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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 26.09.2000
Aktenzeichen: 14 U 32/00
Rechtsgebiete: AMG, ZPO


Vorschriften:

AMG § 84
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
Die generelle Möglichkeit einer Infektion durch Blutplasmaprodukte und der zeitlich plausible Zusammenhang zwischen Injektion und Entdeckung der Infektion genügt nicht, um einen Anscheinsbeweis für eine Infektion durch Blutplasmaprodukte zu führen. Voraussetzung eines Anscheinsbeweises ist, daß in der Trägersubstanz der spezifische Erreger nachweislich vorhanden war.

Haftung nach dem AMG § 84.


Oberlandesgericht Stuttgart - 14. Zivilsenat - im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 14 U 32/00 25 O 266/99 LG Stuttgart

verkündet am 26. September 2000

Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

In Sachen

hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart auf die mündliche Verhandlung vom 19. September 2000 unter Mitwirkung

der Vors. Richterin am OLG

des Richters am OLG

des Richters am OLG

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 07.01.00 - 25 O 266/99 - wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung von 20.000,00 abwenden, wenn nicht die Beklagte vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Wert der Berufung bis 300.000,00 DM;

Beschwer der Klägerin: über 60.000,00 DM.

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt Ersatz ihres materiellen Schadens und Schmerzensgeld sowie Feststellung der Ersatzpflicht für künftige Schäden wegen einer Infektion mit Hepatitis-C Viren (HCV), die sie auf eine Impfung mit dem Blutpräparat Gammabulin A der Fa. I zurückführt. Die Beklagte ist Rechtsnachfolgerin der Fa. I.

Die Klägerin befand sich vor der Entdeckung der Infektion zweimal in stationärer Behandlung und unterzog sich dabei folgenden Eingriffen: 1973 der Einbringung von Brustimplantaten, 1979 einer Nephropexie mit Ureterolyse.

Am 09.04.1990 ließ sich die Klägerin wegen einer bevorstehenden Reise nach Kenia zur Hepatitis-A-Prophylaxe vom betriebsärztlichen Dienst ihres Arbeitgebers mit dem Impfstoff Gammabulin A der Fa. I impfen. Dieser wurde aus Spenderblut einer Vielzahl von Menschen gewonnen. Nach der Fachinformation des Herstellers erfolgte die Herstellung damals aus gepooltem Plasma ausgewählter, auf erhöhte Leberwerte, Hepatitis-B-Antigen und HIV getesteter Spender unter Anwendung der Kälte-Ethanol-Fraktionierung nach C. Die Impfung erfolgte intramuskulär.

Am 17.02.95 wurde bei der Klägerin eine HCV-Infektion festgestellt. Im Juni 1995 wurde nach Leberpunktion der histologische Nachweis einer chronisch aktiven Hepatitis C geführt.

Die Klägerin ist der Auffassung, Ursache ihrer HCV-Erkrankung sei eine durch den Impfstoff Gammaglobulin A bewirkte Infektion. Die Übertragung erfolge in erster Linie durch Blutpräparate. Andere Übertragungswege als Blut- oder Plasmatransfusionen seien in ihrem Fall auszuschließen. Anläßlich der Operationen in 1973 und 1979 seien keine Blut- und Plasmainfusionen vorgenommen worden. Kontakte mit anderen Patienten oder die eher unwahrscheinliche Übertragungsweg durch Geschlechtsverkehrs schieden als Infektionsweg ebenfalls aus. Als Ursache bleibe daher die am 09.04.90 durchgeführte Impfung; sie stelle den einzigen Kontakt der Klägerin mit einem Blutpräparat dar. Das Herstellungsverfahren der Klägerin sei insofern fehlerhaft, als zur Virusinaktivierung lediglich die Kälte-Ethanol-Fraktionierung nach C angewandt worden sei, nicht aber - wie gefordert ein Hitzeinaktivierung (Pasteurisierung). Auch sei eine Hepatitis C Antikörpertestung der Blutspender vorwerfbar unterlassen worden. Wegen der Kosten für Fahrten zu Ärzten und Kliniken, anläßlich stationärer Aufenthalte, für Medikamente und wegen Verdienstausfalls und Ausfalls von Rentenzahlungen sowie Verdienstausfalls ihres Mannes sei ein Schaden von 38.232,57 DM entstanden. Ein Schmerzensgeld im Mindestbetrag von 150.000,00 DM sei angemessen, ferner die Zahlung einer Rente.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes, in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld nebst 4% Zinsen für den Zeitraum vom 09.04.90 bis Rechtshängigkeit zu bezahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin eine monatliche Schmerzensgeldrente in Höhe von 1.000,00 DM, beginnend am 01.07.99, jeweils vierteljährlich im voraus zum 01.07., 01.10., 01.01. und 01.04. eines jeden Jahres zu bezahlen,

3. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 38.232,57 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu bezahlen,

4. festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche zukünftigen materiellen Schäden, die aus der Impfung vom 09.04.90 resultieren, zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, der behauptete kausaler Zusammenhang zwischen der Impfung der Klägerin mit dem Präparat Gammabulin A und der HCV-Infektion beruhe lediglich auf Mutmaßung. Das Präparat sei nicht fehlerhaft gewesen. Es sei auch nicht geeignet gewesen, die Infektion zu verursachen. Fälle einer HCV-Infektion durch intramuskuläre Injektion von Blutprodukter seien bisher nicht beobachtet worden. Die Kälte-Ethanol-Fraktionierung sei zur Elimierung nicht erwünschter Proteine ausreichend gewesen; eine Pasteurisierung sei nicht erforderlich gewesen. Die Herstellung habe dem anerkannten Stand von Wissenschaft und Technik im Jahre 1990 entsprochen. Ein Test auf HCV-Antikörper sei erst ab Ende 1990 verfügbar gewesen. Eine Übertragung der Infektion durch verunreinigte medizinische Geräte und Kontakt mit infizierten Menschen könne angesichts des Vorbringens der Klägerin nicht ausgeschlossen werden.

Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Voraussetzungen des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs habe die Klägerin nicht schlüssig dargetan. Gegen dieses ihr am 26.01.00 zugestellte Urteil hat sie am 25.02.00 Berufung eingelegt und diese am 25.04.00 - innerhalb verlängerter Frist - begründet.

Die Klägerin wiederholt und vertieft ihr Vorbringen. Dieses sei hinreichend schlüssig. Das Landgericht hätte deshalb Sachverständigenbeweis erheben müssen. Sie macht geltend, schon 1988 sei eine Pasteurisierung von Blutprodukten zwingend erforderlich gewesen. Darin liege ein Herstellungsfehler. Deshalb habe die Gefahr einer Virusübertragung bestanden. Zum Nachweis der Virusübertragung komme ihr der Anscheinsbeweis zur Hilfe.

Die Klägerin beantragt, jeweils unter Abänderung des angefochtenen Urteils

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes, in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld nebst 4 % Zinsen für den Zeitraum vom 09.04.90 bis Rechtshängigkeit zu bezahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin eine monatliche Schmerzensgeldrente in Höhe von 1.000,00 DM, beginnend am 01.07.99, jeweils vierteljährlich im voraus zum 01.07., 01.10., 01.01. und 01.04. eines jeden Jahres zu bezahlen,

3. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 38.232,57 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu bezahlen,

4. festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche zukünftigen materiellen Schäden, die aus der Impfung vom 09.04.90 resultieren, zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für richtig. Sie wiederholt und vertieft ihr Vorbringen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens, das der Sachverständige Prof. Dr. R am 17.08.00 vorgelegt (Bl. 224 ff.) und im Termin vor dem Senat ergänzend erläutert hat (Bl. 259). Hierauf wird verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung bleibt ohne Erfolg. Das Landgericht hat im Ergebnis zutreffend die Klage abgewiesen. Die Klägerin kann nicht beweisen, daß ihre im Jahr 1995 festgestellte chronisch aktive HCV-Infektion durch das am 09.04.90 intramuskulär verabreichte Medikament Gammabulin A I der Rechtsvorgängerin der Beklagten verursacht worden ist. Schon aus diesem Grund scheiden Ansprüche auf Schadensersatz - auf deliktischer oder arzneimittelrechtlicher Grundlage - aus. Die Voraussetzungen für die Führung des Beweises nach Anscheinsgrundsätzen sind nicht gegeben.

I.

1.

