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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 03.07.2008
Aktenzeichen: 2 U 27/08
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 927 Abs. 1
ZPO § 936
Einen veränderten Umstand i. S. d. § 927 I ZPO stellt auch der Wegfall der Wiederholungsgefahr in Folge einer nach Erlass der Eilmaßnahme abgegebenen Unterwerfungserklärung (UE) dar. Objektiv nachträglichen Umständen sind solche gleichgestellt, die dem Schuldner erst nachträglich bekannt werden.

Die Aufhebungsentscheidung nach §§ 927 I, 936 ZPO betrifft lediglich die Fortdauer der Eilmaßnahme für die Zukunft (ex nunc-Wirkung), sofern nicht ausnahmsweise Anderes ausgesprochen ist. Daher entsteht i. d. R. durch eine Aufhebungsentscheidung keine Schutzlücke für in der Vergangenheit vorgekommene Verstöße.

Im Regelfall fehlt deswegen einer Klage (oder Widerklage im Aufhebungsverfahren) des Gläubigers auf Feststellung, dass die Eilmaßnahme bis zum Zugang der UE berechtigt gewesen sei, das Rechtschutzbedürfnis.

Demgegenüber kann dem Schuldner das Rechtschutzbedürfnis für einen Aufhebungsantrag allenfalls dann abgesprochen werden, wenn der Gläubiger nach Zugang der UE keinerlei Anlass zu Zweifeln daran gibt, dass er auf seine Rechte aus der Eilmaßnahme für die Zukunft verzichtet, d.h. Rechte nur in Bezug auf den vor der UE liegenden Zeitraum beansprucht. Solche Zweifel jedoch erweckt der Gläubiger, wenn er einen Verzicht auf die Rechte aus der Eilentscheidung nur unter der Bedingung erklärt, dass der Schuldner zuvor eine Abschlusserklärung abgibt, da letztere den Bestand der Eilmaßnahme in die Zukunft hinein erstreckt.


Oberlandesgericht Stuttgart 2. Zivilsenat Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 2 U 27/08

Verkündet am 03. Juli 2008

In dem Rechtsstreit

wegen Aufhebung

hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart auf die mündliche Verhandlung vom 19. Juni 2008 unter Mitwirkung von

Vors. Richter am Oberlandesgericht Dr. Müller Richter am Oberlandesgericht Prof. Dr. Fezer Richter am Oberlandesgericht Holzer

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 17. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 17.01.2008 wird zurückgewiesen, die Widerklage vom 28.02.2008 wird abgewiesen.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Gegenstandswert des Berufungsverfahrens: 15.000,00 €

Gründe:

I.

Die Berufung des Beklagten ist zulässig, sie ist jedoch, ebenso wie die erstmals im Berufungsrechtszug erhobene Widerklage, unbegründet.

A

Zum einen wird auf die Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Kurz (§ 540 Abs. 2 i.V.m. § 313 a Abs. 1 ZPO):

Antragsgemäß sprach das Landgericht aus:

1. Die einstweilige Verfügung des Landgerichts Stuttgart, Az 17 O 511/07, vom 27.08.2007 wird aufgehoben.

2. Die Kosten dieses Rechtsstreits trägt der Aufhebungsbeklagte.

Dagegen wendet sich die Berufung des Beklagten mit dem Antrag:

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 17.01.2008 geändert:

Die Klage wird abgewiesen.

2. Sowie widerklagend:

Es wird festgestellt, dass das Unterlassungsbegehren des Beklagten im Zeitraum zwischen dem 27.08.2007 und dem 11.09.2007 berechtigt war.

Der Kläger beantragt:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens wird auf die Schriftsätze sowie die Verhandlungsniederschriften verwiesen (§ 313 Abs. 2 S. 2 ZPO).

B

Die Berufung des Beklagten ist zulässig; sie zeigt zwar ein berechtigtes Anliegen des Rechtsmittelführers auf, sie ist jedoch im Ergebnis gleichwohl unbegründet. Die nämlichen Wertungsansätze führen auch zur Abweisung der erstmals im Berufungsrechtszug erhobenen Widerklage.

