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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 11.06.2002
Aktenzeichen: 14 U 93/01
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB §§ 823 ff.
ZPO § 97
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711 a. F.
ZPO § 543 n. F.
Auch wenn eine Schädigung nur durch ein traumatisches Ereignis im Geburtsverlauf plausibel erklärbar ist, kann daraus nicht auf einen Behandlungsfehler geschlossen werden, wenn nach medizinischen Fallschilderungen die Möglichkeit einer unklaren, bisher nicht auf einen Behandlungsfehler zurückzuführenden Entstehung einer derartigen Schädigung besteht.
Oberlandesgericht Stuttgart - 14. Zivilsenat - Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 14 U 93/01

Verkündet am: 11. Juni 2002

In Sachen

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart auf die mündliche Verhandlung vom 23. April 2002 unter Mitwirkung

des Richters am Oberlandesgericht Dr. Drescher und der Richterin am Oberlandesgericht Wiggenhauser des Richters am Oberlandesgericht Haag

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Rottweil vom 06. Dezember 2001 - 2 O 417/99 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 43.000,00 € abwenden, wenn die Beklagten nicht vor der Vollstreckung jeweils Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Streitwert und Beschwer der Klägerin: 1.258.915,03 € (Klagantrag Ziff. 1: 1.003.269,04 €; Klagantrag Ziff. 2: 255.645,94 €)

Tatbestand:

Die Klägerin, gesetzlicher Krankenversicherer von M S, macht übergegangene materielle Schadensersatzansprüche wegen eines Geburtsschadens geltend. M S wurde am 24.09.1993 im Kreiskrankenhaus R, das von der Beklagten Ziff. 2 betrieben wird, geboren. Der Beklagte Ziff. 1 war Oberarzt der geburtshilflich gynäkologischen Abteilung und hat die Mutter des Klägers entbunden.

Die Mutter von M hatte schon am 27.09.1991 unter Leitung des Beklagten Ziff. 1 ihr erstgeborenes Kind im Krankenhaus der Beklagten Ziff. 2 entbunden. Die Geburt erfolgte durch Sectio in der 35. Schwangerschaftswoche wegen vorzeitigen Blasensprunges und intrauteriner Asphyxie.

Anfang 1993 wurde die Mutter von M wieder schwanger. Errechneter Entbindungstermin war der 23.09.1993. Sie wurde am Morgen des 24.09.1993 gegen 7.15 Uhr mit Wehen, die bereits gegen 5.00 Uhr eingesetzt hatten, auf der Entbindungsstation des Kreiskrankenhauses R eingeliefert. Die Aufnahmeuntersuchung ergab eine verstrichene Portio, einen auf drei bis vier Zentimeter eröffneten Muttermund; der Kopf stand fest im Beckeneingang, die Pfeilnaht im queren Durchmesser. Das Aufnahme-CTG ergab eine Kontraktionstätigkeit alle zwei bis vier Minuten. Um 7.55 Uhr betrug die Muttermundsweite sechs bis sieben Zentimeter, der Kopf befand sich im Beckeneingang. Die Mutter von M wurde im Kreisbett gelagert. Gegen 8.25 Uhr wurde der Beklagte Ziffer 1 hinzugezogen. Die Patientin gab um 8.30 Uhr Druck auf den Damm an. Bei der vaginalen Untersuchung zeigte sich der Muttermund bis auf einen vorderen schmalen Saum vollständig, der Kopf fest im Beckeneingang, die Herztöne waren unauffällig. Um 8.38 Uhr kam es zu einem Abfall der Herzfrequenz auf 80 Schläge pro Minute bei guten Akzelerationen. In den Krankenakten findet sich hierzu der Eintrag: "Fraglicher Abnahmefehler". Auf Anordnung des Beklagten Ziff. 1 wurde der Mutter von M um 8.48 Uhr eine Ampulle Partusisten verabreicht. Die Herztonableitung erfolgte nunmehr über eine Kopfschwartenelektrode und war sofort ohne Befund. Die um 9.06 Uhr durch den Beklagten Ziff. 1 vorgenommene Untersuchung ergab einen vollständig eröffneten Muttermund; der Kopf war in Beckenmitte. Nach einem Pressversuch trat der Kopf rasch tiefer und erreichte die Ebene zwischen Beckenmitte und Beckenboden. Nach erneutem Abfall der Herzfrequenz wurde der Entschluss zur Vakuumextraktion gefasst. Die Saugglocke wurde in typischer Weise angelegt; bei wehensynchronem Zug folgte der Kopf nicht. Da die Saugglocke Luft zog, ging der Beklagte Ziffer 1 auf den Gebrauch der Geburtszange über, die er biparietal mühelos anlegen konnte. Auch hier folgte der Kopf auf wehensynchronen Zug und Kristeller-Hilfe nicht, so dass um 9.15 Uhr die der Entschluss zur Not-Sectio gefasst und die Kinderklinik telefonisch informiert wurde. Um 9.24 Uhr kam es zur Geburt eines lebenden reifen Knaben. Zu diesem Teil der Entbindung befindet sich im OP-Bericht der Vermerk: "Das Kind kann jetzt rasch entwickelt werden". Das Kind wurde umgehend durch den Anästhesisten versorgt und wegen respiratorischer Insuffizienz intubiert. Es war insgesamt sehr blass und schlaff und nicht in der Lage, selbständig zu atmen. Das Kind M wurde um 11.00 Uhr in die Kinderklinik V verlegt. Vom 01.10.1993 bis 14.10.1993 befand ersieh stationär in der Kinderklinik der Universität F, wo aufgrund der Anamnese, der Klinik und der durchgeführten Untersuchungen eine hypoxische Schädigung vorwiegend im Bereich des Hirnstammes angenommen wurde. Nach seiner Rückverlegung in die Kinderklinik V zeigte eine Kernspinuntersuchung vom 12.11.1993 eine Atrophie des Halsmarks in Höhe C 1.