Die Klage ist zum Haftungsgrund schlüssig. Sie hätte deshalb nicht mit der vom Landgericht gegebenen Begründung abgewiesen werden dürfen. Die Klägerin behauptet einen kausalen Zusammenhang zwischen der Verabreichung von G A I und der bei ihr festgestellten HCV Infektion. Diese Behauptung ist hinreichend substantiiert vorgetragen, auch wenn sich bereits aus den von der Klägerin vorgelegten Unterlagen und Gutachten (Stellungnahme Prof. Dr. H vom 06.08.97, Anl. K9 und erneut BK1). Zweifel an der Möglichkeit eines Nachweises ergeben. An die Substantiierung einer Haftung in Arzneimittelfällen dürfen - wie in Arzthaftungsfällen - keine überhöhten Anforderungen gestellt werden (BGH Urt. v. 19.03.91 - VI ZR 248/90 = NJW 1991, 2351, 2352 zum Mißverhältnis zwischen Nutzen und schädlichen Wirkungen bei bestimmungsgemäßem Gebrauch gem. § 84 S. 2 AMG). Auch ist mit dem Vorwurf, es hätte eine Virusinaktivierung durch Hitze (Pasteurisierung) erfolgen müssen, ein Fehler in der Herstellung behauptet, wenngleich die dazu vorgelegten Unterlagen ein entsprechendes Gebot nicht belegen.

2.

Die Klägerin kann jedoch nicht beweisen, daß ihre HCV-Infektion auf die am 09.04.90 durchgeführte Injektion von 2 ml Gammabulin-A der Fa. I zurückzuführen ist oder davon nach Grundsätzen der Anscheinshaftung auszugehen ist. Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung - auch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes - oder nach dem Arzneimittelgesetz nur auf Ersatz des materiellen Schadens - scheiden deshalb aus, ohne daß es darauf ankommt, ob die weiteren zusätzlich erforderlichen Voraussetzungen erfüllt sind, insbesondere ob ein Fehler in der Herstellung oder Entwicklung des Medikaments vorliegt.

a) Die Klägerin kann einen direkten Beweis für ihre Behauptung nicht führen. Die Überzeugung von der Wahrheit erfordert zwar keine absolute oder unumstößliche Gewißheit, da eine solche nicht zu erreichen ist. Die persönliche Überzeugung des Tatrichters setzt lediglich einen für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewißßheit voraus, der vernünftige Zweifel ausschließt (BGHZ 7, 116, 119; 18, 311, 318; 53, 245, 255). Diese Überzeugung läßt sich im vorliegenden Fall nicht gewinnen. Die Klägerin vermag aufgrund der von ihr selbst vorgelegten Unterlagen und des vom Senat eingeholten Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. R allenfalls zu belegen, daß die Injektion vom 09.04.90 ihre Infektion verursacht haben kann, da diese Möglichkeit nach dem Stand der Wissenschaft nicht auszuschließen ist. Es liegt aber eine allenfalls sehr geringe Wahrscheinlichkeit hierfür vor, auch unter Berücksichtigung der von der Klägerin vorgelegten Unterlagen und ihrer Behauptungen zum Ausschluß anderer, in der Regel vorrangig in Betracht kommender Infektionswege. Der Sachverständige erachtet den von der Klägerin behaupteten Infektionsweg für unwahrscheinlich.

Das am 09.04.90 i.V.m. verabreichte Medikament wurde aus dem Plasma einer Vielzahl von Blutspendern gewonnen. Die Möglichkeit einer Kontaminierung des Medikaments u.a. mit HC-Viren und die Gefahr einer Infektion bei seiner Anwendung waren demnach grundsätzlich gegeben (vgl. Gutachten Prof. Dr. R Bl. 225, wonach die Hepatitis C hauptsächlich durch Blut und Blutprodukte sowie Drogenabusus übertragen wird), zumal der - indirekte - Nachweis dieses Virus in Spenderblut vor der Behandlung der Klägerin nicht möglich war (vgl. dazu Prof. Dr. R Bl. 233; im Termin vor dem Senat Bl. 259). Hinsichtlich der Inkubationszeit könnte ein zeitlicher Zusammenhang hergestellt werden (Gutachten Prof. Dr. H S. 2, von der Klägerin vorgelegt).