1.

Gemäß §§ 927 Abs. 1, 936 ZPO kann wegen veränderter Umstände, insbesondere wegen Erledigung des Verfügungsgrundes, die Aufhebung der einstweiligen Verfügung beantragt werden.

a)

aa) Nach ganz herrschender Meinung fehlt aber ein Rechtsschutzbedürfnis für diesen Antrag, wenn der Gläubiger auf die Rechte aus dem Verfügungsbeschluss verzichtet, den Titel herausgegeben und sich verpflichtet hat, die Kosten des Verfügungsverfahrens zu erstatten (BGHZ 122, 172 f = GRUR 1993, 998, 1000 - Verfügungskosten; OLG Karlsruhe NJWE-WettbR 1999, 39, 40 [nur Verzicht]; OLG Düsseldorf GRUR-RR 2001, 96; WRP 1988, 247 [juris Tz. 44]; Büscher in Fezer, UWG [2005], § 12, 122; Vollkommer in Zöller, ZPO, 26. Aufl. [2007], § 927, 3; Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 28. Aufl. [2007], § 927, 4; Hess in Ullmann jurisPK-UWG, § 12, 144, insbes. 148; Spätgens in Gloy/Loschelder, Handbuch des Wettbewerbsrechts, 3. Aufl. [2005], § 104, 7; Berneke, Die einstweilige Verfügung in Wettbewerbssachen, 2. Aufl., Rdn. 287; Piper in Piper/Ohly, UWG, 4. Aufl. [2006], § 12, 156; Retzer in Harte/Henning, UWG [2004], § 12, 576; Schultz-Süchting, GK-UWG [1992], § 25, 282, 272 i.V.m. 226; vgl. auch Frankfurt OLG-Report 2006, 266 [juris Tz. 10]; Walker in Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 3. Aufl. [2005], § 927, 10).

bb) Vor dem Aufhebungsantrag ist der Schuldner in der Regel gehalten, dem Verfügungskläger Gelegenheit zu geben, von sich aus auf den Titel zu verzichten ("Gegenabmahnung"). Fehlt es daran und erkennt der Gläubiger den Aufhebungsanspruch sofort an, hat der - obsiegende - Schuldner normalerweise gemäß § 93 ZPO die Kosten des Aufhebungsverfahrens zu tragen (Hess a.a.O. § 12, 147; Büscher a.a.O. § 12, 125; Piper a.a.O. 160; Spätgens a.a.O. § 104, 7; vgl. auch Reichold a.a.O. § 927, 7; Retzer a.a.O. § 12, 600; Schultz-Süchting a.a.O. § 25, 282).

b) Der Antrag ist begründet, wenn der Schuldner glaubhaft macht, dass sich die Umstände verändert haben (Reichold a.a.O. 5; Piper a.a.O. 158; Spätgens a.a.O. 12). Einen solchen veränderten Umstand stellt der Fortfall der Wiederholungsgefahr infolge einer strafbewehrten Unterwerfung dar (Frankfurt OLG-Report 2006, 266 [juris Tz. 7]; Büscher a.a.O. § 12, 123; Hess a.a.O. 149; Piper a.a.O. 158; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 9. Aufl. [2007], § 56, 31; Spätgens a.a.O. 11; Berneke a.a.O. 278; Huber in Musielak, ZPO, 5. Aufl. [2007], § 927, 9 i.V.m. § 926, 8). Zwar setzt § 927 ZPO voraus, dass die Voraussetzungen für die Eilmaßnahme nachträglich entfallen sind (Büscher a.a.O. § 12, 123; Teplitzky a.a.O. Kap. 56, 24; Berneke a.a.O. 275; Vollkommer a.a.O. § 927, 1; Spätgens a.a.O. § 104, 10; Piper a.a.O. § 12, 157; Huber a.a.O. § 927, 6). Veränderten Umständen werden jedoch solche gleichgestellt, die zwar bei Erlass der einstweiligen Verfügung objektiv bereits vorgelegen haben, dem Antragsgegner aber nicht bekannt gewesen sind (Frankfurt a.a.O. [juris Tz. 9]; Büscher a.a.O. § 12, 123; Berneke a.a.O. 275; Teplitzky a.a.O. Kap. 56, 26; Piper a.a.O. § 12, 157; Vollkommer a.a.O. § 927, 1 und 5).

