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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 29.01.2008
Aktenzeichen: 17 UF 233/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 157
Unterziehen sich gemischtstaatliche Parteien (deutsch und türkisch), beide islamischer Glaubenszugehörigkeit, neben der staatlichen Eheschließung einer religiösen Trauungszeremonie, in deren Vorfeld der Geistliche die Vereinbarung eines "mihri müeccel" in Geld herbeiführt, unterliegt die Beurteilung dieser Vereinbarung ebenso wie die Ehewirkung und das Scheidungsstatut dem deutschen Recht.

Die Ehefrau kann aus dieser Vereinbarung kein Forderungsrecht ableiten, weil es schon an einer Willensübereinstimmung und einem Rechtsbindungswillen fehlt, wenn die Vereinbarung der traditionellen Vorstellung und dem Willen des Geistlichen geschuldet war, der die islamische Hochzeitszeremonie sonst nicht durchgeführt hätte, und jede Partei mit ihr andere Vorstellungen verbindet.


Oberlandesgericht Stuttgart 17. Familiensenat Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 17 UF 233/07

In der Familiensache

wegen Forderung

Verkündet am: 29. Januar 2008

hat der 17. Familiensenat des Oberlandesgerichts Stuttgart auf die mündliche Verhandlung vom 08. Januar 2008 unter Mitwirkung von

Vors. Richter am Oberlandesgericht Strohal Richter am Oberlandesgericht Streicher Richter am Oberlandesgericht Bißmaier

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Besigheim vom 20. Juli 2007 (2 F 57/07) abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten beider Rechtszüge.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Streitwert: € 2.000,00

Gründe:

I.

Der Rechtsstreit betrifft die Auseinandersetzung der Parteien um die Frage der Verpflichtung des Beklagten, der Klägerin aus einem Brautgabe- bzw. Morgengabeversprechen einen Geldbetrag in Höhe von 2.000 € zu zahlen.

Die Parteien hatten am 17.07.2006 die Ehe vor dem Standesamt in E. geschlossen. Die bei Eheschließung gerade 18 Jahre alt gewordene Klägerin ist seit ihrer Einbürgerung am 28.09.1999 deutsche Staatsangehörige, der Beklagte hat die türkische Nationalität. Beide gehören dem islamischen Glauben an. Die Parteien sind seit 07.12.2007 rechtskräftig geschieden (s. Urteil des Amtsgerichts Besigheim vom selben Tage, 2 F 1248/06).

Der Eheschließung vor dem Standesamt vorausgegangen war eine religiöse Zeremonie am 06.05.2006 in der Wohnung der Schwester der Klägerin in S., wo von einem Geistlichen (Hoca) eine Trauungszeremonie abgehalten wurde. In dessen Verlauf fertigte der Geistliche eine schriftliche Niederschrift mit dem Inhalt "3.000 € mihri müeccel", in die er weiterhin seinen Namen, den Namen der Brautleute und zweier Zeugen eintrug. Eine Unterschrift trägt dieses Dokument nicht.

Die Klägerin machte den genannten Betrag im Wege der Zahlungsklage geltend. Sie verwies darauf, dass der Beklagte auf der Grundlage des islamischen Rechts für den Fall des Scheiterns der Ehe bzw. der Scheidung als "mihri müeccel" einen Betrag in Höhe von 3.000 € an sie zu zahlen habe.

Der Beklagte bestritt, sich in dieser Weise verpflichtet zu haben.

Mit Urteil vom 20.07.2007, auf das Bezug genommen wird (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), hat das Amtsgericht den Beklagten verurteilt, an die Klägerin 2.000 € zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.02.2007 zu zahlen. Im Übrigen hat es die Zahlungsklage (konkludent im Restbetrag von 1.000 €) abgewiesen.

Mit seiner Berufung begehrt der Beklagte, das Urteil des Amtsgerichts Besigheim aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin bittet um Zurückweisung der Berufung.

Wegen des Berufungsvorbringens des Beklagten wird auf dessen Berufungsbegründung mit Schriftsatz vom 24.10.2007, hinsichtlich der Berufungserwiderung der Klägerin vom 12.11.2007 verwiesen.

Der Berufungskläger wendet sich gegen die im angefochtenen Urteil erfolgte Auslegung des Geschehens vom 06.05.2006 als verpflichtendes Zahlungsversprechen seinerseits.

Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat noch ergänzend vorgetragen, sie habe sich vorgestellt, dass ihr die Summe von 3.000 € für den Fall versprochen worden sei, dass ihre Ehe geschieden werde, weil nach der Wertung der für sie maßgeblichen Parallelgesellschaft eine geschiedene Frau weniger Wert sei und daher ihr Unterhalt gesichert sein müsse.

II.

Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet. Die Klägerin hat gegen ihn aus der am 06.05.2006 gefertigten Niederschrift oder einer dabei geschlossenen mündlichen Vereinbarung keinen Zahlungsanspruch.

1.

Maßgeblich für die Frage des Bestehens eines Zahlungsanspruchs der Klägerin ist die rechtliche Einordnung der behaupteten Vereinbarung vom 06.05.2007.

