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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 23.08.2000
Aktenzeichen: 16 UF 580/99
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, ABGB


Vorschriften:

ZPO § 119 Satz 2
BGB § 1361
BGB § 1582 Abs. 1 Satz 2
ABGB § 94 Abs. 1
ABGB § 94 Abs. 2 Satz 2
Leitsätze:

1. Zur Bemessung des Trennungsunterhalts nach österreichischem Recht.

2. Werden die ehelichen Lebensverhältnisse auch durch Zusatzeinkünfte aus selbständiger Tätigkeit geprägt, so ist deren Bezieher ein angemessener Abzug für Altersvorsorgeaufwendungen sowie ein Bonus für Erwerbsanreiz zuzugestehen, der den üblichen Bonus für das Haupterwerbseinkommen übersteigt.

3. Kosten des Umgangs mit dem gemeinsamen Kind stellen regelmäßig keine außergewöhnliche Belastung dar, die dem unterhaltsberechtigten betreuenden Elternteil leistungsmindernd entgegengehalten werden kann. Das gilt auch für überdurchschnittlich hohe Kosten, sofern diesen ein überdurchschnittlich hohes Einkommen gegenübersteht.

Konkurrieren Ansprüche mehrerer Unterhaltsberechtigter, die sich nach verschiedenen Rechtsordnungen richten, welche die Frage nach Vor-, Gleich- oder Nachrang unterschiedlich lösen, so setzt sich bei der Prüfung des Rangverhältnisses diejenige Rechtsordnung durch, für die nach sachlich-rechtlichen Bewertungskriterien die besseren Gründe sprechen, wobei besonders zu beachten ist, ob die Beteiligten mit einer von ihnen gemeinsam am engsten verbunden sind.


Oberlandesgericht Stuttgart - 16. Zivilsenat - Beschluß

Geschäftsnummer: 16 UF 580/99 1 F 126/97 AG Kirchheim u. T.

vom 23.08.2000

In der Familiensache

wegen Trennungsunterhalts;

hier: Prozeßkostenhilfe für das Berufungsverfahren

hat der 16. Zivilsenat -Familiensenat - des Oberlandesgerichts Stuttgart unter Mitwirkung...

beschlossen:

Tenor:

Der Klägerin wird für das Berufungsverfahren im nachstehenden Umfang Prozeßkostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwalt... beigeordnet:

a) zur Rechtsverteidigung gegen die Berufung des Beklagten,

b) für die beabsichtigte Anschlußberufung gegen Ziffer 2 des angefochtenen Urteils insoweit, als sie eine Erhöhung der zugesprochenen Unterhaltsrente auf monatlich 1.120,00 DM für die Zeit ab 01.06.1999 erstrebt.

Ihr weitergehender Prozeßkostenhilfeantrag wird abgewiesen.

Gründe:

I.

Die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für die Rechtsverteidigung gegen die Berufung des Beklagten beruht auf § 119 Satz 2 ZPO.

II.

Für die eigene (selbständige) Anschlußberufung kann der Klägerin nur in dem aus der Beschlußformel ersichtlichen Umfang Prozeßkostenhilfe bewilligt werden, weil ihre weitergehende Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg verspricht.

1. Gemäß Artikel 18 Abs. 1 EGBGB beurteilen sich die unterhaltsrechtlichen Beziehungen zwischen den Parteien während der Trennungszeit nach dem Sachrecht am jeweiligen gewöhnlichen Aufenthalt des Unterhaltsberechtigten. Da die Klägerin ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Laufe des Anspruchszeitraums von Deutschland nach Österreich verlegt hat, findet bis einschließlich Juli 1997 deutsches, danach österreichisches Sachrecht Anwendung. Das anwendbare Recht bestimmt insbesondere auch das Maß des Unterhalts (Artikel 18 Abs. 6 Nr. 1 EGBGB).