c)

aa) Mit dem Widerspruch und in der Berufung im Verfügungsverfahren kann vorgebracht werden, dass die einstweilige Verfügung schon nicht hätte ergehen dürfen; insoweit besteht ein weiter reichender Prüfungsumfang als grundsätzlich im Rahmen des § 927 ZPO (Frankfurt a.a.O. [juris Tz. 5]; Huber a.a.O. § 927, 2).

bb) Über § 927 ZPO wird die einstweilige Verfügung mit Wirkung für die Zukunft (ex nunc) aufgehoben. Der Antragsgegner des Verfügungsverfahrens, der Antragsteller nach § 927 ZPO, erlangt also eine Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Fortdauer des Verfügungsverfahrens (Ahrens in Ahrens, Der Wettbewerbsprozess, 5. Aufl. [2005], Kap. 60, 3; Vollkommer a.a.O. § 927, 1; Huber a.a.O. § 927, 1 und 2; Spätgens a.a.O. § 104, 1). Die Aufhebung wirkt nicht auf den Zeitpunkt der Anordnung zurück (OLG Düsseldorf WRP 1988, 247 [juris Tz. 41]; Huber a.a.O. 12; Spätgens a.a.O. 13; Piper a.a.O. § 12, 161; Schultz-Süchting a.a.O. § 25, 245; Reichold a.a.O. § 927, 6). Eine Aufhebung mit Wirkung ex tunc sollte ausdrücklich tenoriert werden. Sie hat Bedeutung für die Reichweite der Kostenentscheidung und die Vollstreckung wegen früherer Titelverstöße (so Ahrens a.a.O. Kap. 60, 4; vgl. hierzu auch Spätgens a.a.O. 10). Soweit der Beklagte BGHZ 156, 335 = GRUR 2004, 264 - Euro-Einführungsrabatt etwas anderes entnehmen will (grundsätzliche Rückwirkung eines Aufhebungsurteils nach § 927 ZPO), kann dieser Wertung nicht gefolgt werden. Zwar spricht der BGH in Bezug auf übereinstimmende Erledigungserklärungen eine ähnliche Schutzlückenproblematik an (BGH a.a.O. 266/267 [B I 5 b, cc {1}] - Euro-Einführungsrabatt) und gibt als Lösung dafür auf die Zukunft beschränkte Erledigungserklärungen vor, weil bei übereinstimmend und uneingeschränkt abgegebenen Erledigungserklärungen dies sonst zur Folge hat, dass ein im Verfahren erlassener Titel, über den noch nicht rechtskräftig entschieden ist, ohne weiteres entfällt (BGH a.a.O. [B I 5 b, aa] - Euro-Einführungsrabatt). Dort wird aber das Verfahrensinstitut der Erledigungserklärungen im jeweiligen Erkenntnisverfahren abgehandelt. Nichts hat der BGH dort zum Aufhebungsverfahren entschieden. Eine Übertragbarkeit der dortigen Rechtsgrundsätze, welche der Senat selbst auch nicht in Zweifel zieht, ist angesichts der dogmatischen Unterschiede der jeweiligen prozessualen Erklärungen und ihrer Standorte in unterschiedlichen Verfahren mit unterschiedlichen Zielrichtungen (hier Erkenntnisverfahren, dort Aufhebungsverfahren) nicht zu erkennen.

