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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 29.03.2001
Aktenzeichen: 19 U 222/2000
Rechtsgebiete: BGB, AGBG


Vorschriften:

BGB § 133
BGB § 157
AGBG § 5
Leitsatz:

Ist in den "Allgemeinen Vermietbedingungen" eines gewerblichen Kfz-Vermieters zur Haftung des Mieters bestimmt, dass bei Vereinbarung einer Haftungsbefreiung gegen Zahlung eines zusätzlichen Entgelts der Mieter "nach den Grundsätzen einer Vollkaskoversicherung" für Schäden am gemieteten Fahrzeug freigestellt werde, so lässt sich diese Klausel nicht ohne weiteres dahingehend auslegen, die Freistellung gelte nicht für Schäden, die durch einen leicht fahrlässigen Bedienungsfehler verursacht wurden.


Oberlandesgericht Stuttgart - 19. Zivilsenat - Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 19 U 222/2000 18 O 200/2000 LG Stuttgart

Verkündet am: 29. März 2001

Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (Tietjen) Al'in

hat der 19. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart auf die mündliche Verhandlung vom 29. März 2001 unter Mitwirkung

des Vors. Richters am OLG Strobel,

des Richters am OLG Dr. Tolk sowie

des Richters am LG Vatter

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der 18. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 27. September 2000, 18 O 200/2000 abgeändert:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 300,-- DM nebst 4 % Zinsen seit 2. Dezember 1999 zu bezahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreit tragen die Klägerin 39/40, der Beklagte 1/40.

4. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 6.500,-- DM abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 1.500,-- DM abwenden, wenn, nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

5. Die Revision wird für die Klägerin zugelassen. Streitwert der Berufungsinstanz: 12.434,07 DM. Beschwer für die Klägerin: 12.134,07 DM. Beschwer für den Beklagten: 300,00 DM.

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt vom Beklagten Schadensersatz für einen Motorschaden an einem Kraftfahrzeug, das der Beklagte bei der Klägerin gemietet hatte.

Der Beklagte mietete von der Klägerin einen VW L 80 Kastenwagen für die Zeit vom 21. bis 22.07.1999. Im schriftlichen Mietvertrag war u.a. vereinbart: "Vollkaskoschutz 1 Tag a 33,62 DEM; Eigenbeteiligung 300 DEM" (Anl. K 1, Bl. 18). In den dem Mietvertrag beiliegenden "Allgemeinen Vermietbedingungen" (Anl. K 2, Bl. 19), die die Klägerin bundesweit verwendet, ist zur Haftung des Mieters folgendes geregelt:

10. Haftung des Mieters

a) Der Mieter haftet bei von ihm verschuldeten Unfallschäden am gemieteten Fahrzeug nur für reine Reparaturkosten und beschränkt auf den in der jeweils gültigen Preisliste angegebenen Höchstbetrag.

b) Der Mieter haftet jedoch für Unfallschäden unbeschränkt, sofern er den Schaden durch Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt hat oder der Schaden durch alkohol- oder drogenbedingte Fahruntüchtigkeit entstanden ist. Das gleiche gilt für Schäden, die durch Nichtbeachtung des Zeichens 265 (Durchfahrtshöhe) gemäß § 41 Abs. 2 Ziff. 6 StVO verursacht wurden.

c) Hat der Mieter Unfallflucht begangen oder seine Pflichten gemäß Ziff. 8 dieser Bedingungen verletzt, so haftet er ebenfalls voll, es sei denn, die Verletzung hat keinen Einfluß auf die Feststellung des Schadenfalles gehabt.

d) Der Mieter haftet ebenso unbeschränkt für alle von ihm zu vertretenden Schäden, die bei der Benutzung durch einen nicht berechtigten Fahrer (Ziff. 5) oder zu verbotenem Zweck (Ziff. 6), durch das Ladegut oder durch unsachgemäße Behandlung des Fahrzeuges entstanden sind.

e) Wird eine Haftungsbefreiung gegen Zahlung eines zusätzlichen Entgeltes vereinbart, wird E den Mieter nach den Grundsätzen einer Vollkaskoversicherung bei PKW mit DM 450,--, bei LKW mit DM 650,-- Selbstbeteiligung bzw. mit DM 1.000,-- Selbstbeteiligung bei Mieter/Fahrer unter 23 Jahren pro Schadenfall für Schäden am gemieteten Fahrzeug freistellen. Von der Verpflichtung gemäß Ziff. 6 und 8 ist er nicht befreit. Bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verursachung des Schadens, insbesondere bei alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit sowie bei Verletzung der vertraglichen Obliegenheiten und Verpflichtungen haftet der Mieter voll.