2. Nach deutschem Recht beruht der Anspruch der Klägerin auf § 1361 BGB. Hiernach kann sie den nach den ehelichen Lebensverhältnissen angemessenen Unterhalt verlangen; auf eine eigene Erwerbstätigkeit kann sie nur verwiesen werden, wenn dies von ihr nach ihren persönlichen Verhältnissen und nach den wirtschaftlichen Verhältnissen beider Ehegatten erwartet werden kann.

Da sie während des gemeinsamen Zusammenlebens nicht erwerbstätig war, die Familie vielmehr alleine vom Erwerbseinkommen des Beklagten und von ihren Pensionseinkünften gelebt hat, und da sie auch nach der Trennung noch die gemeinsame, im Jahr 1993 geborene Tochter betreut, kann eine Erwerbstätigkeit von ihr nicht erwartet werden.

Die ehelichen Lebensverhältnisse waren geprägt durch die Einkünfte des Beklagten aus nicht selbständiger Tätigkeit als Professor an der Fachhochschule, Zusatzeinkünfte des Beklagten aus selbständiger Tätigkeit und durch die Pensionsbezüge der Klägerin. Letztere beliefen sich nach Abzug von Steuern, Kirchenbeitrag und Sozialversicherungsbeiträgen auf rund 150.000 Schilling jährlich, das sind monatlich umgerechnet rund 1.780,00 DM, wie vom Familiengericht zutreffend angenommen. Soweit ihr Verfahrensbevollmächtigter einen geringeren Betrag errechnet, hat er den "Lohnzetteln" Abzüge entnommen, die nur für die Berechnung des steuerpflichtigen Einkommens, nicht des effektiven Nettoeinkommens zu berücksichtigen sind.

Abzüge für Wohnkosten sind hiervon nicht zu machen. Die Wohnkosten rechnen vielmehr zum allgemeinen Lebensbedarf, der aus dem Gesamteinkommen zu bestreiten ist. Wenn die Parteien während der Ehe zwei oder gar drei Wohnungen nebeneinander gehalten und entsprechend hohe Kosten für den Wohnbedarf aufgebracht haben, ist offensichtlich, daß für den Unterhaltsbedarf im übrigen entsprechend weniger bleibt. Diese Einbuße geht aber gleichmäßig zu Lasten beider Parteien. Die Berechnung der Klägerin läuft darauf hinaus, daß ihr die Wohnkosten zusätzlich zum eheangemessenen Bedarf zur Verfügung gestellt werden, während der Beklagte seine Wohnkosten aus eben diesem Bedarf bestreiten müßte. Dies widerspricht dem Halbteilungsgrundsatz.

Auf Seiten des Beklagten sind zunächst seine Bezüge aus der Tätigkeit als ordentlicher Professor in die Unterhaltsbemessung einzubeziehen. Dabei geht der Senat in der Weise vor, daß er die steuerlichen Abzüge von vornherein nur in der Höhe berücksichtigt, die sich ergibt, wenn der Beklagte die Unterhaltsleistungen an die frühere Ehefrau A. mit dem Höchstbetrag von 27.000 DM p.a. als außergewöhnliche Belastung von seinem Einkommen absetzt, denn der Beklagte und Frau A. praktizieren das begrenzte Realsplitting bereits seit Jahren; mit dem entsprechenden Steuervorteil kann deshalb dauerhaft gerechnet werden. Tatsächlich nimmt ihn der Beklagte auch laufend in Anspruch, allerdings nicht im Lohnsteuerabzugsverfahren, sondern im Rahmen der nachfolgenden Einkommensteuererklärung.

Des weiteren ist die jeweils bezahlte Kranken- und Pflegeversicherung vom Bruttoeinkommen abzusetzen. Das so errechnete Nettoeinkommen ist um einen Bonus von 15 % für berufsbedingte Aufwendungen und Erwerbsanreiz zu bereinigen.