M ist bis heute in stationärer Behandlung. Die Pflegekosten werden von der Klägerin allein getragen. Die Eltern beabsichtigen, das Kind nach Hause zu nehmen, sobald behindertengerechter Wohnraum gefunden ist.

Die persönlichen Ansprüche des Kindes sind beim Landgericht Rottweil eingeklagt worden. Der unter dem Aktenzeichen 2 O 779/95 (OLG Stuttgart 14 U 6/98) geführte Prozess endete in der zweiten Instanz mit einem Vergleich. Als Ursache für die eingetretene Schädigung des Halsmarks kam für die Sachverständigen dieses Vorprozesses am ehesten das Zurückholen des Kindes in das kleine Becken in Betracht. Es wurden insgesamt vier Schädigungsmechanismen diskutiert: Eine ruckartig Drehbewegung und/oder Zugbewegung mit der Zange; ein Abknicken des Rückenmarks in der Längsachse bei arretiertem Kopf durch Kristellern am wehenlosen Uterus; eine Knickung und Stauchung bei Hochschieben des Kopfes gegen den Rumpf, wobei der Rumpf aufgrund der Tonisierung des Uterus nicht nach oben ausweichen kann sowie eine Schädigung im Zusammenhang mit der Geburt des Rumpfes nach Entwicklung des Kopfes durch Zug und Knickung.

Die Klägerin hat vorgetragen, die gesundheitliche Schädigung des Kindes sei auf Behandlungsfehler des Beklagten Ziff. 1 zurückzuführen. Er habe es unterlassen, das mütterliche Becken auszutasten bzw. zu vermessen, weswegen das bestehende Missverhältnis zwischen Kopf und Geburtskanal nicht festgestellt worden sei. Bei Feststellung des Missverhältnisses wären vaginale Geburtsversuche mittels Glocke und Zange unterblieben und die Sectio früher durchgeführt worden. Es wäre nicht zum Lösen des arretierten Kopfes und Rückholen des Kindes in das kleine Becken gekommen. Die Kindesmutter sei nicht über die unterschiedlichen Geburtshelfermethoden und die Möglichkeiten eines Kaiserschnitts aufgeklärt worden. Wegen der unzureichenden Dokumentation des Geburtsvorganges und des Unterbleibens der notwendigen Voruntersuchungen sei dem Beklagten Ziff. 1 ein grober Behandlungsfehler vorzuwerfen. Zur Anspruchshöhe hat die Klägerin vorgetragen, dass sie für stationäre Behandlungen des Kindes, für Hilfsmittel einschließlich Wartung und für Transportkosten insgesamt einen Betrag in Höhe von 1.962.224,50 DM aufgewendet habe.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 1.962.224,50 DM nebst 4 % Zinsen

aus DM 424.451,17 für den Zeitraum 14.07.1995 bis 26.02.1998,

aus DM 55.653,10 für den Zeitraum 26.07.1995 bis 26.02.1998,

aus DM 58.630,95 für den Zeitraum 12.10.1995 bis 26.02.1998,

aus DM 1.141.128,87 seit 27.02.1998 sowie

aus DM 282.360,41 seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

2. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen weiteren Aufwand aus der Schädigung des M S bei seiner Geburt am 24. September 1993 zu ersetzen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben vorgetragen, ein Behandlungsfehler liege nicht vor. Anlässlich der Aufnahmeuntersuchung sei mit der Mutter besprochen worden, dass eine Spontangeburt angestrebt werde, womit die Kindesmutter einverstanden gewesen sei. Um 9.06 Uhr habe der Beklagte Ziff. 1 die Mutter untersucht und hierbei das innere Becken ausgetastet. Ein Missverhältnis zwischen Kopf und Geburtskanal sei nicht festzustellen gewesen und habe auch nicht vorgelegen. Eine Indikation für eine Sectio habe bei Aufnahme der Kindesmutter nicht bestanden. Der Sachverständige T halte zwar eine Schädigung des Kindes im Laufe der Schnittentbindung für am wahrscheinlichsten, diese Schädigung sei jedoch nicht auf eine fehlerhafte Behandlung zurückzuführen. Die Kindesmutter sei korrekt aufgeklärt worden. Die verschiedenen Geburtsmöglichkeiten seien mit ihr erörtert worden.

