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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 07.11.2007
Aktenzeichen: 16 WF 181/07
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 256
BGB § 1626e
1. Zulässigkeit eines Antrags auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens der elterlichen Sorge.

2. Unwirksamkeit der Sorgeerklärung eines Mannes, dessen Anerkennung der Vaterschaft nach § 1599 Abs. 2 BGB unwirksam ist.


Oberlandesgericht Stuttgart 16. Zivilsenat - Familiensenat - Beschluss

Geschäftsnummer: 16 WF 181/07

7. November 2007

In der Familiensache

wegen elterlicher Sorge hier PKH-Beschwerde

hat der 16. Zivilsenat - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Stuttgart unter Mitwirkung

des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Amelung, der Richterin am Oberlandesgericht Hütter und des Richters am Amtsgericht Heiter

beschlossen:

Tenor:

Der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Tettnang vom 8.8.2007 wird dahingehend abgeändert, dass sich die Bewilligung der Prozesskostenhilfe für die Antragstellerin auch auf den Hauptantrag vom 4.6.2007 erstreckt.

Gründe:

Die Antragstellerin war seit dem 15.4.1993 mit Herrn X. verheiratet; die Ehe wurde aufgrund des am 3.11.2005 eingegangenen Scheidungsantrags durch Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Tettnang vom 15.2.2006, das seit 25.3.2006 rechtskräftig ist, geschieden (Az: 9 F 594/05). Am 17.8.2005, also noch vor Anhängigkeit des Scheidungsantrags, brachte die Antragstellerin das Kind X. zur Welt. Am 1.9.2005 erklärte der damalige Ehemann der Antragstellerin, Herr X., die Zustimmung zur Anerkennung der Vaterschaft, die der Antragsgegner, Herr X., am 2.9.2005 gegenüber dem Kreisjugendamt X. abgab; auch die Antragstellerin stimmte dem Vaterschaftsanerkenntnis zu. Ebenfalls am 2.9.2005 gaben die Antragstellerin und der Antragsgegner gegenüber dem Kreisjugendamt X. Sorgeerklärungen gem. § 1626a Abs. 1 Nr. 1 BGB ab.

Aufgrund übereinstimmender Anträge der Antragstellerin und ihres geschiedenen Ehemanns hat -das Amtsgericht - Familiengericht - Tettnang durch Urteil vom 12.10.2006, rechtskräftig seit 21.11.2006, festgestellt, dass Herr X. nicht Vater des Kindes X. ist (AZ: 7 F 116/06).

Im vorliegenden Verfahren begehrt die Antragstellerin in erster Linie die Feststellung, dass sie für das Kind X. allein sorgeberechtigt ist. Hilfsweise beantragt sie die Übertragung der elterlichen Sorge auf sich allein. Durch Beschluss vom 8.8.2007 hat das Amtsgericht - Familiengericht - Tettnang der Antragstellerin Prozesskostenhilfe für den Hilfsantrag bewilligt, das Prozesskostenhilfegesuch für den Hauptantrag jedoch abgelehnt. Hiergegen richtet sich das Rechtsmittel der Antragstellerin.

Die nach § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO i.V.m. § 14 FGG statthafte, fristgerecht eingelegte und auch im übrigen zulässige Beschwerde der Antragstellerin hat in der Sache Erfolg. Dem Hauptantrag festzustellen, dass der Antragstellerin die elterliche Sorge für das Kind X. allein zusteht, kann die Erfolgsaussicht nicht abgesprochen werden.

Der Feststellungsantrag ist zulässig.

a)