Im Jahr 1997 betrugen die Bruttobezüge als Prof. jährlich 124.288 DM. Hierauf entfallen bei der Ausnutzung des Freibetrages von 27.000 DM jährlich Lohnsteuerabzüge von 27.525 DM und ein Solidaritätszuschlag von 1.950 DM.

Der Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung belief sich auf 6.360 DM. Das unbereinigte Nettoeinkommen beträgt 88.453 DM, nach Bereinigung um 15 % verbleiben 75.185 DM, das sind monatlich 6.265 DM.

Jedenfalls im Rahmen des Prozeßkostenhilfeprüfungsverfahrens ist auch davon auszugehen, daß die ehelichen Lebensverhältnisse daneben durch die Zusatzeinkünfte des Beklagten aus selbständiger Tätigkeit (Veröffentlichungen; Abhaltung von Seminaren u.ä.) geprägt waren. Anstelle der tatsächlich erzielten Nebeneinnahmen in den Jahren 1997 bis dato legt der Senat allerdings insoweit den durchschnittlichen Bezug der Jahre 1989 bis 1996 zugrunde, weil die Bezüge in den Folgejahren völlig atypisch waren. Im langjährigen Durchschnitt der Vorjahre hat der Beklagte ausweislich seiner Aufstellung Blatt 97 ff. Bruttobezüge von jahresdurchschnittlich 41.875 DM (nach Abzug der Unkosten) versteuert. Für den mehr als doppelt so hohen Bezug im Jahre 1997 gibt es in den Vorjahren keinerlei Parallele. Der Senat glaubt dem Beklagten, daß er dieses weit überdurchschnittliche Engagement nur aufgebracht hat und aufbringen konnte, weil er nach der Trennung der Parteien zusätzliche zeitliche Kapazitäten hatte. Dann aber ist der Anstieg der Einkünfte trennungsbedingt und kann bei der Bemessung der unterhaltsprägenden Einkünfte nicht berücksichtigt werden.

Entsprechendes gilt mit umgekehrtem Vorzeichen für die Folgejahre, in denen der Beklagte (annähernd) keinerlei zusätzliche positiven Einkünfte erzielt haben will. Nachdem er selbst in der Zeit unmittelbar nach Geburt des gemeinsamen Kindes (1993/1994), als er nach eigenem Vorbringen seine Nebentätigkeit eingeschränkt hat, um mehr Zeit für die Familie zu haben, noch Zusatzeinkünfte in fünfstelliger Höhe jährlich erzielen konnte, erscheint der abrupte Einbruch im Jahr 1998 mit der Behauptung, die Seminaraufträge seien zurückgegangen, nicht hinreichend erklärt. Der von der Klägerin geäußerte Verdacht einer bewußten Nichtausnutzung der Arbeitskraft erscheint nicht fernliegend; jedenfalls im Prozeßkostenhilfeprüfungsverfahren ist zu ihren Gunsten davon auszugehen, daß er zutrifft.

Als überobligatorisch und deshalb nicht eheprägend wertet der Senat die Zusatztätigkeit des Beklagten nicht; Zusatztätigkeiten der vom Beklagten übernommenen Art gehören vielmehr zu den üblichen Aufgaben auch eines Fachhochschullehrers.

Da der Beklagte für die Zeit nach seiner Emeritierung allerdings mit derartigen Zusatzaufträgen nicht rechnen kann und auch aus Altersgründen nicht verpflichtet wäre, ihnen nachzukommen, er andererseits darauf Anspruch hat, auch im Alter den gewohnten Lebensstandard jedenfalls annähernd beizubehalten, und die ihm zustehende Beamtenpension nur den Ausfall der "regulären" Einkünfte aus nicht selbständiger Tätigkeit kompensiert, ist es nicht unangemessen, wenn er aus dem Zusatzeinkommen Rücklagen in Form von Lebensversicherungsbeiträgen für den Altersfall bildet. Auch der Abschluß einer Unfallversicherung erscheint bei einem (teilweise) selbständig Tätigen angemessen. Die Lebensversicherungsbeiträge von rund 7.500 DM im Jahr 1997 stehen auch in einer angemessenen Relation zu dem Bruttoeinkommen (Jahresdurchschnitt) von knapp 42.000 DM, dessen Ausfall sie absichern sollen.

