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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 04.11.2004
Aktenzeichen: 2 U 129/04
Rechtsgebiete: UWG


Vorschriften:

UWG n.F. § 5
Zum Irreführungsverbot bei Werbung mit unverbindlicher Preisempfehlung, wenn diese in der Herstellerpreisliste nicht mehr aufgeführt wird. Zur Zulässigkeit des auf "Haushaltsgeräte"verallgemeinerten Werbeverbotes, dem eine auf einen Dampfreiniger bezogene Verstoßhandlung zugrunde liegt.
Oberlandesgericht Stuttgart 2. Zivilsenat Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 2 U 129/04

Verkündet am 04. November 2004

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung

hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart auf die mündliche Verhandlung vom 21. Oktober 2004 unter Mitwirkung von

Vors. Richter am Oberlandesgericht Dr. M , Richter am Oberlandesgericht H Richter am Oberlandesgericht R

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Verfügungsklägerin wird das Urteil des Landgerichts Heilbronn vom 14.05.2004 - 21 O 58/2004 KfH -

abgeändert:

Der Verfügungsbeklagten wird es bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu € 250.000,--, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlungen bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an den Geschäftsführern der Verfügungsbeklagten zu vollstrecken ist,

untersagt, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbes Haushaltsgeräte mit einer unverbindlichen Preisempfehlung des Herstellers zu bewerben, welche im Zeitpunkt der Werbung nicht mehr vom Hersteller ausgesprochen wird, ohne darauf hinzuweisen, dass es sich um eine ehemalige unverbindliche Preisempfehlung handelt.

Im Übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung.

zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 50.000,-- €.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Verfügungsbeklagte hat am 04.03.2004 in einer Werbebeilage der Zeitung "H" für einen Bodenstaubsauger A V mit einem Preis von 89,-- € geworben, dem eine angebliche unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers von 179,95 € gegenübergestellt war; außerdem wurde ein Dampfreiniger K mit Bügeleisen zum Preis von 349.- € beworben, wobei eine unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers von 489.- € gegenübergestellt war.

Die Verfügungsklägerin hält die vorliegende Werbung für irreführend, da im Zeitpunkt der Werbung eine unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers des Bodenstaubsaugers in Höhe von 99,95 € vorgelegen habe. Die für den Dampfreiniger K genannte unverbindliche Preisempfehlung sei in der ab 01.01.2004 gültigen Preisliste nicht mehr enthalten, weshalb eine Werbung mit einer unverbindlichen Preisempfehlung ohne Hinweis, dass es sich um eine ehemalige unverbindliche Preisempfehlung handele, unzulässig sei.

Die Verfügungsklägerin hat im Wege der einstweiligen Verfügung beantragt:

Der Verfügungsbeklagten wird es bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis 250.000,-- €, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlungen bis zu insgesamt 2 Jahren, wobei die Ordnungshaft an den Geschäftsführern der Verfügungsbeklagten zu vollstrecken ist, untersagt, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs

a) Haushaltsgeräte mit einer angeblichen unverbindlichen Preisempfehlung des Herstellers zu bewerben, welche höher ist als die tatsächlich zum Zeitpunkt der Werbung vom Hersteller ausgesprochene unverbindliche Preisempfehlung und/oder

b) Haushaltsgeräte mit einer unverbindlichen Preisempfehlung des Herstellers zu bewerben, welche im Zeitpunkt der Werbung nicht mehr vom Hersteller ausgesprochen wird, ohne darauf hinzuweisen, dass es sich um eine ehemalige unverbindliche Preisempfehlung handelt.

Darüber hinaus hat die Verfügungsklägerin einen Hilfsantrag gestellt unter Bezugnahme auf die konkrete Werbeanzeige.

Die Verfügungsbeklagte hat beantragt,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Sie ist Auffassung, dass die in der streitgegenständlichen Werbung angegebenen unverbindlichen Preisempfehlungen für die genannten Geräte richtig seien. Dies ergebe sich bezüglich des Bodenstaubsaugers aus der Bestätigung des Herstellers A vom 03.05.2004 (Anlage B 1), bezüglich des Dampfreinigers aus dem Schreiben der Fa. K vom 19.04.2004 (Anlage B 3), in welchem die unverbindliche Preisempfehlung sowie die Lieferfähigkeit des streitgegenständlichen Dampfreinigers bestätigt werde.

