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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 18.02.2000
Aktenzeichen: 2 U 191/99
Rechtsgebiete: RabG


Vorschriften:

RabG § 1
RabG § 12
Fehlerhafte Preisauszeichnung und Rabattverstoß

RabG §§ 1, 12

Ein Händler gewährt keinen Rabatt, wenn er eine einzelne Wanderjacke, die im Gegensatz zu den anderen gleichwertigen Wanderjacken trotz allgemeiner Sorgfalt entgegen seiner betrieblichen Übung statt mit niedrigeren Hauspreis mit der höheren unverbindlichen Preisempfehlung des Herstellers ausgezeichnet ist, auf Nachfrage des Kunden zu dem niedrigeren Hauspreis abgibt.


Geschäftsnummer: 2 U 191/99 2 KfH O 751/99 LG Ravensburg

Oberlandesgericht Stuttgart - 2. Zivilsenat -

Im Namen des Volkes Urteil

wegen Verstoßes gegen das Rabattgesetz

Verkündet am: 18. Februar 2000

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (Weber) JOS/in

hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart auf die mündliche Verhandlung vom 28. Januar 2000 unter Mitwirkung

des Vors. Richters am OLG Dr. Lütje,

des Richters am OLG Prof. Dr. Fezer und

des Richters am OLG Oechsner

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Das Urteil des Vorsitzenden der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Ravensburg vom 17.08.1999 wird

abgeändert:

Der Verfügungsantrag wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen trägt die Antragstellerin.

Streitwert: bis 30.000,00 DM

TATBESTAND:

Grundlage für das Unterlassungsbegehren der Antragstellerin bildet der angeblich von der Antragsgegnerin am 23.04.1999 begangene Rabattverstoß. An jenem Tag hat die Antragsgegnerin der Zeugin R bei einem Testkauf eine Wanderjacke "Sch zum Preis von 269,00 DM verkauft. Auf dem der Jacke angehefteten Etikett des Herstellers befand sich der Aufdruck "DM 299.95"; dabei handelt es sich um dessen unverbindliche Preisempfehlung. Darin unterschied sich diese Jacke jedenfalls von einem Teil der am selben Ständer hängenden, gleichartigen Jacken mit der Bezeichnung "Sch". Bei diesen Jacken hatte nämlich die Antragsgegnerin das Herstelleretikett mit einem roten Aufkleber mit der Aufschrift "Hauspreis 269,00 DM" versehen. Streitig ist zwischen den Parteien, ob nur an der von der Zeugin erworbenen Jacke dieses rote "Hauspreis-Etikett" fehlte oder aber auch an weiteren Jacken.

Die Antragstellerin hat die Auffassung vertreten, die Antragsgegnerin habe der Zeugin einen unzulässigen Barzahlungsnachlaß gewährt und die Antragsgegnerin vor dem Landgericht erfolgreich auf Unterlassung in Anspruch genommen.

Das Landgericht hat nach Vernehmung der Testkäuferin R und ihrer Mutter seine zunächst erlassene Beschlußverfügung vom 25.05.1999 - Bl. 74 f. - abgeändert und in Anlehnung an das konkret beanstandete Verhalten der Antragsgegnerin wie folgt neu gefasst:

1. Der Verfügungsbeklagten wird verboten, im geschäftlichen Verkehr zum Zwecke des Wettbewerbs beim Verkauf von Sportartikeln einschließlich Sportbekleidung Endverbrauchern Preisnachlässe von mehr als 3 % zu gewähren, indem sie dieselben Waren teils mit einem höheren und teils mit einem um mehr als 3 % niedereren Preis auszeichnet und auf Nachfrage von Kunden die mit dem höheren Preis ausgezeichneten Stücke ohne weiteres um den niedereren Preis verkauft.

2. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wird der Verfügungsbeklagten Ordnungsgeld bis zu DM 100.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder eine Ordnungshaft bis zu 1 Monat angedroht.

Der Rabattverstoß folge aus dem Umstand, das etwa die Hälfte der Sch Jacken im Geschäft der Antragsgegnerin mit einem Preis von 299,95 DM ausgezeichnet gewesen sei (so die überzeugende Aussage der beiden Zeuginnen) und die Verkäuferin auf die Frage, warum auf dem Preisschild kein roter Punkt sei wie auf anderen Preisschildern (mit dem Preis 269,00 DM) geantwortet habe: "Selbstverständlich bekommen Sie auch diese Jacke zu dem herabgesetzten Preis." Aus Sicht der Testkäuferinnen habe die Beklagte damit einen unzulässigen Nachlaß von ca. 30,00 DM = ca. 10 % von dem aus deren Sicht maßgeblichen Normalpreis von 299,95 DM gewährt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

Mit ihrer Berufung will die Antragsgegnerin die Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückweisung des Verfügungsantrags erreichen.

