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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 20.06.2000
Aktenzeichen: 14 U 73/98
Rechtsgebiete:


Vorschriften:

-
1. Der Arzt, an den ein Patient zu einer bestimmten Untersuchung ohne Äußerung eines bestimmten Krankheitsverdachts vom Hausarzt überwiesen wird, darf sich auf die Durchführung dieser Untersuchung beschränken.

2. Ein Radiologe, dem ein Patient vom Hausarzt zur Anfertigung eines CT des Kopfes mit der Angabe "z.B. intracranieller Prozeß" überwiesen wird, ist nicht verpflichtet, statt eines nativen CT ein Kontrastmittel-CT zu fertigen, wenn das CT keinen ungewöhnlichen Befund ergibt.


Oberlandesgericht Stuttgart - 14. Zivilsenat - Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 14 U 73/98 2 O 335/94 LG Hechingen

verkündet am 20. Juni 2000

Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart auf die mündliche Verhandlung vom 16.05.00 unter Mitwirkung

der Vors. Richterin am OLG

des Richters am OLG

der Richterin am OLG

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Hechingen vom 02.10.98 - 2 O 335/94 - wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 50.000,00 DM abwenden, wenn nicht die Beklagten vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Wert der Berufung 761.375,00 DM

Beschwer der Klägerin: über 60.000,00 DM

Tatbestand:

Die Klägerin macht Schadensersatzansprüche wegen einer computertomografischen Untersuchung in der Gemeinschaftspraxis der Beklagten mit der Behauptung geltend, wegen versäumter Kontrastmittelgabe sei ihr Acusticus-Neurinom verspätet diagnostiziert worden.

Die am 23.12.46 geborene Klägerin war 1979 und seit dem 04.11.88 bei Dr. S in hausärztlicher Behandlung. In der dazwischen liegenden Zeit war Dr. D ihr Hausarzt. Nach dessen Unterlagen traten seit Ende 1987 Kopfschmerzen und Schwankschwindel auf. Unter dem 09.10.87 ist dort vermerkt, daß die Klägerin Schwindel habe "(li. Sie höre schlecht, Dröhnen)". Weil die Klägerin mit der Behandlung bei Dr. D nicht mehr einverstanden war, kehrte sie im November 1988 zu Dr. S zurück. Dieser vermerkte u.a. unklare Schwindelzustände, "bei Nervosität Zunahme der Beschwerden" sowie im HWS-Schulter-Arm Bereich Verspannungen; unter der Diagnose vegetativer Beschwerden verordnete er Massagen und Heißluftanwendungen. Aus Anlaß im Krankenblatt vermerkter Schwindelbeschwerden, Kopfschmerzen und Nervosität überwies Dr. S die Klägerin am 03.02.89 zur Anfertigung eines CT im Kopfbereich (im Überweisungsschein jew. angekreuzt, Anlage 3, Blatt 23 a der Akten) in die Praxis der Beklagten. Handschriftlich eingetragen war lediglich die weitere Angabe "z.B. intracranieller Prozeß".

Daraufhin führte der Zweitbeklagte eine computertomografische Untersuchung der Klägerin ohne Verabreichung eines Kontrastmittels durch. In den Krankenunterlagen (auf dem "Skriboraufkleber") wurde handschriftlich vom Beklagten Ziff. 2 vermerkt, daß bei der Klägerin eine Allergie vorliege (vgl. Aufbewahrungsmappe, Blatt 142 a der Akten). Das Ergebnis der Untersuchung teilte der Beklagte Ziff. 2 der Klägerin und gleichlautend in seinem Arztschreiben vom 10.2.1989 dem Hausarzt Dr. S. u.a. wie folgt mit (Anlage 4/Blatt 23 a der Akten):

"Computertomografie des Schädels:

Schichtdicke und Schichtabstand in der hinteren Schädelgrube 5 mm, im übrigen Neurocranium jeweils 10 mm. Nativuntersuchung .... Beurteilung: Unauffällige intracranielle Verhältnisse."