Das Landgericht wies die Klage nach Verwertung der Akte des Landgerichts Rottweils 2 O 779/95, der Einholung eines weiteren pädiatrisch-neonatologischen Gutachtens und seiner mündlichen Erläuterung durch Prof. Dr. L sowie eines geburtshilflichen Gutachtens und seiner mündlichen Erläuterung durch Prof. Dr. D ab. Gegen dieses Urteil legte die Klägerin Berufung ein.

Die Klägerin trägt vor, die unterlassene Voruntersuchung in Form der Beckenaustastung und -messung habe von Anfang an eine Schnittentbindung zwingend indiziert; auf keinen Fall hätten vaginal-operative Maßnahmen versucht werden dürfen. Spätestens ab 8.38 Uhr sei wegen des massiven Herztonabfalls die Einleitung einer Schnittentbindung geboten gewesen. Nach dem fehlgeschlagenen Saugglockenversuch habe keine Geburtsbeendigung mit der Zange versucht werden dürfen. Es seien massive Zugversuche unternommen worden, wodurch die Halsmarkschädigung eingetreten sein könne. Als mögliche Schädigungsursache komme auch das Kristellern in Betracht. Die Schädigung des Kindes sei nur durch ein Trauma erklärbar, weswegen ein solches zwingend im Geburtsverlauf vorhanden gewesen sein müsse. Der Geburtsablauf sei wegen Dokumentationsversäumnissen insbesondere bezüglich des Zurückholens des Kindes aus dem Becken nicht mehr sicher beurteilbar. Die Gesamtwürdigung des Falles gebiete eine Beweislastumkehr zugunsten der Klägerin. Die Klägerin habe schon im Rahmen der Aufnahmeuntersuchung über die Möglichkeiten einer vaginal-operativen Entbindung oder Schnittentbindung aufgeklärt werden müssen. Eine Aufklärung über eine Schnittentbindung sei jedenfalls nach dem Herztonabfall um 8.38 Uhr geboten gewesen.

Die Klägerin beantragt,

1. das Urteil des Landgerichts Rottweil 2 O 417/99, verkündet am 06.12.2001, abzuändern und die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin € 1.003.269,40 nebst 4 % Zinsen

aus € 217.018,44 für den Zeitraum 14.07.1995 bis 26.02.1998,

aus € 28.454,98 für den Zeitraum 26.07.1995 bis 26.02.1998,

aus € 29.977,53 für den Zeitraum 12.10.1995 bis 26.02.1998,

aus € 583.449,89 seit 27.02.1998 sowie

aus € 144.368,58 seit Rechtshängigkeit

zu zahlen,

2. das Urteil des Landgerichts Rottweil 2 O 417/99, verkündet am 06.12.2001, abzuändern und festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen weiteren Aufwand aus der Schädigung des M S bei seiner Geburt am 24. September 1993 zu ersetzen, soweit dieser nach dem 1. September 1999 entstanden ist.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie tragen vor,

die vom Beklagten Ziffer 1 vorgenommene Beckenaustastung habe keinen Anhaltspunkt für die Notwendigkeit einer Sectio ergeben; objektiv hätten keine Anhaltspunkte für ein Missverhältnis vorgelegen. Die Entbindungsversuche mit Glocke und Zange seien nicht mit großem Kraftaufwand und massivem Ziehen durchgeführt worden. Auch die Hebamme sei beim Kristellern nicht mit massivem Kraftaufwand vorgegangen. Die Schädigung des Kindes sei nicht durch einen Behandlungsfehler bei den vaginalen Entbindungsversuchen oder im Rahmen der Notsectio verursacht worden. Auch ein Verschulden sei nicht feststellbar. Die Schädigung des Kindes M S könne auch schicksalhaft sein. Die Dokumentation des Geburtsablaufs sei ordnungsgemäß und ausreichend. Eine Aufklärungspflichtverletzung liege nicht vor.

Zum Vorbringen der Parteien im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Der Klägerin stehen weder wegen Schlechterfüllung des Behandlungsvertrags noch nach §§ 823 ff. BGB übergegangene Schadensersatzansprüche (§ 116 SGB X) gegen die Beklagten zu. Sie hat nicht bewiesen, dass das Kind M S anlässlich seiner Geburt fehlerhaft behandelt wurde und ihm dadurch ein Gesundheitsschaden entstanden ist. Die Beklagten haften auch nicht wegen unzureichender Aufklärung.

I.

