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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 16.01.2001
Aktenzeichen: 16 UF 445/00
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 645 ff.
ZPO § 650 S. 2
ZPO § 652 Abs. 2
ZPO § 652
ZPO § 651
ZPO § 648 Abs. 2
Leitsatz:

Erläßt das Familiengericht im Vereinfachten Verfahren nach §§ 645 ff. ZPO einen Unterhaltsfestsetzungsbeschluß gemäß § 650 S. 2 ZPO in der irrtümlichen Annahme, der Antragsgegner habe einen Unterhaltsbetrag in bestimmter Höhe anerkannt, so steht diesem in teleologischer Erweiterung des § 652 Abs. 2 ZPO ein (entspr. § 652 ZPO fristgebundenes) außerordentliches Beschwerderecht zu.


Oberlandesgericht Stuttgart - 16. Zivilsenat - Familiensenat - Beschluß

Geschäftsnummer: 16 UF 445/00 14 FH 24/00 AG Böblingen

in Sachen

wegen Kindesunterhalts (Vereinfachtes Verfahren)

hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart unter Mitwirkung am 16.01.2001 beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - ... vom 09.05.2000 aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Entscheidung (auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens) an das Amtsgericht - Familiengericht - ... zurückverwiesen.

Gründe:

Die gemäß § 652 ZPO statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und somit zulässige Beschwerde des Antragsgegners führt in der Sache zur Aufhebung des angefochtenen Unterhaltsfestsetzungsbeschlusses und zur Zurückverweisung des Verfahrens an das Familiengericht.

Dieses hat im angefochtenen Beschluß nicht alle Einwendungen des Antragsgegners zurückgewiesen, sondern nur (in Ergebnis und Begründung zutreffend) den Einwand, das Vereinfachte Verfahren sei nicht zulässig. Im übrigen hat es einen Beschluß gemäß § 650 Satz 2 ZPO erlassen (wollen), weil es angenommen hat, der Antragsgegner habe (im dritten Abschnitt des Einwendungsformulars) einen Unterhaltszahlbetrag von monatlich 518,-- DM anerkannt. Damit hat es die vom Antragsgegner abgegebene Erklärung jedoch mißverstanden. Dieser hat kein uneingeschränktes Anerkenntnis in dieser Höhe abgegeben, sondern erklärt, dem Kind "< 518 DM" bezahlen zu wollen. Das Zeichen "<..." steht in mathematischen Formeln für "weniger als...". Bei richtiger Auslegung aus dem Gesamtzusammenhang der Angaben des Antragsgegners geht hieraus kein Anerkenntnis von Unterhalt in bestimmter Höhe hervor, sondern nur die Erklärung des Antragsgegners, weniger Unterhalt bezahlen zu wollen als vom Antragsteller verlangt (der Antragsgegner hat offenbar seinerseits den Antrag des Antragstellers dahin verstanden, dieser verlange den für den Beginn des Anspruchszeitraums bezifferten Betrag von 643,-- DM abzüglich des hälftigen Kindergeldes, während das Familiengericht diesen Antrag - wohl zutreffend - dahin aufgefaßt hat, daß der bezifferte Betrag als Zahlbetrag nach Kindergeldanrechnung gemeint sei).

Wenn der Antragsgegner in der Beschwerde wiederholt, der festgesetzte Betrag erscheine ihm überhöht, so bringt er damit hinreichend deutlich zum Ausdruck, daß er einen Unterhalt in dieser Höhe nicht anerkenne und auch nie habe anerkennen wollen, und somit auch, daß der Beschluß des Familiengerichts zu Unrecht auf ein Anerkenntnis des Antragsgegners gestützt wurde.

Die Rüge, daß ein vom Familiengericht zur Grundlage eines Unterhaltsfestsetzungsbeschlusses gemäß § 650 Satz 2 ZPO gemachtes Anerkenntnis des Antragsgegners in Wahrheit nicht abgegeben sei, ist freilich in § 652 Abs. 2 ZPO, der Einwendungen im Beschwerdeverfahren nur in beschränktem Umfang zuläßt, nicht vorgesehen. Bei der Nichtberücksichtigung dieser Einwendung ist dem Gesetzgeber des Kindesunterhaltsgesetzes allerdings ein offensichtliches Versäumnis unterlaufen. Der Gesetzeszweck des § 650 Satz 2 ZPO ist es, eine rasche Titulierung von Kindesunterhalt in beiderseitigem Einvernehmen zu erreichen und eine streitige Fortsetzung des Verfahrens gemäß § 651 ZPO möglichst zu vermeiden. Läßt man die Einwendung, ein vermeintliches Anerkenntnis sei in Wahrheit nicht erklärt, dem Gesetzeswortlaut entsprechend im Beschwerdeverfahren nicht zu, so zwingt man den von einem auf falsche Voraussetzungen gestützten Unterhaltsfestsetzungsbeschluss überraschten Schuldner geradezu ins streitige Verfahren nach § 651 ZPO. Die Einwendung ist deshalb zuzulassen.

Das Familiengericht wird zu prüfen haben, ob es die Einwendungen des Antragsgegners gemäß § 648 Abs. 2 ZPO auch unter der Voraussetzung als zulässig erhoben ansieht, daß ein Teilanerkenntnis in bestimmter Höhe, von dem es bislang ausging, tatsächlich nicht erklärt ist. Dem Antragsgegner, der ja selbst die Unterhaltspflicht als solche nicht bestreitet, ist dringend zu empfehlen, ein solches Teilanerkenntnis umgehend zu erklären, weil er sonst damit rechnen muß, daß der Einwand fehlender Leistungsfähigkeit allein hierwegen als unzulässig zurückgewiesen und der Unterhalt insgesamt entsprechend dem Antrag des Antragstellers festgesetzt wird (vgl. § 648 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Ein nachträgliches Teilanerkenntnis - wie auch andere Einwendungen - hat das Familiengericht zu berücksichtigen, so lange der Unterhaltsfestsetzungsbeschluss nicht verfügt ist (§ 648 Abs. 3 ZPO).

Ende der Entscheidung

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