Schließlich ist auch aus den Zusatzeinkünften dem Beklagten ein Bonus für Erwerbsanreiz anrechnungsfrei zu belassen, der allerdings, nachdem die Unkosten bereits gegengerechnet sind, nicht in voller Höhe von 15 % gerechtfertigt erscheint. Üblicherweise legt der Senat bei ausschließlich selbständig Tätigen einen Bonus von 5 % zugrunde; vorliegend erscheint jedoch ein solcher von 10 % angemessen, weil der Beklagte sich und die Familie überwiegend durch Einnahmen aus nicht selbständiger Tätigkeit ernährt und für Zusatztätigkeiten deshalb einen höheren Erwerbsanreiz benötigt.

Selbstverständlich müssen auch die steuerlichen Abzüge berücksichtigt werden, wobei der Senat allerdings sich nicht an den tatsächlichen Abzügen im Anspruchszeitraum orientiert, weil diese durch nicht prägende Einkünfte (außergewöhnlich hohe Bezüge im Jahr 1997) und Abzüge (Scheidungskosten als außergewöhnliche Belastung) mitbestimmt sind; vielmehr kann für die Zusatzeinkünfte durchgehend eine Besteuerung nach dem Spitzensteuersatz zugrunde gelegt werden. Nachdem zu Beginn des Anspruchszeitraums der Spitzensteuersatz bei 53 % gelegen hat (der Solidaritätszuschlag ist zusätzlich zu berücksichtigen) und ab 1999 zusätzlich Kirchensteuer zu bezahlen ist, rechnet der Senat durchgehend mit steuerlichen Abzügen in Höhe von 57 % des Bruttobetrages, der, wie ausgeführt, mit 41.875 DM angesetzt wird. Damit ergeben sich Einkünfte nach Steuer von 18.006 DM; nach Abzug des Unfallversicherungsbeitrags mit 588,00 DM und der Lebensversicherungsbeiträge mit 7.539,00 DM verbleibt ein unterhaltsprägendes Nettoeinkommen insoweit von 9.879,00 DM, das sich nach Bereinigung um 10 % auf 8.891,00 DM oder monatlich 740 DM vermindert. Soweit der Beklagte die Zahlungen auf Lebensversicherungen in der Folgezeit reduziert hat, ist dies eine Reaktion auf den vorgetragenen Rückgang der Zusatzeinkünfte; wenn durchgehend mit fiktiven Einkünften in unveränderter Höhe gerechnet wird, muß dem Beklagten auch ein Abzug für Vorsorgeaufwand in unveränderter Höhe zugestanden werden.

Weitere Abzüge von seinem Einkommen wegen der Kosten des Umgangs mit der gemeinsamen Tochter sind nicht zu machen. Im Regelfall sind Umgangskosten, wie der Beklagte nicht verkennt, keine im Rahmen der Berechnung des Ehegattenunterhalts berücksichtigungsfähige Belastung. Vorliegend gilt nicht deshalb etwas anderes, weil sie höher sind als in Durchschnittsfällen, denn der ungewöhnlich hohe Aufwand ist auch aus einem ungewöhnlich hohen Einkommen zu bestreiten. Bei der Bedarfsberechnung nach deutschem Recht ist ihm ein Bonus für Erwerbsanreiz zuzubilligen, der insgesamt annähernd 15 % des Gesamteinkommens ausmacht; nach österreichischem Recht wird der bedürftigen Ehefrau nur ein Bedarf von ca. 37 % des beiderseitigen Einkommens zugestanden, dem Unterhaltspflichtigen bleibt demnach ein erheblicher Mehrbetrag, aus dem die Umgangskosten bestritten werden können.