Das Landgericht Heilbronn hat mit Urteil vom 14.05.2004 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit der Begründung zurückgewiesen, die Verfügungsklägerin habe nicht glaubhaft gemacht, dass die genannten unverbindlichen Preisempfehlungen nicht oder nicht mehr bestehen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Verfügungsklägerin, mit der die ursprünglichen Anträge weiterverfolgt werden.

Bezüglich des Bodenstaubsaugers macht die Verfügungsklägerin geltend, dass es sich bei den vorgelegten Schreiben der A Haushaltsgeräte GmbH um eine Gefälligkeitsbestätigung handele. Hinsichtlich des Dampfreinigers ergebe sich die Unzulässigkeit der Bezugnahme auf eine unverbindliche Preisempfehlung bereits daraus, dass der Hersteller dieses Produkt aus der aktuellen Preisliste herausgenommen habe.

Die Verfügungsbeklagte verteidigt das angegriffene Urteil und sieht in der Erstreckung des Unterlassungsantrags auf Haushaltsgeräte eine unzulässige Verallgemeinerung.

II.

Die Berufung ist zulässig und in Bezug auf den Verfügungsantrag b) begründet.

1.

Soweit die Verfügungsklägerin eine einstweilige Verfügung begehrt, durch die der Verfügungsbeklagten die Werbung mit einer unrichtigen Preisempfehlung untersagt werden soll, fehlt es an der für eine Begehungs- bzw. Wiederholungsgefahr notwendigen Glaubhaftmachung einer Verletzungshandlung.

Die von der Verfügungsklägerin vorgelegte E-Mail der Mitarbeiterin P von der A Hausgeräte GmbH ( Anl. H&P 2), in der bezüglich des streitgegenständlichen Bodenstaubsaugers als Auskunft "UVP? 99,95 €" gegeben wird, steht im Widerspruch zu der schriftlichen Bestätigung des ebenso bei der A Hausgeräte GmbH beschäftigten Dr. R vom 03.05.2004, wonach die unverbindliche Preisempfehlung in Höhe von 179,95 € seit 15.04.2003 beibehalten wurde ( Anl. JS 1).

Welche dieser Mitteilungen zutreffend ist, lässt sich mangels anderweitiger Anhaltspunkte nicht feststellen, weshalb von der Angabe einer unzutreffenden unverbindlichen Preisempfehlung nicht ausgegangen werden kann.

2.

Hinsichtlich der Werbung für den Dampfreiniger der Fa. K sind die Voraussetzungen für einen Unterlassungsanspruch wegen irreführender Werbung nach §§ 3 , 5, 8 UWG n. F. gegeben.

Die Zulässigkeit einer Werbung mit einer unverbindlichen Preisempfehlung des Herstellers beurteilt sich danach, ob seitens des Herstellers eine unverbindliche Preisempfehlung in der Erwartung ausgesprochen wird, dass der empfohlene Preis dem von der Mehrheit der Empfehlungsempfänger voraussichtlich geforderten Preis entspreche. Im Unterschied zu einer bloßen Meinungsäußerung oder tatsächlichen Mitteilung liegt einer Preisempfehlung das Bestreben inne, den Willen derjenigen, an die sie gerichtet ist, in einem bestimmten Sinn zu beeinflussen (vgl. BGH GRUR 2004, 437, 438 - Fortfall einer Herstellerpreisempfehlung).

Von der Fortgeltung einer Preisempfehlung kann daher regelmäßig nicht mehr ausgegangen werden, wenn der Hersteller diese nicht mehr allgemein, etwa in seinen aktuellen Preislisten, anführt, denn es fehlt danach an dem Willen des Herstellers, noch Einfluss auf die Preisbildung des Handels zu nehmen (BGH a.a.O.).

Vorliegend hat die Fa. K den streitgegenständlichen Dampfreiniger in der bis zum 31.12.2003 geltenden, die unverbindliche Preisempfehlung enthaltenden Preisliste aufgeführt. In der ab 01.01.2004 geltenden neuen Preisliste erscheint der Dampfreiniger dagegen nicht mehr; hieraus ist abzuleiten, dass - anders als in der Vergangenheit - der Hersteller auf die Preisbildung im Handel keinen Einfluss mehr nehmen will.

Allein der Umstand, dass der Hersteller bei einer Einzelabfrage die Fortgeltung der in der früheren Listen genannten unverbindlichen Preisempfehlung erklärt und mitteilt, dass die Geräte auslieferbar sind, führt zu keiner anderen Beurteilung. Der Verkehr erwartet bei der Gegenüberstellung von Preisen mit einer unverbindlichen Preisempfehlung des Herstellers, dass - sofern wie vorliegend eine aktuelle Preisliste mit unverbindlichen Preisempfehlungen ( UVP) existiert - für das beworbene Produkt dort auch eine UVP erscheint.