Die Klägerin hat keinen Behandlungsfehler bewiesen.

1. Das Anstreben einer vaginalen Entbindung war nicht fehlerhaft.

a. Eine primäre Schnittentbindung war nicht indiziert. Aus der Dokumentation der Aufnahmeuntersuchung ist ersichtlich, dass die Mutter von M S mit Wehentätigkeit seit 5.00 Uhr früh, gesprungener Blase und einem auf drei bis vier Zentimeter eröffneten dünnsäumigen Muttermund in die Klinik gekommen ist. Der Kopf stand fest auf Beckeneingang, die Pfeilnaht im queren Durchmesser. Das Aufnahme-Kardiotokogramm zeigte völlig physiologische Verhältnisse. Das erste Kind von Frau S war durch Kaiserschnitt wegen vorzeitigen Blasensprunges und Verdacht auf beginnende intrauterine Mangelversorgung entbunden worden.

Die Sachverständigen Prof. Dr. D und Prof. Dr. T bewerten den Aufnahmebefund übereinstimmend dahin, dass die vaginale Geburtsleitung eindeutig indiziert war (Gutachten Prof. Dr. D Bl. 88/89; Gutachten Prof. Dr. T vom 02.11.98, Bl. 316/317 im Verfahren 14 U 6/98). Es handelte sich um einen bereits fortgeschrittenen Befund in der Eröffnungsperiode, der für einen völlig normalen Ablauf stand. Eine Veranlassung, aufgrund der Kenntnis der anamnestischen Daten eine Resectio zu indizieren oder auch nur als annähernd gleichwertige geburtshilfliche Alternative zu erwägen, bestand nicht (Gutachten Prof. Dr. T vom 02.11.98, Bl. 315).

Beiden Sachverständigen war bei ihrer Begutachtung die Indikation des ersten Kaiserschnitts, nämlich intrauterine Asphyxie und vorzeitiger Blasensprung, bekannt (Prof. Dr. D Bl. 77; Bl. 131/132; Gutachten Prof. Dr. T vom 02.11.98, Bl. 316). Beide Sachverständigen haben sich mit der Indikation des ersten Kaiserschnitts befasst. Prof. Dr. D hat ausdrücklich ausgeführt, dass er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausschließen könne, dass diese Indikation auch für die nachfolgende Schwangerschaft dieselbe Indikation verursacht hätte (Bl. 131/132). Da die Indikation des ersten Kaiserschnitts nicht streitig ist, war eine erneute Begutachtung unter Beiziehung der Behandlungsunterlagen zur Erstentbindung nicht veranlasst.

Die Ausführungen der Sachverständigen stehen im Einklang mit der Empfehlung zur Geburtsleitung bei Zustand nach Kaiserschnitt der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe. Danach ist ein vaginaler Entbindungsversuch bei Zustand nach Sectio caesarea nur kontraindiziert bei Fortbestehen des Grundes für den vorangegangenen Kaiserschnitt, bei uterinem Längsschnitt oder bei Zustand nach Narbendehiszenz bzw. Narbenruptur. Relativ kontraindiziert ist nach den Empfehlungen der vaganiale Entbindungsversuch bei Verdacht auf Makrosomie, Gemini oder Beckenendlage. Keine dieser Kontraindikationen lag bei der Mutter von M S vor.

b. Der vaginale Entbindungsversuch war auch nicht wegen eines auffallend verengten Beckens oder wegen eines Missverhältnisses zwischen kindlichem Kopf und mütterlichem Becken kontraindiziert. Nach dem schriftlichen Gutachten von PD Dr. H ist bei der Mutter von M S ein verengtes Becken auszuschließen (Bl. 135 im Verfahren 2 O 779/95). Die Beurteilung des Sachverständigen PD Dr. H beruht auf der durch Dr. O fremdbefundeten röntgenologischen Pelvimetrie, der im Kreiskrankenhaus R nach der Geburt von M S gefertigte Röntgenbilder zugrunde lagen. Bei einem Kopfumfang des Feten im Normbereich mit 34 cm konnte der Sachverständige ein absolutes Missverhältnis zwischen Kopfumfang und Becken nicht feststellen. Auch er kommt zu dem Ergebnis, dass aus Beckenmaß, Kopfumfang und Geburtsgewicht keine Indikation zur Sectio abgeleitet werden durfte (a.a.O.).

2. Eine Haftung der Beklagten wegen unterlassener Austastung oder Ausmessung des Beckens der Kindesmutter ist nicht gegeben.

Die Messung der äußeren Beckenmaße war nicht geboten. Sie gibt nur bei extremen Deformitäten einen sehr unzuverlässigen Hinweis auf die Weite der Geburtswege, so dass in der Regel auf die Erhebung entsprechender Maße verzichtet wird (Gutachten Prof. Dr. T vom 02.11.98, Bl. 322).