Das unterhaltsprägende Gesamteinkommen beträgt hiernach 6.265 DM + 740 DM = 7.005 DM.

Dies ist gleichzeitig bedarfsprägend für die Unterhaltsansprüche der ersten Ehefrau A., die denjenigen der Klägerin gemäß § 1582 Abs. 1 Satz 2 BGB im Rang vorgehen, weil die Ehe mit Frau A. von langer Dauer war. Hiernach ist der tatsächlich bezahlte Unterhalt für Frau A. nicht unangemessen hoch, wie die Klägerin meint, sondern hält sich im eheangemessenen Rahmen.

Nachdem die Zeugin A. die vorgetragenen Zahlungen des Beklagten nur der Größenordnung nach bestätigen konnte und der Beklagte hierzu im Lauf des Rechtsstreits unterschiedliche Angaben gemacht hat, legt der Senat die zunächst vorgetragenen Beträge gemäß den Aufstellungen Blatt 287 und 346 zugrunde. Im Jahr 1997 wurde demnach laufende Zahlungen von 28.562 DM sowie eine Steuererstattung von 4.869 DM, insgesamt Zahlungen von 33.431 DM geleistet, das sind monatlich 2.785 DM. Das für die Ansprüche der Klägerin prägende Einkommen reduziert sich danach auf 4.220 DM.

Nach Abzug des Kindesunterhalts (Tabellenbetrag) mit 665 DM ergibt sich eine weitere Reduzierung auf 3.555 DM. Die hälftige Differenz zum Pensionseinkommen der Klägerin von 1.780 DM beträgt 887 DM.

Der Anspruch der Klägerin reduziert sich jedoch dadurch, daß der Beklagte bis einschließlich Oktober 1997 noch die auf sie entfallenden Mietzahlungen für die (in Deutschland belegene) Wohnung geleistet hat, welche den errechneten Betrag weit übersteigen, auf Null. Die Mietzahlungen stellen der Sache nach Unterhaltsleistungen in Natur dar; sie sind in voller Höhe auf den Unterhaltsanspruch anzurechnen, und zwar auch für die (wenigen) Monate nach dem Auszug der Klägerin, weil diese durch ihren unvermittelten Wegzug ohne rechtzeitige Vorankündigung eine fristgerechte Kündigung des Mietverhältnisses verhindert hat.

Für die Dauer ihres Aufenthalts in Deutschland macht die Klägerin keinen Altersvorsorgeunterhalt geltend.

3. Nachdem die Klägerin ab August 1997 ihren gewöhnlichen Aufenthalt nach Österreich verlegt hat, beurteilen sich ihre Ansprüche auf Trennungsunterhalt nach österreichischem Recht. Sie beruhen auf § 94 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 ABGB. Hiernach haben die Ehegatten nach ihren Kräften und gemäß der Gestaltung ihrer ehelichen Lebensgemeinschaft zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse gemeinsam beizutragen, wobei der Ehegatte, der bis zur Aufhebung des gemeinsamen Haushalts diesen geführt hat, bereits hierdurch seinen Beitrag geleistet hat und zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zur Selbsterhaltung während der Trennungszeit nicht gehalten ist, es sei denn, das Unterhaltsverlangen erscheint rechtsmißbräuchlich (wofür im vorliegenden Fall nichts ersichtlich ist).

Bezieht der unterhaltsberechtigte Ehegatte eigenes Einkommen, so besteht ein Unterhaltsanspruch nach österreichischem Recht nur bei erheblicher Einkommensdifferenz; der nach den Lebensverhältnissen angemessene Bedarf wird in der Regel mit rund 40 % des zusammengerechneten Einkommens beider Eheleute angesetzt; bei Vorhandensein unterhaltsbedürftiger Kinder vermindert sich diese Quote pro Kind um rund 3 - 4 %. Auf den so errechneten Bedarf wird das Eigeneinkommen des Minderverdienenden nur nach Billigkeit angerechnet. Bei der Einkommensberechnung weicht die Rechtspraxis in Österreich insofern von derjenigen in Deutschland ab, daß die Bildung von Rücklagen für den Altersfall in Form von Lebensversicherungen nicht zum Unterhaltsbedarf zählt; deshalb kann der Klägerin auch für die Folgezeit kein Altersvorsorgeunterhalt zugebilligt werden; allerdings sind dem Beklagten auch keine Abzüge von seinem selbständigen Einkommen für Lebensversicherungsbeiträge zuzugestehen (vgl. zum Ganzen Schwimann, ABGB, § 94 Rz. 1 und Rz. 48).

