Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 11.01.2001
Aktenzeichen: 18 WF 545/2000
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 99 Abs. 2 S. 1
ZPO § 91
ZPO § 92 Abs. 1
ZPO § 93
ZPO § 258
BGB § 1585 b Abs. 1
BGB § 1613 Abs. 2 Nr. 1, 1 Halbs.
BGB § 270
BGB § 266
Leitsatz:

Hat der Unterhaltsberechtigte den Unterhaltsschuldner, der den Unterhalt stets freiwillig, regelmäßig und pünktlich bezahlt hat, zur Titulierung des nachehelichen Unterhalts aufgefordert, ohne die Übernahme der Titulierungskosten zusagen, hat der Unterhaltsschuldner, den dem Titulierungsverlangen nicht nachkommt, keine Klagveranlassung gegeben, wenn und soweit er den klageweise geltend gemachten Anspruch sofort anerkennt.


Oberlandesgericht Stuttgart - 18. Zivilsenat - - Familiensenat - Beschluss

Geschäftsnummer: 18 WF 545/2000 1 F 534/2000 AG Tübingen

vom 11. Januar 2001

In der Familiensache.

wegen Kindes- und Ehegattenunterhalt

hier: Kostentragung

hat der 18. Zivilsenat - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Stuttgart unter Mitwirkung

des Vors. Richters am OLG Dr. Häberle,

des Richters am OLG Dr. Maurer und

des Richters am AG Kahl

beschlossen:

Tenor:

I.

Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird die Kostenentscheidung im Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Tübingen vom 10. November 2000 - 1 F 534/2000 abgeändert.

Die gerichtlichen Kosten des Verfahrens im ersten Rechtszug haben die Klägerin zu 1. zu 85 % und der Beklagte zu 15 % zu tragen.

Die außergerichtlichen Kosten der Kläger zu 2. und 3 hat der Beklagte zu tragen.

Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 1. hat diese selbst zu 88 % und der Beklagte zu 12%, die des Beklagten die Klägerin zu 1. zu 85 % und er selbst zu 15 %.

II.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu 1. zu tragen.

Beschwerdewert: bis 2.000 DM

Gründe:

I.

Die Parteien streiten im Beschwerderechtszug darum, ob der Beklagte, der bereits mit der Erwiderung auf die Klage über 1.800 DM nachehelichen Unterhalt ab Juni 2000 das Anerkenntnis, ab diesem Zeitpunkt eine Unterhaltsrente über 1.590 DM zu schulden, angekündigt und im frühen ersten Termin vor dem Familiengericht auch erklärt hat, Veranlassung für die Erhebung der Klage auf Zahlung von Ehegattenunterhalt gegeben hat.

Der Beklagte war durch anwaltliches Schreiben vom 03.05.2000 aufgefordert worden, die Klägerin zu 1. durch Vorlage eines Vollstreckungstitels über eine Unterhaltsrente von 1.800 DM klaglos zu stellen. Hierauf ließ er durch Anwaltsschriftsatz vom 24.05.2000 mitteilen, er sei bereit, eine Unterhaltsrente von 1.590 DM zu bezahlen; mit Anwaltsschriftsatz vom 07.07.2000 lehnte der die Schaffung eines Titels auf eigene Kosten ab. Den Unterhaltsbetrag von 1.590 DM hat er ab Juni 2000 stets auch pünktlich bezahlt.

Das Familiengericht hat im Schluss-Urteil vom 10.11.2000 die Kosten des Verfahrens dem Beklagten auch insoweit auferlegt, als er den Ehegattenunterhalt anerkannt hat, weil er verpflichtet gewesen sei, über den anerkannten Betrag auf seine Kosten einen Vollstreckungstitel für die Klägerin zu 1. zu schaffen.

Dieses Urteil ist den Rechtsanwälten des Beklagten nach dem von diesen unterzeichneten Empfangsbekenntnis am 27.11.2000 zugegangen. Seine Beschwerde, mit der er eine Quotelung der Kosten unter Berücksichtigung des nach seiner Auffassung sofortigen Anerkenntnisses erstrebt, ging am 05.12.2000 beim Familiengericht ein.

II.