Auf der BAB 81 nach dem Weinsberger Kreuz lenkte der Bruder des Beklagten, der Zeuge W das Fahrzeug. Als dieser bergauf fuhr und herunter schaltete, blieb das Fahrzeug liegen. Die Klägerin hat vorgetragen, der Fahrer habe einen Schaltfehler begangen; als er vom 5. in den 2. Gang zurückgeschaltet habe. Dadurch sei ein Überdrehschaden eingetreten mit der Folge eines Totalschadens am Motor. Für einen Motoraustausch sowie ein Schadensgutachten und die Auslagenpauschale hat sie insgesamt 13.458,65 DM als Schadensersatz geltend gemacht. Sie hat die Ansicht vertreten, die vertragliche Haftungsbefreiung greife nicht ein, weil die Freistellung nach Nr. 10 e) der Vermietbedingungen nur "nach den Grundsätzen einer Vollkaskoversicherung" gewährt werde und weil nach den AKB üblicherweise Betriebsschäden vom Kaskoschutz ausgenommen seien.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 13.458,65 DM nebst 5,75 % Zinsen seit 01.12.1999 sowie vorgerichtliche Mahnkosten von 7,50 DM zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat ein Verschalten des Fahrers bestritten und die Ansicht vertreten, der Motorschaden könne auch andere Ursachen haben. Er hat ferner die Schadenshöhe bestritten.

Wegen der Einzelheiten des Parteivortrags erster Instanz wird hingewiesen auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils einschließlich der dort in Bezug genommenen Schriftsätze der Parteien.

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen K und W und durch Einholung eines mündlichen Gutachtens des Sachverständigen R; auf die Protokolle des Landgerichts vom 2. August 2000 (Bl. 98 ff) und vom 20. September 2000 (Bl. 117 ff) wird Bezug genommen. Es hat der Klage in Höhe von 12.434,07 DM nebst 4 % Zinsen seit 02.12.1999 stattgegeben und die Klage im übrigen abgewiesen. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe im Urteil des Landgerichts vom 27.09.2000 (Bl. 126 ff) Bezug genommen.

Der Beklagte hat gegen das ihm am 28.09.2000 zugestellte Urteil am 25.10.2000 Berufung eingelegt (Bl. 140) und diese innerhalb der bis 27.12.2000 verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründet (Bl. 149 ff).

Der Beklagte trägt zur Begründung vor, das Landgericht habe in rechtlicher Hinsicht den Verschuldensbegriff verkannt. Beim angeblichen Verschalten handele es sich um einen Vorgang, mit dem der Vermieter eines für den Mieter fremden Kraftfahrzeugs rechnen müsse und der deshalb im Rahmen des erlaubten Risikos bzw. der Sozialadäquanz liege. Es sei Sache der Klägerin, das Fahrzeug mit technischen Vorrichtungen wie einem Schaltschutz oder einem Automatikgetriebe vor diesem Risiko zu schützen.

Es sei auch nicht bewiesen, dass es vorwerfbar zu einem Verschalten gekommen sei. Das Landgericht habe nur festgestellt, dass irgendwie der 2. Gang eingelegt worden sei und der Motor dadurch defekt geworden sei. Es sei möglich, dass die Schaltung ausgeleiert gewesen sei. Der Sachverständige R habe in einem Verschalten vom 5. in den 2. Gang nur die wahrscheinlichste Ursache gesehen, die damit nicht bewiesen sei. Das Liegenbleiben am 22.07.1999 könne auch andere Ursachen haben. Es sei nicht auszuschließen, dass das Fahrzeug anschließend bis zur Reparatur nochmals bewegt worden und dabei der Motorschaden eingetreten sei.

