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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 26.07.2000
Aktenzeichen: 18 UF 268/00
Rechtsgebiete: BGB, FGG


Vorschriften:

BGB § 1618 S. 1
BGB § 1618 S. 3
BGB § 1618 S. 4
BGB § 1618 S. 6
BGB § 1617 c Abs. 1 S. 3
BGB § 1696 Abs. 1
BGB § 1685 Abs. 1
BGB § 1685
BGB § 1747 Abs. 4
BGB § 1618
FGG § 49 a Abs. 1
Leitsatz:

Die Namenserteilung nach § 1618 S. 1 BGB bedarf weder der Einwilligung des nichtsorgeberechtigten, verstorbenen Elternteils noch deren Ersetzung nach § 1618 S. 3 und 4 BGB.


Oberlandesgericht Stuttgart - 18. Zivilsenat - - Familiensenat - Beschluß

Geschäftsnummer: 18 UF 268/00 20 F 717/98 AG Nürtingen

vom 26. Juli 2000

In der Familiensache

betreffend die Namenserteilung für das Kind

hat der 18. Zivilsenat - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Stuttgart unter Mitwirkung

des Vors. Richters am OLG Dr. Häberle,

des Richters am OLG Dr. Maurer und

des Richters am AG Kahl

beschlossen:

Tenor:

I.

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Nürtingen vom 16. Mai 2000 - 20 F 717/98 abgeändert.

Es wird festgestellt, dass die Einwilligung des verstorbenen in die Namenserteilung durch die Antragstellerin und den Beteiligten und deren Ersetzung nicht erforderlich ist.

II.

Die weitere Beschwerde wird zugelassen.

Beschwerdewert: 5.000 DM

Gründe:

I.

Das am 26.1.1992 geborene Kind stammt aus der Ehe der Antragstellerin mit Die Ehe wurde durch das Urteil des Familiengerichts vom 16.1.1995 rechtskräftig geschieden; in diesem Urteil wurde die elterliche Sorge für auf die Antragstellerin übertragen.

Die zwischenzeitlich wieder verheiratete Antragstellerin und ihr Ehemann bemühen sich um eine Änderung des Familiennamens des Kindes dahin, dass dieses den Familiennamen des Ehemannes annimmt. Der Vater hat seine Einwilligung zu dieser Namensänderung verweigert. Der Senat hat durch Beschluss vom 26.3.1999 - 18 UF 39/99 - in Bestätigung der familiengerichtlichen Entscheidung die Ersetzung der Einwilligung des Vaters abgelehnt.

Nunmehr ist der Vater am 5.11.1999 verstorben. Der Rechtspfleger beim Familiengericht hat den konkludent gestellten, erneuten Antrag der Antragstellerin, die Einwilligung des Vaters zu ersetzen - dem die Mutter des Vaters entgegengetreten ist -, durch Beschluss vom 16.5.2000, der ihrem Rechtsvertreter am 19.5.2000 zugestellt worden ist, zurückgewiesen. Mit ihrer am 9.6.2000 beim Oberlandesgericht Stuttgart eingegangenen Beschwerdeschrift begehrt die Antragstellerin nunmehr in ihrem Hauptantrag die Feststellung, dass es einer Ersetzung der Einwilligung das Vaters nicht bedarf, und lediglich in ihrem Hilfsantrag die Ersetzung der Einwilligung des Vaters.

Die Beteiligte Mutter des verstorbenen tritt diesen Anträgen weiter entgegen.

Auf die Ausführungen der Antragstellerin und der Mutter des Vaters Frau in ihren Schriftsätzen wird Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist auch begründet.

Das von der Antragstellerin betriebene Verfahren ist zulässig. Sie haben - ersichtlich in der von §§ 1618 S. 6, 1617 c Abs. 1 S. 3 BGB geforderten Form der öffentlich beglaubigten Erklärung gegenüber dem Standesbeamten - nach dem Tod des Vaters erneut dem Kind den Ehenamen seiner allein sorgeberechtigten Mutter erteilt. Die Zustimmung des Kindes selbst ist durch das vorangehende, erfolglos gebliebene Verfahren auf Ersetzung der Namenserteilung nicht verbraucht, sondern entfaltet Wirksamkeit auch hinsichtlich der erneuten Erklärung seiner Mutter und ihres Ehemannes. Die Antragsteller können zudem trotz der die Ersetzung der Zustimmung zur Namenserteilung ablehnenden Entscheidung des Senats vom 26.3.1999 - 18 UF 39/99 - die Veränderungen des Sachverhalts infolge des Versterbens des Vaters - jedenfalls in entsprechender Anwendung von § 1696 Abs. 1 BGB - mit neuen Erklärungen nach § 1618 S. 1 BGB geltend machen.