Am 28.02.89 war die Klägerin wieder bei Dr. S, der einen fortbestehenden Drehschwindel vermerkte und eine Infusionsbehandlung einleitete. Unter dem 26.09.89 ist eine Besserung der Beschwerden vermerkt (vgl. zu den einzelnen Terminen das Krankenblatt, Blatt 221 der Akten).

Am 25.02.91 stellte sich die Klägerin wegen hörsturzartiger Hörverschlechterung bei Dr. S vor, der sie deshalb zum HNO-Arzt Dr. E nach A überwies. Dieser veranlaßte eine erneute computertomografische Untersuchung des Kopfes der Klägerin wegen Verdachts auf ein Acusticus-Neurinom.

Diese wurde wieder in der Praxis der Beklagten - nunmehr unter Kontrastmittelgabe - durchgeführt. Sie führte zur Feststellung eines rechtsseitigen Acusticus-Neurinoms von 2,2 cm Durchmesser.

Anfang Juni 1991 fand nochmals eine Kontrolluntersuchung durch Kernspintomografie unter Gabe von Kontrastmittel in der Gemeinschaftspraxis Dr. E & Kollegen in K statt. Diese ergab das Bild eines 2,2 x 2,4 cm großen, stark Kontrastmittel aufnehmenden Tumors, der in den inneren Gehörgang hinreicht (Anlage 7, Blatt 23 a der Akten).

Die Klägerin ließ die erforderliche Operation an der Universitätsklinik in M. durchführen. Am 04.07.91 wurde eine Totalexstirpation des AcusticusNeurinoms durchgeführt (vgl. zum Verlauf dieser Operation das Arztschreiben vom 12.07.91 an Dr. S (Anlage 9, Blatt 23 a der Akten). Bei stationärer Aufnahme hatte bereits eine diskrete Mundastschwäche rechts bestanden. Es war ein kompletter Hörverlust eingetreten. Postoperativ war eine Facialis-Schwäche rechts - mit rückläufiger Tendenz - erkennbar. In dem Attest Dr. S vom 20.07.93 werden eine Defektheilung mit Drehschwindel, Tinnitus, Taubheit und Restparese des rechten Facialisnervs sowie eine depressive Verstimmung bestätigt. Seit dem 07.05.93 bezieht die Klägerin eine EU-Rente. Die von ihr bis dahin selbständig betriebene Lohnstickerei hatte sie schon am 31.03.92 an ihren Ehemann H R B verkauft (vgl. Schreiben des Steuerberaters Ep vom 04.07.94, Blatt 59; sowie Rechnung vom 01.06.92, Blatt 61 f der Akten).

Mit Bescheid vom 07.09.94 wurde der Klägerin mitgeteilt, daß die zunächst bewilligte Zeitrente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 01.06.94 als Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Dauer weitergewährt wird (vgl. Bescheid vom 07.09.94, Blatt 88 der Akten).

Die Klägerin hat die Auffassung geäußert, der Beklagte Ziff. 2 habe als verantwortlicher Arzt im Februar 1989 schuldhaft die Diagnose des bereits vorhandenen Acusticus-Neurinoms versäumt, da er die CT-Untersuchung ohne Kontrastmittels durchgeführt habe. Sie hat vorgetragen, sie leide nicht an einer Kontrastmittelallergie. Sie habe von Anfang an auch von Ohrgeräuschen sowohl gegenüber Herrn Dr. S als auch gegenüber dem Beklagten Ziff. 2 gesprochen. Da das Acusticus-Neurinom erst bei der Untersuchung im Februar 1991 festgestellt worden sei, sei die Operation um ca. 2 1/2 Jahre verzögert worden, was zu schweren dauerhaften Gesundheitsschäden bei ihr geführt habe. Aufgrund ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigung halte sie ein Schmerzensgeld von mindestens 110.000,00 DM für angemessen. Für die Vergangenheit sei ihr ein Verdienstausfall in Höhe von 213.395,00 DM entstanden, weil sie ihren Lohnstrickereibetrieb habe aufgeben müssen. Die Haushaltshilfekosten machten 37.920,00 DM, aus, der sonstige materielle Schaden betrage 6.748,-- DM.

