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Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 13.12.2007
Aktenzeichen: 19 U 140/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 2325
Bei einer Lebensvesicherung zu Gunsten eines Dritten sind im Rahmen der Pflichtteilsergänzung nicht die Versicherungssumme, sondern die gezahlten Prämien als Gegenstand der Schenkung anzusehen; dem steht nicht entgegen, dass bei der Anfechtung unentgeltlicher Leistungen nach der InsO etwas anderes gilt (Abgrenzung zu BGHZ 156, 360).
Oberlandesgericht Stuttgart 19. Zivilsenat Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 19 U 140/07

Verkündet am 13. Dezember 2007

In dem Rechtsstreit

Gründe:

I.

Der Kläger, einziger Abkömmling des Erblassers, macht gegenüber der Beklagten, der zweiten Ehefrau und Alleinerbin des Erblassers, Pflichtteilsergänzungsansprüche geltend. Die Beklagte wurde in erster Instanz zur Zahlung von 32.121.46 € verurteilt.

.....

Die Beklagte wendet sich mit ihrer Berufung dagegen, dass seitens des Landgerichts im Rahmen der ergänzungspflichtigen Zuwendungen die Lebensversicherungen des Erblassers .... jeweils mit der Versicherungsleistung auf den Todesfall .... eingestellt wurden. Maßgebend seien vielmehr die geleisteten Prämien. .....

.... Ferner sei zu berücksichtigen, dass sie bezüglich einer Lebensversicherung ... von ihrem Rentenwahlrecht Gebrauch gemacht habe, mit der Folge, dass sie Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung zu entrichten habe.

....

II.

Die zulässige Berufung ist in Höhe von 20.374,83 € begründet.

Dem Kläger steht lediglich ein Anspruch auf Pflichtteilsergänzung in Höhe von 11.746,63 € zu.

1.

Nach § 2325 Abs. 1 BGB kann der Pflichtteilsberechtigte unter der Voraussetzung, dass der Erblasser einem Dritten eine Schenkung gemacht hat, als Ergänzung des Pflichtteils den Betrag verlangen, um den sich der Nachlass erhöht, wenn der verschenkte Gegenstand dem Nachlass hinzugerecht wird.

2.

Dass der Erblasser der Beklagten die Lebensversicherungen zugewandt hat und diese Zuwendungen jedenfalls hier wie Schenkungen zu behandeln sind (vgl. BGH, Urt. v. 27. November 1991 - IV ZR 164/90 BGHR BGB § 2287 Abs. 1 Schenkung 1; vgl. auch OLG Koblenz FamRZ 2006, 1789), zieht die Berufung zu Recht nicht in Zweifel. Der Anspruch auf die Lebensversicherungssumme entsteht mit dem Tod des Versicherungsnehmers unmittelbar in der Person des Dritten kraft seines Bezugsrechts (§§ 330 Satz 1, 331 Abs. 1 BGB) und fällt somit nicht in den Nachlass des Versicherungsnehmers.

3.

Mit Recht wendet sich das Rechtsmittel jedoch gegen die Auffassung der ersten Instanz, hinzuzurechnen sei im Rahmen einer Pflichtteilsergänzung die Lebensversicherungssumme. Die Auszahlung der Lebensversicherungsleistung an die bezugsberechtigte Beklagte stellt keine Schenkung im Sinne des § 516 Abs. 1 BGB dar. Für eine Schenkung ist erforderlich, dass der Zuwendende und der Zuwendungsempfänger über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung einig sind und dass der Empfänger aus dem Vermögen des Zuwendenden bereichert wird. An Letzterem fehlt es. Bei einem Lebensversicherungsvertrag, den der Versicherungsnehmer mit einem Versicherer für den Fall des Todes zugunsten eines bezugsberechtigten Dritten abschließt, erwirbt dieser gem. §§ 328, 330, 331 BGB unmittelbar das Recht, die Leistung zu fordern. Die Versicherungssumme selbst hat niemals zum Vermögen des Versicherungsnehmers gehört, sondern fällt dem Dritten direkt aus dem Vermögen des Versicherers zu. Gleichfalls ist der von dem Kläger hilfsweise herangezogene Rückkaufswert nicht Gegenstand der Zuwendung, weil dieser mit dem Todesfall hinfällig geworden ist (Staudinger/Olshausen BGB [2006] § 2325 Rdnr. 38). Lediglich die vom Versicherungsnehmer gezahlten Prämien stammen aus seinem Vermögen und nur um diese ist der Dritte unmittelbar bereichert. Gegenstand der Schenkung sind im Falle einer Bezugsberechtigung aus einem Lebensversicherungsvertrag daher nur die Prämien, nicht aber die Lebensversicherungssumme selbst (RGZ 128, 187, 190; BGHZ 7, 134, 142 f.; BGH, Urt. v. 4. Februar 1976 - IV ZR 156/73 FamRZ 1976, 616 m. krit. Anm. Harder; BGH, Urteil v. 1. April 1987 - IVa ZR 26/86, NJW 1987, 3131; BGHZ 133, 377, 380).