cc) Zudem wird vertreten, dass mit Verkündung des Urteils nach § 927 ZPO die weitere Vollstreckung aus der einstweiligen Verfügung unzulässig wird (Vollkommer a.a.O. § 927, 14; Büscher a.a.O. 124; Piper a.a.O. 161; Spätgens a.a.O. 13; Bremen OLG-Report 2006, 108, 109 [dort allerdings offen gelassen für den Fall, dass der Verstoß begangen wurde, als die veränderten Umstände, die zu der späteren Aufhebung nach § 927 ZPO führten, noch nicht vorlagen]).

d) Die Rechtsqualität, veränderter Umstand im Sinne des § 927 ZPO zu sein, wird sowohl der Unterwerfungserklärung wie einem stattgebenden Hauptsacheurteil jedoch nicht durchgängig uneingeschränkt beigemessen. Und dies zu Recht.

Bestehen nämlich hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass sich der Verletzer nicht an die Unterwerfungserklärung halten wird, soll in der Abgabe einer solchen Erklärung kein veränderter Umstand im Sinn des § 927 ZPO liegen (Melullis, Handbuch des Wettbewerbsprozesses, 3. Aufl., Rdn. 272). Denn dann erscheint es nicht sachgerecht, dem Gläubiger den Titel zu nehmen und ihn auf einen neuen Antrag zu verweisen. Mit Rücksicht auf das berechtigte Interesse des Gläubigers, einen Vollstreckungstitel zur Verfolgung von Verstößen aus der Zeit vor der Erledigung zu behalten, kann - je nach dem Inhalt der Erledigungserklärung - auch eine zeitlich beschränkte Aufhebung geboten sein. Insoweit gelten die nämlichen Erwägungen und Einschränkungen, wie bei einer stattgebenden Entscheidung in der Hauptsache (Melullis a.a.O. 272). Hat dort die einstweilige Verfügung trotz gleichen Tenors einen über den Hauptsachetitel hinausreichenden Inhalt, weil sie etwa auch Verletzungen erfasst, die in der Zeit vor Erlass des Hauptsacheurteils stattgefunden haben, und wird der Verfügungstitel für die Vollstreckung nach § 890 ZPO benötigt, scheidet eine Aufhebung aus (OLG Düsseldorf GRUR 1990, 547; Melullis a.a.O. 272; Ahrens a.a.O. Kap. 60, 24 [der generell nach einer Beschlussverfügung die Annahmefähigkeit einer einseitigen Unterwerfung des Antragsgegners verneint. Stattdessen könne der Antragsgegner eine Abschlusserklärung abgeben, die den Bestand der erlassenen einstweiligen Verfügung sichere und dem Antragsteller den Verfügungstitel nicht aus der Hand schlage. Wähle der Antragsgegner demgegenüber die {einseitig bleibende} Unterwerfungserklärung, spreche dies für ein Taktieren zur Vermeidung drohender Sanktionen {§ 890 ZPO} bei erneutem Verstoß und damit für mangelnde Ernstlichkeit des Unterlassungswillens. Noch krasser komme dies zum Ausdruck, wenn in einer derartigen Situation eine Unterwerfung gegenüber einem dritten Unterlassungsgläubiger erklärt werde {so Ahrens a.a.O. Kap. 60, 20}]). Da die einstweilige Verfügung nach einer zeitlich begrenzten Aufhebung für davor liegende Verstöße nach zutreffender Ansicht weiterhin eine geeignete Grundlage für eine Vollstreckung bilden kann, kann gegebenenfalls deshalb das Rechtsschutzinteresse für die Vergangenheit erhalten bleiben, sodass die einstweilige Verfügung nur für den Zeitraum nach Erlass des Hauptsachetitels aufzuheben ist (Melullis a.a.O. 272; OLG Düsseldorf GRUR 1990, 547 [dort so bei noch anhängigen Ordnungsmittelverfahren aus Zuwiderhandlungen vor Erlass des Hauptsachetitels]; Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 26. Aufl. [2008], § 12 UWG, 3.56). Die gleiche Wertung gilt, wenn unter diesen Umständen eine Unterlassungsverpflichtungserklärung abgegeben wird (OLG Düsseldorf a.a.O. 548).