Eine allgemeine gesetzliche Regelung der Zulässigkeit von Feststellungsanträgen in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit existiert nicht. Für privatrechtliche Streitverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist anerkannt, dass Feststellungsanträge unter den Voraussetzungen des § 256 ZPO zulässig sind (vgl. Habscheid, Freiwillige Gerichtsbarkeit, 7. A. § 7 III 1; Jansen - Baronin v. König/v. Schuckmann, FGG, 3. A. vor §§ 8 - 18 RN 17). Darüber hinaus ist auch im Bereich der elterlichen Sorge weitgehend anerkannt, dass ein Antrag auf Feststellung des Bestehens der gemeinsamen elterlichen Sorge, jedenfalls aber ein diesbezüglicher gerichtlicher Ausspruch, unter bestimmten Voraussetzungen möglich ist (OLG Stuttgart FamRZ 1999, 804; OLG Hamm FamRZ 1999, 803; OLG Zweibrücken, FamRZ 2000, 506; Palandt - Diederichsen, BGB, 66. A. § 1671 RN 7; MünchKomm - Finger, BGB, 4. A. § 1671 RN 14; Bamberger/Roth - Veit, BGB, § 1671 RN 17; Staudinger - Coester, BGB, Bearb. 2004, § 1671 RN 51, 107; zurückhaltend Bumiller/Winkler, FGG, 8. A. § 12 RN 13). Grundsätzliche Bedenken gegen ein Feststellungsverfahren als solches im Bereich der elterlichen Sorge sind dabei nicht zu Tage getreten. Insbesondere wird, soweit ersichtlich, die Frage, ob eine feststellende Entscheidung des Gerichts in sorgerechtlichen Verfahren in materielle Rechtskraft er-wächst, in diesem Zusammenhang nicht als entscheidend angesehen. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass nach dem Regierungsentwurf eines Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) Verfahren, die die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens der elterlichen Sorge eines Beteiligten für den anderen zum Gegenstand haben (vgl. bislang § 640 Abs. 2 Nr. 3 ZPO) zu Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit werden sollen (vgl. Begründung zu § 151 Nr. 1 FamFG-E; Heiter, FPR 2006, 417).

b)

Der Senat hält über die Konstellation der Feststellung des Bestehens der gemeinsamen elterlichen Sorge hinaus Feststellungsanträge, die das Bestehen oder Nichtbestehen der elterlichen Sorge eines Beteiligten für ein Kind betreffen, für zulässig, soweit ein besonderes Feststellungsinteresse gegeben ist.

Zunächst ist festzuhalten, dass dabei nicht auf § 640 Abs. 2 Nr. 3 ZPO zurückgegriffen werden kann, da das dort genannte ZPO-Verfahren für Streitigkeiten zwischen den tat-sächlichen oder vermeintlichen Sorgerechtsinhabern nicht zur Verfügung steht (vgl. nur Musielak - Borth, ZPO, 5. A. § 640 RN 8). Es besteht jedoch ein praktisches Bedürfnis dafür, eine verbindliche Klärung des sorgerechtlichen Status auch zwischen den genannten Beteiligten zu ermöglichen, insbesondere wenn dieser von der Beantwortung schwieriger Rechts- oder Auslegungsfragen abhängt. Darüber hinaus ist nicht zu verkennen, dass sich das Bestehen oder Nichtbestehen der elterlichen Sorge auf zahlreiche weitere, daran anknüpfende Rechtsverhältnisse auswirkt; es handelt sich also, ähnlich wie bei der Abstammung, um eine typische "Vorfrage", bei der Klarheit und Rechtssicherheit ein besonderes Gewicht zukommt. Nicht zuletzt können sich Streit und Unsicherheit über die Inhaberschaft oder Reichweite der elterlichen Sorge auch auf das betroffene Kind selbst nachteilig auswirken. Eine gerichtliche Klärung des bestehenden Zustands kann anderweitige Sorgerechtsverfahren vermeiden. Somit ist ein entsprechende Feststellungsanträge zulassendes Verständnis des Verfahrensrechts auch aus Gründen des Kindeswohls geboten.

c)

Im vorliegenden Fall ist das erforderliche besondere Feststellungsinteresse der Antragstellerin gegeben. Sie begehrt in der Sache die Feststellung, dass die elterliche Sorge für das Kind neben ihr keiner weiteren Person zusteht, insbesondere nicht dem Antragsgegner. Dieser nimmt aufgrund der abgegebenen Sorgeerklärung die elterliche Sorge auch für sich in Anspruch. Ob die Sorgeerklärung wirksam ist oder nicht, ergibt sich im vorliegenden Fall nicht ohne weiteres aus dem Gesetz, vielmehr werden zu den entscheidenden Gesichtspunkten in der Literatur unterschiedliche Ansichten vertreten. Angesichts dieser Umstände erscheint das Verlangen der Antragstellerin nach gerichtlicher Klärung gerechtfertigt.

