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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 21.02.2002
Aktenzeichen: 2 U 206/01
Rechtsgebiete: UWG, ZPO, MarkenG


Vorschriften:

UWG § 13 Abs. 5
UWG § 25
ZPO § 93
ZPO § 97
ZPO § 542 Abs. 2 n.F.
ZPO § 3
ZPO § 938 Abs. 1
MarkenG § 14 Abs. 2 Nr. 2
MarkenG § 14 Abs. 3 Nr. 2
MarkenG § 14 Abs. 5
MarkenG § 30 Abs. 3
MarkenG § 25 Abs. 1
1. Es stellt grundsätzlich keinen Rechtsmissbrauch eines Markenrechtsinhabers entsprechend § 13 Abs. 5 UWG dar, wenn er mehrere rechtlich selbständige Verletzer seines Markenrechtes einzeln abmahnt, auch wenn nahe liegt, dass diese Abgemahnten ihr gesamtes Marketing einer einzigen Dachorganisation übertragen haben, welche für sie einheitlich die beanstandungswürdige Werbung veranlasst hat. Eine Erforschungspflicht des Verletzten hinsichtlich dieser Binnenstruktur auf Verletzerseite besteht nicht.

2. Die Marke "Hot Chili" für Fahrräder, Fahrradteile und entsprechendes Zubehör besitzt überdurchschnittliche Kennzeichnungskraft. Sie wird verletzt durch den Gebrauch von "Chili" und klein beigestelltem "works" auf der Gabel von Fahrrädern.


Oberlandesgericht Stuttgart - 2. Zivilsenat - Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer 2 U 206/01

Verkündet am: 21.2.2002

In Sachen

hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart auf die mündliche Verhandlung vom 31.1.2002 unter Mitwirkung

des Vors. Richters am Oberlandesgericht Dr. Lütje, des Richters am Oberlandesgericht Holzer, des Richters am Oberlandesgericht Oechsner

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das Urteil des Vorsitzenden der 41. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Stuttgart vom 17.9.2001 wird mit der Maßgabe

zurückgewiesen,

dass der Antragsgegnerin verboten wird, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs das Zeichen

Chili works

im Zusammenhang mit der Werbung und dem Handel von Fahrrädern, Fahrradteilen, insbesondere Fahrradgabeln und dergleichen zu benutzen.

2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.

Gegenstandswert des Berufungsverfahrens: bis 25.000,00 Euro

Gründe:

I.

Die Berufung der Antragsgegnerin ist zulässig, der Sache nach in Bezug auf die Antragsteller Ziff. 2 begründet, hinsichtlich des Antragstellers Ziff. 1 jedoch ohne Erfolg.

A.

Der Antragsteller Ziff. 1 ist Inhaber der nachfolgenden Wort-/Bildmarke mit Priorität vom 2.5.1996, die Antragstellerin Ziff. 2 die Lizenznehmerin und Vertreiberin der mit dieser Marke gekennzeichneten Fahrradprodukte:

HOT CHILI

Die Antragsgegnerin betreibt einen Baumarkt in und ist zugleich Gesellschafterin einer

Firma H [im Folgenden kurz: H]

wie alle etwa 250 H Märkte, von denen einer die Antragsgegnerin ist. Die H ist die zentrale Marketing- und Einkaufseinrichtung für die Gesellschafter, welche (auch) (teilweise) Franchisenehmer (vgl. Bl. 105) sind Diese H kaufte von der Herstellerin, einer Firma HL Mountainbike-Räder, welche entsprechend der im Jahre 2000 von der Herstellerin beantragten EG-Marke an der Fahrradgabel folgende Aufkleber trugen (vgl. Bl. 71):