Die Klägerin hat beantragt:

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld aus der Behandlung im Februar 1989 zu zahlen, dessen Höhe in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch 110.000,-- DM nebst 2,5% Zinsen über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank, mindestens verzinslich jedoch mit 4% Zinsen seit dem 1. Oktober 1991.

2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin DM 251.375,-- nebst 2,5% Zinsen über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank, mindestens verzinslich jedoch mit 4% Zinsen und zwar aus DM 64.419,80 ab 1.10.1991, bezüglich des verbleibenden Restes von DM 186.955,20 ab Rechtshängigkeit (ab 15.8.1994).

3. Es wird festgestellt, daß die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche weiteren immateriellen Schäden der Zukunft sowie sämtliche materiellen Schäden ab 1.7.1994 zu ersetzen, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten haben die Auffassung geäußert, das Absehen von einer Kontrastmittelgabe stelle angesichts der Fragestellung des Auftrags keinen Behandlungsfehler dar. Eine besondere Verdachtsdiagnose habe der Überweisungsschein nicht enthalten. Die Klägerin habe zu diesem Zeitpunkt noch nicht über eine Hörminderung oder ein Dröhnen im Ohr geklagt, so daß sich, selbst bei Nachfrage keine Hinweise auf ein Acusticus-Neurinom ergeben hätten. Von eventuell früher bei Dr. D geäußerten Hörproblemen habe weder der Hausarzt Dr. S noch der Beklagte Ziff. 2 selbst Kenntnis erlangt. Ferner sei der untersuchende Radiologe nicht verpflichtet, selbst eine Diagnose zu stellen. Aufgabe des Radiologen sei die Prüfung, ob die angeforderte Untersuchung unter der Fragestellung des überweisenden Arztes sinnvoll sei, sowie die Befundung der dann durchgeführten Untersuchung. Auch sei die Klägerin auf eine Allergieneigung befragt worden und habe eine solche bejaht, da ansonsten ein entsprechender Vermerk auf dem Skriboraufkleber nicht vorgenommen worden könne.

Die Beklagten bestreiten das Bestehen gesundheitlicher Beeinträchtigungen infolge einer um 2 1/2 Jahre später durchgeführten Operation und den von der Klägerin geltend gemachten materiellen Schaden.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.

Die Beklagten haben Dr. S den Streit verkündet und ihn aufgefordert auf Seiten der Beklagten dem Rechtsstreit beizutreten (Blatt 191 d.A.). Dr. S ist dem Rechtsstreit nicht beigetreten.

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch die Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. Sch Leiter der Sektion Neuroradiologie der Albert L Universität F (Blatt 146 ff der Akten). Der Sachverständige hat sein Gutachten mündlich erläutert (vgl. Protokoll vom 26.01.98, Blatt 201 ff der Akten). Ferner wurde Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen Dr. S und H-R B (Protokoll vom 26.01.98, Blatt 199 ff der Akten, sowie auf das Protokoll vom 24.06.98, Blatt 246 ff der Akten).

Das Landgericht hat mit Urteil vom 02.10.98 die Klage abgewiesen. Es hat angenommen, daß angesichts der Aufgabenstellung und der dem Beklagten Ziff. 2 bekannt gewesenen Umstände eine Kontrastmitteluntersuchung nicht geboten gewesen sei. Gegen dieses Urteil der Klägerin am 03.11.98 zugestellte Urteil hat diese am 02.12.98 Berufung eingelegt und diese am 22.02.99 - innerhalb verlängerter Frist - begründet.

Der Beklagte Ziff. 2 habe eine Kontrastmitteluntersuchung durchführen müssen. Sie trägt vor, der Beklagte Ziff. 2 habe angesichts ihres Hinweises auf Ohrgeräusche und Dröhnen um die Hörverschlechterung wissen müssen und eine zum Tumorausschluß geeignete Untersuchung durchführen müssen. Dies ergebe sich bereits aus der Fragestellung.

Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld aus der Behandlung im Februar 1989 zu bezahlen, dessen Höhe in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch 110.000,00 DM nebst 2,5% Zinsen über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank, mindestens verzinslich jedoch mit 4% Zinsen seit dem 01.10.91;

2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin DM 251.375,00 nebst 2,5% Zinsen über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank, mindestens verzinslich jedoch mit 4% Zinsen aus DM 64.419,80 ab 01.10.91, bezüglich des verbleibenden Restes von 186.955,20 DM ab Rechtshängigkeit;

3. festzustellen, daß die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche weiteren immateriellen Schäden der Zukunft sowie sämtliche materiellen Schäden ab 01.07.94 zu ersetzen, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.

Die Beklagten beantragen

die Berufung zurückzuweisen.

Sie vertiefen ihr Vorbringen. Sie bestreiten, daß zum Zeitpunkt der ersten Untersuchung bereits ein Acusticus-Neurinom vorgelegen habe. Über bei der Klägerin bestehende Ohrgeräusche und Dröhnen sei im Zusammenhang mit der Untersuchung nicht berichtet worden. Zu der in Auftrag gegebenen Untersuchung habe nicht die Gabe eines Kontrastmittels gehört.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Der Senat hat den Sachverständigen Prof. Dr. Sch ergänzend angehört. Auf das Protokoll der Sitzung vom 16.05.00 wird verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die zulässige Berufung bleibt ohne Erfolg. Das Landgericht hat mit zutreffenden Erwägungen die Klage abgewiesen. Dem Beklagten Ziff. 2 ist im Rahmen der ihm übertragenen Aufgabe ein diagnostisches Verschulden nicht nachzuweisen. Er durfte sich auf die Durchführung und Auswertung eines nativen Schädel-CT beschränken. Zur Anfertigung eines Kontrastmittel-CT bestand angesichts der allgemein gehaltenen Fragestellung und des im nativen CT erhobenen Befundes kein Anlaß. Nicht erweislich ist in diesem Zusammenhang, daß die Klägerin den Beklagten Ziff. 2 auf Symptome hingewiesen hat, die Anlaß zu einer Erweiterung der Untersuchung hätten geben können.

1.

Der an die Praxis der Beklagten gerichtete Untersuchungsauftrag war allgemein gehalten. Er bezog sich auf die Durchführung eines Schädel-CT unter der Erwägung "z.B. intracranieller Prozesses". Dementsprechend durfte das Standardverfahren, nämlich Anfertigung eines nativen Schädel-CT, angewendet werden. Diese Untersuchung hat der Beklagte Ziff. 2 ordnungsgemäß vorgenommen. Eine etwa gebotene Nachfrage hätte zu keiner Erweiterung des Untersuchungsauftrags geführt.

a) Der Beklagte Ziff. 2 war vom behandelnden Hausarzt, dem Zeugen Dr. S, mit der Durchführung eines Schädel-CT zur Abklärung eines "intracraniellen" Prozesses beauftragt worden. Mehr ergibt sich aus dem Überweisungsformular nicht.

b) Diesen Auftrag hat der Beklagte Ziff. 2 ordnungsgemäß erfüllt. Anhand der Fragestellung genügte die Anfertigung eines nativen Schädel-CT in der gewählten Technik. Das gefertigte Bild hat der Beklagte Ziff. 2 zutreffend als unauffällig bewertet.

Die Aufgabe- und Fragestellung war allgemein gehalten. Sie enthielt weder eine Verdachtsdiagnose noch die für die Untersuchung Anlaß gebenden Symptome des überweisenden Arztes. Es ging somit lediglich um eine routinemäßige Abklärung der Frage, wie sich die Schädelstrukturen in einem Computertomogramm darstellen.

