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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 27.07.2001
Aktenzeichen: 17 WF 240/01
Rechtsgebiete: KindUG, BGB


Vorschriften:

KindUG § 3
BGB § 1612 b Abs. 5
BGB § 1612 b
BGB § 1610
BGB § 1603
Zur Verfassungsgemäßheit von § 1612 b V BGB.
Oberlandesgericht Stuttgart - 17. Zivilsenat - - Familiensenat - Beschluß

Geschäftsnummer: 17 WF 240/01

vom 27. Juli 2001

In der Familiensache

wegen Kindesunterhalts

hier: Unterhaltsabänderung im vereinfachten Verfahren

hat der 17. Zivilsenat - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Stuttgart unter Mitwirkung

der Vorsitzenden Richterin am OLG Dr. Häußermann, des Richters am OLG Schwarz und des Richters am OLG Grauer

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluß des Amtsgerichts Stuttgart-Bad Cannstatt - Familiengericht - vom 16. Mai 2001 (6 FH 521/2000) wird auf Kosten des Antragsgegners zurückgewiesen.

Beschwerdewert: DM 50,-

Gründe:

I.

Die Antragstellerin ist die am 1992 geborene minderjährige Tochter des Antragsgegners. Sie hat beantragt, im vereinfachten Verfahren nach Art. 5 § 3 Kindesunterhaltsgesetz (KindUG) den Beschluss des Amtsgerichts Stuttgart-Bad Cannstatt vom 10. Dezember 1993 abzuändern, mit dem seinerzeit ihre Unterhaltsansprüche tituliert worden waren. Der Antragsgegner hat sich gegen die Abänderung des Unterhaltstitels gewandt, soweit danach eine Anrechnung des hälftigen staatlichen Kindergeldes zu seinen Gunsten entfällt. Er ist der Auffassung, die Verrechnung des Kindergeldes abweichend vom Halbteilungsprinzip nach Maßgabe des § 1612 b Abs. 5 BGB sei verfassungswidrig. Das Familiengericht hat eine Verfassungswidrigkeit verneint und den bestehenden Titel antragsgemäß abgeändert.

Gegen den ihm am 23. Mai 2001 zugestellten Beschluß hat der Antragsgegner rechtzeitig sofortige Beschwerde eingelegt. Er hält seinen Rechtsstandpunkt aufrecht, behauptet einen Verstoß der in § 1612 b Abs. 5 BGB vorgesehenen Anrechnungsregelung für das staatliche Kindergeld gegen Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 GG und beantragt die Aussetzung des Verfahrens bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsgemäßheit der Neuregelung in § 1612 b Abs. 5 BGB in ihm bereits vorgelegten anderen Verfahren.

II.

Die sofortige Beschwerde ist statthaft und auch im übrigen zulässig, in der Sache aber ohne Erfolg.

Der Senat teilt die Zweifel des Antragsgegners an der Verfassungsgemäßheit der gesetzlichen Neuregelung der Anrechnung von Kindergeld in § 1612 b Abs. 5 BGB nicht.

Richtig ist, daß die Anrechnungsregel des § 1612 b Abs. 5 in der Fassung des Art. 5 § 3 KindUG, in Kraft seit 1.7.1998, ebenso in seiner durch das Unterhaltstitelanpassungsgesetz vom 1.1.2001 (UtAG) gefundenen derzeit geltenden Fassung den kindergeldberechtigten barunterhaltspflichtigen Elternteil im Vergleich zu der vorher geltenden Rechtslage schlechter stellt. Denn bis zum Inkrafttreten des § 1612 b BGB standen dem barunterhaltspflichtigen ebenso wie dem betreuenden Elternteil jeweils die Hälfte des staatlichen Kindergeldes zur freien Verfügung. Kindergeld zählte unterhaltsrechtlich nicht zum Einkommen und zwar weder auf Seiten des barunterhaltspflichtigen familienfernen Elternteils noch auf Seiten des betreuenden Elternteils ( BGH FamRZ 1978, 177; 1985, 33, 34, 1987, 647; 1988, 270; 1988, 607).