Er beanstandet den vom Landgericht vorgenommenen Abzug neu für alt in Höhe von 10 % der Materialkosten als zu gering.

Der Beklagte beantragt,

unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, nach der landgerichtlichen Beweisaufnahme stehe fest, dass als alleinige Ursache des Überdrehungsschadens ein fehlerhaftes Herunterschalten des Fahrzeugs in Betracht komme. Darin liege kein vertragsgemäßer Gebrauch, dessen Risiko die Klägerin tragen müsse. Das Fahrzeug sei im Nachhinein nicht mehr bewegt worden.

Auf den rechtlichen Hinweis des Senats, möglicherweise greife der vereinbarte Vollkaskoschutz (Bl. 167 f), hat sich die Beklagte weiterhin auf die Anwendbarkeit und Wirksamkeit der Klausel Nr. 10 e) ihrer Allgemeinen Vermietbedingungen berufen und dazu auf ein entsprechendes Urteil des OLG Dresden vom 28.02.2001 (11 U 1222/00; Bl. 174 ff) hingewiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Beklagten hat überwiegend Erfolg.

Mit dem Landgericht ist der Senat zwar der Ansicht, dass der Beklagte dem Grunde nach Schadensersatz wegen beschädigter Rückgabe des Fahrzeugs schuldet (I.). Die Haftung ist aber wegen der gegen gesondertes Entgelt vereinbarten Haftungsbeschränkung auf die Selbstbeteiligung von 300,-- DM beschränkt (II.).

I.

Der Beklagte ist schadensersatzpflichtig für den Motorschaden an dem von ihm gemieteten Fahrzeug.

1.

Der Mieter haftet nach dem Gesetz dafür, dass das Fahrzeug bei Rückgabe (§ 556 BGB) keine Schäden aufweist, die auf vertragswidrigem Gebrauch beruhen, also über die normale Abnutzung hinausgehen (§ 548 BGB). Nach Nr. 10 d) der Allgemeinen Vermietbedingungen der Klägerin haftet der Mieter für unsachgemäße Behandlung des Fahrzeugs, zu der auch Bedienungsfehler wie ein Verschalten gehören, grundsätzlich voll.

Mit dem Landgericht ist der Senat der Überzeugung, dass der Motorschaden am Mietfahrzeug auf einen Schaltfehler zurückzuführen ist. Der vom Landgericht gehörte, auch dem Senat als sachkundig bekannte Sachverständige R hat zweifelsfrei eine zu hohe Motordrehzahl, also einen Überdrehschaden festgestellt. Als dessen Ursache hat er ausschließlich ein Verschalten angenommen. Andere Ursachen als einen Überdrehschaden infolge Verschaltens hat er ausgeschlossen. Er konnte lediglich nicht sicher sagen, ob es gerade ein Verschalten vom 5. in den 2. Gang war, das den Schaden verursacht hat, er hat dies aber als wahrscheinlich angenommen. Somit steht jedenfalls fest, dass ein fehlerhafter Schaltvorgang den Motorschaden verursacht hat. Andere technische Defekte; wie sie der Beklagte in den Raum stellt, scheiden mithin aus.

Der Senat ist auch davon überzeugt, dass dem Bruder des Beklagten, der den Wagen am 22.07.1999 gefahren hat; der Schaltfehler unterlaufen ist. Nach den tatbestandlichen Feststellungen des Landgerichts, die der Senat zugrunde zu legen hat, ist es unstreitig, dass der Wagen während der Fahrt bergauf, als der Fahrer schaltete, liegen geblieben ist (vgl. auch die Angaben des Beklagten im Termin beim Landgericht, Protkoll vom 28.06.2000, Bl. 67). Auch der Zeuge W hat ausgesagt, dass der Wagen nicht mehr fahrfähig war. Aufgrund dessen ist der Senat davon überzeugt, dass sich nicht irgendwann später, sondern bei diesem unstreitigen Schaltvorgang auf der Fahrt bergauf das Verschalten ereignet hat, das unzweifelhaft den Motorschaden herbeigeführt hat.