Die Antragstellerin hat sich schon im Jahre 2000 mit der Herstellerin wegen behaupteter Markenrechtsverletzungen bislang erfolglos auseinandergesetzt. In Heft 15/01 (15. Kalenderwoche = 9. bis 15.4.2001) wurde das Mountainbike von H Märkten beworben, u.a. auch von der Antragsgegnerin. Der Anragstellervertreter ließ in zwei weiteren H Märkten telefonisch anfragen, ob das Mountainbike dort angeboten werde, was bejaht wurde, und mahnte dann, nach Erhebung der Namen und Adressen aller H Märkte über die Internet-Seite der H alle H Märkte gleichgerichtet, u.a. mit der Behauptung eines zuvor telefonisch eingeholten Angebotes, ab, setzte zwei Tage Frist zur Abgabe einer entsprechenden Unterlassungserklärung und Zahlung von Abmahnkosten über jeweils 2.591,21 DM (AG 1 = Bl. 37 bis 43), errechnet aus einem Streitwert von 250.000,00 DM. Nach vorgerichtlichem Schriftwechsel, u.a. nach der Aufforderung des Antragsgegnervertreters erster Instanz, der alle H Märkte vertrat und vertritt und auch die H-S an den Antragstellervertreter, jeweils eine Originalvollmacht für seine vielzähligen Abmahnungen nachzureichen, gaben 192 H Märkte ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und ohne Zahlung der Abmahnkosten die eingeforderte Unterwerfungserklärung ab. Nicht so die Antragsgegnerin.

Die Antragsteller erwirkten eine einstweilige Verfügung dahin (Bl. 7 bis 9):

1. Der Beklagten wird verboten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs die Bezeichnung "Chilli" im Zusammenhang mit der Werbung und dem Handel von Fahrrädern, Fahrradteilen, insbesondere Fahrradgabeln und dergleichen zu benutzen.

2. [Ordnungsmittel], welche das Landgericht bestätigte.

Dagegen wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer auf

Aufhebung und Antragszurückweisung

gerichteten Berufung, welche ein Klagerecht der Antragstellerin neben dem des Antragstellers verneint und der Sache nach schwerpunktmäßig in der "Abmahnlawine" einen Verstoß gegen § 13 Abs. 5 UWG analog sieht, eine Verwechslungsgefahr verneint, den Verfügungsgrund im Hinblick auf eine Kenntniserlangung schon dreizehn Monate vor Antragstellung entfallen sieht und - neu im Berufungsrechtszug - eine rechtserhaltende Nutzung in den letzten fünf Jahren in Abrede stellt.

Die Antragsteller verteidigen die angefochtene Entscheidung als richtig.

B

1.

Aktivlegitimation.

Die Angriffe der Antragsgegnerin gegen die Aktivlegitimation eines der beiden Antragsteller im Hinblick auf die Rechtsverfolgung durch bereits einen von ihnen verfängt nicht.

a) Dass bei einem (auch nur) auf Unterlassung von Markenverletzung gerichteten Begehren zugleich Markeninhaber und Lizenznehmer in subjektiver Klaghäufung vorgehen können, hat der BGH in neueren Entscheidungen mehrfach bestätigt (BGH GRUR 01, 448, 450 - [II 2 a] - Kontrollnummernbeseitigung II; Z 138, 349 [354] = GRUR 99, 161, 163 [II 4] - MAC Dog).

b) Die Zustimmung des Markeninhabers (§ 30 Abs. 3 MarkenG) für ein gleichgerichtetes Vorgehen der Antragstellerin Ziff. 2 liegt auch vor. Ist sie nicht schon angesichts der Personenidentität von Markeninhaber und Geschäftsführer der Antragstellerin Ziff. 2 im gemeinsamen Vorgehen gegen die Antragsgegnerin zu sehen, so ist sie jedenfalls zwischenzeitlich erfolgt. Dass diese erst in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat (vgl. Protokoll Bl. 152) erteilt worden ist, ist sowohl für die Berufungsinstanz, aber auch für das erstinstanzliche Verfahren unschädlich. So wie die fehlende Ermächtigung bei gewillkürter Prozessstandschaft (vgl. hierzu etwa Thomas/Putzo, ZPO, 23. Aufl., § 51, 33), der Mangel der gesetzlichen Vertretung (vgl. hierzu Zöller/Gummer, ZPO, 22. Aufl., § 551, 6) oder die fehlende Genehmigung der Prozessführung (vgl. hierzu Zöller/Vollkommer a.a.O. § 89, 9) noch zumindest bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung ausgeräumt werden kann, so wäre diese Zustimmung, läge sie erst mit der Protokollerklärung vor dem Senat vor, damit zugleich mit Rückwirkung erfolgt.

2.