a) Daran ist auch nach der Entscheidung des u. a. für Rechtsstreitigkeiten über Insolvenz zuständigen IX. Zivilsenats des Bundesgerichtshofes vom 23. Oktober 2003 - IX ZR 252/01 (BGHZ 156, 350), die die erste Instanz für ihre gegenteilige Auffassung heranzieht, festzuhalten. Allerdings gelangt der IX. Zivilsenat bei der Anfechtung unentgeltlicher Leistungen nach §§ 134, 143 InsO zu dem Ergebnis, dass dann, wenn der Schuldner für eine von ihm abgeschlossene Lebensversicherung einem Dritten ein widerrufliches Bezugsrecht eingeräumt hat, sich nach Eintritt des Versicherungsfalls der Anfechtungsanspruch gegen den Dritten auf Auszahlung der vom Versicherer geschuldeten Versicherungssumme und nicht auf Rückgewähr der vom Schuldner geleisteten Prämien richtet. Dabei hat der IX. Senat des Bundesgerichtshofes zur Begründung ausgeführt, wenn der Schuldner während der kritischen Zeit dem Anfechtungsgegner etwas im Wege eines Vertrages zugunsten Dritter zuwende und es sich dabei im Valutaverhältnis um eine unentgeltliche Leistung handele, sei der Verwalter in der Insolvenz des Schuldners als Versprechensempfänger gemäß §§ 134, 143 InsO berechtigt, den Gegenstand, den der Dritte erhalten habe, zur Masse zurückzufordern. Dabei stehe die dem Dritten durch die Zwischenschaltung des Versprechenden mittelbar gewährte Leistung anfechtungsrechtlich der unmittelbaren gleich. Mittelbare Zuwendungen seien so zu behandeln, als habe die zwischengeschaltete Person an den Schuldner geleistet. Folglich komme es anfechtungsrechtlich grundsätzlich nicht darauf an, welche Mittel der Versprechensempfänger (Schuldner) aufgebracht habe.