2.

Ein solches Verschalten hält sich nicht im Rahmen des vertragsgemäßen Gebrauchs. Die daraus folgende Pflichtverletzung ist vom Mieter oder seinem

Erfüllungsgehilfen zu vertreten.

Der Senat verkennt nicht, dass ein erhöhtes Risiko eines solchen Bedienungsfehler besteht, wenn der Fahrer mit dem für ihn fremden Fahrzeug nicht vertraut ist. Das ist bei Mietfahrzeugen regelmäßig der Fall. Deshalb ist aber nicht die Haftung für einen solchen Fehler ausgeschlossen. Der Mieter kann nicht auf besondere technische Schutzvorrichtungen gegen einen Bedienungsfehler vertrauen, wenn die Überlassung eines Mietfahrzeugs mit solchen Vorrichtungen nicht Vertragsgegenstand ist. Er kann sich auch nicht darauf berufen, dass der Vermieter das erhöhte Risiko kenne und deshalb in den Mietpreis einkalkulieren könne. Denn auch dem Mieter ist dieses erhöhte Risiko bekannt. Er muss sich seinerseits darauf einstellen und sich mit der Bedienung des ungewohnten Fahrzeugs vor Fahrtantritt in einer Weise vertraut machen, dass er auch unvorhergesehene Situationen gefahrlos und ohne Schädigung des gemieteten Fahrzeugs bewältigen kann. Er darf beispielsweise nicht darauf vertrauen, dass er schon nach kurzer Fahrtzeit den Schaltvorgang routinemäßig so beherrscht, wie es beim eigenen Fahrzeug nach längerer Zeit der Fall ist. Deshalb muss er beim Schalten vorsichtiger vorgehen als beim eigenen Fahrzeug, gerade in einer kritischen Situation wie beim Herunterschalten am Berg.

Dieser gesteigerten Pflicht zum sorgfältigen Umgang mit dem Mietfahrzeug ist der Fahrer fahrlässig nicht nachgekommen, nachdem er sich verschalten hat. Das Landgericht hat zutreffend ausgeführt, dass der Bruder des Beklagten bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt und Umsicht beim Zurückschalten nicht den richtigen Gang hätte verfehlen dürfen. Der Beklagte muss sich dieses Verschulden gem. § 278 BGB zurechnen lassen. Der von ihm eingesetzte Fahrer ist Erfüllungsgehilfe in Bezug auf die vertraglich gegenüber dem Vermieter übernommenen Sorgfaltspflichten.

II.

Der Beklagte hat aber nur einen Betrag in Höhe der Selbstbeteiligung von 300,-- DM zu bezahlen, da im übrigen die vereinbarte Haftungsbefreiung greift.

1.

Die Klägerin kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass nach Nr. 10 e) der Allgemeinen Vermietbedingungen bei Vereinbarung der Haftungsbefreiung gegen Entgelt der Mieter nur "nach den Grundsätzen einer Vollkaskoversicherung" freigestellt ist und dass diese Grundsätze eine Freistellung bei Bedienungsfehlern nicht erlauben. Nach Ansicht des Senats kann Nr. 10 e) bereits nicht dahingehend ausgelegt werden, dass fahrlässige Bedienungsfehler von der Haftungsbefreiung nicht erfasst sind.

a)

