - gegenüber dem Beklagten Ziff. 4 auch nicht verjährt. Für die erforderliche Kenntnis des Geschädigten von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen reicht es nicht aus, daß die Eltern des Klägers noch im Jahr 1994 Kenntnis von dem Vorliegen einer Hirnschädigung erhielten, zu der es durch Vorgänge unmittelbar nach der Geburt gekommen sei. Es ist darüber hinaus die Kenntnis der Umstände erforderlich, daß und an welcher Stelle der Arzt von der Standardbehandlung abgewichen ist (vgl. Steffen/Dressier, Arzthaftungsrecht, 7. Aufl., Rn. 480 m.w.N.). Diese Voraussetzungen hat der Beklagte Ziff. 4 nicht dargetan.

IV.

Die Beklagten Ziff. 1 und 4 können nach allem den ihnen obliegenden Beweis dafür, daß für die Schädigung des Klägers von ihnen nicht zu vertretende Umstände ursächlich gewesen sind, nicht führen. Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Str ist davon auszugehen, daß eine progrediente stoffwechselbedingte oder heredodegenerative Erkrankung nicht vorgelegen hat. Auch sind eine intrauterin erworbene Erkrankung, ein Trauma oder toxische Enzephalopathien ebensowenig wahrscheinlich wie eine primär hypoxische prä- oder intranatale Enzephalopathie (Gutachten Bl. 456).

V.

Die Berufung gegen die Beklagte Ziff. 3 bleibt ohne Erfolg. Die Behandlung der Beklagten Ziff. 3 war zwar nicht in jeder Hinsicht fehlerfrei. Ihr etwa vorzuwerfende Versäumnisse rechtfertigen indes keine Umkehr der Beweislast. Sie hat deshalb nicht für die Schädigung des Klägers einzustehen.

Sie hatte sich zunächst durch eine orientierende Untersuchung selbst ein Bild von der Lage zu machen. Angesichts ihrer eigenen Einschätzung der Lage hätte ihr aber klar sein müssen, daß der Fall ihre Kompetenz überschreiten würde und deshalb ein kompetenter Krankenhausarzt hinzuzuziehen war, damit dieser über die zu treffenden Maßnahmen entscheidet, ggf. im Benehmen mit dem bereits gerufenen Kinderarzt. Auch kommt in Betracht, daß sie - ungeachtet ihrer fehlenden Zuständigkeit - angesichts der erkannten Notlage sogleich den Kindernotarzt hätte verständigen müssen. Nach dem Erscheinen des Beklagten Ziff. 4 hätte sie, nachdem die Intubation aufgeschoben war, an die Benachrichtigung eines kompetenten Krankenhausarztes denken können. Diese Erwägungen hätte die Beklagte Ziff. 3 trotz unklarer Organisationsstruktur anstellen können.

Auch hätte bei sofortiger Verständigung des Oberarztes oder Chefarztes durch die Beklagte Ziff. 3 und nachfolgender Intubation die Chance bestanden, die bereits eingetretene Gefährdung des Klägers zu kompensieren.

Die angesprochenen Versäumnisse der Beklagten Ziff. 3 rechtfertigen indessen nicht die Bewertung als grobe ärztliche Behandlungsfehler. Keiner der Sachverständigen hat die Verrichtungen der Beklagten in diesem Sinne kritisiert. Ihre Handlungsweise erscheint noch verständlich, wenn sie davon ausging, daß mit dem dringlich gemachten Ruf nach dem Beklagten Ziff. 4 in ausreichender Weise für eine kompetente Behandlung gesorgt war. Hinsichtlich des unterlassenen Notrufs wird sie dadurch entlastet, daß sie - unwidersprochen - nicht dazu ermächtigt war, den Kindernotarzt selbst zu verständigen (Bl. 400). Soweit in Betracht steht, daß sie den diensthabenden Oberarzt oder Chefarzt hätte rufen müssen, wird sie dadurch entlastet, daß wegen des bereits gerufenen Beklagten Ziff. 4 alsbald die Übernahme der Behandlung durch einen Facharzt anstand. Sie durfte in der gegebenen Situation darauf vertrauen, daß dieser zur Bewältigung des anstehenden Notfalls in der Lage sein würde. Nach dessen Erscheinen ist zumindest verständlich, daß sie sich seinen Entscheidungen untergeordnet hat.