Die gemäß § 99 Abs. 2 S. 1 ZPO gegen den im Schlussurteil des Familiengerichts enthaltenen Kostenausspruch zulässige sofortige Beschwerde des Beklagten ist auch begründet. Der Beklagte hat nämlich insoweit keine Veranlassung zur Erhebung der Klage gegeben, als er auf das außergerichtliche Zahlungsverlangen der Klägerin zu 1. über einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 1.800 DM sich in Höhe von 1.590 DM verpflichtet sah und diesen Betrag auch ab Juni 2000 freiwillig, regelmäßig und pünktlich bezahlt hat. Nach §§ 91, 92 Abs. 1, 93 ZPO sind die Kosten des ersten Rechtszugs deshalb unter der Klägerin zu 1. und dem Beklagten im aus dem Tenor ersichtlichen Verhältnis aufzuteilen.

1. Zwar hat der Beklagte dem außergerichtlichen Ansinnen insoweit keine Folge geleistet, als von ihm auch begehrt worden war, die Klägerin zu 1. durch die Schaffung und Vorlage eines Titel auch über den nachehelichen Ehegattenunterhalt auf seine Kosten klaglos zu stellen. Allerdings hat er mit Schreiben seines Rechtsanwalts vom 24.05.2000 um Mitteilung gebeten, ob den von ihm errechneten Unterhalsbeträgen zugestimmt werde; bestehe Einverständnis mit diesen, werde er, ohne dass er insoweit weitere Vorbehalte angebracht hätte, "die entsprechenden Unterhaltstitel errichten lassen". Auch wenn man darin das Angebot des Beklagten sehen wollte, den Titel zum nachehelichen Unterhalt auf seine Kosten zu errichten, kam doch zwischen den Parteien keine entsprechende Vereinbarung zustande, da die Klägerin zu 1. mit dem vom Beklagten errechneten Ehegattenunterhalt gerade nicht einverstanden war, worauf sie mit dem Schreiben ihres Rechtsanwalts vom 23.06.2000 den Beklagten hinweisen lassen hat. Daraufhin hat der Beklagte mit Schreiben seines Rechtsanwalts vom 07.07.2000 mitteilen lassen, einen Anspruch auf Titulierung sehe er zwar nicht, sei hierzu jedoch für den Fall bereit, dass die Klägerin zu 1. die Kosten hierfür übernehme oder Sicherheit leiste.

a) Zunächst ist der Senat der Auffassung, dass es materiellrechtlich keinen Anspruch eines Unterhaltsberechtigten gegen den Unterhaltspflichtigen auf die Schaffung eines Unterhaltstitels gibt. Das materielle Recht kennt allein den Anspruch auf den Unterhalt, sei es in der Gestalt einer laufenden Unterhaltsrente, sei es als Sonderbedarf. Letzterem zugehörig ist der Anspruch auf Prozesskostenvorschuss (§§ 1360 b Abs. 4, 1361 Abs. 4 S. 3 BGB), der jedoch nach der Rechtsprechung des BGH (FamRZ 1984, 148 f.; FamRZ 1990, 280, 282) gerade nicht für den nachehelichen Unterhalt besteht, und auch der dem Prozesskostenvorschuss noch vorgelagerte Anspruch auf Tragung der Kosten einer außergerichtlichen Titulierung. Als ausdrückliche Ausprägung des Rechts auf Befriedigung von Sonderbedarf zur Erlangung eines Vollstreckungstitels verwehrt diese Rechtsprechung, zur Begründung der Verpflichtung eines Unterhaltspflichtigen auf Übernahme der Kosten einer außergerichtlichen Titulierung allgemein auf §§ 1585 b Abs. 1, 1613 Abs. 2 Nr. 1 erster Halbs. BGB zurückzugreifen. Zudem kann man bezweifeln, ob das Merkmal eines unregelmäßigen und unvorhersehbaren Bedarfs erfüllt wäre (dazu OLG Düsseldorf FamRZ 1994, 117 m. weit. Nachw.; Musielak/Wolst, ZPO, 2. Aufl. 2000, § 93 Rz. 29).

An dieser Beurteilung ändert sich auch nichts dadurch, dass § 258 ZPO die Erhebung der Klage auch wegen künftig fällig werdender Unterhaltsraten ausdrücklich zulässt. Damit wird dem Unterhaltsberechtigten lediglich ein Rechtschutzbedürfnis für eine klageweise Geltendmachung auch künftiger Unterhaltsbeträge (dazu etwa BGH FamRZ 1998, 1165; MünchKomm/Lüke, ZPO, Band 1, 2. Aufl. 2000; Rz. 15 aE; Stein/Jonas/Schumann, ZPO, Band 3, 21. Aufl. 1996; Rz. 10a; Musielak/Foerste, a. a. O., Rz. 1, jeweils zu § 258 ZPO) zugeschrieben (dazu auch Buchst. b), ohne dass ihm dadurch auch materiellrechtlich ein Anspruch auf einen Titel zuerkannt würde.