Dies war auch das Anliegen des überweisenden Hausarztes. Dieser hatte angesichts unklarer Schwindel- und Kopfschmerzbeschwerden der Klägerin noch keinen spezifischen Verdacht. Aus seiner Sicht diente die Untersuchung allgemein dem Ausschluß möglicher hirnorganischer Ursachen (so der Zeuge Dr. S im Termin vom 26.01.98, Bl. 199 der Akten). Das Schädel-CT wurde von ihm veranlaßt, weil ein solches noch nicht gefertigt worden war, nicht weil er an ein tumoröses Geschehen gedacht hat (a.a.O.).

Diesen allgemein gehaltenen Auftrag hat der Beklagte mit der Durchführung der Standarduntersuchung, nämlich der Anfertigung eines nativen Schädel-CT, ordnungsgemäß erfüllt. Diese Art der Erledigung hat der zwischen Allgemeinarzt und Radiologen üblichen Handhabung entsprochen. Der dazu noch einmal gehörte Sachverständige hat diese Praxis nicht als fehlerhaft kritisiert, sondern sie als regelgerecht bezeichnet (Termin Bl. 340 der Akten). Ohne Hinweise darauf, daß es um den Ausschluß eines Hirntumors oder um die Abklärung typischer, für eine Erkrankung des Gehörs sprechender Symptome wie Hörminderung oder Gehörverlust ging, war die Anfertigung eines Kontrastmittel-CT medizinisch nicht geboten.

Die von dem Beklagten Ziff. 2 gefertigte Aufnahme zeigte regelgerecht Verhältnisse im Bereich der hinteren Schädelgrube ohne Abweichungen in den Dichtewerten, Verlagerungszeichen der Hirnstammstrukturen sowie normal konfigurierte Räume der Schädelbasis (schriftliches Gutachten Prof. Dr. Sch v. 27.08.97, Bl. 148). Das damals mutmaßlich in inneren Gehörgang gelegene Akusticus-Neurinom war auf dieser Aufnahme nicht zu sehen. Die Beurteilung des Beklagten Ziff. 2 beschrieb zutreffend unauffällige intracranielle Verhältnisse, so daß auch aus diesem Grund keine weitergehende Untersuchung mit Kontrastmittel veranlaßt war.

c) Der Beklagte hatte keinen Anlaß, den erteilten Auftrag in Frage zu stellen. Grundsätzlich darf der übernehmende Arzt darauf vertrauen, daß der überweisende Arzt die Indikation für die Durchführung der erbetenen Untersuchung geprüft hat (OLG Düsseldorf VersR 1984, 643; OLG Stuttgart VersR 1991, 1060). Dies gilt auch für die hier maßgebliche Frage, welcher Stellenwert der erbetenen Untersuchung im Rahmen der ärztlichen Überlegungen zukommt. Zwar muß der übernehmende Facharzt prüfen, ob der Auftrag richtig gestellt ist und dem angegebenen Krankheitsbild entspricht (vgl. BGH vom 05.10.93 VI ZR 237/92 = VersR 1994, 102). Etwaigen Zweifeln an der Richtigkeit der ihm übermittelten Diagnose hätte er ebenso nachzugehen (vgl. BGH. v. 14.07.92 - VI ZR 214/91 = VersR 1992, 1263, 1264) wie etwaigen Bedenken zum Stellenwert der von ihm erbetenen Untersuchung. Hierzu bot der Fall aber keinen Anlaß, weil sich der Untersuchungsauftrag nicht auf ein konkretes Krankheitsbild bezogen hat und eine entsprechende Fragestellung nicht mit ihm verbunden war.

Allein die Formulierung der Untersuchungsfrage "z.B. intracranieller Prozeß" mußte der Beklagte Ziff. 2 nicht so verstehen, daß damit eine Tumorerkrankung angesprochen war. Zwar fällt darunter regelhaft eine fortschreitende Erkrankung im Gehirn, wozu u.a. auch eine Tumorerkrankung gehören kann. Die Umschreibung war aber so allgemein gehalten, daß sie für den Radiologen nicht in diesem Sinne aufgefaßt werden mußte. Andernfalls hätte bei jeder so allgemein gefaßten Fragestellung sogleich eine Kontrastmitteldarstellung zu erfolgen, was sowohl wegen des damit verbunden Aufwands (Stichwort "Gießkannenprinzip") als auch wegen der Belastung durch die Gabe von Kontrastmittel, die einer klaren Indikationsstellung bedarf, medizinisch nicht vertretbar ist (so der Sachverständige im Termin vor dem Senat Bl. 343).