Rechtsmissbrauch

a)

aa) Auch im Markenrecht gilt der allgemeine Rechtsgrundsatz der unzulässigen Rechtsausübung. Jeder Rechtsmissbrauch der formalen Rechtsstellung als Inhaber eines Kennzeichenrechtes ist unzulässig (Fezer, MarkenR, 3. Aufl., § 14 MarkenG, 539; Ingerl/Rohnke, MarkenG, Vor §§ 14 bis 19, 99). Da auch im Markenrecht die Abmahnung als Instrument zur Vermeidung der Kostenfolge gemäß § 93 ZPO in Übereinstimmung zum wettbewerbsrechtlichen Abmahnrecht ausgebildet ist und dieses wesentliche Aspekte des Rechtsverfolgungssystemes in beiden Rechtskreisen widerspiegelt (vgl. Fezer a.a.O. 542; Klaka in Althammer/Ströbele/Klaka, MarkenG, 6. Aufl., § 14, 138; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., Einl UWG, 529 f), können im Ansatz auch die in § 13 Abs. 5 UWG gesetzlich niedergelegten Missbrauchsgesichtspunkte zur Beurteilung rechtsmissbräuchlicher Rechtsverfolgung eine gewisse Bedeutung erlangen (so auch OLG Düsseldorf CR 01, 548, 549).

bb) Der BGH hat in seinen in jüngster Zeit zu § 13 Abs. 5 UWG ergangenen Entscheidungen hervorgehoben, dass diese Norm immer dann eine Handhabe biete, wenn der wettbewerbsrechtliche Unterlassungsanspruch missbräuchlich geltend gemacht werde, insbesondere wenn sachfremde Ziele als die eigentliche Triebfeder und das beherrschende Motiv der Verfahrenseinleitung erscheinen (NJW 01, 371, 372 - Vielfachabmahner), wenn etwa das leitende Interesse wäre, den Gegner durch möglichst hohe Prozesskosten zu belasten (BGH a.a.O. 372 - Vielfachabmahner). Die Verfolgung desselben Wettbewerbsverstoßes durch mehrere Unterlassungsgläubiger für sich genommen hat der BGH nicht für beanstandungswürdig erachtet (BGH WRP 00, 1263, 1264 - Neu in Bielefeld I; 00, 1266, 1267 - Neu in Bielefeld II). Eine Mehrfachverfolgung desselben Wettbewerbsverstoßes kann sich aber insbesondere dann als missbräuchlich erweisen, wenn sie auf einem abgestimmten Vorgehen der Unterlassungsgläubiger beruht und wenn - ohne dass hierfür ein vernünftiger Grund ersichtlich wäre - die Vervielfachung des mit der Rechtsverteidigung verbundenen Kostenrisikos sowie die Bindung personeller und finanzieller Kräfte eine unangemessene Belastung des Antragsgegners zur Folge hat. Anhaltspunkte für ein solches missbräuchliches Verhalten können bieten, wenn konzernmäßig verbundene Unternehmen, die von dem selben Rechtsanwalt - sei es als Prozessbevollmächtigten oder als Verkehrsanwalt - vertreten werden, nicht gemeinsam als Streitgenossen klagen, sondern getrennte Verfügungs- oder Klageverfahren anstrengen. Schließlich ist in Fällen, in denen das prozessuale Vorgehen verschiedener Konzernunternehmen gegen Wettbewerbsverstöße zentral gesteuert wird, zu fragen, ob es nicht ausgereicht hätte, dass eines der Konzernunternehmen einen Titel erstritten hätte, aus dem bei Zuwiderhandlungen bundesweit auch im Interesse anderer zum Konzern gehörender Unterlassungsgläubiger vollstreckt werden könnte, oder ob - wenn schon für jedes Konzernunternehmen ein eigener Titel für notwendig gehalten wurde - nicht ein streitgenössisches Vorgehen zumutbar gewesen wäre. In den beschriebenen Fällen kann das prozessuale Vorgehen - je nach den Umständen des Einzelfalls - den Schluss rechtfertigen, dass der klagende Gläubiger neben dem Interesse an einer Untersagung des Wettbewerbsverstoßes die Absicht verfolgt, den Schuldner durch eine - der Sache nach unnötige - Belastung mit Kosten und Gebühren zu schädigen und ihn dadurch im Wettbewerb zu behindern (BGHZ 144, 165 f = WRP 00, 1269, 1272 - Missbräuchliche Mehrfachverfolgung; WRP 00, 1266, 1267/68 - Neu in Bielefeld II; Köhler in Köhler/Piper, UWG, § 13, 62 zur sog. Konzernsalve; Melullis, Handbuch des Wettbewerbsprozesses, 3. Aufl., Rdn. 399). Immer ist aber eine sorgfältige Prüfung und Abwägung der maßgeblichen Einzelumstände geboten. Hierzu zählen auch die Art und Schwere des Wettbewerbsverstoßes sowie das Verhalten des Gläubigers nach dem Verstoß (BGH a.a.O. 1271 - Missbräuchliche Mehrfachverfolgung; Köhler a.a.O. § 13, 61).