Das Verfahren ist auch in der Form eines Feststellungsantrages dahin, dass ein Einwilligungs- und Ersetzungsbedürfnis nicht besteht, zulässig. Denn die Antragsteller können damit erreichen, dass das Ersetzungserfordernis abschließend und für das personenstandsrechtliche Verfahren bindend geklärt wird (zu letzterem OLG Zweibrücken FamRZ 1999, 1372, 1373 = StAZ 1999, 241, 242).

In der Sache ist der Senat mit der ganz überwiegenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur der Meinung, dass nach dem Ableben des leiblichen, nach der Scheidung der Eltern des Kindes nicht sorgeberechtigten Elternteils dessen Einwilligung zur Namenserteilung nicht zu ersetzen ist (OLG Zweibrücken FamRZ 2000, 696, 697; AG Bremen StAZ 1999, 242, 243; AG Limburg StAZ 2000, 81; FamRefK/Wax, § 1618 BGB Rz. 5 iVm. § 1617 a BGB Rz. 4; ebenso AG Kiel StAZ 2000, 21 f.; AG Lübeck StAZ 2000, 22, jeweils m. zust. Anm. Sachse StAZ 2000, 22 f.; aA OLG Zweibrücken FamRZ 1999, 1372, 1373 f. = StAZ 1999, 241, 242; Palandt/Diederichsen, BGB, 59. Aufl. 2000, § 1618 Rz. 17 aE; nicht festgelegt hat sich das BayObLG FamRZ 2000, 252, 253 = StAZ 1999, 236, auch wenn es ausführt, die Rechtsfrage sei nunmehr durch die Entscheidung des OLG Zweibrücken FamRZ 1999, 1372 obergerichtlich geklärt, da es für seine Entscheidung auf die zu klärende Rechtsfrage nicht ankam). Denn nach dem Ableben des Vaters am 5.11.1999 ist dessen Einwilligung in die Namenserteilung nicht (mehr) erforderlich, so dass diese auch nicht ersetzt zu werden braucht.

Das Erfordernis für eine Ersetzung der Einwilligung besteht nur insoweit, als eine solche überhaupt erforderlich ist. Die Ersetzung einer nicht erforderlichen Einwilligung scheidet danach bereits denknotwendig aus. Was nicht erforderlich ist, braucht auch nicht ersetzt zu werden; ein Bedürfnis für die Ersetzung einer Erklärung besteht nur, wenn diese Erklärung materiellrechtlich Voraussetzung für die begehrte Rechtsfolge ist.

Nachdem der Vater verstorben ist, kann er eine Erklärung zur Namenserteilung nicht mehr abgeben. Was aber unmöglich ist, kann auch § 1618 S. 3 BGB nicht fordern. Deshalb ist im Falle des Versterbens des nicht sorgeberechtigten Elternteils zum Einen dessen Einwilligung zur Namenserteilung nicht erforderlich und kann zum Anderen diese - nicht erforderliche - Einwilligung nicht ersetzt werden. Das Versterben des Elternteils ist danach gerade nicht der Nichterteilung der Einwilligung zur Namensänderung gleichzustellen.

Das fortbestehende Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung und sozialen Biographie ist im Falle des Versterbens des leiblichen Vaters nicht in gleichem Maße berührt wie wenn er lebt. Denn das Kind erlebt ihn nunmehr als leiblich nicht mehr existent und nicht mehr neben der Familie, in der es jetzt lebt, stehend. Deshalb kann dieses Recht nicht dazu führen, der Namensänderung eine gesetzliche nicht angeordnete familiengerichtliche Prüfung vorzuschalten. Dies ist auch verfassungsrechtlich (Art. 2 GG) nicht gefordert, weil sich dieses Recht über die sich aus Art. 6 Abs. 2 GG ergebende und für den Fall des Versterbens des Vaters auch ausreichende Pflicht der Mutter zur entwicklungsgerechten Inkenntnissetzung des Kindes verwirklicht.

