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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 22.03.2005
Aktenzeichen: 18 UF 300/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1314 Abs. 2 Nr. 3
1. Ist auf Grund der Gesamtumstände die Vaterschaft des Bräutigams in Bezug auf ein von der Braut erwartetes Kind sehr zweifelhaft, so besteht eine Obliegenheit der Schwangeren zur Offenbarung eines Mehrverkehrs nur auf konkrete Nachfrage.

2. Stellt sich in einem solchen Fall nach der Heirat heraus, dass das von der Ehefrau geboren Kind nicht vom Ehemann abstammt, so erwächst diesem kein Anspruch auf Eheaufhebung wegen arglistiger Täuschung (§ 1314 Abs. 2 Nr. 3 BGB).


Oberlandesgericht Stuttgart - 18. Zivilsenat - - Familiensenat - Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 18 UF 300/04

In der Familiensache

wegen Eheaufhebung

Verkündet am: 22. März 2005

hat der 18. Zivilsenat - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Stuttgart auf die mündliche Verhandlung vom 01. März 2005 unter Mitwirkung

der Vors. Richterin am OLG Roscher-Grätz, des Richters am OLG Dr. Motzer, des Richters am AG Pahnke

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Antragstellers gegen das Urteil des Amtsgerichts S. - Familiengericht - vom 27.10.2004 (1 F 310/2004) wird zurückgewiesen.

2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 4.000,-- €

Gründe:

I.

Der Antragsteller und die Antragsgegnerin haben am 0-.0-.2001 die Ehe miteinander geschlossen. Beide Parteien stammen aus P., haben jedoch die deutsche Staatsangehörigkeit. Während der Ehe hat die Antragsgegnerin am 0-.09.2001 das Kind D. geboren.

Die Trennung der Eheleute erfolgte im - 2003. Anlässlich des Auszugs der Antragsgegnerin aus der Ehewohnung fielen dem Antragsteller schriftliche Aufzeichnungen der Antragsgegnerin in die Hände, aus denen sich nach seinem Bekunden ergibt, dass diese über längere Zeiträume, auch während der Empfängniszeit von D., mit anderen Männern geschlechtlichen Umgang hatte. Mit Urteil des Amtsgerichts S. - Familiengericht - vom 01.09.2004 (1 F 370/03) wurde rechtskräftig festgestellt, dass der Antragsteller nicht der Vater von D. ist.

Der Antragsteller bringt vor, die Antragsgegnerin habe ihn vor der Eheschließung über die Abstammung des von ihr erwarteten Kindes getäuscht. Sie habe ihm verschwiegen, dass sie mit anderen Männern in der Empfängniszeit geschlechtlichen Umgang hatte, und damit in ihm den Irrtum hervorgerufen, nur er komme als Vater des Kindes in Betracht. In Kenntnis der wirklichen Umstände hätte er die Antragsgegnerin nicht geheiratet. Die Antragsgegnerin hält dem entgegen, bis zur Feststellung der Nichtvaterschaft des Antragstellers durch Sachverständigengutachten sei sie davon ausgegangen, dass nur der Antragsteller als Vater des von ihr erwarteten Kindes in Frage käme.

Das Familiengericht hat durch Urteil vom 27.10.2004 auf den Hilfsantrag des Antragstellers die Ehe der Parteien geschieden und ausgesprochen, dass ein Versorgungsausgleich zwischen ihnen nicht stattfindet (§ 1587c Zif. 1 BGB). Dem Hauptantrag des Antragstellers, die Ehe aufzuheben, hat das Familiengericht nicht entsprochen.

Mit seiner Berufung beantragt der Antragsteller, unter Aufhebung des Urteils den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Familiengericht zurückzuverweisen, hilfsweise das Urteil abzuändern und die Ehe der Partien aufzuheben. Die Antragsgegnerin beantragt, die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

II.

Die zulässige Berufung des Antragstellers ist nicht begründet.

Gemäß § 1314 Abs. 2 Nr. 3 BGB kann eine Ehe aufgehoben werden, wenn ein Ehegatte zur Eingehung derselben durch arglistige Täuschung über solche Umstände bestimmt worden ist, die ihn bei Kenntnis der Sachlage und bei richtiger Würdigung des Wesens der Ehe von der Eingehung der Ehe abgehalten hätten. Die Täuschung kann durch positives Tun oder durch Unterlassen begangen werden. Letzteres setzt jedoch eine Offenbarungspflicht voraus, die sich entweder aus einer ausdrücklichen Nachfrage des anderen Teils oder aus den Gesamtumständen ergeben kann.