Sie behauptet, ihre Verkäuferin B habe den Testkäuferinnen R auf Frage erklärt, die Jacke koste nicht 299,95 DM, sondern den Hauspreis von 269,00 DM, der eigentlich auf dem Etikett aufgeklebt sein müsse. Tatsächlich sei das Hauspreis-Schild, welches normalerweise auf dem Preisetikett mit dem empfohlenen Herstellerpreis aufgeklebt worden sei, entweder abgefallen oder abgekratzt worden. Dies bestätige eine Inaugenscheinnahme des Original-Etiketts (B 7 - Bl. 63). Spätestens an der Kasse hätte die Verkäuferin das Fehlen des roten Hauspreises bemerkt, auf diesen maßgeblichen Hauspreis hingewiesen und auch nur diesen kassiert (Eidesstattliche Versicherung B - als Faxkopie vorgelegt als Anl. B 1 - Bl. 88 f.).

Das Landgericht gehe demgegenüber von einem anderen Sachverhalt aus, den die Beweisaufnahme nicht ergeben habe. Zudem setze es sich nicht hinreichend mit der Glaubwürdigkeit der beiden Zeuginnen R auseinander. Diese hätten auch nicht den Eindruck gehabt, ihnen würde ein Preisnachlaß gegeben. Vielmehr seien sie, wie jeder normale Verbraucher auch, davon ausgegangen, daß an der erworbenen Jacke das an anderen, gleichartigen Jacken angebrachte Hauspreis-Etikett fehle.

Die Antragstellerin verteidigt demgegenüber das Urteil des Landgerichts als richtig. Sie bestreitet nicht, daß die Antragsgegnerin üblicherweise auf die Ware das Hersteller-Etikett mit dessen unverbindlicher Preisempfehlung und ihr rotes Hauspreisetikett "aufschießt", hält dies aber nicht für entscheidungserheblich.

Wegen des weiteren Parteivortrags wird auf, die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Niederschrift zur Berufungsverhandlung vom 28.01.2000 verwiesen (Bl. 166-168 d.A.).

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Die Berufung ist zulässig und hat in der Sache Erfolg. Dies führt zur Aufhebung des Landgerichtsurteils und Zurückweisung des Verfügungsantrags. Einer Aufhebung der Beschlußverfügung vom 25.05.1999 bedarf es dagegen nicht. Denn dies ist schon im angefochtenen Urteil geschehen, welches die Beschlußverfügung nicht nur teilweise, sondern insgesamt abgeändert und neu gefaßt hat (vgl. Entscheidungstenor Ziff. 1).

I.

Bedenken gegen die Prozeßführungsbefugnis der Antragstellerin werden nicht vorgebracht und wären auch nicht begründet. Diese folgt aus § 12 S. 2 RabattG i.V.m. § 13 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UWG.

Ihre Klagebefugnis entsprechend § 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG folgt daraus, daß die Antragstellerin in einem Wettbewerbsverhältnis zur Antragsgegnerin steht. Beide Parteien vertreiben Sportartikel. Die Zugehörigkeit der Parteien zu unterschiedlichen Handelsstufen steht nicht entgegen (BGH GRUR 1998, 500, 501 - Skibindungsmontage - vorgelegt als Anl. K 4 = Bl. 58 f.).

Darüber hinaus ist die Antragstellerin deshalb entsprechend § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG antragsbefugt, weil sie unstreitig die gewerblichen Interessen ihrer Mitgliedsunternehmen wahrnimmt (zur Mitgliederliste vgl. Anl. K 3).

II.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts unterliegt das Verhalten der Antragsgegnerin aber nicht der Unterlassungspflicht des § 12 S. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1, 21. Alt. RabattG. Denn der Senat wertet den Umstand, daß die von der Testkäuferin R erworbene Jacke/evtl. weitere Jacken nur ein Etikett mit der Preisempfehlung des Herstellers ohne das üblicherweise angebrachte "Hauspreis"-Etikett trug(en) als Ausreißer, der nicht als Rabattverstoß angesehen und deshalb auch nicht Grundlage für den hier verfolgten Unterlassungsanspruch sein kann.

1.

Maßgebend für diese Wertung als Ausreißer ist die Auffassung der beteiligten Verkehrskreise, zu denen wegen des Charakters der von der Antragsgegnerin angebotenen Waren auch die Senatsmitglieder gehören.

Das Publikum stellt nicht nur in Rechnung, daß die beworbene Ware oder Leistung im Einzelfall einmal von schlechterer Qualität ist als behauptet oder eine angekündigte Ware im Einzelfall aus Gründen höherer Gewalt oder sonst ohne Verschulden des Webenden nicht zum Verkauf gestellt werden kann (BGH GRUB 1987, 52 - Tomatenmark; zusammenfassend zur Ausreißer-Problematik: Helm in Gloy, Hdb. Wettbewerbsrecht, 2. A. - 1997 - § 49 Rn. 76 f. m.w.N.). Vielmehr rechnet es auch damit, daß trotz ordnungsgemäßer Betriebsorganisation und Kontrolle vereinzelte Stücke einer Ware mit einem höheren als dem in der Werbung herausgestellten Preis ausgezeichnet sein können (BGH GRUR 1988, 629 f. - Konfitüre).