Ob der Beklagte Ziff. 1 eine innere Austastung des Beckens durchgeführt hat, kann dahingestellt bleiben, weil bei der Austastung ein cephalo-pelvines Missverhältnis nicht festgestellt worden wäre. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. D kann aus den vom Kreiskrankenhaus R gefertigten Röntgenaufnahmen geschlossen werden, dass eine Austastung der maßgeblichen Punkte wie Sitzbeinhöcker, Vorsprünge am Sitzbein, Wölbung des Kreuzbeins, Promontorium, Schambogenwinkel keinen pathologischen Befund ergeben hätte (Protokoll vom 08.11.2001 Bl. 129/130). Ein Missverhältnis, das durch straffen Beckenboden und andere Weichteilwiderstände verursacht wird, kann bei der Beckenaustastung nicht genügend abgeschätzt werden (Protokoll vom 08.11.2001 Bl. 132 d.A.).

3. Die Reaktion auf den um 8.38 Uhr verzeichneten Abfall der kindlichen Herzfrequenz war nicht fehlerhaft.

Ein Übergang zur Schnittentbindung war nicht indiziert. Nach sachverständiger Einschätzung traten bis 9.06 Uhr hypoxiesuspekte Zeichen nicht auf (Prof. Dr. D Bl. 89 d. A.). Da, wie sich aus dem Geburtsprotokoll ergibt, ein Abnahmefehler der kindlichen Herztöne in Frage stand, war es folgerichtig, ein wehenhemmendes Medikament zu verabreichen und zur eindeutigen Ableitung der kindlichen Herztöne die Anlage einer Kopfschwartenelektrode durchzuführen (Gutachten Prof. Dr. T vom 02.11.98, Bl. 317). Die Herztonableitung über die Kopfschwartenelektrode war sogleich ohne Befund.

4. Der Übergang zur vaginal-operativen Entbindung nach 9.06 Uhr war indiziert.

a. Zu diesem Zeitpunkt war, wie sich aus der Dokumentation ergibt, der Muttermund vollständig eröffnet, der Kopf erreichte nach dem zuerst durchgeführten Pressversuch Beckenmitte bis Beckenboden. Bei Auftreten von Herzfrequenzerniedrigungen in dieser Situation war es zur Vermeidung kindlicher Unterversorgung und Mangelzuständen indiziert, die Geburt durch vaginal-operative Maßnahmen zu beenden. Eine akute Notsituation musste hierzu nicht vorliegen (Gutachten Prof. Dr. T vom 02.11.98, Bl. 319 f.). In die Entscheidung zur Geburtsbeendigung durch vaginal-operatives Vorgehen musste zusätzlich zur kindlichen Herzfrequenzalteration einbezogen werden, dass, wie aus dem Operationsbericht ersichtlich, die Mutter Schmerzen insbesondere im Bereich des unteren Uterinsegmentes empfand. Dies musste bei Zustand nach Sectio als Hinweis auf eine drohende Uterusruptur gewertet werden (Gutachten Prof. Dr. T vom 02.11.98, Bl. 320). Sowohl der Sachverständige Prof. Dr. T als auch der Sachverständige Prof. Dr. D bewerten den Entschluss zur vaginal-operativen Entbindung als im Sinne einer präventiven Geburtshilfe nachvollziehbar und nicht zu beanstanden (Gutachten Prof. Dr. T vom 02.11.98 Bl. 358; Gutachten Prof. Dr. D Bl. 98 d. A.).

b. Eine Geburtsbeendigung durch Kaiserschnitt war um 9.06 Uhr nicht indiziert. Hat die Leitstelle des kindlichen Kopfes die Beckenmittenebene überschritten, ist der Kaiserschnitt aufgrund des Höhenstandes keine gleichwertige Alternative zur operativ-vaginalen Entbindung, da sowohl die rasche Durchführbarkeit einer Vakuum- oder Zangenextraktion, als auch die deutlich geringere mütterliche Gefährdung zu diesem Zeitpunkt den Kaiserschnitt nicht mehr als gleichwertige Methode erscheinen lassen (Gutachten Prof. Dr. T vom 02.11.98 Bl. 319/320).