Wie auch nach gegenwärtiger Rechtslage war der Bezug von Kindergeld vor Inkrafttreten des Jahressteuergesetzes 1996 mit seiner grundlegenden Neuordnung des Kindergeldes in Zusammenspiel mit den Kinderfreibeträgen und dem Familienleistungsausgleich in den Fällen, in denen die Eltern nicht in einem Haushalt lebten, so organisiert, daß ein Elternteil das gesamte Kindergeld bezog, während dem anderen, nicht bezugsberechtigten Elternteil seine Hälfte des Kindergeldes via Verrechnung über den Kindesunterhalt zufloß, sei es durch Erhöhung des geschuldeten Unterhalts sei es durch dessen entsprechende Ermäßigung. Diese von der Praxis entwickelte und von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abgesegnete technische Abwicklung des internen Kindergeldausgleichs zwischen nicht in einem Haushalt lebenden Eltern minderjähriger Kinder hat der Gesetzgeber mit dem seit 1998 in Kraft getretenen § 1612 b BGB zum verbindlichen Prinzip erhoben. Damit blieb die rechtliche Situation des barunterhaltspflichtigen Elternteils zunächst unberührt. Dessen Rechtsposition wird erst durch Abs. 5 dieser Vorschrift beeinträchtigt. Denn die dort getroffene Verrechnungsanweisung nimmt für den Ausnahmefall Abschied von der früher gewährten freien Verfügbarkeit des Kindergeldes. In den Fällen des § 1612 b Abs. 5 ist die Verwendung des Kindergeldanteils des barunterhaltspflichtigen Elternteils von Gesetzes wegen zweckgebunden: es ist zwingend für den Barunterhalt des Kindes zu verwenden.

Bis zum 1.1.2000 galt das, solange und soweit der barunterhaltspflichtige Elternteil wirtschaftlich nicht einmal in der Lage war, Unterhalt in Höhe des Regelbetrages für das jeweilige minderjährige Kind zu bezahlen. Damit hatte der Gesetzgeber ein von der gerichtlichen Praxis zuvor ohne gesetzliche Vorgaben praktiziertes Verfahren in das Gesetz übernommen, nach dem der Kindergeldanteil des Barunterhaltspflichtigen im absoluten Mangelfall zur Sicherstellung des damals noch gesetzlich normierten Mindestbedarfs heranzuziehen war. Die Regelbeträge der 1998 in Kraft getretenen Regelbetragsverordnung waren identisch mit den bis dahin geltenden Mindestbedarfsbeträgen.

Ab dem 1.1.2001 ist der Gesetzgeber noch einen Schritt weiter gegangen und hat mit dem Unterhaltstitelanpassungsgesetz den Kindergeldanteil auch desjenigen barunterhaltspflichtigen familienfernen Elternteils dieser Zweckbindung unterworfen, der aus eigener Kraft nur zu Unterhaltszahlungen unterhalb des (steuerlichen) Existenzminimums des Kindes in der Lage ist. Das steuerliche Existenzminimum liegt deutlich über dem vormaligen Mindestbedarf und auch über dem Regelbetrag, den es um 35 % überschreitet.

Das steuerliche Existenzminimum wird abgeleitet von einem für die Sozialhilfesätze maßgeblichen Wert und umschreibt den Betrag, den Eltern als Mindestbetrag benötigen, um die existentiellen materiell-wirtschaftlichen Bedürfnisse eines Kindes zu decken. Daneben hat das Kind nicht käufliche existentielle, immateriell-persönliche Bedürfnisse, für deren Befriedigung der betreuende Elternteil verantwortlich zeichnet und die das Gesetz mit den Aufgaben der Betreuung und Erziehung umschreibt (Naturalunterhalt). In den Wertentscheidungen des Gesetzgebers werden Barunterhalt und Naturalunterhalt gleich gewichtet. Das heißt, Barexistenzminimum und Betreuungsexistenzminimum sind gleichwertig. Die existentiellen Bedürfnisse eines Kindes entsprechen in ihrer Summe, ließen sie sich umfassend monetarisieren, dem doppelten steuerlichen Existenzminimum.