b) Diese mehr wirtschaftliche als rechtliche Wertung (vgl. statt aller BGHZ 72, 41 f.), dass auch bei einem Vertrag zugunsten Dritter, wenn es sich im Valutaverhältnis um eine unentgeltliche Leistung handelt, mittelbare Zuwendungen anfechtungsrechtlich so zu betrachten sind, als ob der Dritte unmittelbar vom Schuldner erworben hätte, ist nicht auf den Pflichtteilergänzungsanspruch zu übertragen (a. A. Elfring ZEV 2004, 305 ff.; Hasse Lebensversicherung und erbrechtliche Ausgleichsansprüche 2005 S. 10 ff.). Allerdings liegen sowohl der Bestimmung des § 134 InsO als auch jener des § 2325 BGB der Rechtsgedanke zugrunde, dass derjenige, der eine Leistung ohne Gegenleistung erhalten hat, weniger darauf vertrauen darf, die Leistung behalten zu dürfen, als derjenige, der eine entgeltliche Leistung erbracht hat (MünchKomm/Kirchhof InsO § 134 Rdnr. 1). Jedoch soll die Insolvenzanfechtung durch die damit zu erreichende Anreicherung der Masse dem Grundsatz der "par conditio creditorum", also dass alle Gläubiger des Schuldners gleichmäßig befriedigt werden sollen, dienen. Die Besserstellung Einzelner soll vermieden werden, um das den Gläubigern haftende Vermögen gegenüber Sondervorteilen Einzelner zu schützen (vgl. statt aller MünchKomm/Kirchhof InsO § 129 Rdnrn. 2, 3, 51). Dagegen ist es der Grundgedanke des Pflichtteilsrechts, dem Pflichtteilsberechtigten einen Ausgleich für jene Werte zu gewähren, die zu Lasten des Nachlasses weggegeben wurden. Es geht also nicht darum, Sondervorteile Einzelner zu verhindern. Die Vorschriften der §§ 2325 ff. BGB sollen den Pflichtteilsberechtigten dagegen schützen, dass der Erblasser sein Recht durch Schenkungen unter Lebenden bezogen auf den Erbfall vereitelt (vgl. BGH, Urt. v. 9. November 1960 - V ZR 96/59 LM BGB § 2325 Nr. 1). Ist im Rahmen des Pflichtteilsrecht anders als im Insolvenzrecht nicht auf die Bereicherung des Dritten, sondern auf die Entreicherung des Vermögens des Erblassers abzustellen, ist allein die Summe der Prämien und nicht die diese übersteigende Versicherungsleistung auf den Todesfall ergänzungserheblich (Staudinger/Olshausen BGB [2006] § 2325 Rdnr. 38, MünchKomm/Lange BGB 4. Aufl. § 2325 Rdnr. 22 jew. m.w.N.; Lange/Kuchinke Erbrecht 5. Aufl. § 37 X 2 e; vgl. auch BGH, Urt. v. 9. November 1960 - V ZR 96/59 LM BGB § 2325 Nr. 1). Die Unterscheidung zwischen Entreicherung des Zuwendenden und Bereicherung des Zuwendungsempfängers tritt im Übrigen auch im Vergleich zwischen den Rechtsinstituten des Pflichtteils und der ungerechtfertigen Bereicherung hervor, weshalb der Schuldner einer ungerechtfertigen Bereicherung anders als der Pflichtteilsergänzungsverpflichtete die gesamten Leistungen des Versicherers zurückzugewähren hat (vgl. BGH, Urt. v. 1. April 1987 - IVa ZR 26/86 BGHR BGB § 818 Abs. 1 Lebensversicherung 1). Dem Schutzzweck des Pflichtteilsrechts entspricht es also nicht, den Pflichtteilsberechtigten so zu stellen, wie er stehen würde, wenn der Erblasser die Zuwendung nicht vorgenommen hätte, mit der Folge, dass die Versicherungssumme in den Nachlass gefallen wäre. Der Pflichtteilsberechtigte ist vielmehr so zu stellen, als sei die zu Lebzeiten erfolgte unmittelbare Vermögensminderung, und zwar bezogen auf den Erbfall, durch den Erblasser nicht vorgenommen worden (a. A.: Harder FamRZ 1976, 617 ff.; Elfring a.a.O., Hasse a.a.O.).

4.

Auch das Schenkungs- und Erbschaftssteuerrecht vermögen keine andere Beurteilung zu rechtfertigen. Ist nicht ersichtlich, welche Gemeinsamkeit das Schenkungs- und Erbschaftssteuerrecht mit den Bestimmungen der Pflichtteilsergänzung aufweisen könnten, kann der Schluss, im Fall der Pflichtteilsergänzung sei die volle Versicherungsleistung zurückzugewähren, weil der Bezugsberechtigte die erhaltene Versicherungsleistung ganz zu versteuern hat, nicht gezogen werden (vgl. aber Elfring NJW 2004, 483, 485). Es geht vielmehr auch hier um die vorrangige Frage, von welchen Grundlagen die Besteuerung ausgeht, nämlich dem Zufluss von Vermögen, und worauf die Pflichtteilsergänzung beruht, nämlich dem unmittelbaren Abfluss von Vermögen zu Lebzeiten.

5.

....

6.

Soweit die Berufung schließlich geltend macht, die Beklagte habe hinsichtlich der Todesfallleistung ... von dem Rentenwahlrecht Gebrauch gemacht, muss ihr der Erfolg gleichfalls versagt bleiben. Im Rahmen des Pflichtteilsergänzungsanspruchs kommt es ausschließlich auf die vom Erblasser geleisteten Prämien und nicht auf die vom Versicherer gewährte Leistung an. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Leistungen des Versicherers hinter den Prämien zurückbleiben (RGZ 128, 187, 190; BGHZ 7, 134, 138; BGH, Urt. v. 4. Februar 1976 a.a.O.). Dass das der Fall sei, macht das Rechtsmittel nicht geltend. Dass die Beklagte, wie sie vorträgt, aus dieser Versicherung Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zu entrichten hat, vermag gleichfalls keine andere Beurteilung zu rechtfertigen. Der auszugleichende Abfluss aus dem Vermögen des Erblassers ist lediglich durch den Zufluss des Vermögens an den Zuwendungsempfänger begrenzt. An dem Zufluss der Versicherungsleistung aber vermögen aus dieser zu entrichtende Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung nichts zu ändern. Deshalb kann dahin stehen, ob auf Grund der Auskunft des Lebensversicherers davon ausgegangen werden könnte, dass die Kapitalleistung an die Beklagte ausbezahlt wurde.

Ende der Entscheidung

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