Dass der Höhenstand des kindlichen Kopfes fehlerhaft befandet oder dokumentiert worden wäre, ist nicht ersichtlich. Allein der Umstand, dass trotz normaler Kopfumfangs- und Beckenverhältnisse eine Vakuum- bzw. Zangenentbindung letztlich nicht möglich war, spricht nicht gegen die Richtigkeit des dokumentierten Befundes. Es kann weichteil- oder lagebedingte Verhältnisse geben, die es bei Vermeidung eines übermäßig forcierten Vorgehens unmöglich machen, den Kopf gegen den vorhandenen Widerstand tiefer zu bringen (Gutachten Prof. Dr. T vom 02.11.98 Bl. 350; Prof. Dr. D Bl. 90 d. A.). Auch spricht die dokumentierte leichte Entwicklung des Kindes im Rahmen der Sectio nicht zwingend gegen einen geeigneten Höhenstand; lag nämlich das Hindernis am Beckenausgang und hatte es bis dahin einen zügigen Geburtsfortschritt gegeben, kann das Kind den bis dahin leicht genommenen Weg auch rückwärts ebenso leicht nehmen (Gutachten Prof. Dr. T vom 02.11.98 Bl. 325 f., Bl. 350). Für die Richtigkeit der Dokumentation spricht die vom Vater des Kindes stammende Schilderung, es habe vor Durchführung des Extraktionsversuches geheißen, "man sehe den Kopf des Kindes schon, aber er käme nicht" (Bl. 56 d. A. 2 O 779/95), die von der Hebamme dahin bestätigt wurde, dass der Kopf vor dem Anlegen des Vakuums sichtbar gewesen sei (Bl. 58 d. A. 2 O 779/95).

5. Anhaltspunkte dafür, dass die Vakuumextraktion fehlerhaft durchgeführt worden ist, bestehen nicht. Der Sachverständige Prof. Dr. T hat es als umsichtig bezeichnet, rechtzeitig abzusetzen, um einen Glockenabriss zu vermeiden (Gutachten vom 02.11.98 Bl. 324). Auch die Unterstützung des Vakuumextraktionsversuches mit dem Handgriff nach Kristeller war nicht fehlerhaft, vielmehr allgemein üblich (Gutachten Prof. Dr. T vom 02.11.98 Bl. 323).

6. Es entsprach den geburtshilflichen Regeln, nach misslungener Vakuumextraktion eine Zangenextraktion nachfolgen zu lassen (Prof. Dr. D Bl. 89; Gutachten Prof. Dr. T vom 02.11.98, Bl. 323 f.). Fehler bei der Durchführung des Zangenextraktionsversuches sind nicht bewiesen.

Ein inadäquates Manöver durch die Zange scheidet aus, da eine kraftvoll gegen Widerstand eingesetzte Zange Zeichen ihrer Anwendung hinterlässt, auch wenn sie richtig sitzt. Solche Zeichen sind in den Krankenunterlagen nicht beschrieben (Prof. Dr. T Protokoll vom 15.12.98 im Verfahren 14 U 6/98 Bl. 410; PD H Bl. 199 in 2 O 779/95 / 14 U 6/98).

Auch eine unangemessene Drehung mit der Geburtszange ist nicht bewiesen. Ausgehend von der ärztlichen Dokumentation kann eine solche Drehung mit der Zange nicht durchgeführt worden sein, da die Pfeilnaht im geraden Durchmesser stand und damit eine der wichtigsten Vorbedingungen für die unkomplizierte Zangengeburt gegeben war. Vermutungen, es könnte sich um einen hohen Geradstand gehandelt haben oder um einen noch quer im Beckeneingang stehenden Kopf, so dass eine Torsion des Kopfes notwendig gewesen wäre, finden in den Behandlungsunterlagen keinerlei Anhalt (Gutachten Prof. Dr. T vom 02.11.98 Bl. 338).

Zwar ist im Geburtsprotokoll die Rotation des kindlichen Kopfes nicht beschrieben. Jedoch ist der Befund der gerade stehenden Pfeilnaht im zeitnah gefertigten Operationsbericht enthalten und damit ausreichend dokumentiert.

7. Eine Schädigung des Kindes M S durch nichtfachgerechtes Kristellern ist nicht bewiesen.

Der Sachverständige Prof. Dr. T hält ein Abknicken des Rückenmarks in der Längsachse bei arretiertem Kopf durch Kristellern am wehenlosen Uterus als Schadensursache für theoretisch möglich, vorliegend jedoch nicht für erwiesen (Protokoll vom 15.12.98 im Verfahren 14 U 6/98 Bl. 410 f.). Der Sachverständige Prof. Dr. D hat hierzu ausgeführt, dass Rückenmarkverletzungen bei Kristellern bei der Entwicklung aus Beckenendlage beschrieben sind, nicht jedoch bei einer Schädellage wie vorliegend (Bl. 131 d. A.).

8. Behandlungsfehler im Zusammenhang mit der Notsectio sind nicht erwiesen.

a. Der Übergang auf die Notsectio war indiziert. Nach frustranem Versuch der operativ-vaginalen Entbindung war die Wahrscheinlichkeit gering, dass die Geburt von alleine vaginal geschehen würde. Im Blick auf die Anzeichen einer kindlichen Mangelversorgung aus dem CTG wäre ein Abwarten in der gegebenen Situation nicht mehr vertretbar gewesen (Gutachten Prof. Dr. T vom 02.11.98 Bl. 373).