Zwar wäre eine Nachfrage des Radiologen bei dem überweisenden Arzt in Betracht gekommen. Eine dahingehende Verpflichtung besteht aber angesichts der in der Praxis sehr großen Zahl allgemein gefaßter Untersuchungsaufträge nicht, wie der Sachverständige überzeugend ausgeführt hat (Bl. 343). Die diagnostische Verantwortung für die Abklärung einer das Gehirn oder Teile des Gehirns betreffenden Tumorerkrankung liegt bei dem Arzt, der für die klinische Befunderhebung zuständig ist. Dieser hat die Symptome zu erheben und die daran anschließenden weiterführenden Untersuchungen zu veranlassen. Der Radiologe ist insoweit nur noch der Ausführende (so der Sachverständige überzeugend Bl. 343 f.). Im übrigen hätte eine Nachfrage keine Verdachtshinweise ergeben, da der Hausarzt keinen solchen Verdacht hatte, wie er bei seiner Vernehmung als Zeuge angegeben hat. Die Mitteilung der für ihn nach den Unterlagen Anlaß gebenden Symptome hätte keine Kontrastmitteluntersuchung nahegelegt. Selbst Schwindel und Dröhnen im Ohr geben hierzu keine medizinische Veranlassung, da es sich hierbei um sehr häufig vorkommende Symptome handelt, denen in der Regel keine in bildgebenden Verfahren faßbare Ursache zugrundeliegt (der Sachverständige im Termin vor dem Landgericht Bl. 102, 104). Eine Hörminderung war dem überweisenden Hausarzt nicht bekannt.

2.

Der Beklagte Ziff. 2 war auch aufgrund etwaiger Angaben der Klägerin nicht gehalten, von sich aus - oder nach zu veranlassender Erweiterung des Auftrags durch den überweisenden Arzt - eine Kontrastmitteluntersuchung des Schädels vorzunehmen. Die Klägerin hat nicht bewiesen, daß sie dem Beklagten anläßlich der Untersuchung vom 03.02.89 mitgeteilt hat, daß sie schlecht höre und ihr immer so schwindelig sei, und dabei auch von Ohrgeräuschen gesprochen hat. Sie selbst hat bei ihrer Anhörung vor dem Landgericht zunächst angegeben, gegenüber dem Beklagten Ziff. 2 auf Ohrgeräusche hingewiesen zu haben (Bl. 264). Nach der Aussage des Ehemanns war in diesem Zusammenhang von Schwindel und Ohrgeräuschen die Rede. Eine Hörminderung erwähnt auch er nicht. Allein aufgrund dieser Angaben wäre der Beklagte, wie schon ausgeführt, nicht gehalten gewesen, eine Kontrastmitteluntersuchung vorzunehmen oder anzuregen.

3.

Der Beklagte hat dem überweisenden Hausarzt auch keine falsche Sicherheit dahin vermittelt, daß ein Tumorbefund als Ursache der geklagten Symptome auszuscheiden habe. Er hat seine Untersuchung als Nativ-Aufnahme gekennzeichnet. Danach mußte auch jeder Hausarzt wissen, daß die Aufnahme unter Verzicht auf eine Kontrastmittelgabe erfolgt ist und aus dem als unauffällig beschriebenen Befund nicht geschlossen werden konnte, daß eine Tumorerkrankung nicht vorliegt. Hierauf muß der untersuchende Radiologe nicht hinweisen (zum ganzen zusammenfassend der Sachverständige Bl. 342 f.).

Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Klägerin vom 16.06.00 gibt keinen Anlaß, die Verhandlung wieder zu eröffnen. Die Berufung der Klägerin ist zurückzuweisen.

Ende der Entscheidung

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