Leben Eltern und Kinder in einem Haushalt, kann der Kindergeld gewährende Staat mit Fug unterstellen, daß seine kindbezogenen Zuwendungen den Kindern auch zugute kommen.

Etwas anderes gilt aber, wenn sich Eltern trennen. Dann ist für den Barunterhalt in der Regel der familienferne Elternteil verantwortlich. Er hat dafür seine Leistungsfähigkeit auszuschöpfen, und wenn diese nicht reicht, nach der jetzigen Gesetzeslage seinen Kindergeldanteil in entsprechender Höhe zur Verfügung zu stellen. Den Betreuungs- und Versorgungsbedarf schuldet der familiennahe Elternteil; er hat dafür seine Zeit, gegebenenfalls durch Verzicht auf eigene Erwerbseinkünfte, zur Verfügung zu stellen. Barunterhalt schuldet er dem minderjährigen Kind nach der Gesetzessystematik nicht.

III.

Maßstab für die Überprüfung dieser Regelung auf ihre Verfassungsgemäßheit ist das Grundgesetz. Die Neuregelung ist mit Blick auf Art. 6 und Art. 3 und Art. 1 GG auf den Prüfstand zu stellen; Anhaltspunkte für einen vom Antragsgegner behaupteten Verstoß gegen Art. 2 GG erkennt der Senat nicht.

1.

Die Neuregelung verstößt nicht gegen Art 6 GG.

a) Art. 6 GG schützt Ehe und Familie. Die Neuregelung dient dem Schutz der Kinder getrenntlebender Eltern und der Sicherung ihres existentiellen materiell-wirtschaftlichen Bedarfs. Das Gebot des Schutzes der Ehe spielt in diesem Stadium gesetzgeberischen Eingreifens eine Rolle, wenn Unterhaltsansprüche des erziehenden Ehegatten oder anderer unterhaltsberechtigter Ehegatten in verfassungsrechtlich erheblicher Weise tangiert sein könnten. Das ist aber nicht der Fall.

Der Unterhaltsbedarf anderer Unterhaltsberechtigter als der durch die Vorschrift begünstigten minderjährigen Kinder wird durch die Neufassung von § 1612 b BGB nicht berührt. Denn die Vorschrift befaßt sich nicht unmittelbar mit der Ermittlung des Bedarfs eines Minderjährigen sondern mit der Frage der Verwendung des Kindergeldes durch seine Eltern. Der Bedarf bestimmt sich unbeschadet der Regelung in § 1612 b BGB nach Maßgabe von § 1610 BGB und richtet sich nach den Lebensverhältnissen der Eltern im Einzelfall, wie er sich in den von der gerichtlichen Praxis angewandten Tabellenwerken niederschlägt. § 1612 b Abs. 5 BGB enthält nicht mehr als einen Hinweis darauf, was aus der Wächtersicht des Staates unbeschadet der wirtschaftlichen Verhältnissen der Eltern im Einzelnen idealiter Kindern mindestens zur Verfügung stehen sollte. Und es schreibt fest, bis zu welchem Grenzwert das staatliche Kindergeld als pauschalierte Sozialleistung für Eltern mit Kindern dem materiell-wirtschaftlichen Bedarf des Kindes selbst unmittelbar zugeführt werden soll und ab welchem Grenzwert Eltern das Kindergeld zur Verfügung nach eigenem Gutdünken bleiben kann.

Einen unmittelbaren Einfluß auf die Ermittlung des Bedarfs Erwachsener, die Unterhaltsansprüche aus der Ehe herleiten, hat diese Regelung nicht. Richtig ist zwar, daß deren Unterhaltsbedarf sich als variable rechnerische Größe gemessen an ehelichen Lebensverhältnissen ermittelt und dass für diese Rechnung die Höhe des Unterhalts für minderjährige Kinder von Belang ist. Das geltende Recht schreibt aber an keiner Stelle vor, daß Kindesunterhalt grundsätzlich und schon gar nicht, daß Kindesunterhalt in Höhe des steuerlichen Existenzminimums bei der Ermittlung des Bedarfs eines Ehegatten vorab abzuziehen ist. Richtig ist nur, daß sich das Verfahren des Vorabzugs von Kindesunterhalt in der gerichtlichen Praxis eingespielt hat. Ein Gesetz verstößt aber nicht schon dann gegen die Verfassung, weil es bei Fortschreibung der gerichtlichen Praxis im übrigen verfassungswidrige Ergebnisse hervorruft. Vielmehr ist es Sache der Gerichte, auf die Neuregelung in § 1612 b Abs. 5 BGB bei der Berechnung der Ehegattenunterhaltsquote - auch mit Blick auf Rangverhältnisse und Selbstbehaltssätze - angemessen zu reagieren. Es ist nicht erkennbar, daß Ergebnisse, die mit der Verfassung in Einklang stehen, schlechterdings nicht erzielbar wären.