b. Fehler bei der Durchführung der Notsectio sind nicht bewiesen. Ausgehend von der Dokumentation, wonach das Kind rasch entwickelt werden konnte, sehen sowohl der Sachverständige Prof. Dr. D als der Sachverständige Prof. Dr. T keinen Anhaltspunkt für ein fehlerhaftes Vorgehen (Prof. Dr. T Gutachten vom 02.11.98 Bl. 325 f.; Prof. Dr. D Bl. 89 f.). Nach den Ausführungen beider Sachverständiger ist eine rasche Entwicklung des Kindes durchaus in Einklang zu bringen mit der Tatsache, dass Vakuum und Zange nicht zu einer erfolgreichen Geburtsbeendigung führten. Eine Erklärung für die Konstellation des raschen Geburtsfortschritts bei größten Schwierigkeiten der Überwindung des Beckenausgangs sehen beide Sachverständige darin, dass die geburtsmechanische Schwierigkeit nicht im Beckeneingang oder in Beckenmitte, sondern im Beckenausgang lag. Dieses cephalo-pelvine Missverhältnis im Beckenausgang würde erklären, dass Vakuumextraktion und Zangen versagten, auf der anderen Seite der Kopf in der Tiefe sichtbar war und trotzdem nicht entwickelt werden konnte. Außerdem wäre erklärlich, dass der Kopf relativ gut bei der Sectio entwickelt worden ist (Prof. Dr. D Bl. 90 d. A.; Gutachten Prof. Dr. T vom 02.11.98 Bl. 325 f.). Vereinbar mit diesen cephalo-pelvinen Beckenausgangsproblemen wären auch die radiologischen Normwerte des mütterlichen Beckens, weil Ursache eines solchen Missverhältnisses im Beckenausgang u.a. im Röntgenbild nicht erkennbare Weichteilwiderstände sein können (Prof. Dr. D Bl. 90). Bei der Annahme der geburtsmechanischen Schwierigkeit im Beckenausgang kommt der Aussage, dass es sich um eine leichte Entwicklung des Kindes gehandelt habe, nach Bewertung des Sachverständigen Prof. Dr. T durchaus Glaubwürdigkeit zu. Den kindlichen Kopf den Geburtskanal hinauf zu bewegen, kann leicht gelingen, wenn der Kopf analog auch leicht tiefer getreten ist (Gutachten Prof. Dr. T vom 02.11.98 Bl. 336).

Mängel oder Lücken in der Dokumentation des Geburtsverlaufes sind nicht festzustellen. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. T wird eine ordnungsgemäße abdominale Schnittentbindung mit Entwicklung des Kindes aus Schädellage mit den Worten "das Kind kann jetzt rasch entwickelt werden" beschrieben. Die gewählte Formulierung schließt aus sachverständiger Sicht ein komplizierteres Manöver oder erschwerende Umstände aus (Gutachten vom 02.11.98 Bl. 327). Insgesamt sehen sowohl Prof. Dr. D als auch Prof. Dr. T den Geburtsverlauf angesichts des handschriftlichen Geburtsprotokolls als auch des ausführlichen Operationsberichtes als ausreichend und nachvollziehbar dokumentiert an, das dokumentierte Vorgehen als glaubwürdig und nicht widersprüchlich (Prof. Dr. D Bl. 89; Gutachten Prof. Dr. T vom 02.11.98 Bl. 336).

9. Selbst wenn die Schädigung des Kindes durch das Zurückholen des kindlichen Kopfes in das mütterliche Becken verursacht worden wäre, begründete dies noch nicht den Vorwurf eines Behandlungsfehlers. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. D ist denkbar, dass eine Traumatisierung des Halsmarks ohne Zug oder Drehung beim Zurückschieben des Kindes stattgefunden hat (Prof. Dr. D Protokoll vom 08.11.01 Bl. 130). Aus der Schädigung kann somit nicht auf ein fehlerhaftes Vorgehen des Beklagten Ziff. 1, etwa auf ein zu starkes Drehen, Ziehen oder Stauchen geschlossen werden.

10. Die Tatsache, dass das Kind M S nach der Geburt eine hohe Querschnittslähmung aufgewiesen hat, lässt nicht den Schluss auf einen Behandlungsfehler zu. Die geburtshilflichen Sachverständigen gehen von der Annahme aus, dass die Schädigung nur durch ein traumatisches Ereignis im Geburtsverlauf plausibel erklärbar ist, dass ein solches Trauma der Geburtsbeschreibung jedoch nicht entnommen werden kann (Prof. Dr. T Protokoll vom 15.12.98 im Verfahren 14 U 6/98, Bl. 409; Prof. Dr. D Bl. 92/93). Dem gegenüber führt der pädiatrisch-neonatologische Sachverständige Prof. Dr. L unter Anführung einzelner in der Fachliteratur beschriebener Fälle aus, dass derartig schwere Komplikationen auch schicksalhaft, ohne Fehler im geburtshilflichen Vorgehen, vorkommen können. Nach seinen Ausführungen klären die von ihm zitierten Literaturstellen die Ursache der Halsmarkschädigung im vorliegenden Fall nicht, belegen jedoch die Möglichkeit einer letztlich unklaren, schicksalhaften Entstehung einer derartigen Schädigung. Sie sollen deutlich machen, dass aus der pädiatrischen Diagnose einer perinatal erworbenen Halsmarkschädigung nicht notwendigerweise auf ein geburtshilfliches Fehlverhalten geschlossen werden kann (Bl. 112f.; Bl. 133).

