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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 25.11.2004
Aktenzeichen: 15 UF 111/04
Rechtsgebiete: BGB, FGG


Vorschriften:

BGB § 1587 b Abs. 4
FGG § 20 Abs. 1
Die Versorgungsträger sind nicht beschwerdebefugt zur Rüge der Nichtanwendung von § 1587 b Abs. 4 BGB. Dies gilt auch, wenn das Familiengericht auf dessen Anwendbarkeit nicht hingewiesen und auf eine entsprechende Antragstellung nicht hingewirkt hat.
Oberlandesgericht Stuttgart - 15. Zivilsenat - Familiensenat Beschluss

Geschäftsnummer: 15 UF 111/04

vom 25. November 2004

In der Familiensache

wegen Ehescheidung und Folgesachen

hier: Versorgungsausgleich

hat der 15. Zivilsenat - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Stuttgart unter Mitwirkung

des Vorsitzenden Richters am OLG Dr. Maurer, der Richterin am OLG Lingner und des Richters am AG Maier

beschlossen:

Tenor:

1. Die Beschwerde der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder gegen das Urteil des Amtsgerichts Schwäbisch Hall vom 24.03.2004 (2 F 591/03) wird als unzulässig verworfen.

2. Die Beschwerdeführerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Beschwerdewert: 500,-- €

Gründe:

I.

Die Parteien haben am 12.01.1996 geheiratet. Der Antrag auf Scheidung der Ehe wurde am 02.10.2003 zugestellt. Ehezeit im Sinne des § 1587 Abs. 2 BGB ist sonach die Zeit vom 01.01.1996 bis 30.09.2003.

Die Antragstellerin hat in der Ehezeit nach Auskunft der Baden-Württembergischen Versorgungsanstalt für Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte vom 21.11.2003 eine ehezeitbezogene volldynamische Anwartschaft auf berufsständische Versorgung in Höhe von monatlich 181,89 € erworben.

Der Versorgungsträger ist öffentlich-rechtlich organisiert und lässt die Realteilung zu.

Weiterhin hat sie nach Auskunft der Zusatzversorgungskasse des Kommunalen Versorgungsverbands Baden-Württemberg vom 19.01.2004 eine ehezeitbezogene unverfallbare betriebliche Rentenanwartschaft aus der Zusatzversorgung von monatlich 118,44 € erworben.

Der Antragsgegner hat nach Auskunft der Baden-Württembergischen Versorgungsanstalt für Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte vom 28.10.2003 ehezeitbezogene volldynamische berufsständische Versorgungsanwartschaften in Höhe von 664,66 € erworben.

Darüber hinaus hat er nach Auskunft der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder vom 23.10.2003 eine ehezeitbezogene unverfallbare betriebliche Rentenanwartschaft aus der Zusatzversorgung von monatlich 286,04 € erworben.

Das Familiengericht hat den Versorgungsausgleich in der Weise geregelt, dass es zu Lasten der Versorgung des Antragsgegners bei der Baden-Württembergischen Versorgungsanstalt für Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte durch Realteilung für die Antragstellerin Rentenanwartschaften von monatlich 238,58 €, bezogen auf den 30.9.2003, bei diesem Versorgungsträger und, ohne auf die Unwirtschaftlichkeit dieses Ausgleichsteils hinzuweisen, zu Lasten der Versorgung des Antragsgegners bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder auf einem neu einzurichtenden Versicherungskonto der Antragstellerin bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von monatlich 15,26 €, bezogen auf den 30.9.2003, begründet hat.

Die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder rügt mit ihrer Beschwerde die Nichtanwendung der §§ 1587 b Abs. 4 BGB, 3 b Abs. 1 S.1 Nr.1 VAHRG mit dem Ziel, den Ausgleich der vom Antragsgegner bei ihr erworbenen Versorgungsanrechte durch erweiterte Realteilung nach §§ 1 Abs. 2, 3 b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG zu Lasten der vom Antragsgegner bei der Baden-Württembergischen Versorgungsanstalt für Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte erworbenen Versorgungsanrechte in Höhe von (weiteren) 15,26 € auszugleichen.

Die Baden-Württembergische Versorgungsanstalt für Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte sowie der Antragsgegner sind der Beschwerde nicht entgegengetreten.