cc) Generell gut jedoch, dass - insbesondere bei der Verfolgung von Wettbewerbsverstößen durch Wettbewerber - bei der Annahme eines Missbrauchs Vorsicht geboten ist. Dabei darf nicht außer Betracht bleiben, dass der Gesetzgeber bei seiner Entscheidung für eine privatrechtliche Lösung nicht davon ausgehen konnte, dass die mit der Verfolgung von Verstößen gegen die Wettbewerbsordnung betrauten Personen bei ihrer Entscheidung, den Verletzer in Anspruch zu nehmen, von besonders hohen Motiven geleitet werden; er musste vielmehr gerade auch auf vergleichsweise niedrige Beweggründe setzen (Melullis a.a.O. 398 m.N.). Dies gilt in noch viel größerem Maße, wo Markenrechte verfolgt werden, weil solche Rechte dem sachenrechtlichen Eigentum nahe stehen und den Schutz nach Art. 14 Abs. 1 GG genießen (Ingerl/Rohnke a.a.O. Einl 1), womit ein subjektivrechtlicher Vermögensschutz besteht, der gegenüber dem schlichten objektivrechtlichen Interessenschutz des Wettbewerbs hervorgehoben ist (Fezer a.a.O. Einl MarkenG 24). Das Markenrecht ist ein subjektives Recht, das dem Inhaber eine absolute, gegenüber jedermann wirkende Rechtsposition verleiht (so zum Warenzeichenrecht: BVerfGE 51, 193 = NJW 80, 383, 385).

dd) Ist die Mehrfachverfolgung rechtsmissbräuchlich, so sind nach der Rechtsprechung alle Klagen unzulässig (BGH a.a.O. 1275 - Missbräuchliche Mehrfachverfolgung; Jestaedt in Pastor/Ahrens, Der Wettbewerbsprozess, 4. Aufl., Kap. 25, 4; vgl. hierzu auch Melullis a.a.O. 392; Baumbach/Hefermehl a.a.O. § 13, 46; a.A.: Köhler a.a.O. § 13, 62: Die Kläger müssten sich entscheiden, auf welche Klagen sie sich beschränken wollten; erst wenn sie dies nicht täten, seien alle Klagen unzulässig).