VI.

Da der Beklagte Ziff. 1 somit aufgrund erwiesener Behandlungsfehler haftet, kann dahinstehen, ob eine Anknüpfung auch wegen nicht ausreichender Aufklärung des Geburtsablaufs gegeben wäre, weil es etwa nach Ablauf einer Zeitspanne von 10 Stunden geboten war, die Frage einer Geburtseinleitung im Hinblick auf die Gefahr einer kindlichen Infektion mit der Schwangeren zu erörtern. Der Sachverständige Prof. Dr. Kr hat diese Frage immerhin bejaht (Termin vom 19.01.99, Bl. 404). Es kann ferner offen bleiben, ob die Schädigung des Klägers auf die nicht ausreichende Aufklärung des gewählten Geburtskonzepts zurückgeführt werden könnte und ob hierfür der Kläger beweisen müßte, daß sich seine Mutter sich für eine Einleitung entschieden und in diesem Fall die Geburt so frühzeitig erfolgt wäre, daß die Infektion des Klägers nicht eingetreten wäre.

VII.

Die Beklagten Ziff. 1 und 4 schulden dem Kläger den Ersatz des geltend gemachten materiellen Schadens sowie ein Schmerzensgeld in Höhe von 200.000 DM und eine monatliche Schmerzensgeldrente von 700,00 DM. Ferner ist festzustellen, daß die Beklagten verpflichtet sind, den - bezogen auf den Zeitpunkt der am 18.07.96 eingetretenen Rechtshängigkeit der Klage - künftig entstehenden materiellen Schaden des Klägers zu ersetzen, der diesem aus der unzureichenden nachgeburtlichen Behandlung durch die Beklagten entstanden ist.

1. Soweit der Kläger seinen materiellen Schaden auf Fahrtauslagen seiner Eltern stützt, sind die geltend gemachten Fahrten und die dabei zurückgelegte Wegstrecke nicht im Streit. Insgesamt betragen diese 11.788 km Der Senat hat keine Bedenken, der Bemessung einen Betrag von 0,50 DM pro km zugrundezulegen (§ 287 ZPO). Danach ergibt sich ein materieller Schaden in Höhe von 5.889,00 DM.

Auch die weiteren geltend gemachten Schädenspositionen - Selbstkostenanteile für Fahrtkosten, Unterbringungs- und Behandlungskosten, Kosten für einen Sicherheitssitz und Haltegurte - über insgesamt 1.527,60 DM sind plausibel dargelegt und soweit erforderlich - durch Unterlagen belegt.

Der geltend gemachte materielle Schaden beträgt danach 7.416,60 DM 2. Dem Kläger steht ein Schmerzensgeld in Höhe von 200.000,00 DM und eine monatliche Schmerzensgeldrente von 700,00 DM zu (§ 847 BGB). Das entspricht einem Gesamtkapital von rund 350.000,00 DM. Die vom Kläger angestrebte Größenordnung von Schmerzensgeldkapital und Rente stehen nicht in Einklang mit den Bemessungsgrundsätzen bei vergleichbaren Schadensbildern.

a) Nach den Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. Str liegt beim Kläger eine Zerebralparese mit hypotonem Muskeltonus und einer leichten muskulären Spastik vor. Es besteht eine in ihrem Ausmaß noch nicht befriedigend definierte Schwerhörigkeit infolge erschwerter Nahrungsaufnahme hat der Kläger eine körperliche Mangelentwicklung (Dystrophie) genommen. Auch geistig ist er erheblich in seiner Entwicklung zurückgeblieben. Der Rückstand in der geistigen Entwicklung erscheint jedoch nicht so gravierend wie die Störung der Motorik und der sprachlichen Entwicklung. Bei der Untersuchung durch den Sachverständigen fand dieser den damals 5 1/2 Jahre alten Kläger motorisch auf dem Stand eines 6-8 Monate alten Säuglings, sprachlich auf dem Stand eines 1/2 Jahre alten Kindes und geistig etwa auf dem Stand eines 3-jährigen Kindes. Es besteht eine vollständige Abhängigkeit bei allen Verrichtungen des täglichen Lebens, eine sehr stark erhöhte Irritierbarkeit bei erschwerter Nahrungsaufnahme und erschwertem Schlaf. Er wird immer auf fremde Hilfe angewiesen sein.