Wird die Ehe mit Rücksicht auf ein erwartetes Kind geschlossen, so muss die Braut nach einer in Literatur und Rechtsprechung vertretener Ansicht auch ohne Nachfrage offenbaren, dass sie in der Empfängniszeit mit einem anderen Mann oder anderen Männern geschlechtlich verkehrt hat (Johannsen/Henrich, Eherecht, 4. Aufl., § 1314 RdNr. 49; Schwab, Handbuch des Scheidungsrechts, 5. Aufl., II RdNr. 194; OLG Karlsruhe, FamRZ 2000, 1366 unter Berufung auf BGHZ 29, 265 [zu §§ 33, 37 EheG]). Dem vermag der Senat im vorliegenden Fall nicht zu folgen.

Aufgrund der gegebenen Umstände vor Eheschließung der Parteien mussten sich dem Antragsteller erhebliche Zweifel an seiner Vaterschaft in Bezug auf das von der Antragsgegnerin erwartete Kind aufdrängen. Dies ergibt sich insbesondere aus dem eigenen Sachvortrag des Antragstellers im Verfahren auf Anfechtung der Vaterschaft (AG S. 1 F 370/03). Danach hat er die Antragsgegnerin 1995 kennen gelernt, eine feste Beziehung zwischen habe sich ab 1996 entwickelt. Im Jahre 1998 und nochmals im Jahr 1999 habe der Antragsteller erfahren müssen, dass die Antragsgegnerin jeweils mit einem anderen Mann fremdgehe. Im Anschluss an seine Rückkehr nach einem halbjährigen Einsatz als Bundeswehrsoldat in Mazedonien und im Kosovo habe er mit der Antragsgegnerin zwar regelmäßigen sexuellen Verkehr gehabt. Hierbei seien jedoch stets Kondome benutzt worden, ihm seien auch keine Unregelmäßigkeiten, welche die Zuverlässigkeit dieser Art der Verhütung in Frage stellen könnten, aufgefallen. Ein sexueller Kontakt der Parteien ohne Verwendung von Verhütungsmitteln könne allenfalls in der Silvesternacht 2000/2001 stattgefunden haben. An diesen könne er sich jedoch nicht erinnern, weil er total betrunken gewesen sei. Die Antragsgegnerin habe es ihm nachträglich so erklärt, dass damals das Kind hätte gezeugt werden können (Sitzungsprotokoll 1 F 370/03 vom 10.03.2004, S. 3).

Unter diesen Umständen bestand nach Kenntniserlangung von der Schwangerschaft für den Antragsteller Veranlassung, das Gespräch mit der Antragsgegnerin zu suchen und sie mit der Tatsache zu konfrontieren, dass die Abstammung des erwarteten Kindes von ihm fraglich und das Bestehen geschlechtlicher Beziehungen zu anderen Männern während der Empfängniszeit daher naheliegend war. Dies gilt um so mehr, als die Antragsgegnerin nach Kenntnis des Antragstellers während der Beziehung der Parteien auch mit mehreren anderen Männern geschlechtlichen Umgang hatte. Diese Vorgeschichte hat den Antragsteller nach seiner Rückkehr vom Auslandseinsatz Ende November 2000 bewogen, bei Dritten nachzufragen, ob die Antragsgegnerin ihm treu gewesen sei, was ihm angeblich bestätigt worden sei. Die direkte Nachfrage bei der Antragsgegnerin nach der Abstammung des von ihr erwarteten Kindes hat der Antragsteller hingegen unterlassen, was unverständlich erscheinen muss, wenn seine angenommene Vaterschaft für ihn tatsächlich der ausschlaggebende Gesichtspunkt für die Eheschließung war.

Eine Obliegenheit der Antragsgegnerin, von sich aus dieses Thema anzusprechen und den stattgefundenen Mehrverkehr ungefragt zu offenbaren, bestand unter diesen Umständen nicht. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Antragstellerin tatsächlich der Auffassung war, nur der Antragsteller komme als Vater des Kindes in Betracht. Der insoweit beweisbelastete Antragsteller vermochte den Senat jedenfalls nicht davon zu überzeugen, dass er auf Grund des Schweigens der Antragsgegnerin zur Überzeugung gelangte, als Vater des Kindes komme nur er in Betracht. Ein Grund für die Aufhebung der Ehe gem. § 1314 Abs. 2 Nr. 3 BGB besteht somit nicht.

Die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO. Weil das Rechtsmittel des Antragstellers keinen Erfolg hat, ist eine Kostenaufhebung in zweiter Instanz nach § 93a Abs. 1 Satz 1 nicht angezeigt.

Die Zulassung der Revision beruht auf § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Sie ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung bei der Anwendung von § 1314 BGB angezeigt.

Ende der Entscheidung

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