b) Vorliegend kann ein Missbrauchstatbestand nicht festgestellt werden. Von den von der Rechtsprechung als eine rechtsmissbräuchliche Mehrfachverfolgung indizierenden Fallgruppen kommt die vorliegende Konstellation derjenigen der sog. Konzernsalve am nächsten. Sie ist gleichsam das Spiegelbild hiervon. Diese Verkehrung der Verhältnisse macht zugleich aber auch einen maßgeblichen Unterschied aus. Während beim konzernkoordinierten Vorgehen eine Vielzahl von verletzten Unternehmen in abgestimmten Verhalten auf die Verletzungshandlung eines einzigen Wettbewerbers reagieren, sieht sich hier ein verletzter Rechtsinhaber einer Vielzahl von Verletzern gegenüber. Sind im ersten Falle die Gläubiger Teil eines operativen Netzwerkes und ist die Kenntnis ihrer Rechtsbeziehungen untereinander und ihrer Abstimmung im gemeinsamen Wollen geradezu prägendes Merkmal ihres gemeinschaftlich ausgeführten Schlages, so ist dem Verletzer in der zuletzt genannten Fallgestaltung die wirtschaftliche oder gar rechtliche Verknüpfung der von außen zunächst einmal relativ vereinzelt erscheinenden Schuldner in der Regel unbekannt oder nur schwer verlässlich einschätzbar. Sind absolute Rechte, wie vorliegend, betroffen, so ist es dem Verletzer noch weniger zumutbar, vor das sofortige und wirksame Abhilfe versprechende Abmahn- und Klageverfahren gegen jeden Verletzer Erhebungen über die Binnenstruktur der Störerschar vorzuschalten. Damit wird oft wichtige Zeit verloren, Umsatzgeschäften einen Riegel vorzuschieben, was im Falle eines berechtigten, aber durch solche Ermittlungen aufgeschobenen Vorgehens den Verletzer auf den mühsamen und beschwerlichen Weg der reinen Schadensersatzeinforderung verweist. Da viele solche Aktionen von vornherein auf Kurzfristigkeit angelegt sind und eine hinlänglich verlässliche Aufklärung der Verletzer zeitraubend ist, kann bei einer solchen Vorgehensweise oft nur ein abgeschlossener Schaden festgestellt und eingeschätzt werden. Auch stehen dem Verletzten in einem solchen Falle viele vom BGH aufgezeigte, einer Mehrfachabmahnung in ihrer Schutzwirkung gleichkommende Reaktionsmöglichkeiten wie Einschaltung eines bundesweit klagebefugten Verbandes (hier zur Wahrnehmung von Singulärinteressen) oder Ermächtigung der Holding zum Vorgehen in Prozessstandschaft für alle konzerngebundenen Verletzer (vgl. etwa BGH a.a.O. 1274 - Missbräuchliche Mehrfachverfolgung) gerade nicht zu Gebote. Zwar erscheint nicht gänzlich fern liegend, wenn der Verletzte erst über das Internet und dort über die Homepage der Konzernmutter oder - wie hier - der Franchisegeberin oder zentralen Einkaufs- und Marketinggesellschaft neben einem regionalen Verletzer weitere 191 potenzielle Störer ermitteln kann, diese zentrale Einheit für die eigentliche Verletzerin und die mit Rechtsmacht und auch faktischer Bewirkungsmacht ausgestattete Kommandozentrale des ersichtlich abgestimmten gemeinsamen Vorgehens zu halten und die Einzelunternehmen hinsichtlich des Marketing als bloße Satelliten einzuschätzen. So mag die Abmahnung dieses Kopfes der Störlawine verbunden mit der Aufforderung, zugleich mit beigefügten Originalvollmachten Unterlassungserklärungen für die Ausführungseinheiten abzugeben und/oder die Abmahnung der einzelnen Störer mit dem Hinweis an diese, eine Unterwerfungserklärung einer operativen Zentrale in (Original-)Vollmacht für alle nachgeordneten Verletzer würde genügen und in einem solchen Falle würden nur einmal oder jedenfalls in beschränktem Umfange Abmahnkosten eingefordert, ein wirksames Reaktionsmodell gegen zentral gesteuerte, aber in einer Vielzahl von Rechtspersonen in Erscheinung tretende Störer sein. Ein solches Vorgehen schiebt aber dem Opfer Aufklärungsobliegenheiten zu, das - anders als der Täter - weit weniger Kenntnisse über die Täterstrategie haben kann. Die Angreifer kennen ihr Koordinierungsmodell und haben auch deshalb einen weit größeren zeitlichen Vorlauf, seine Auswirkungen zu bedenken und Vorsorge gegen naheliegende kostenträchtige Rundumschläge eines Angegriffenen zu treffen. So kann die Handlungszentrale sich mit Originalvollmachten ihrer Wirtschaftseinheiten ausstatten lassen, diese bei eingehenden Einzelabmahnungen zur sofortigen Verständigung der Zentrale verpflichten und dem Abmahnenden mit einer umfänglichen, aber einheitlichen Unterwerfungserklärung antworten mit der Aufforderung, sich im Erstattungspunkt mit einem oder einigen wenigen Abmahnkostensätzen zu begnügen. Geht der Verletzte dann auf Letzteres nicht ein, wird er in aller Regel einen Anschein gegen sich schaffen, dass es ihm neben dem Verschluss einer Störquelle ganz maßgeblich - dass die Verfolgung allein den in § 13 Abs. 5 UWG genannten Zwecken dient, ist zur Tatbestandserfüllung nicht erforderlich (Melullis a.a.O. 398; Jestaedt a.a.O. 14) - um die Erzielung von Einnahmen aus Abmahnungen geht oder um die Belastung von Wettbewerbern mit solchen Kosten. Da der Verletzer bei koordiniertem Vorgehen die Initiative und die Handlungshoheit ergreift, ist es auch billig, ihm eine vorsorgende Steuerungsstrategie abzuverlangen und nicht vordringlich das Opfer zum Pflichtigen eines täterschonenden Abwicklungsmodells zu machen. Dabei sind Ausnahmen denkbar, etwa wenn aufgrund einer Vielfachbefassung dem Verletzten die Handlungs- und Rechtsstrukturen von Verletzergemeinschaften hinlänglich und verlässlich bekannt sind. So ist aber der vorliegende Fall nicht geartet. Zwar kann auch das Verhalten des Gläubigers bei der Verfolgung der Ansprüche einen Schluss auf seine wahre Absicht rechtfertigen (BGH a.a.O. 1271 - Missbräuchliche Mehrfachverfolgung), etwa wenn der Abmahnende trotz umfangreicher Abmahntätigkeit in keinem Fall den Anspruch gerichtlich durchzusetzen versucht (BGH WRP 99, 1163 [II 1 b] - Wir dürfen nicht feiern; OLG Düsseldorf CR 01, 548, 550; Köhler a.a.O. 61). Zwar hat die Antragstellerin vorliegend trotz eingegangener 192 Unterwerfungserklärungen die entsprechenden Abmahnkosten nicht weiterverfolgt. Dies spricht aber eher dafür, dass es ihr schwerpunktmäßig um Unterlassungserklärungen und nicht um Gewinnhuberei gegangen ist. Wenn sie nun solche Verfolgungen in Aussicht stellt (vgl. Bl. 140), so wurde dieses "Versprechen" durch die mit Rechtsprechungszitaten versehene Wertung der Antragsgegnerin herausgefordert, wer Abmahnkosten nicht verlange, dokumentiere seine Rechtsmissbrauchsabsicht (vgl. Bl. 106 unten).