b) In einem solchen Fall ist nicht nur für die Einbuße an personaler Qualität als solche ein Ausgleich zu leisten (hierzu vgl. BGHZ 120, 1 = NJW 1993, 781 = VersR 1993, 723). Vielmehr ist allgemeiner Auffassung entsprechend für die Bemessung der immateriellen Entschädigung in erster Linie das Ausmaß der konkreten Lebensbeeinträchtigung ausschlaggebend. Im Vordergrund steht dabie die Ausgleichsfunktion des Schmerzensgeldes. Dabei sind je nach dem Ausmaß der Beeinträchtigung und dem Grad der dem Verletzten verbliebenen Erlebnis- und und Empfindungsfähigkeit Abstufungen vorzunehmen.

Der Senat hält zum Ausgleich der immateriellen Nachteile des Klägers eine Entschädigung für angemessen, die einem Kapitalbetrag von rund 350.000,00 DM entspricht. In einem vergleichbar Fall mit geringeren Bewegungseinschränkungen und einem etwas höheren Maß an erhaltener Erlebnis- und Empfindungsfähigkeit hat der Senat ein Schmerzensgeld von 300.000,00 DM zugesprochen (Urt. v. 26.01.95 - 14 U 62/93, - Stammhirnschädigung mit Störung der Atem und Schluckfunktion bei nächtlicher Beatmungspflichtigkeit, Lähmungserscheinungen, Gleichgewichtsstörungen, geistiger Behinderung, aber mit der Fähigkeit, sich sprachlich auszudrücken). Den Fall des Klägers erachtet der Senat als insgesamt noch schwerwiegender.

Mit dieser Bewertung befindet sich der Senat in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte (OLG Hamm NJW-RR 1993, 537 250.000,00 DM bei Hirnschädigung mit Epilepsie, spastischer Diplegie und geistiger Behinderung; OLG Schleswig VersR 1994, 310 - Gesamtkapital von rund 340.000,00 DM - 200.000,00 DM Kapital, monatliche Rente von 600,00 DM bei schwerer residueller Hirnschädigung mit Entwicklungsverzögerung; OLG Frankfurt OLGR 1993, 281 = MedR 1995, 75 mit nachfolgender Entscheidung des BGH v. 12.07.94 = VersR 1994, 1303 - 200.000,00 DM Kapital und monatliche Rente von 600,00 DM bei schwerem inkompletten Querschnittssyndrom und beidseitiger unvollständige Lähmung der unteren Gliedmaßen als Folge einer Geburt; OLG München VersR 1997, 977 - 290.000 DM Kapital und 500,00 DM monatliche Rente bei Tetraparese, eingeschränkter Feinmotorik und geistiger Behinderung).

Neben einem Schmerzensgeldbetrag kann zusätzlich eine Schmerzensgeldrente zuerkannt werden, wenn schwere lebenslange Beeinträchtigungen anstehen und sich der Geschädigte der schweren Beschränkungen seiner Lebenssphäre auch bewußt werden kann. Das ist hier der Fall. Der Senat hat bei der Bildung des Verhältnisses zwischen Kapitalbetrag und Rente auch die Vorstellungen des Klägers mit berücksichtigt. Ein monatlicher Betrag von 700,00 DM ist danach angemessen. Dabei hat der Senat einen Kapitalisierungsfaktor von rund 18 und eine Verzinsung von 5,5% zugrundegelegt.

3. Ferner ist die begehrte - ersichtlich auf den Zeitpunkt der Rechtshängigkeit der Klage bezogenen - Feststellung begründet, daß die Beklagten als Gesamtschulder verpflichtet sind, dem Kläger sämtlichen künftigen materiellen Schaden zu ersetzen, den er aufgrund der fehlerhaften nachgeburtlichen Behandlung erlitten hat und erleidet.

VIII.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 100 ZPO, diejenige zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO. Der Wert des Feststellungsantrags war dabei mit 100. 000,00 DM anzusetzen.

Ende der Entscheidung

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