Problematisch ist der Vorwegabzug des Unterhalts für Frau A., weil nach österreichischem Recht Ansprüche des geschiedenen und des neuen Ehegatten grundsätzlich gleichrangig sind (Zankt, in: Schwimann u.a., ABGB, § 67 Ehegesetz, Rz. 11). Nach Artikel 18 EGBGB ist grundsätzlich auch die Frage der Rangfolge verschiedener Unterhaltsberechtigter nach dem jeweiligen Aufenthaltsstatut anzuknüpfen. Die Vorschrift enthält indes keinen Hinweis darauf, welche Anknüpfung maßgeblich sein soll, wenn sich die Ansprüche mehrerer Berechtigter nach verschiedenen Rechtsordnungen richten, die ihrerseits die Frage nach Vor-, Gleich- oder Nachrang unterschiedlich lösen. In diesem Fall setzt sich diejenige Rechtsordnung durch, für die nach sachlich-rechtlichen Bewertungskriterien die besseren Gründe sprechen (Staudinger/von Bar/Mankowski, BGB, 13. Auflage, Anhang I zu Artikel 18 EGBGB, Rz. 369 f.). Hiernach bleibt es vorliegend beim Vorrang der Ansprüche von Frau Agnes Hub: Hierfür spricht zum einen die zeitliche Priorität ihrer Ansprüche, deren Bestehen die ehelichen Lebensverhältnisse in der Ehe zwischen den Parteien durchgehend geprägt hat, zum anderen die weitergehende Bedürftigkeit (selbst bei Beachtung ihres Vorranges bleiben die an sie vom Beklagten geleisteten Unterhaltszahlungen, von denen sie mangels eigener Zusatzeinkünfte leben muß, hinter dem - nachstehend errechneten - eheangemessenen Bedarf der Klägerin zurück) und schließlich und vor allem die Tatsache, daß die Klägerin sich während des größten Teils der Ehezeit zusammen mit dem Beklagten in Deutschland aufgehalten hat und hiernach den Vorrang der Ansprüche von Frau A. gegen sich gelten lassen mußte; auch für die Zeit nach der Scheidung der Parteien beurteilen sich die Ansprüche der Klägerin wiederum nach deutschem Recht, weil die Ehe nach diesem Recht vom Familiengericht geschieden worden ist (Artikel 18 Abs. 4 EGBGB). Die gemeinsame Verbundenheit aller Beteiligten mit dem deutschen Rechtskreis ist hiernach viel enger als mit dem österreichischen.

Für August bis Dezember 1997 ergeben sich folgende Ansprüche

Dienstbezüge des Beklagten netto unbereinigt 88.453 DM zuzüglich Nettoeinkommen aus Zusatztätigkeit 18.006 DM abzüglich Unfallversicherungsbeitrag 588 DM abzüglich Unterhalt Frau A. 33.431 DM verbleibendes Einkommen 72.440 DM geteilt 12 = monatlich 6.037 DM zuzüglich Pension Klägerin 1.780 DM prägendes Gesamteinkommen 7.817 DM mal 37 % = Bedarf 2.892 DM abzüglich Eigeneinkommen 1.780 DM ungedeckter Bedarf 1.112 DM

Da die Pensionsbezüge der Klägerin erwerbsloses Einkommen darstellen, zu dessen Erzielung sie keine besonderen (zusätzlichen) Anstrengungen auf sich nehmen muß, entspricht der volle Abzug der Billigkeit.