3.

Ein Verfügungsgrund ist gegeben, er ist nicht widerlegt.

a) Die Dringlichkeitsvermutung des § 25 UWG gilt auch im Verfahren der einstweiligen Verfügung auf markenrechtliche Unterlassungsansprüche (Fezer a.a.O. § 14, 550 m.umfängl.N.; Klaka a.a.O. § 14, 140; Senat B. v. 19.12.2000 - 2 W 81/00). Zwar kann die Dringlichkeitsvermutung widerlegt sein, wenn der Verfügungskläger zwischen Erkennen des vermeintlichen Verstoßes und dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung einen Zeitraum hat verstreichen lassen, der dafür spricht, dass es dem Verletzten selbst nicht eilig ist (OLG Saarbrücken GR-RR 01, 71; Köhler a.a.O. § 25, 15). Maßgeblich ist die Kenntniserlangung (OLG Köln NJW-RR 99, 694; Köhler a.a.O. § 15; Melullis a.a.O. 167). Fahrlässige Unkenntnis schadet nicht, zumal es keine allgemeine Marktbeobachtungspflicht gibt (Melullis a.a.O. 168; Köhler a.a.O. § 25, 15). Die Kenntnis hat der Verletzer glaubhaft zu machen (Baumbach/Hefermehl a.a.O. § 25, 13 a).

b) Vorliegend beschränkte sich die Antragsgegnerin auf die bloße - bestrittene -Behauptung, die Antragstellerin hätte drei Monate vor Antragstellung Kenntnis vom Verstoß gehabt. Dies widerlegt die Vermutung nicht. Auch wenn die Antragsteller auf einer - zeitlich nicht überlieferten, aber einmal als geraume Zeit vor der Handlung der Antragsgegnerin unterstellten - Messe Kenntnis von Verletzungshandlungen der Herstellerin erlangt hätten, wären die Antragsteller gleichwohl nicht aufgerufen gewesen, den ganzen deutschen Markt von nun an daraufhin genau zu untersuchen, wo die Herstellerin sich Vertriebskanäle eröffnet hat. Solches mag sich noch auf verwandte Branchen beschränken. Nicht aber waren die Antragsteller gehalten, in Baumärkten ein Einfallstor für solche Produkte zu mutmaßen und diese daraufhin ständig zu beobachten.

4.

Ein Verstoß gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 Nr. 2, Abs. 5 i.V.m. § 30 Abs. 3 MarkenG ist glaubhaft gemacht.

a) Bei der Verwechslungsgefahr im Sinne des § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, sodass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden kann und umgekehrt (BGHWRP01, 165, 167 - Wintergarten; 01, 37, 38/39 - Bayer/BeiChem).