Wenn die Ehe zwischen Muslimen scheitert, wird im Regelfall auch um Zahlung der Brautgabe (mahr) gestritten, die gelegentlich auch unscharf als Morgengabe bezeichnet wird. Es handelt sich um ein Rechtsinstitut, das dem islamischen Rechtskreis entspringt und im Gegensatz zu früheren Zeiten heute oftmals aus traditionellen Gründen anlässlich der Eheschließung von Muslimen vereinbart wird, auch wenn diese in westlichen Rechtsordnungen heiraten. Ist die Brautgabe nicht anlässlich der Eheschließung gezahlt worden, richtet sich ihr weiteres Schicksal und die aus ihr abzuleitenden Ansprüche der Ehefrau nach dem Ehewirkungsstatut, im Scheidungsfall dementsprechend nach dem Scheidungsstatut (OLG Celle, FamRZ 1998, 374). Haben die Parteien in einem Ehevertrag eine Brautgabe vereinbart und ist deutsches Recht Ehewirkungsstatut, liegt in der Vereinbarung möglicherweise ein Schuldversprechen, jedoch nur dann als abstraktes Schuldversprechen nach § 780 BGB, wenn kein bestimmter Schuldgrund angegeben worden ist (BGH, FamRZ 1999, 217).

Dass vorliegend ein Ehevertrag geschlossen worden wäre, behauptet jedoch vorliegend nicht einmal die Klägerin selbst.

2.

Wäre türkisches Recht anzuwenden, würde sich die weitere Frage stellen, ob die Vereinbarung einer Morgengabe nicht überhaupt rechtlich unzulässig ist oder die Geltendmachung von Ansprüchen daran scheitert, dass sie im eigentlichen Sinne eine Absicherung gegen eine Eheauflösung durch einseitige Verstoßung seitens des Mannes ist, die wiederum unter türkischem Recht verboten ist (Öztan, FamRZ 1998, 624).

3.

Vorliegend hatte die Ehefrau bei Eheschließung die deutsche Staatsangehörigkeit inne, der Beklagte war türkischer Nationalität, so dass sich die Ehewirkungen und das Scheidungsstatut nach deutschem Recht richten, zumal die in Deutschland geborenen Eheleute auch in Deutschland die Ehe geschlossen und hier auch gelebt haben (vgl. Artt. 14 Abs. 1 Nr. 2, 17 Abs. 1 S. 1 EGBGB). Damit ist für die Anwendung ausländischen Rechts kein Raum. Alleine maßgeblich sind die deutschen Rechtsvorschriften (BGH, FamRZ 1999, 217; 1987, 463).

Nachdem die Parteien darin übereinstimmen, dass die Bezeichnung "mihri müeccel" dem türkischen Wortschatz nicht zugehörig ist, lässt sich allenfalls vermuten, dass die Bezeichnung arabischen Ursprungs ist. Dies kann indessen dahingestellt bleiben, weil eine verbindliche Interpretation der gewählten Bezeichnung keiner der Parteien möglich ist.

4.

Danach hat eine Auslegung dahingehend zu erfolgen, welchen rechtsgeschäftlichen Zweck die Eheleute der behaupteten Vereinbarung verleihen wollten. Denn kommt nach deutschem Recht grundsätzlich ein vertraglicher Anspruch in Betracht, gilt das von den Eheleuten tatsächlich Gewollte in den Grenzen des rechtlich Möglichen. Dabei hat der Senat diesen Willen der Parteien in den Grenzen des deutschen Rechts auszulegen.