Auch aus § 270 BGB ergibt sich nichts anderes: Zwar hat der Unterhaltsschuldner seine Unterhaltsverpflichtung auf seine Kosten am Wohnsitz des Unterhaltsberechtigten zu erfüllen. Doch fällt darunter bereits deshalb gerade nicht die Tragung außergerichtlicher Titulierungskosten, weil es sich insoweit nicht um eine Nebenpflicht, sondern um einen Teil der Hauptpflicht handeln würde, die jedoch eine solche Kostenübernahme nicht kennt (ebenso OLG Düsseldorf FamRZ 1994, 117; OLG Frankfurt/M. FamRZ 1998, 445).

b) Vielmehr ist die Problematik allein auf der prozessualen Ebene anzusiedeln. Im Prozessrecht stellt sich stets die Frage, inwieweit ein Rechtsschutzbedürfnis für eine klageweise Geltendmachung eines Anspruchs besteht. Insoweit besteht Einigkeit, dass ein Rechtsschutzbedürfnis des Unterhaltsberechtigten für ein Klageverfahren auch gegeben ist, wenn der Unterhaltsschuldner seinen Unterhaltsverpflichtungen stets freiwillig und pünktlich nachgekommen ist, um so künftigen Säumigkeiten vorzubeugen und auf solche ggf. schnell zwangsweise reagieren zu können, weil der Unterhaltsberechtigte auf die Unterhaltszahlungen zur Sicherung seiner Lebensgrundlage angewiesen ist. Dies gilt unabhängig davon, ob der Unterhaltschuldner außergerichtlich vergeblich aufgefordert worden ist, den von ihm bezahlten Unterhalt ggf. kostenfrei - sei es, weil bereits die Beurkundung kostenfrei erfolgen konnte, sei es, dass der Unterhaltsberechtigte ihn von den Kosten frei gestellt hat - titulieren zu lassen.

c) Die Problematik der verweigerten außergerichtlichen Titulierung stellt sich danach nach Abgabe eines Anerkenntnisses durch den Unterhaltsschuldner allein im Rahmen des § 93 ZPO, wenn es um die Beurteilung geht, ob er Veranlassung zur Erhebung der Klage gegeben hat. Veranlassung zur Klageerhebung gibt, wer sich außergerichtlich so verhalten hat, dass der Anspruchsinhaber annehmen konnte, er werde sein Ziel nicht ohne die Anrufung des Gerichts erreichen können (OLG Düsseldorf NJW-RR 1993, 74 m. weit. Nachw.). Dieses Ziel ist in aller Regel allein die Erfüllung des materiellrechtlichen Anspruchs, wie er sich aus der Sicht des Anspruchsstellers darstellt, nicht dagegen die Titulierung; sie stellt nur den Weg zum Ziel dar.

Dass § 258 ZPO die gerichtliche Geltendmachung auch künftiger Unterhaltsbeträge eröffnet, betrifft nur das Rechtsschutzbedürfnis für eine solche Klage, nicht jedoch die Frage, wer für die Kosten einer solchen Klage aufzukommen hat. Vielmehr ist über die Kostentragung allein nach § 93 ZPO zu entscheiden (im Ergebnis ebenso MünchKomm/Lüke, a. a. O., Rz. 16; Stein/Jonas/Schumann, a. a. O., Rz. 10a; Musielak/Foerste, a. a. O., Rz. 1, jeweils zu § 258 ZPO).

Allein durch das Ansinnen auf Titulierung werden die Interessen des zahlungswilligen Unterhaltsschuldners nicht berührt. Soweit ihn durch die Titulierung keine Kostenbelastung trifft, muss er lediglich die Mühsal der Titulierung, in der Regel beim Jugendamt (§ 59 Abs. 1 S, 1 Nr. 3 (für Kinder bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres), Nr. 4 (für einen nichtehelichen Elternteil) SGB VIII, § 55 a KostO; s. aber auch §§ 1, 62 BeurkG), auf sich nehmen. Seine Interessen sind erst betroffen, wenn eine gesetzliche Kostenbefreiung nicht gegeben ist - für Kinder älter als 21 Jahre sowie für Ehegatten - und der Unterhaltsberechtigte keine Kostenübernahme zusagt. Deshalb entspricht es allgemeiner Auffassung, dass der Unterhaltsschuldner Klageveranlassung gegeben hat, wenn er den Unterhalt zwar freiwillig und pünktlich bezahlt hat, jedoch der Aufforderung auf kostenfreie Titulierung des Unterhaltsbetrages nicht nachgekommen ist; nimmt der Unterhaltschuldner diese geringe Mühe nicht auf sich, kann der Unterhaltsberechtigte davon ausgehen, er werde sein Ziel, nämlich die pünktliche Unterhaltszahlung, nicht ohne gerichtliches Verfahren erreichen.