b) Im Ansatz zu Recht hebt der Antragsgegner darauf ab, dass, wenn der Gesamteindruck einer zusammengesetzten Marke durch gleichwertige Zeichenbestandteile bestimmt wird, kein Zeichenbestandteil allein geeignet ist, den Gesamteindruck der zusammengesetzten Marke zu prägen, weshalb bei der Übereinstimmung oder Ähnlichkeit nur eines Zeichenbestandteiles aus der Gesamtmarke mit der Kollisionsmarke eine Verwechslungsgefahr nicht angenommen werden kann (so BGH GRUR 96, 777 - JOY [Joy zu Foot Joy]; GRUR 96, 775 - Sali Toft [SALMI zu Sali Toft]; GRUR 91, 319 [l 3 a] - HURRICANE [dort Cliff Hurricane gegen DEYNIQUE FOR MEN HURRICANE EXTRA COLOGNE]; Fezer a.a.O. § 14, 159; Ströbele in Althammer/Ströbele/Klaka, MarkenG, 6. Aufl., § 9, 180). Dann ist es nicht zulässig, ein Element aus einem zusammengesetzten Zeichen herauszugreifen und dieses allein mit dem anderen Zeichen auf seine Identität oder Ähnlichkeit hin zu überprüfen (BGH GRUR 96, 775 - Sali Toft; zust. Fezer a.a.O. 159; Ingerl/Rohnke a.a.O. § 14, 390).

c) Eine Verwechslungsgefahr ist nach diesen Grundsätzen vorliegend jedoch zu bejahen.

aa) Die Warenähnlichkeit erreicht den Grad der Warenidentität.

bb) Die Kennzeichnungskraft der Antragstellermarke ist überdurchschnittlich. "Chili" ist als scharfe Paprikaart, die den Cayennepfeffer liefert, bekannt. Er hat auch über das Gericht "Chili con Carne", zumal es den Wortanfang einnimmt und das Gericht prägt, noch hervorgehobene Bekanntheit erlangt.

cc) "Hot" ist angesichts des Verbreitungsgrades von Englischkenntnissen oder von Denglish als "heiß" oder "scharf" weiten Teilen der Bevölkerung geläufig und damit auch in seiner sprachlichen Funktion als Adjektiv und damit beschreibendem Begleitwort. Auch durch die Musikband "Red Hot Chili Peppers" ist das Begriffspaar "Hot Chili" mit Bekanntheit und einer entsprechenden Bedeutung aufgeladen. Auch "Hot Chocolate" oder "Some like it hot" haben den Sinngehalt von "Hot" und seine Funktion als Beistellung im Satz verbreitet. Diese Vorkenntnisse und dieses Vorverständnis herrschen gerade vor bei der angesprochenen Verbrauchergruppe, jungen, sportiven, trendigen Menschen. Diese solchermaßen mit Bedeutungsgehalt angefüllten Wörter auf Fahrräder, insbesondere Mountainbikes, zu übertragen, ist ungewöhnlich, schafft durch die ursprüngliche Fremdheit von Produktgruppe und Wortgehalt einen eigenen, die Kennzeichnungskraft steigernden Reiz und transportiert zugleich Ausgelassenheit und Herausforderung. Angesicht des aufgezeigten Gefälles zwischen "Hot" als Beiwort und beschreibend und "Chili" als Hauptwort in der doppelten Bedeutung des Wortes prägt "Chili" die Marke ganz entscheidend. Dies veranschaulichen auf einer vergleichbaren Ebene etwa die Wortpaare "Braut" und "heiße Braut", "Reifen" und "heißer Reifen". Dies gilt noch mehr bei "Hot Chili", da Chili nahezu schlechthin für ein scharfes Gewürz steht und damit die Beistellung "Hot" noch mehr seinen rein beschreibenden Charakter offenbart. Verwendet dann ein anderer "Chili" genau wieder für die nämliche Produktgruppe Fahrrad(-zubehör), so besteht Verwechslungsgefahr, da der angesprochene Verkehr unschwer eine Zuordnung zwischen Markeninhaber und der ihm in dieser Gestalt begegneten Produktkennzeichnung herstellt.