Bis einschließlich Oktober ergeben sich keine Rückstände, weil die als Unterhaltsleistungen zu wertenden Mietzahlungen des Beklagten den Anspruch übersteigen. Für November werden 1.112 DM geschuldet, für Dezember abzüglich der anderweitig titulierten und bezahlten monatlich 771 DM - noch 341 DM. Gesamtrückstand für 1997 sonach: 1.453 DM.

Für 1998 ergibt sich folgende Berechnung:

Dienstbezüge des Beklagten brutto 126.236 DM abzüglich fiktive Lohnsteuer (bei Freibetrag von 27.000 DM) 28.400 DM abzüglich Solidaritätszuschlag 1.477 DM abzüglich Krankenversicherungsbeitrag 6.576 DM

ergibt netto unbereinigt 89.783 DM zuzüglich Nebeneinkünfte 18.006 DM abzüglich Unfallversicherung 588 DM abzüglich Unterhaltszahlungen an Frau A. 28.034 DM abzüglich Steuererstattungen an Frau A. 4.224 DM verbleibende Bezüge 74.943 DM geteilt 12 = monatlich 6.245 DM

Aus der von der Klägerin vorgelegten Pensionsbescheinigung errechnet sich ein Nettojahreseinkommen von 152.959 Schilling = 21.851 DM, das sind monatlich 1.820 DM

zusammengerechnete Nettoeinkünfte 8.065 DM mal 37 % = Bedarf 2.984 DM abzüglich Eigeneinkommen 1.820 DM ungedeckter Restbedarf 1.164 DM abzüglich geleisteter Zahlungen gemäß Teilvergleich 771 DM Restanspruch 393 DM in 12 Monaten errechnet sich ein weiterer Rückstand von 4.716 DM, zusammen mit dem Rückstandsbetrag aus 1997 somit insgesamt 6.169 DM.

Das Familiengericht hat einen weit übersteigenden Rückstand errechnet. Die hiergegen gerichtete Anschlußberufung der Klägerin ist aussichtslos.

4. 1999 ergibt sich folgende Berechnung:

a) Aus der vorgelegten Einkommensbescheinigung der Klägerin ergibt sich ein Jahresnettoeinkommen von 155.815 Schilling, das sind 22.259 DM, monatlich 1.855 DM:

b) Auf Seiten des Beklagten ist von folgenden Einkünften auszugehen:

Dienstbezüge brutto 128.509 DM abzüglich fiktiver Lohnsteuer 29.394 DM abzüglich Solidaritätszuschlag 1.530 DM abzüglich Kirchensteuer 2.226 DM abzüglich Krankenversicherung 6.660 DM ergibt Dienstbezüge netto unbereinigt 88.699 DM zuzüglich Nebeneinkünfte netto 18.006 DM abzüglich Unfallversicherung 588 DM abzüglich Unterhalt Frau A. (mangels näheren Nachweises wie Vorjahr) 28.034 DM abzüglich Steuererstattung Frau A. 4.224 DM prägendes Nettoeinkommen 73.859 DM geteilt 12 = monatlich 6.155 DM

Die prägenden Bezüge beider Parteien addieren sich auf 8.010 DM.

37 % hiervon sind 2.964 DM, das ist der Bedarf der Klägerin. Nach Abzug des Eigeneinkommens mit 1.855 DM verbleibt ein ungedeckter Bedarf von 1.109 DM, großzügig aufgerundet auf 1.120 DM. Insoweit hat die Klage und die Berufung ab 01.06.1999 hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Für Januar bis Mai 1999 ist noch der unstreitig bezahlte Betrag von monatlich 771 DM abzuziehen. Der Restanspruch vermindert sich auf einen Betrag, der unter dem vom Familiengericht zugesprochenen liegt, weshalb die Berufung insoweit aussichtslos erscheint.

Ende der Entscheidung

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