II.

Die Beschwerde ist unzulässig, da der Beschwerdeführerin eine Beschwerdebefugnis nicht zusteht.

Das Familiengericht hat eine Entscheidung nach § 1587 b Abs. 2 BGB getroffen, weshalb die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder nach § 53 Abs. 2 S. 1 FGG am Versorgungsausgleichsverfahren materiell beteiligt und damit auch grundsätzlich beschwerdeberechtigt ist, soweit eine Beeinträchtigung ihrer Rechte vorliegt. In Anwendung des § 20 FGG bedarf es dabei keiner finanziellen Beeinträchtigung, sondern es genügt, dass infolge gesetzlich nicht vorgesehener, also unrichtiger Maßnahmen ein beim Versorgungsträger bestehendes Rechtsverhältnis inhaltlich verändert und damit in seine Rechte eingegriffen wird (BGH FamRZ 1990, 1099).

Ein solcher Eingriff ist nicht anzunehmen, wenn der Versorgungsausgleich in einer Weise durchgeführt wird, die den Rechtskreis des Versorgungsträgers von vornherein nicht berühren kann, so grundsätzlich bei der Anordnung anderweitiger Regelungen gemäß § 1587 b Abs. 4 BGB (Sedemund-Treiber in Johannsen-/Henrich, 4.Aufl., Rz. 9 zu § 621 e ZPO) oder auch bei der Nichtanwendung dieser Vorschrift (OLG Koblenz FamRZ 1996, 1084; Maurer/Borth in Schwab, Handbuch des Scheidungsrechts, 5. Auflage, I Rz. 643).

Dies gilt auch dann, wenn durch unrichtige Sachbehandlung von Seiten des Gerichts die Belange der Parteien beeinträchtigt werden, obwohl grundsätzlich der öffentlich-rechtlich organisierte Versorgungsträger im Verfahren des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs die Belange seiner Versicherten wahrnimmt und ihm damit hinsichtlich der Gesetzmäßigkeit des gesamten Verfahrens ein besonderes Wächteramt zukommt (Sedemund-Treiber in Johannsen/Henrich, a.a.O.).

Vorliegend hat das Familiengericht entgegen seiner Obliegenheit (Hahne in Schwab a.a.O., VI Rz. 174) die Parteien nicht auf die möglichen unwirtschaftlichen Folgen des gesetzlich vorgegebenen Versorgungsausgleichs hingewiesen und nicht auf einen anderweitigen Ausgleich der restlichen Versorgungsanrechte hingewirkt.

Diese Obliegenheit des Gerichts richtet sich jedoch ausschließlich an die Parteien, nicht auch an die Versorgungsträger, was bereits daraus deutlich wird, dass gemäß § 1587 b Abs. 4 BGB ausschließlich die Parteien die Möglichkeit haben, eine abweichende Ausgleichsform zu beantragen und bei Ausbleiben eines solchen Antrags das Gericht ohne weitere Prüfung der sachlichen Voraussetzungen einer Unwirtschaftlichkeit den Versorgungsausgleich nach Maßgabe der Abs. 1 bis 3 des § 1587 b BGB durchführt (BGH FamRZ 1983, 263,264).

Da die Stellung eines Antrags unbeschränkt der Disposition der Parteien unterliegt und das Gericht eine bei unterstelltem Hinweis und gleichwohl unterbliebener Nichtantragstellung zwingende und gesetzeskonforme Entscheidung getroffen hat, die die Beschwerdeführerin nicht hätte angreifen können, kann in dem Verfahrensfehler des Gerichts lediglich eine Beeinträchtigung der Rechte der Parteien, nicht aber auch eine solche der Beschwerdeführerin gesehen werden.

Dieses Ergebnis wird zusätzlich dadurch gestützt, dass auch die gesetzlich vorgesehene Folge einer anderweitigen Regelung, nämlich die Anwendung des § 3 b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG , ebenfalls der Beschwerdebefugnis des Versorgungsträgers entzogen ist, da auch insoweit kein Eingriff in seine Rechtsposition vorliegt (BGH FamRZ 1989,370; OLG Karlsruhe FamRZ 2001,32).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Ende der Entscheidung

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