Streitig ist dagegen die Frage, ob Klageveranlassung auch anzunehmen ist, wenn die Titulierung mit Kosten für den Unterhaltsschuldner verbunden wäre. Hierzu kann auf eine Kostentragungspflicht des Unterhaltsschuldners für die Titulierung nicht zurückgegriffen werden, weil es eine solche nicht gibt (dazu oben Nr. 1 Buchst. a). Dazu, ob der Unterhaltsberechtigte annehmen konnte, er werde sein Ziel der auch künftigen Unterhaltszahlung nicht ohne gerichtliches Verfahren erreichen, kann Anknüpfungspunkt deshalb allein die Bewertung der Interessen der Parteien sein, die, nachdem die Anknüpfung an das Unterliegen und Obsiegen im Falle des sofortigen Anerkenntnisses nicht sachgerecht ist, in besonderem Maße der Billigkeit Rechnung tragen muss. Bei dieser Interessenabwägung streitet für den Unterhaltsberechtigten allein sein Wunsch, für den Fall künftiger Unregelmäßigkeiten bei der Unterhaltszahlung nicht erst das Familiengericht bemühen zu müssen, sondern sofort zwangsweise gegen den Unterhaltsschuldner vorgehen zu können. Für den Unterhaltsschuldner spricht, dass er seine Unterhaltsverbindlichkeiten bislang regelmäßig und pünktlich beglichen hat und ihn keine Verpflichtung trifft, die Kosten der außergerichtlichen Titulierung zu tragen. Nach allem besteht jedenfalls - wie vorliegend - dann kein Anlass, eine Klageveranlassung durch den Unterhaltsschuldner anzunehmen, wenn nicht bereits konkrete Anhaltspunkte für künftige Unregelmäßigkeiten bei der Unterhaltszahlung ersichtlich sind.

3. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Beklagte außergerichtlich nicht den vollen von der Klägerin geltend gemachten Unterhaltsbetrag in Höhe von 1.800 DM, sondern nur einen Teil-Unterhalt in Höhe von 1.590 DM anerkannt hat (etwa OLG Karlsruhe FamRZ 1985, 955 (bei nur geringem Rest); OLG Bremen FamRZ 1989, 876 f.; OLG Hamm FamRZ 1993, 712; OLG Düsseldorf FamRZ 1994, 117; OLG Frankfurt/M. FamRZ 1998, 445; Musielak/Wolsf, a. a. O.; aA OLG Düsseldorf FamRZ 1991,1207; OLG Köln NJWRR 1998, 1703 f. = FamRZ 1999, 175 (L); AG Charlottenburg FamRZ 1994, 117, 118; Zöller/Herget, ZPO, 22. Aufl. 2001, § 93 Rz. 6 "Unterhaltssachen"). Dabei kann dahingestellt bleiben, ob § 266 BGB, der dem Gläubiger erlaubt, eine Teilleistung auszuschlagen, auf Unterhaltsschulden überhaupt anwendbar ist, weil der Unterhaltsberechtigte ja auf den geleisteten Unterhalt (meist dringend) angewiesen ist und die Unsicherheit über die Höhe des tatsächlich zu entrichtenden Unterhalts vor dessen gerichtlicher Festlegung sehr hoch ist. Die Berufung auf § 266 BGB ist der Klägerin zu 1. nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) bereits deshalb verwehrt, weil sie die Teilleistungen des Beklagten angenommen hat (OLG Bremen FamRZ 1989, 876, 877; MünchKomm/Keller, BGB, Band 2, 3. Aufl., § 266 Rz. 18).

Dass die Vollstreckung des titulierten Spitzenbetrages bei fehlender Titulierung des Sockelbetrages erfolgreich unterlaufen werden könnte, wie das OLG Köln a. a. O. befürchtet, ist nicht ersichtlich; und dass Schwierigkeiten für den Fall einer Abänderungsklage auftreten können, ist unerheblich und kann jedenfalls nicht die Belastung des Unterhaltsschuldners mit weiteren Kosten rechtfertigen.

Ende der Entscheidung

Zurück