dd) Dass die Marke eine Schotenstilisierung im ersten "i" enthält, während die angegriffene Kennzeichnung dieses Stilmittels entbehrt, dort vielmehr das Wort "works" ergänzt und mit einem bogenförmigen, an eine Rennkurve gemahnenden Streifen unterlegt ist, ändert an dieser Bewertung nichts. Denn in der Rechtsprechung ist anerkannt, dass sich der Verkehr bei aus Wort- und Bildelementen bestehenden Marken eher am Wortbestandteil zu orientieren pflegt, weil das Kennwort einer Wort-/Bildmarke in der Regel für die Verkehrsteilnehmer die einfachste Form ist, um die unter der Marke angebotene Ware zu bezeichnen (BGH WRP 01, 1320, 1323 - Bit/Bud; 98, 1083, 1085 - Karolus Magnus; 97, 443, 445 - Springende Raubkatze}. Dies gilt umso mehr, wenn - wie hier - der bildlichen Ergänzung Beiwerkcharakter zukommt. Die Schote in der Antragstellermarke ist pfiffig und erhöht den Aufmerksamkeits- und Wiedererkennungswert, gleichwohl wird das Wort in seiner Gesamtheit aufgenommen und gespeichert. Noch mehr gilt dies für den streifigen Bogen bei der angegriffenen Kennung. Er ist dem Wort unterlegt, tritt damit schon in den Hintergrund, ist in seiner gestalterischen Aussage schwer zu erfassen und wird danach als reiner Zierrat aufgefasst, der dem Wort eine gewisse Dynamik beilegen soll. Auch "works" ist ohne prägende Bedeutung. Dies findet seinen sinnfälligen Ausdruck schon darin, dass es klein geschrieben und dem maßgeblichen Wort nur beigestellt ist. Wird es als "Werk" oder "Betrieb" gedeutet, so kommt ihm als unbedeutende, nahezu inhaltsleere Beifügung kein eigener Aussagegehalt zu. Wird es - wie gängig - als "arbeitet, bewirkt, schafft's, bringt's" verstanden, ist es nur ein bekräftigender Zusatz, der seine Hilfsfunktion in sich trägt. Danach treffen identisch prägende Worte mit gehobener Kennzeichnungskraft bei identischer Warengruppe aufeinander. Dies begründet die Verwechslungsgefahr, welcher ein Markeninhaber entgegentreten darf.

5.

Auch das Vorbringen der Antragsgegnerin, der Antragsteller hätte in den vergangenen fünf Jahren die Marke nicht benutzt (§ 25 Abs. 2, § 26 Abs. 1 MarkenG), erschöpft sich in bloßer Behauptung.

a) Den Nachweis entsprechender Benutzung hat zwar bei der Benutzungseinrede gemäß § 25 Abs. 1 MarkenG grundsätzlich der Markeninhaber zu führen (Fezer a.a.O. § 25, 1; Ingerl/Rohnke a.a.O. § 25, 20; Klaka a.a.O. § 25, 11), wobei sich der Antragsgegner nicht auf bloßes Bestreiten bei Darlegung von Benutzungshandlungen beschränken darf (Ingerl/Rohnke a.a.O. 21).

b) Vorliegend hatte die Antragsgegnerin selbst vorgetragen: "Die Verfügungsklägerin zu 2.) stellt her und vertreibt seit 1995 Fahrräder und Fahrradzubehörteile und erzielt dabei einen jährlichen Umsatz von rund 1,5 Mio. DM" (Bl. 18). Mit dem im Berufungsrechtszug erstmals erhobenen "Einwand der Nichtbenutzung" da, "weder dem Unterzeichner, noch der Beklagten oder irgend einem anderen, 'H-Markt' ... die Marke 'Hot Chili' im Zusammenhang mit der Produktion und dem Handel von Fahrrädern bekannt" sei (Bl. 111), setzt sich die Antragsgegnerin zum einen in Widerspruch zu ihrem eigenen erstinstanzlichen Vorbringen. Zum ändern kommt es auf den Kenntnisstand von Personen, die augenscheinlich keinen Bezug zu einem spezifischen Marktsegment besitzen, nicht an. Im Übrigen hat der Antragsteller in der mündlichen Verhandlung bekräftigt, dass er durch Werbung etwa auch in den Jahren 1999 und 2000 seine Marke am Markt platziert hat. Ist dem nicht schon nicht widersprochen worden, so gewinnt der Senat seine Überzeugung jedenfalls aufgrund der glaubhaften Angaben des Antragstellers.

II.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 542 Abs. 2 [n.F.] i.V.m. § 3 ZPO.

Die Ausweisung des angegriffenen Zeichens im Tenor stellt kein Teilunterliegen des Antragstellers dar. Dass es ausschließlich um dieses Zeichen ging, hat den Rechtsstreit von vornherein bestimmt. Eine entsprechende Umsetzung im Ausspruch ist danach nur Klarstellung im Rahmen des § 938 Abs. 1 ZPO. Ihr kommt keine eigene kostenrechtliche Bedeutung zu.

Ende der Entscheidung

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