Das Risiko einer Infektion ist indes als sehr gering anzusehen, da nach der nicht bestrittenen Darstellung der Beklagten zur Herstellung ausschließlich Plasmen von ärztlich kontrollierten Spendern verwendet worden sind, bei denen die Transaminasen gemessen wurden und weder Hepatitis-B-Antigene noch HIV-Antikörper nachweisbar waren. Dadurch wurde das HCV-Übertragunsrisiko gesenkt (Gutachten Prof. Dr. R Bl. 233). Ferner wurden die Plasmen im Rahmen der Herstellung einer Ethanolfraktionierung in der Kälte unterzogen, die zu einer Eliminierung enthaltener Viren führt, wobei freilich streitig ist, ob dies bei alleiniger Ethanolfraktionierung in ausreichendem Umfang geschieht (Gutachten Prof. Dr. R Bl. 230). Dieses von der Rechtsvorgängerin der Klägerin angewandte Verfahren zur Herstellung von Gammaglobulinen entsprach dem Stand der Wissenschaft und Technik im Jahre 1990 (noch einmal klarstellend Prof. Dr. R im Termin vor dem Senat Bl. 259).

Eine Kontaminierung des Impfstoffs mit HC-Viren und eine Übertragung auf die Impfperson ist aber auch deshalb wenig wahrscheinlich, weil das Gammabulin A der Fa. I - und vergleichbare Präparate - in einer sehr großen Zahl von Fällen vor und nach 1990 eingesetzt worden ist, ohne daß bisher in einem einzigen Fall der Nachweis einer Infektion geführt werden konnte. Auch sind - den Fall der Klägerin ausgenommen - keine Verdachtsfälle bei intramuskulärer Gabe von Immunglobulinen bekannt geworden. Die beobachteten Verdachtsfälle, welche erstmals im Jahr 1992 zur Forderung eines verbesserten Inaktivierungsverfahrens durch das Bundesgesundheitsamt geführt haben (Anl. K 16 und BK 4 der Klägerin), betrafen durchweg intravenös verabreichte Präparate; keines stammte von der Fa. I; das hat der Sachverständige Dr. R in seinem Gutachten bestätigt (Bl. 227, 232, 234 und im Termin Bl. 259). Dies betrifft auch den in der ehemaligen DDR Ende der 70er Jahre aufgetretenen Fall verabreichter Anti-D Antikörper (Gutachten Bl. 234).

Vor 1992 war ein anderes als das konkret praktizierte Inaktivierungsverfahren wegen der Gefahr einer HCV-Infektion nicht verlangt. Eine besondere Gefährdungslage hat deshalb nicht bestanden. Die gegenteilige Behauptung der Klägerin trifft nicht zu. Aus dem Zusammenhang der dazu von ihr zitierten Veröffentlichung des BGA im Bundesgesundheitsblatt 1988 (Anl. K16 und BK4) ergibt sich, daß die vorliegend angewandte Kältefällung mittels Ethanol im Rahmen des C-Verfahrens zu den Inaktivierungsverfahren gehörte, deren Wirksamkeit bei HIV-1 und -2 Viren erprobt war. Man war im damaligen Zeitpunkt - auch nach der Entschlüsselung des HC-Virus - der Auffassung, daß dieses Verfahren für die Inaktivierung auch dieses Erregers ausreiche. Diese Technik galt im übrigen bis 1992 als Standard, um Blutprodukte sicherer zu machen (zum ganzen Prof. Dr. R. im Termin vor dem Senat Bl. 259).

Danach ist, wie der gerichtliche Sachverständige zusammengefaßt hat, eine Übertragung des HC-Virus durch intramuskuläre Applikation von Gammaglobulin nicht mit absoluter Sicherheit auszuschließen, jedoch unwahrscheinlich (Bl. 233).

b) Ferner ist im Fall der Klägerin - ihr Vorbringen als richtig unterstellt - ein anderer Übertragungsweg weder zeitlich noch sachlich ausgeschlossen. An der Klägerin sind 1973 und 1979 Eingriffe vorgenommen worden, bei denen - auch ohne Transfusion von Plasma oder Spenderblut - das Risiko einer Infektion mit HCV Viren in einer nicht vernachlässigbaren Größenordnung vorgelegen hat (im Gutachten Prof. Dr. H ist das Risiko mit 0,5% angegeben; bei Bluttransfusion hätte es bei 3,6 % gelegen, dort S. 3). Die Operationen kommen demnach - wie auch die anderen vom Sachverständigen aufgezählten Infektionswege - als Ursache jeweils in Frage (Gutachten Prof. Dr. R Bl. 225 f.).