Denkbar - und soweit nicht zutreffend auszuscheiden - sind insoweit unter Geltung des deutschen Rechts - und nur dieses kommt vorliegend in Frage - Qualifikationen als schuldvertraglich, deliktisch, güterrechtlich, versorgungsausgleichsrechtlich oder unterhaltsrechtlich. Die nähere Untersuchung kann vorliegend auf sich beruhen, weil die Klägerin sich nach ihrem Verständnis - die Eheleute waren unstreitig in die ohne ihr unmittelbares Beisein geführten Verhandlungen der beteiligten Familien nicht einbezogen worden - allein eine unterhaltsrechtliche Absicherung für den Fall der Scheidung vorgestellt hat. Sie selbst hatte bei der Eheschließung zunächst keine Forderung diesbezüglich erhoben. Soweit sie in der Begründung ihrer bereits erhebliche Zeit vor der Scheidung erhobenen Klage darauf abgestellt hatte, der Geldbetrag stehe ihr schon bei Getrenntleben zu, handelte sie daher zunächst widersprüchlich. Dieses Vorgehen und ihre behauptete Vorstellung sind miteinander unvereinbar. Eine andere Deutung wusste die Klägerin auch in der Anhörung vor dem Senat nicht anzugeben. Insbesondere war die Klägerin nicht in der Lage, darzulegen, inwieweit die Eheleute durch die behauptete Vereinbarung einer Brautgabe gegebenenfalls bestehende gesetzliche Ansprüche der Ehefrau nach deutschem Unterhalts- und Güterrecht ausschließen oder lediglich modifizieren wollten. Sie konnte lediglich bekunden, dass sie der Auffassung sei, dass ihr dieser festgesetzte Betrag zustehe und vom Beklagten zu zahlen sei, da dies der Tradition und den Werten in der Parallelgesellschaft, in der sie lebe, so entspreche. Fragestellungen hinsichtlich der Konkurrenz von behaupteter Vereinbarung und dem für sie geltenden deutschen Scheidungsfolgenrecht waren für die Klägerin nicht Gegenstand eigener Überlegungen. Insbesondere erscheint der festgelegte Geldbetrag von 3.000 € gänzlich ungeeignet, mit Blick auf das geltende Unterhaltsrecht, die Klägerin in dem von ihr behaupteten Sinne unterhaltsrechtlich abzusichern, weil keinerlei Differenzierung hinsichtlich ihrer Bedürftigkeit möglich erscheint (gegebenenfalls Möglichkeiten zur Deckung des Lebensbedarfs durch eigene Erwerbstätigkeit, Hinderung durch Kinderbetreuung, Bedürftigkeit wegen Krankheit oder Arbeitslosigkeit). Eine Vorstellung dahingehend, durch die von der Klägerin behauptete Vereinbarung, mit Annahme eines Brautgeldversprechens auf jegliche Ansprüche nach deutschem Unterhaltsrecht zu verzichten, hatte die Klägerin nach ihrem eigenen Sachvortrag und Bekunden nicht.

Die Vereinbarung einer Geldsumme selbst beruhte in erster Linie auf dem Willen des Geistlichen, weil - wie zwischen den Parteien unstreitig ist - dieser sich dahingehend geäußert habe, "etwas fehle noch zur Hochzeitszeremonie".

Demgegenüber hat der Beklagte die Erklärung dahingehend verstanden, dass er sich für den Fall, dass er die Klägerin verlasse, zur Zahlung der festgesetzten Summe verpflichtet habe. Dafür spricht immerhin, dass die Brautgabe nach islamischem Verständnis, soweit sie bei der Eheschließung weder ganz noch teilweise erbracht wird, der Frau das Recht gibt, der einseitigen Verstoßung durch den Ehemann begründet zu widersprechen. Insoweit entspricht das vorgetragene Verständnis des Beklagten am ehesten der Rechtswirkung der Morgengabe, die eine einseitige Verstoßung der Frau im Sinne der Absicherung gegen eine Eheauflösung darstellt. Dazu ist es indessen nicht gekommen, weil die Klägerin nicht widerlegt hat, dass nicht der Ehemann sie aus der Ehewohnung gewiesen hat, sondern sie von ihren eigenen Eltern dort weggeholt worden ist. Bei diesem Verständnis wäre schon keine tatbestandliche Voraussetzung eines deliktischen Vorgangs oder einer schuldrechtlichen Vereinbarung erfüllt. Insoweit hat sie auch nicht dargelegt, dass sie keine andere Wahl gehabt hätte, als vor einem gewalttätigen Ehemann zu fliehen.

Auch soweit der Senat vom Vorliegen eines abstrakten Schuldanerkenntnisses auszugehen hätte, bliebe dessen Inhalt und vor allem dessen tatsächlicher Schuldgrund offen. Denn die Vorstellung der Klägerin, allein mit und wegen der Scheidung Anspruch auf Zahlung eines Geldbetrages zu erwerben, kann mit der unwiderlegten Vorstellung des Beklagten, nur im Falle des eigenen Fehlverhaltens zur Zahlung verpflichtet zu sein, nicht zur rechtsverbindlichen Deckung gebracht werden.

Letztlich konnte die Klägerin auch nicht überzeugend darlegen, dass die am 06.05.2006 vor dem Geistlichen (Hoca) erfolgte Zeremonie mit der gefertigten Niederschrift tatsächlich auch in einem rechtsverbindlichen Sinne von beiden Eheleuten so gewollt und nicht nur der traditionellen Vorstellung und dem Willen des Geistlichen geschuldet war, der sonst die islamische Hochzeitszeremonie nicht durchgeführt hätte. Nachdem eine eindeutige Willensübereinstimmung der Eheleute sich nicht feststellen lässt und die lediglich aus dürftigem Text bestehende Niederschrift keinen Schluss dahingehend zulässt, dass die Parteien überhaupt etwas in rechtsverbindlichem Sinne vereinbart hatten, hat die Klägerin einen - ihr Begehren stützenden - Anspruchsgrund nicht zur Überzeugung des Senats dargetan.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Nebenentscheidungen rechtfertigen sich aus §§ 708 Nr. 10, 713, 543 Abs. 2 ZPO. Insbesondere bestand kein Anlass, die Revision zuzulassen, weil für die Entscheidung des Senats die Frage der international-privatrechtlichen Einordnung einer Morgen-/Brautgabe nach islamischen Rechtsvorstellungen keine Rolle spielt.

Ende der Entscheidung

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