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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 29.01.2004
Aktenzeichen: 2 U 112/03
Rechtsgebiete: BGB, DepotG


Vorschriften:

BGB § 307 Abs. 3
BGB § 695
BGB § 697
DepotG § 9 a Abs. 3
AGB-Klauseln in Depotverträgen, die Gebühren für die Übertragung von Bucheffekten vorsehen, sind unangemessen.
Oberlandesgericht Stuttgart 2. Zivilsenat Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 2 U 112/03

Verkündet am 29. Januar 2004

In dem Rechtsstreit

hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart auf die mündliche Verhandlung vom 23. Oktober 2003 unter Mitwirkung des

Vors. Richters am Oberlandesgericht, des Richters am Oberlandesgericht und des Richters am Oberlandesgericht

für Recht erkannt:

Tenor:

a) Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 20.05.2003 - 20 O 101/03 - wird zurückgewiesen.

b) Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

c) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung gegen sie durch Sicherheitsleistung in Höhe von 2.000,-- € abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

d) Die Revision wird zugelassen.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 15.000,-- €

Gründe:

I.

Der Kläger, ein nach § 4 Unterlassungsklagegesetz rechtsfähiger Verband, nimmt die Beklagte auf Unterlassung der im Klageantrag näher bezeichneten Allgemeinen Geschäftsbedingungen in Anspruch, die für die Übertragung von Wertpapieren auf ein anderes Depot Gebühren vorsehen.

Der Kläger ist der Auffassung, dass die Klauseln, soweit diese die Übertragung von Wertpapieren betreffen, die mangels Existenz gegenständlich nicht zurückgegeben werden könnten (Bucheffekten), den Kunden unangemessen benachteiligen.

Sie hat beantragt

der Beklagten bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr gegenüber Verbrauchern (§ 13 BGB) die nachfolgenden oder inhaltsgleiche Klauseln in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Zusammenhang mit Depotverträgen über Wertpapiere zu verwenden oder sich auf diese Klauseln zu berufen:

a. Übertragung von Wertpapieren:

innerhalb der € 3,00 (inklusive MwSt)

pro Wertpapiergattung

b. Übertragung von Wertpapieren:

innerhalb der Sparkassenorganisation € 3,00 (inklusive MwSt)

pro Wertpapiergattung

c. Übertragung von Wertpapieren:

an netzfremde Institute € 15,00 (inklusive MwSt)

pro Wertpapiergattung

Die Beklagte hat beantragt

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Nachprüfung entzogen seien, da die Übertragung von Wertpapieren auf ein anderes Depot eine zusätzliche, vom Depotvertrag nicht umfasste Leistung darstelle.

Das Landgericht hat der Klage mit Urteil vom 20.05.2003 stattgegeben. Es ist dabei davon ausgegangen, dass die Übertragung von nicht existierenden Wertpapieren auf ein anderes Depot an die Stelle der zu einem Depotvertrag gehörenden Rückgabepflicht trete, mithin die Bestimmungen von einer gesetzlich vorgesehenen Leistung zum Nachteil der Kunden abweichen würden.

Hiergegen hat die Beklagte Berufung eingelegt, mit der sie geltend macht, dass es sich bei körperlich nicht dokumentierten Werten nicht um Wertpapiere i. e. S. handele, weshalb diese auch nicht mit körperlich vorhandenen Wertpapieren gleichgestellt werden dürften. Unter Berücksichtigung der Regelungen in § 9 a Abs. 3 Satz 2 Depotgesetz, wonach unabdingbares Wesensmerkmal einer Dauerglobalurkunde sei, dass kein Anspruch auf Auslieferung von einzelnen Wertpapieren bestehe, sei die Annahme einer Rückgabepflicht verfehlt. Das Fehlen eines Herausgabeanspruchs gegen die depotführende Bank sei den Kunden auch bekannt, weshalb in der Übertragung von Bucheffekten auch kein Äquivalent zur Herausgabe, sondern eine zusätzliche Leistung zu sehen sei.

Die Beklagte beantragt

das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 20.05.2003 (Aktenzeichen 20 O 101/03) aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger hält das angegriffene Urteil für zutreffend und beantragt die Berufung zurückzuweisen.

II.

Die Berufung ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Das Landgericht ist mit zutreffender Begründung, auf die verwiesen werden kann, zu dem Ergebnis gelangt, dass die von der Beklagten verwendeten Geschäftsbedingungen, soweit sie Gebühren für die Übertragung von sogenannten Bucheffekten vorsehen, der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 3 BGB unterliegen und eine unangemessene Benachteiligung der Kunden enthalten.

Das Landgericht ist bei der Beurteilung der streitgegenständlichen Geschäftsbedingungen von allgemein anerkannten Grundsätzen ausgegangen. Danach unterliegen AGB-Bestimmungen der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 3 BGB nicht, wenn diese die Art und den Umfang der vertraglichen Hauptleistung und den dafür zu bezahlenden Preis oder das Entgelt für eine zusätzlich angebotene Neben- oder Sonderleistung regeln, für die keine rechtlichen Regelungen bestehen (BGH NJW 1996, 2032; 1998, 383). Dagegen stellen Entgeltregelungen, die eine nicht auf einer rechtsgeschäftlichen Grundlage für den einzelnen Kunden erbrachte Sonderleistung zum Gegenstand haben, sondern den für die Erfüllung gesetzlich begründeter eigener Pflichten des Klauselverwenders erforderlichen Aufwand auf den Kunden abwälzen, eine Abweichung von Rechtsvorschriften dar und fallen in den Anwendungsbereich der §§ 307 bis 309 BGB (BGH NJW 1997, 2752 f.; 1997, 2752 f.; 1998, 383; BGH NJW-RR 1999, 125).

Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Landgericht zu Recht die beanstandeten Klauseln wegen ihrer Geltung für gegenständlich nicht vorhandene Wertpapiere als kontrollfähige Nebenbestimmungen angesehen. Dass die streitgegenständlichen Bestimmungen auch die Übertragung von Bucheffekten erfassen, ist zwischen den Parteien unstreitig, weshalb es der Anwendung des Grundsatzes der kundenfeindlichsten Auslegung nicht bedarf.

Maßgeblich für die Beurteilung, ob die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Kontrolle nach §§ 307 ff. BGB unterliegen, ist die Rechtsnatur des Depotvertrages. Dieser stellt einen gemischten Vertrag dar, bei dem die Verwahrung der Wertpapiere ein wesentlicher Bestandteil ist. Aus den Vorschriften über das Verwahrverhältnis ( §§ 695, 697 BGB) ergibt sich, dass die Rückgabe der verwahrten Gegenstände eine gesetzliche Pflicht des Verwahrers darstellt und damit keine zusätzlich zu vergütende Leistung.

Dies hat auch die Beklagte durch die Abgabe einer Unterwerfungserklärung anerkannt, in der sie auf die Erhebung von Gebühren für die Aushändigung im Depot befindlicher Wertpapiere an Kunden verzichtet hat.

Entgegen der Auffassung der Beklagten beschränkt sich aber die Verpflichtung zur kostenlosen Beendigung des Verwahrverhältnisses nicht auf die Rückgabe der gegenständlich vorhandenen Wertpapiere, sondern umfasst auch die sogenannten Bucheffekten, bei denen eine Rückgabe im eigentlichen Sinne nicht möglich ist und daher im Wege der Übertragung auf ein anderes Depot zu erfolgen hat.

Der Auffassung, dass bei Bucheffekten die Beendigung des Depotvertrages nur durch eine zusätzlich zu vergütende Leistung möglich ist, vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Aus § 9 a Abs.3 DepotG, der bei Sammelurkunden die Möglichkeit einräumt, das Recht auf Auslieferung von Einzelurkunden auszuschließen, kann nicht abgeleitet werden, dass die Beendigung des Depotvertrags hinsichtlich der im Depot geführten Bucheffekten anders als bei den tatsächlich existierenden Wertpapieren nicht zu den vertraglich geschuldeten Leistungen der depotführenden Bank gehört. Eine derartige Auslegung des Depotvertrages und die damit verbundene Differenzierung zwischen den Arten der Wertpapiere entspricht nicht der bei der Auslegung des Depotvertrags nach §§ 133, 157 BGB zu berücksichtigenden beiderseitigen Interessenlage.

Der Depotvertrag unterscheidet hinsichtlich der Depotgebühren nicht zwischen rückgabefähigen Wertpapieren und sogenannten Bucheffekten, bei denen eine Rückgabe nicht möglich ist. Wenn aber die Rückgabe von verwahrten Wertpapieren zu den typischerweise zu erbringenden Pflichten im Rahmen eines Depotvertrages gehört, wird diese Leistung durch die Zahlung der vereinbarten Depotgebühren abgegolten. Es entspricht daher einem sachgerechtem Interessenausgleich, die Beendigung des Depotvertrages hinsichtlich Bucheffekten hinsichtlich der Gebührenfreiheit gleich zu behandeln. Der mit der Übertragung von Wertpapieren für die Bank verbundene Aufwand ist auch gegenüber der Auslieferung von Wertpapieren als solcher, die in der Regel erst von der depotführenden Bank beschafft werden müssen, keineswegs größer, so dass auch unter diesem Gesichtspunkt die Annahme nicht unbillig erscheint, dass bei Bucheffekten deren Übertragung an die Stelle der Rückgabe tritt.

Demnach weicht die Klausel von gesetzlichen Vorgaben ab und unterliegt daher der Inhaltskontrolle.

Hieraus folgt zugleich, dass die Klausel insoweit den Kunden unangemessen benachteiligt, als dieser neben der allgemeinen Depotgebühr für die Übertragung von Bucheffekten bei der Beendigung des Depotverhältnisses mit weiteren Gebühren belastet wird. Auch insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen in dem angegriffenen Urteil verwiesen werden.

Aus dem Verbot der geltungserhaltenden Reduktion folgt, dass die Klausel nicht teilweise aufrechterhalten werden kann, so dass die Klausel insgesamt unwirksam ist ( vgl. BGH NJW 2003, 1521).

Demnach erweist sich die Berufung als unbegründet.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision wird aus beiden in § 543 Abs.2 ZPO angeführten Gründen zugelassen, zumal die AGB der Beklagten verbandsweit und über den Bezirk des OLG Stuttgart hinaus Anwendung finden.



Ende der Entscheidung

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