b) Nicht richtig ist der Einwand des Antragsgegners, er könne das Existenzminimum des Kindes jetzt steuerlich nicht geltend machen und sei dadurch in seinem von der Verfassung geschützten Elternrecht verletzt. Das Existenzminimum des Kindes entspricht betragsmäßig dem hälftigen Kinderfreibetrag, den der Antragsgegner ausweislich seiner Verdienstabrechnung steuerlich tatsächlich geltend macht. Wenn der Steuervorteil nicht den Betrag des hälftigen Kindergeldes erreicht, berührt das seinen Anspruch auf Kindergeld nicht; die Frage des Anspruchs ist zu trennen von der Frage der Zweckbindung. Die Sozialleistung "Kindergeld" ist immer dann zweckgebundene Sozialleistung, wenn anders der existentielle materiell-wirtschaftliche Bedarf des Kindes gefährdet wäre. Das Kindergeld fließt dem Berechtigten in den Fällen des § 1612 b Abs. 5 BGB wirtschaftlich nicht unmittelbar zu, mittelbar aber doch nach wie vor dadurch, daß ihm in dieser Höhe Teilunterhaltszahlungen an das betreffende Kind gutgeschrieben werden.

2.

Die Neuregelung verstößt auch nicht gegen Art. 1 Abs. 1 GG.

Der eigene Bedarf des Schuldners, im Lichte von Art. 1 Abs. 1 GG gesehen, bleibt von der Neuregelung unangetastet. Seine Rechtsposition wird nur insoweit nachteilig beeinflußt, als der Staat ihm Kindergeld unter bestimmten Bedingungen nicht mehr frei zur Verfügung stellt. Gegen Verfassungsrecht verstieße eine solche Regelung nur, wenn sie dem Betroffenen die Möglichkeit nähme, seinen Anteil an Verpflichtungen gegenüber dem Kind nachzukommen. Richtig ist der Einwand, daß den barunterhaltspflichtigen getrenntlebenden Elternteil zusätzlich die Pflicht trifft, mit dem Kind Umgang zu pflegen (§ 1684 BGB). Es ist aber nicht von Verfassungswegen geboten, dem familienfernen Elternteil die Erfüllung seiner Umgangsverpflichtung wirtschaftlich dadurch zu erleichtern, daß er ihm seinen Kindergeldanteil ungekürzt beläßt. Das ist nur einer von mehreren denkbaren Wegen und dabei nicht einmal derjenige, der dem Gleichbehandlungsgebot des Grundgesetzes am ehesten entspricht. Denn die undifferenzierte ungekürzte Auskehrung des hälftigen Kindergeldanteils an den barunterhaltspflichtigen Elternteil mit Blick auf eine Umgangsverpflichtung erlaubt keine Unterscheidung der individuellen Unterschiede in der Kostenbelastung bei Ausübung des Umgangsrechts. Dieser Gesichtspunkt läßt sich besser und mit größerer Einzelfallgerechtigkeit gewichten, wenn die Kosten der Verpflichtung zur Ausübung des Umgangs als wiederkehrender notwendiger Aufwand im Sinne von § 1603 BGB angesetzt und bei der Ermittlung des für den Unterhalt verfügbaren Einkommens je nach Gestaltung des Einzelfalles in die Rechnung eingestellt wird. Dazu hält das geltende Recht geeignetes Instrumentarium vor.

3.