Zwar würde die Abweisung des hilfsweise gestellten Antrags auf Übertragung der elterlichen Sorge nach § 1671 BGB wegen Fehlens der in dieser Vorschrift vorausgesetzten gemeinsamen elterlichen Sorge inzident ebenfalls eine gewisse Klärung der Sorgerechtsfrage herbeiführen (vgl. Staudinger - Coester, a.a.O., § 1671 RN 107; aus den Gründen der Entscheidung BGH FamRZ 2004, 802 ist zu entnehmen, dass die Vorinstanz - OLG Frankfurt, B. v. 19.8.2002, Az: 2 UF 79/02 - in einem Verfahren auf Übertragung der elterlichen Sorge die Feststellung getroffen hatte, dass die alleinige elterliche Sorge der Mutter fortbesteht). Jedoch erscheint es nicht sachgerecht, die Antragstellerin auf ein Verfahren zu verweisen, dessen gesetzlich vorgesehene Rechtsfolgen nicht mit ihrem Begehren übereinstimmen, und für dessen Einleitung das Bestehen der gemeinsamen elterlichen Sorge Voraussetzung ist, mithin ein Umstand, dessen Vorliegen von ihr gerade bestritten wird.

2.

Der Feststellungsantrag wird voraussichtlich auch in der Sache Erfolg haben.

Nachdem mit der rechtskräftigen Feststellung, dass Herr X. nicht Vater von X. ist, auch dessen elterliche Sorge für das Kind entfallen ist (vgl. allg. zu dieser Folge Staudinger - Thomas Rauscher, BGB, Bearb. 2000; § 1599 RN 31; MünchKomm - Wellenhofer-Klein, BGB, 4. A. § 1599 RN 27), kommt als weiterer Inhaber der elterlichen Sorge neben der Antragstellerin, soweit ersichtlich, nur der Antragsgegner in Betracht. Diese Rechtsstellung könnte er allenfalls aus einer gemeinsamen Sorgeerklärung vom 2.9.2005 ableiten; diese ist jedoch unwirksam (§ 1626e BGB).

Aus §§ 1626a Abs. 1, 1626c Abs. 1 BGB ergibt sich, dass Sorgeerklärungen nur von den Eltern des betroffenen Kindes abgegeben werden können. Die fehlende Elterneigenschaft des Erklärenden führt zur Unwirksamkeit der Sorgeerklärung (vgl. nur MünchKomm - Peter Huber, BGB, 4. A. § 1626e RN 3).

Die Frage, wann die Elterneigenschaft vorliegen muss, wird nicht einheitlich beantwortet. Teilweise wird auf den Zeitpunkt der Abgabe der Sorgeerklärung abgestellt (Münch-Komm - Peter Huber, a.a.O. § 1626a RN 14, § 1626b RN 15; Johannsen/Henrich - Jaeger, Eherecht, 4. A. § 1626b BGB, RN 3). Der BGH (FamRZ 2004, 802 = BGHZ 158, 74) hat sich dem zwar nicht angeschlossen, sondern ist in einem Fall, in dem der Mann die Vaterschaft nach § 1599 Abs. 2 BGB anerkannt hatte, der Ansicht gefolgt, wonach eine bis zum rechtskräftigen Abschluss des vor der Geburt des Kindes anhängig gewordenen Scheidungsverfahrens zwischen der Mutter und ihrem Ehemann abgegebene Sorgeerklärung nicht nichtig, sondern zunächst nur schwebend unwirksam ist. Begründet hat er dies in erster Linie mit dem Zusammenspiel der Vorschriften über die Anerkennung der Vaterschaft und über die Sorgeerklärung, die sich in weitem Umfang entsprechen und inhaltlich auf einander aufbauen; die schwebende Unwirksamkeit der Sorgeerklärung folgt danach aus der schwebenden Unwirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung nach § 1599 Abs. 2 BGB. Aus dieser Argumentation wird jedoch deutlich, dass nicht jeder Fall einer möglichen "künftigen Elternschaft" ausreicht, sondern dass die Rechtsfolge (schwebende Unwirksamkeit anstelle der Nichtigkeit) nur eintritt, wenn bereits eine Vaterschaftsanerkennung nach § 1599 Abs. 2 BGB erfolgt ist (ebenso v. Witz-leben, jurisPR 11/2004 Anm. 6).

Dem Umstand, dass das Kind X. bereits vor Anhängigkeit des Scheidungsverfahrens zwischen der Mutter und ihrem Ehemann geboren ist, kommt daher vorliegend, entgegen der Ansicht des Familiengerichts, in der Tat entscheidende Bedeutung zu, da in diesem Fall eine Vaterschaftsanerkennung nach § 1599 Abs. 2 BGB nicht möglich ist. Die der der oben genannten BGH-Entscheidung zugrunde liegende Konstellation ist hier also nicht gegeben, womit es bei der allgemeinen Nichtigkeitsfolge bleibt, die das Gesetz für Sorgeerklärungen vorsieht, die von Personen abgegeben werden, die im Rechtssinne nicht Eltern des betroffenen Kindes sind.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

Ende der Entscheidung

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