Die vorliegend vertretene Auffassung bedeutet auch keine Vernachlässigung der anerkennenswerten Interessen des Händlers an einer wirksamen Werbung. Diesem bleibt die Möglichkeit, in der Zeit nach Fortfall der unverbindlichen Preisempfehlung mit dem Hinweis auf eine "ehemalige UVP" zu werben, wie dies üblicherweise auch geschieht. Für die Zubilligung einer Übergangsfrist besteht jedenfalls bei einer mehr als 2 Monate nach Erscheinen der neuen Preisliste erfolgten Werbung mit einer UVP keine Veranlassung.

Demnach ist die Werbung irreführend i.S.v.§ 5 UWG.

Die gegen den Unterlassungsantrag vorgebrachten Einwendungen vermag der Senat nicht zu teilen. Mit der Verfügungsklägerin ist davon auszugehen, dass die Erstreckung des Unterlassungsantrages auf "Haushaltsgeräte" keine unzulässige Verallgemeinerung darstellt und auch im Hinblick auf die Bestimmtheit des Unterlassungsantrags nicht zu beanstanden ist.

Unter dem Gesichtspunkt der ausreichenden Schutzgewährung durch Unterlassungstitel sind Verallgemeinerungen im Klagantrag zulässig, wenn damit der Kern, das Charakteristische der konkreten Verletzungshandlung, richtig erfasst werden (BGH GRUR 1989, 609, 611 - Fotoapparate; BGH GRUR 1991, 254, 257 - unbestimmter Unterlassungsantrag I; BGH GRUR 1996, 800, 802 - EDV-Geräte).

Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass eine in bestimmter Form begangene Verletzungshandlung nicht nur die Wiederholung der genau identischen Verletzungshandlung vermuten lässt, sondern auch eine Vermutung für die Begehung zwar leicht abgewandelter, aber in ihrem Kern gleicher Handlungen begründet (vgl. BGH GRUR 1999, 509, 511 - Vorratslücken; BGH GRUR 2000, 202, 187, 188 - Lieferstörung).

Maßgebend ist daher, ob die Werbung für ein Dampfreinigungsgerät mit einer nicht mehr bestehenden unverbindlichen Preisempfehlung die Gefahr begründet, dass andere Haushaltsgeräte ebenfalls mit unzulässigen Preisgegenüberstellungen beworben werden. Dies wiederum ist davon abhängig, ob die konkrete Verletzungshandlung Eigenarten oder Besonderheiten aufweist, die bei anderen Geräten der Warengruppe nicht gegeben sind. Bestehen keine solchen Abweichungen, folgt aus der konkreten Verletzungshandlung die Vermutung für die zukünftige Begehung gleichartiger Verstöße ( vgl. grundlegend zur Bestimmung des Charakteristikums BGH GRUR 1984, 593, 594 re. Sp. - adidas-Sportartikel).

Bei einem Dampfreiniger handelt es sich um ein Haushaltsgerät, bei dem in gleicher Weise wie bei anderen Haushaltsgeräten die Angabe einer unverbindlichen Herstellerpreisempfehlung werbewirksam ist. Dies gilt entgegen der Auffassung der Verfügungsbeklagten auch für Kühlschränke und andere zu der Gruppe der "Weißen Ware" gehörenden Haushaltsgeräte.

Entgegen der Auffassung der Verfügungsbeklagten kann aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs (GRUR 2003, 446, 447 - Preisempfehlung für Sondermodelle), wonach auch Waschmaschinen und Kühlautomaten von der Warengruppe "Haushaltsgeräte" erfasst werden, nicht abgeleitet werden, dass die Warengruppe "Haushaltsgeräte" ausschließlich auf Geräte der sog. "Weißen Ware" zu beschränken ist.

Ebenso wie eine Verallgemeinerung unter Verwendung der Bezeichnung "Geräte für Unterhaltungselektronik" für zulässig gehalten wurde (vgl. BGH GRUR 2000, 907,909 -Filialleiterfehler), ist die vorliegende Erweiterung des Antrags auf "Haushaltsgeräte" nicht zu beanstanden.

Demnach erweist sich die Berufung in Bezug auf nicht mehr aktuelle Preisempfehlung und in der Verallgemeinerung auf Haushaltsgeräte als begründet.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO.



Ende der Entscheidung

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