11. Eine postnatale Ursache für die Querschnittslähmung scheidet nach Auffassung der Sachverständigen mit Sicherheit aus (Prof. Dr. L Bl. 110/111 d. A.; Prof. Dr. P Bl. 164 im Verfahren 2 O 779/95).

II.

Aufklärungsfehler liegen nicht vor.

1. Eine Aufklärung der Mutter von M S über die Möglichkeit einer primären Schnittentbindung oder vaginaloperative Methoden war zum Zeitpunkt der Aufnahme nicht geboten.

Da der Arzt bei der Entbindung die Patientin nicht mit theoretischen Erwägungen verunsichern soll, ist über die verschiedenen alternativ in Frage, kommenden Entbindungsmöglichkeiten nur dann aufzuklären, wenn deutliche Anzeichen für eine echte Entbindungsalternative vorhanden sind (Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 4. Aufl., C 99). So muss der geburtsleitende Arzt von sich aus gegenüber der Gebärenden die Möglichkeit einer Schnittentbindung nur zur Sprache bringen, wenn im Fall einer vaginalen Geburt für das Kind ernstzunehmende Gefahren drohen und daher gewichtige Gründe für eine Schnittentbindung sprechen (BGH VersR 1993, 703). Ist die Schnittentbindung medizinisch nicht indiziert und daher keine echte Alternative zur vaginalen Geburt, ist die Mutter nicht über die Möglichkeit einer Schnittentbindung aufzuklären (BGH a. a. O.; VersR 1993, 835).

Zum Zeitpunkt der Aufnahme der Mutter von M war aufgrund der vorhandenen Befunde und in Kenntnis der anamnestischen Daten allein die vaginale Geburt als indiziert anzusehen (vgl. die Ausführungen unter 1. 1.). Es waren keine Gründe erkennbar, nach denen mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit eine operative Entbindung, sei es auf abdominalem oder auf vaginalem Weg, zu erwarten war. Es bestand daher keine Notwendigkeit, die Mutter des Klägers vorsorglich hierüber aufzuklären (Gutachten Prof. Dr. T vom 02.11.98 Bl. 317).

2. Eine Aufklärung über eine mögliche Sectio war auch nicht um 8.38 Uhr wegen des Abfallen der Herztöne auf 80 Schläge/Min, geboten. Auch zu diesem Zeitpunkt war die Notwendigkeit einer operativen Entbindungsmethode nicht erkennbar. Zu diesem Zeitpunkt stand ein Ableitungsfehler der kindlichen Herzfrequenz in Frage, der sich nach Anlage einer Kopfschwartenelektrode bestätigte. Nach Auffassung beider Sachverständiger war zu diesem Zeitpunkt noch keine Situation eingetreten, in der erkennbar war, dass für das Kind im Fall einer vaginalen Geburt ernste Gefahren drohten. Aus dem CTG ergeben sich bis zu diesem Zeitpunkt keine hypoxiesuspekten Zeichen. Die Sachverständigen beurteilen den Geburtsverlauf bis zum Vollständigwerden des Muttermundes als völlig normal (Prof. Dr. D Bl. 88; Gutachten Prof. Dr. T vom 02.11.98 Bl. 317).

3. Eine Aufklärung der Mutter von M S über die Risiken einer Schnittentbindung war auch um 9.06 Uhr nicht geboten.

Nachdem der kindliche Kopf nach dem Pressversuch um 9.06 Uhr Beckenmitte bis Beckenausgang erreicht hatte, war, wie unter 1. 4. ausgeführt, die Schnittentbindung keine infrage stehende Alternative, weil nach dem bisherigen Geburtsverlauf anzunehmen war, dass die vaginal-operative Methode mit geringeren Risiken zum schnelleren Erfolg führt (Gutachten Prof. Dr. T vom 02.11.98 Bl. 319/320). Über die Schnittentbindung war, weil sie keine echte Alternative darstellte, daher nicht aufzuklären.

Eine wirksame Aufklärung über die Risiken der Schnittentbindung war nach dem Scheitern der vaginal-operativen Entbindungsversuche nicht mehr möglich. Die Kindesmutter befand sich bereits in der Austreibungsphase im letzten Abschnitt der Geburt. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. T kann von einer Kreißenden in dieser Phase der Geburt eine abwägende Entscheidung nicht erwartet werden (Gutachten vom 02.11.98 Bl. 359).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO a. F. Ein Grund für die Zulassung der Revision nach § 543 ZPO n. F. besteht nicht.

Ende der Entscheidung

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