Die Neuregelung verstößt auch nicht gegen das Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG.

a) Richtig ist, daß die Zweckbindung dieser Vorschrift nur den barunterhaltspflichtigen, nicht aber den betreuenden Elternteil trifft. Das ist aber nicht nur mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, sondern zwingende Konsequenz des Gleichbehandlungsgebots. Denn das neue Recht beseitigt die bisherige Ungleichbehandlung zu Lasten des betreuenden Elternteils. Der war nach bisheriger Rechtslage genötigt, seinen Kindergeldanteil zugunsten des Barbedarfs des Kindes einfließen zu lassen, wenn der Barunterhaltspflichtige den Mindestbedarf des Kindes nicht decken konnte. Auch unter der Geltung des § 1612 b Abs. 5 BGB a.F. mußte der betreuende Elternteil immer noch zumindest eine bestehende Lücke zwischen Regelbetrag und Existenzminimum mit seinem Kindergeldanteil auffüllen.

Das widersprach aber dem systematischen Ansatz des Gesetzes, nach dem der betreuende Elternteil keinen Barunterhalt schuldet, weil er seiner Unterhaltsverpflichtung durch eine gleichbewertete Betreuung und Versorgung und Erziehung nachkommt. Die Neuregelung stellt ein systemgerechtes Gleichgewicht her, nach dem der Barunterhaltspflichtige die existentiellen finanziellen Bedürfnisse und der Betreuende die existentiellen nicht monetarisierbaren Bedürfnisse des Kindes deckt und jeder zur Erfüllung seines Aufgabenteils das hälftige Kindergeld erhält.

b. Es verstößt auch nicht gegen das Gleichheitsgebot, weil sozial schwächere Unterhaltsschuldner im Vergleich zu Eltern in wirtschaftlich günstigeren Verhältnissen mit der Zweckbindung des Kindergeldes schlechter gestellt werden. Denn die Regelung in § 1612 b Abs. 5 BGB ist der notwendige Preis für den Versuch, das Gefalle der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zwischen Kindern aus besser situierten Familien und solchen aus sozial schwachen Familien zugunsten letzterer zu entschärfen und denen via Kindergeldleistungen und deren Zweckbindung jedenfalls das Existenzminimum zu verschaffen.

c. Schließlich vermag der Senat in der Beibehaltung der Regelbeträge als Maßgröße für den Unterhaltsanspruch in § 1612 b Abs. 5 BGB keinen Systembruch zu sehen, schon gar keinen, der dem Grundgesetz zuwider liefe. Regelbeträge nach der Regelbetragsverordnung markieren keinen Unterhaltsbedarf minderjähriger Kinder. Sie dienen als bloße Bezugsgröße im Sinne eines mathematischen Maßstabes für den individuell geschuldeten Unterhalt. Der Höhe nach entsprechen sie einem Mindestunterhaltsansprüche und kennzeichnen die Höhe desjenigen Unterhaltsanspruchs, den Minderjährige gegenüber einem Barunterhaltspflichtigen in der Mehrzahl der Fälle mindestens geltend machen können. Sie sind gleichsam ein Mischwert aus Unterhaltsbedarf begrenzt durch die Leistungsfähigkeit des Schuldners.

Demgegenüber bezeichnet das steuerliche Existenzminimum einen Betrag, der über dem Regelbetrag liegt und auch über den sozialhilferechtlichen Regelsätzen und den aus der Sicht des Staates Eltern für ihre Kinder ungeprüft mindestens ausgeben dürfen und den der Fiskus deshalb zu verschonen hat. Es ist nicht widersprüchlich, wenn der Regelbetrag als Orientierungsgrösse für dasjenige beibehalten wird, was ein Unterhaltsschuldner aus eigener Kraft für ein minderjähriges Kind in der Regel zahlen sollte und wenn der Gesetzgeber daneben das Existenzminimum stellt als Grenzwert, bis zu dem staatliche Leistungen als Sozialleistungen für die Kinder direkt zu verwenden sind.

Aus diesen Gründen bestehen keine Bedenken an der Verfassungsgemäßheit des § 1612 b Abs. 5 BGB.

Die Beschwerde des Antragsgegners war zurückzuweisen.

Ende der Entscheidung

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