Der Einwilligung der Mutter des verstorbenen Vaters bedarf es nicht, weil sie in § 1618 S. 3 BGB nicht vorgesehen ist. Dies ist verfassungsrechtlich unbedenklich, da der Begriff der Familie in Art. 6 Abs. 1 GG nicht auch die Großeltern umfasst (BVerfGE 59, 52 = FamRZ 1982, 244, 246). Deshalb ist die Großmutter am Ersetzungsverfahren auch nicht materiell, sondern kraft ihres Beitritts nur formell beteiligt. Auch aus dem Umstand, dass der Großmutter nach § 1685 Abs. 1 BGB ein Umgangsrecht mit dem Kind zusteht, lässt nichts anderes herleiten, weil dieses Umgangsrecht auch nach der Namensänderung fortbesteht und § 1685 BGB keinen weiter gehenden Schutzbereich hat als gerade das Umgangsrecht.

Als höchstpersönliches Recht des nicht sorgeberechtigten Vaters, das allein seinem Interesse am Fortbestand des namensrechtlichen Bandes zwischen ihm und seinem Kind dienen soll (BT-Drucksache 13/4899 S. 92), konnte die Großmutter auch nicht infolge der Erbfolge in diese Rechtsstellung des Vaters eintreten. Zudem ist nichts dafür ersichtlich, dass sie tatsächlich Erbin nach ihrem Sohn geworden ist: Als gesetzliche Erbin wird sie durch ihren in der ersten Ordnung erbberechtigten Enkel verdrängt (§§ 1924 Abs. 1, 1930 BGB), und für eine testamentarische Erbenstellung ist nichts ersichtlich.

Letztlich sieht der Senat in der sehr viel weiter gehenden, weil in die Verwandtschaftsverhältnisse eingreifenden adoptionsrechtlichen Regelung seine Auffassung zur Namenserteilung bestätigt (aA OLG Zweibrücken FamRZ 1999, 1372, 1374 = StAZ 1999, 241, 242): Nach § 1747 Abs. 4 BGB ist die Einwilligung eines Elternteils in die Adoption nicht erforderlich, wenn er zur Abgabe einer Erklärung dauernd außerstande ist; hierunter fällt auch sein Versterben. Zwar enthebt das Versterben eines Elternteils das Vormundschaftsgericht nicht davon, vor dem Ausspruch der Adoption die materiellrechtlichen Voraussetzungen des Entstehens eines Eltern-Kind-Verhältnisses und der Nahrung des Kindeswohls zu prüfen und zu bejahen, was das Familiengericht für den Fall der Feststellung, dass die Einwilligung des nicht sorgeberechtigten Elternteils nicht erforderlich ist, nicht zu prüfen hat. Doch liegt dies allein darin begründet, dass die Regelung in § 1618 BGB gerade nicht der Kontrolle des Namensbestimmungsrechts durch den alleinsorgeberechtigten Elternteils dient BT-Drucksache 12/4899 S. 92) und damit gleichzeitig die Wahrung des Kindeswohls durch die Namenserteilung unwiderruflich vermutet wird.

Der Anhörung des Jugendamts bedurfte es nicht, da die Namenserteilung nach § 1618 nicht im enumerativen Katalog des § 49 a Abs. 1 FGG aufgeführt ist.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei (§ 131 Abs. 3 KostO). Die Anordnung einer Erstattung außergerichtlicher Kosten ist nicht angezeigt (§ 13 a Abs. 1 S. 1 FGG).

Die weitere Beschwerde wird zur Klärung der Frage, ob für die Namenserteilung nach dem Versterben des nicht sorgeberechtigten Elternteils die Ersetzung seiner Einwilligung weiter erforderlich ist, zugelassen (§§ 621 e Abs. 2, 621 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, § 23 b Abs. 1 S. 2 Nr. 2 GVG, § 546 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 ZPO).

Ende der Entscheidung

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