Ein Beweis, wie er etwa in den Fällen geführt werden kann, daß ein Ereignis nur auf einzelnen, miteinander konkurrierenden Ursachen beruhen kann und dann im Wege des Ausschlußbeweises schließlich nur noch eine Ursache bestehen bleibt (vgl. OLG München VersR 1991, 425 - Darmrohr als verbleibende Infektionsquelle), scheidet danach vorliegend aus. Einer solchen Beweisführung steht ferner entgegen, daß es in den Fällen der HCV-Infektion eine erhebliche Anzahl von Erkrankungen gibt, in denen der Infektionsweg nicht auf bekannte Ursachen zurückgeführt werden kann, sondern ungeklärt bleibt (ebenso im Fall OLG Brandenburg NJW 2000,1500, 1501, von der Beklagten vorgelegt). Nach dem Gutachten des Sachverständigen Dr. R liegt diese Quote bei 40 % (Bl. 225, vgl. auch OLG Brandenburg a.a.O.). Auch nach der von der Klägerin vorgelegten Äußerung Dr. K im Seminar "Virushepatitis C" (Anl.K 91) liegt die Quote bei 20%.

Allein mit der Erwägung, daß die Injektion vom 09.04.90 als Injektionsquelle wahrscheinlicher als die beiden Operationen von 1973 und 1978 ist (so die Stellungnahme Dr. K Anl. BK 3), läßt sich ein Nachweis nicht führen.

c) Die Klägerin kann den erforderlichen Nachweis auch nicht auf indirektem Wege - etwa über den Beweis des ersten Anscheins - führen.

Nach gesicherter Rechtsprechung kann aus dem Ergebnis eines nach Erfahrungssätzen üblichen und typischen Geschehens auf dessen Ablauf geschlossen werden. Das setzt den Nachweis von konkreten Tatsachen voraus, aus denen auf den zu beweisenden Ablauf geschlossen werden kann. Die generelle Möglichkeit einer Infektion durch Blutplasmaprodukte und der zeitlich plausible Zusammenhang zwischen Injektion und Entdeckung der Infektion genügen nicht den Anforderungen, die an eine Beweisführung im Wege des Anscheinsbeweises zu stellen sind. Vielmehr wäre weiter erforderlich, daß die Klägerin den Beweis dafür erbringt, daß der ihr verabreichte Impfstoff konkret mit HC-Viren infiziert war. Dies hat sie nicht getan.

In allen bisher entschiedenen Fällen, in denen der Anscheinsbeweis zum Beweis der Kausalität einer Infektionsquelle für eine Infektionserkrankung herangezogen worden ist, war Voraussetzung, daß in der angeschuldigten Trägersubstanz der spezifische Erreger unstreitig oder nachweislich vorhanden war (BGHZ 114, 284 - Anscheinsbeweis bei Transfusion einer HIV infizierte Blutkonserve an eine später HIV infizierten Person; OLG Brandenburg NJW 2000, 1500, 1502). Zu dieser Gruppe gehört auch der von der Klägerin zitierte Fall des OLG Celle (U. v. 12.06.96 = VersR 1996, 1023 = NJW-RR 1997, 1456) mit der dort angenommenen Möglichkeit des Nachweises, daß das eingenommene Immunglobulinpräparat HC-Viren enthalten hat. Für die Zulassung des Anscheinsbeweises genügt nicht, wenn anhand der erwiesenen Tatsachen nur die Möglichkeit besteht, daß die Trägersubstanz infiziert war (OLG Düsseldorf VersR 1998, 103 - keine Anscheinsbeweis bei Transfusion einer mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht infizierten Blutkonserve; OLG Düsseldorf VersR 1996, 1240 - kein Anscheinsbeweis, wenn die verabreichte Blutkonserve nur möglicherweise HIV-infiziert war; LG Nürnberg-Fürth VersR 1998, 461).

Danach scheidet eine Beweisführung nach Anscheinsgrundsätzen aus.

d) Auch das Herstellungsverfahren des applizierten Impfstoffs bietet keine Ansatzpunkte für eine Erleichterung der Beweisführung. Wie bereits ausgeführt, entsprach das vor der Behandlung angewandte Herstellungsverfahren in der Auswahl und Kontrolle des Spenderbluts und der Inaktivierung von Viren den damals geltenden Anforderungen von Wissenschaft und Technik. Ein Verfahren zum Ausschluß einer HCV-Erkrankung bei Blutspendern stand noch nicht zur Verfügung.

Die Berufung ist daher zurückzuweisen.

II.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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