2.

a) Diese Grundsätze sind zwar für Fälle entwickelt worden, in denen die Werbung für eine Ware oder Leistung als irreführend i.S. von § 3 UWG beanstandet wird. Sie lassen sich aber auf den hier gerügten Fall eines angeblichen Rabattverstoßes übertragen.

Daß es sich bei den Vorschriften des Rabattgesetzes um sog. Formaltatbestände handelt, steht dem nicht entgegen. Denn auch bei der Auslegung dieser Formaltatbestände müssen Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung beachtet werden (Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 21. A., RabattG, Rn. 10). Der Sinn und Zweck des Rabattgesetzes liegt darin, den Unternehmer an seine eigenen Normalpreise zu binden (BGHZ 27, 369, 371 - Elektrogeräte; Baumbach/Hefermehl, a.a.O., Rn. 8 a.E.; Klosterfelde/Jaeger-Lenz in Gloy, § 52 Rn. 50). Diese Bindung stellt aber nicht in Frage, wer es trotz allgemeiner Sorgfalt in der Preisauszeichnung und entgegen seiner betrieblichen Übung in einem Einzelfall versehentlich unterläßt, einzelne Waren mit dem von ihm verlangten (niedrigeren) Preis auszuzeichnen. Ihm mag zugute gehalten werden, daß im Massengeschäft gelegentliche Fehler unvermeidlich sind.

b) Nicht anders liegt der hier zu beurteilende Sachverhalt:

aa) Üblicherweise überklebt die Antragsgegnerin das Preisschild, welches die unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers trägt, mit dem roten Aufkleber mit ihrem davon abweichenden sog. Hauspreis und schießt dieses Preisschild mit dem roten Aufkleber auf die Ware auf (so der Vortrag des Antragsgegnervertreters in der Berufungsverhandlung vor dem Senat, zu dem der Antragstellervertreter ausdrücklich erklärt hat, er bestreite diesen Vortrag nicht - Sitzungsprotokoll vom 28.01.2000, S. 2 unten = Bl. 197).

Dadurch macht die Antragsgegnerin ihren Hauspreis als eigenen Normalpreis erkennbar. Gleichzeitig schließt sie damit aus, daß der Preisaufdruck des Herstellers als ihr Normalpreis erscheint (Baumbach/Hefermehl, § 1 RabattG, Rn. 19).

bb) Die Antragsgegnerin hat ferner in der Berufungsverhandlung dargetan, daß sie diesen Ablauf ständig kontrolliert und überwacht (vgl. zudem die eidesstattliche Versicherung ihres Geschäftsführers B Kopie in Anl. B 3 zur Berufungsbegründung = Bl. 155 f.; Original in der Berufungsverhandlung übergeben); auch dies hat der Antragstellervertreter nicht in Frage gestellt. Damit hat die Antragsgegnerin aber alles ihr organisatorisch Mögliche und Zumutbare getan, um zu verhindern, daß die unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers als ihr eigener Normalpreis erscheint. Ein Wiederholungsfall, der vielleicht zu einem höheren Kontrollaufwand (durch Kontrolle der einzelnen Jacke auf dem Ständer) hätte führen müssen, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

cc) Vor diesem Hintergrund stellt sich das Fehlen des roten Hauspreis-Aufklebers selbst dann als einmaliger Ausreißer dar, wenn nicht nur die von der Zeugin R gekaufte Jacke, sondern weitere gleichartige Jacken am selben Ständer betroffen waren (so der strittige Vortrag der Antragstellerin). Wegen fehlender Entscheidungserheblichkeit brauchte deshalb der von der Antragsgegnerin in der Berufungsverhandlung angebotene Zeugenbeweis (gerichtet auf Vernehmung der Zeugin Brr) nicht eingeholt werden. Aus demselben Grund kann offenbleiben, ob die Aussage der vom Landgericht vernommenen Zeuginnen R zum Anteil der nicht mit dem roten Hauspreis-Etikett versehenen Jacken glaubhaft sind. Schließlich kann deshalb auch offenbleiben, ob die Zeuginnen trotz unterschiedlicher Preisauszeichnung gleichartiger Waren zu dem Schluß kommen konnten, der von der Antragsgegnerin für die erworbene Jacke verlangte Normalpreis betrage 299,95 DM.

Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91, 708 Nr. 10, 713 ZPO. Nach § 545 Abs. 2 S. 1 ZPO ist die Revision gegen dieses Urteil nämlich nicht zulässig. Der festgesetzte Streitwert orientiert sich an der Angabe der Antragstellerin in der Antragsschrift (vgl. im übrigen § 12 Abs. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO).

Ende der Entscheidung

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