Diese Klausel über die Haftungsbefreiung ist im Gesamtzusammenhang der Regelungen über die Haftung des Mieters in Nr. 10 zu sehen. Die Nr. 10 a) bis d) enthalten verschiedene Regelungen zur Haftung des Mieters für den Fall, dass eine Haftungsbefreiung gegen Zusatzentgelt nicht vereinbart ist. Dabei regeln Nr. 10 a) bis c) verschiedene Konstellationen, der Unfallhaftung, für die mit unterschiedlicher Reichweite gehaftet wird. Die Nr. 10 d) regelt die unbeschränkte Haftung für sonstige Schadensfälle wie unter anderem die ausdrücklich aufgeführte "unsachgemäße Behandlung des Fahrzeugs", wozu auch ein Bedienungsfehler wie das vorliegende Verschalten gehört. Anschließend daran folgt die Bestimmung in Nr. 10 e) über die Haftungsbefreiung. Aus der maßgeblichen Sicht des durchschnittlichen Kunden des AGB-Verwenders besteht ein Zusammenhang dieser Regelungen: Mit der Haftungsbefreiung kann er sich im Grundsatz eine Freistellung von allen Haftungstatbeständen einschließlich der Nr. 10 d) und somit auch von der Haftung für Bedienungsschäden erkaufen: Dieser Eindruck wird dadurch verstärkt, dass sich in Satz 2 und 3 der Nr. 10 e) Regelungen finden, die für bestimmte Fälle den Geltungsbereich der Freistellung wieder einschränken; betroffen sind die Haftung für verbotswidrige Nutzung gem. Nr. 6, für die Verletzung von Verhaltenspflichten bei Unfällen gem. Nr. 8 sowie für grob fahrlässig und vorsätzlich verursachte Schäden. Leicht fahrlässige Bedienungsfehler sind dagegen nicht aufgeführt.

Somit stellt sich die Bestimmung in Satz 1 der Klausel als die Grundregel für die Haftungsfreistellung dar, die deren positive Voraussetzungen festlegt. Satz 2 und 3 regeln dagegen konkrete Ausnahmen von dieser Regel. Angesichts dessen liegt ein Verständnis des Satzes 1 dahingehend, dass über die Bezugnahme auf die Grundsätze der Vollkaskoversicherung weitere unbenannte Ausnahmen für die Freistellung geregelt sein sollen, schon von vornherein eher fern. Regel-Ausnahme-Bestimmungen müssen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eindeutig formuliert sein (vgl. etwa BGH NJW 1978, 945, 946). Es kommt dabei nicht darauf an, dass die in Satz 2 und 3 geregelten Ausnahmen den Bestimmungen eines Versicherungsvertrags über die Leistungsfreiheit entsprechen, während die von der Klägerin angenommene unbeschränkte Haftung für Bedienungsfehler über die Heranziehung versicherungsvertraglicher Regelungen zum Versicherungsfall zu erreichen wäre. Aus Sicht des Mietwagenkunden stellt sich beides als Ausnahmeregelung zur Haftungsfreistellung, dar.

Im Zweifel ist die Gesamtregelung deshalb so auszulegen (§ 5 AGBG), dass über den Bezug auf Grundsätze einer Vollkaskoversicherung nicht weitere unbenannte Ausnahmen gelten sollen (vgl. auch OLG Hamm ZMR 1997, 407).

b)

Zudem erschließt sich auch im Wege der Auslegung für den Kunden nicht eindeutig, inwiefern die Haftung weiter, eingeschränkt sein sollte. Einen allgemein gültigen Grundsatz über die Reichweite des Vollkaskoschutzes gibt es nicht oder jedenfalls nicht mehr.

Der Bundesgerichtshof hat in gefestigter Rechtsprechung verlangt, dass sich eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Autovermieters gegen zusätzliches Entgelt nach Art einer Versicherungsprämie gewährte Haftungsbefreiung am Leitbild einer Vollkaskoversicherung orientieren muss. Dieses Leitbild hat er den seinerzeit gültigen AKB entnommen (vgl. BGH NJW 1978, 945; NJW 1981, 1211; NJW 1982, 167; 1986, 1608). Das bedeutet nicht, dass sich der Kfz-Vermieter ohne weiteres auf die in Allgemeinen Versicherungsbedingungen geregelten Tatbestände für die Leistungsfreiheit des Versicherers berufen kann. In den genannten Fällen ging es um die Inhaltskontrolle oder die Reichweite konkret geregelter Beschränkungen einer Haftungsfreistellung; dabei hat der Bundesgerichtshof die AKB als Maßstab herangezogen. Dementsprechend hat er entschieden, dass ein Autovermieter in Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Haftung nicht in weiterem Umfang einschränken darf, als es für die Leistungspflicht des Versicherers bei einer Vollkaskoversicherung in den AKB geregelt ist, und er hat konkrete Regelungen in Mietbedingungen nicht beanstandet, die den Bestimmungen über die Leistungsfreiheit in den AKB korrespondieren. Das besagt nicht, dass sich ohne konkrete Regelung aus dem pauschalen Verweis auf Grundsätze einer Vollkaskoversicherung bestimmte Beschränkungen einer Haftungsfreistellung entnehmen lassen. Vielmehr bedarf es dazu einer konkreten Regelung der Ausnahmetatbestände in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Die Bezugnahme auf ein anderes Regelwerk ist dabei grundsätzlich unter den Voraussetzungen des § 2 AGBG möglich. Ob für die früher allgemein gültigen und üblichere AKB etwas anderes gelten konnte, bedarf keiner Entscheidung.

Denn jedenfalls nach Freigabe der Versicherungsbedingungen seit 1995 gibt es keine einheitlichen, allgemeinverbindlichen AKB mehr, denen sich allgemeine Grundsätze insbesondere zum Versicherungsfall, also zum Umfang der Leistungspflicht des Versicherers entnehmen ließen. Beispielsweise existiert nunmehr zu § 12 AKB, die ohnehin nur noch Musterbedingungen darstellen, eine Vielzahl von alternativen Fassungen mit unterschiedlicher Bestimmung des Versicherungsfalls (abgedruckt bei Stiefel/Hofmann, Kraftfahrtversicherung, 17. Aufl., S. 723 ff; hierauf ist das OLG Dresden in seinem Urteil vom 28.Februar 2001 nicht eingegangen). Es gibt insbesondere auch Varianten, wonach "unvorhergesehen und plötzlich eintretende ... Betriebsschäden" versichert sind (vgl. Stiefel/Hofmann, Kraftfahrtversicherung, 17. Aufl., S. 725). Betriebsschäden sind auch Bedienungsfehler (BGH VersR 1969, 32,33; Stiefel/Hofmann a.a.O. Rdn. 72). Die Ansicht der Klägerin, ein Bedienungsfehler könne kein plötzlich und unvorhergesehen eintretender Betriebsschaden sein, überzeugt nicht. Auch ein Verschalten kann sich für den Fahrer plötzlich und unvorhergesehen ereignen, so dass die Auslegung dieser Versicherungsklausel dahingehend zumindest möglich erscheint; dass auch ein Bedienungsfehler versichert sein kann. Gem. § 5 AGBG wäre diese Auslegung im Streit eines Versicherungsnehmers mit einem Verwender dieser Klausel wohl vorzuziehen. Entscheidend kommt es darauf nicht an. Denn alleine das Nebeneinander der verschiedenen Varianten von Versicherungsbedingungen bedeutet, dass es keinen einheitlichen Grundsatz gibt, aus dem sich allgemein gültig entnehmen ließe, welche Schadensfälle als Versicherungsfall bei der Vollkaskosversicherung anzusehen sind. Ebenso wenig lässt sich daraus allgemein verbindlich ableiten, welche Schadensfälle nicht versichert sind und deshalb auch bei einer Kfz-Miete nicht zur Haftungsfreistellung führen können. Daran ändert es nichts, dass eine möglicherweise noch weitgehend einheitliche Vertragspraxis der Versicherer derzeit vielleicht die Annahme eines Leitbildes der Vollkaskoversicherung rechtfertigt, das weiterhin als Kontrollmaßstab für die Zulässigkeit von Einschränkungen einer Haftungsbeschränkung herangezogen werden kann (vgl. dazu KG KG-Report 1999, 209). Denn wie bereits ausgeführt, lässt sich daraus nicht ableiten, welche Einschränkungen geregelt sein sollen.

c)

Für den Mieter ergibt sich aus dem Verweis auf die Grundsätze der Vollkaskoversicherung auch kein Hinweis darauf, dass er sich mit dem zusätzlichen Entgelt eine Haftung für Unfallschäden, nicht aber für Bedienungsfehler erkaufen können soll. Nicht nur die Stellung der Klausel in der Gesamtregelung Nr. 10 zur Haftung des Mieters (s.o. unter a), sondern auch seine Interessenlage sprechen aus seiner Sicht für eine Gleichbehandlung dieser Schadensfälle. Die Benutzung eines Mietwagens ist risikoreicher als die des vertrauten Fahrzeugs, woraus sich sein Interesse an einer Haftungsbefreiung gegen zusätzliche Zahlung ergibt (vgl. BGH NJW 1978, 945, 947). Aus seiner Sicht macht es keinen Unterschied, ob er beispielsweise mit dem gemieteten Fahrzeug einen Unfall mit Blechschaden verursacht; weil er die Fahrzeugabmessungen falsch eingeschätzt hat, oder ob er einen Motorschaden verursacht, weil er sich verschalten hat. Beide Vorfälle beruhen darauf, dass er mit dem Fahrzeug nicht vertraut und die deshalb gesteigerte Sorgfalt nicht hinreichend beachtet hat. Er muss deshalb annehmen, dass das Zusatzentgelt für die Haftungsbefreiung so kalkuliert ist und die Haftungsbefreiung deshalb so zu verstehen ist, dass diese Schäden unterschiedslos erfasst werden, sofern nicht eindeutig etwas Abweichendes geregelt ist.

d)

Nach alldem ist eine Auslegung der Klausel dahingehend, dass der Bedienungsfehler nicht von der Haftungsfreistellung erfasst wird, nach Auffassung des Senats nicht möglich. Auch wenn man dazu anderer Auffassung sein sollte, wäre deshalb die hier vertretene Auslegung nicht ausgeschlossen, sondern vielmehr naheliegender und jedenfalls nach § 5 AGBG als die kundenfreundlichere vorzuziehen.

2.)

Müsste entgegen der hier vertretenen Auffassung die Klausel so ausgelegt werden, dass leicht fahrlässige Bedienungsfehler von der Haftungsfreistellung nicht erfasst sein sollen, so wäre sie gem. § 3 AGBG nicht Vertragsbestandteil geworden, weil eine derartige Regelung zusätzlicher Ausnahmetatbestände über die ausdrücklich geregelten Ausnahmen in Satz 2 und 3 hinaus überraschend wäre. Abgesehen davon wäre bei dieser Auslegung die Gesamtregelung in § 10 e) zur grundsätzlichen Reichweite der Haftungsfreistellung und den Ausnahmen aus den oben genannten Gründen intransparent und damit wegen unangemessener Benachteiligung nach § 9 AGBG unwirksam.

3.)

Der Klägerin steht deshalb nur ein Anspruch in Höhe des vereinbarten Selbstbehalts von 300,-- DM zu. Der vom Landgericht im Grundsatz zutreffend festgestellte Gesamtschaden übersteigt diesen Selbstbehalt unabhängig davon, wie hoch ein Abzug neu für alt zu bemessen wäre.

Mit der Bezahlung befindet sich der Beklagte spätestens seit 2.12.1999 in Verzug, weshalb der zuzusprechende Betrag, wie vom Landgericht entschieden, mit 4 % zu verzinsen ist.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

IV.

Der Senat lässt gem. § 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO für die Klägerin die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage zu, ob die Klausel Nr. 10 e mit der Bezugnahme auf die "Grundsätze einer Vollkaskoversicherung" eine Haftungsfreistellung für Bedienungsfehler (wirksam) ausschließt. Sie hat schon deshalb grundsätzliche Bedeutung, weil das OLG Dresden in seinem Urteil vom 28. Februar 2001 (11 U 1222/00) zu offensichtlich derselben Klausel eine andere Auffassung als der Senat vertreten hat. Unbeschränkt revisibel ist nicht nur die Anwendung der §§ 3,9 AGBG, sondern auch die Auslegung der Allgemeinen Vermietbedingungen, nachdem sie bundesweit verwandt werden.

Ende der Entscheidung

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