2.

Die Umsetzung dieser Grundsätze ergibt:

a) Das Anliegen des Berufungsführers ist im Ansatz berechtigt. Er zeigt eine Schutzlücke zwischen Erlass des Verfügungstitels und Zugang einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Der Schuldner könnte nach der Verfügungsentscheidung (bewusst) eine weitere Verletzungshandlung begehen und danach eine strafbewehrte Unterwerfungserklärung abgeben. Solange letztere dem Gläubiger in jedem Fall als formaler Aufhebungsgrund entgegengehalten werden könnte, um ihm den Verfügungstitel - und zwar rückwirkend - aus der Hand zu schlagen, wäre das Verfügungsverfahren für ihn vertan, er wäre schutzlos gestellt.

b)

aa) Da aber das Aufhebungsurteil, wird ihm - wie auch hier - nicht Rückwirkung im Tenor beigelegt, nur ex nunc wirkt, bleibt der Verfügungstitel und damit seine Schutzwirkung auch für die vom Rechtsmittelführer angesprochene zeitliche Schutzlücke erhalten. Insoweit verfängt im Ansatz die Berufungsrüge nicht.

bb) Diese Wertung steht in gleicher Weise der erstmals im Berufungsrechtszug erhobenen Widerklage entgegen. Wirkt ein Aufhebungsurteil nur in die Zukunft, besteht kein Rechtsschutzbedürfnis an der Feststellung, dass die einstweilige Verfügung bis zum Zugang der Unterwerfungserklärung "berechtigt" gewesen sei, dies jedenfalls dann, wenn die Widerklage nur mit der aufgezeigten Schutzlücke und nicht mit anderen Interessen (möglicherweise solche im Zusammenhang mit § 945 ZPO) begründet wird. Darauf hat der Senat in der mündlichen Verhandlung auch hingewiesen.

cc) Andererseits steht nicht gegen eine Schutzlücke und damit gegen ihre rechtliche Beachtlichkeit, wenn - wie hier und vom Kläger/Schuldner geltend gemacht - der Beklagte/Gläubiger keine zwischenzeitlich begangenen Verstöße anzuführen vermag, obwohl es sich nach dem Titel nur um Verstöße im Internet handeln darf und diese angesichts des Mediums auch für den Gläubiger leicht hätten festgestellt werden können. Dieser im Tatsächlichen angesiedelte Einwand besäße allenfalls Bedeutung, wenn - neben der Anforderung einer beständigen Marktbeobachtungspflicht - auch eine Kontrollmöglichkeit in einem solchen Maße bestünde, dass sich eine behauptete Unkenntnis von zwischenzeitlich begangenen Verstößen rechtlich als Kenntnis im Sinne eines mutwilligen Sichverschließens darstellte. Dies ist aber - wie in der mündlichen Verhandlung erörtert - auch bei diesem Medium nicht in jedem Falle gesichert anzunehmen, so etwa wenn die verletzende Werbung vom Schuldner nur noch über von ihm zu verantwortende Links fortgesetzt würde und sich solche dem Gläubiger nicht zwingend erschließen müssten.

c) Im Ergebnis schlägt dieser Wertungsansatz vorliegend auch auf die verfahrensrechtlich vorrangige Frage nach dem Rechtsschutzinteresse des Klägers für einen Aufhebungsantrag gemäß § 927 ZPO durch.

aa) Der Kläger hatte den Beklagten durch Schreiben vom 26.09.2007 (K 2 = Bl. 7) vor Einreichung des Aufhebungsantrages aufgefordert, "auf die Rechte aus der einstweiligen Verfügung des Landgerichts Stuttgart vom 27.08.2007 ... zu verzichten und uns die Ausfertigung der Beschlussverfügung herauszugeben". Mit Schreiben vom 11.10.2007 (K 3 = Bl. 8) nahm der Beklagte die Unterlassungserklärung an und forderte zugleich zur Abgabe einer Abschlusserklärung auf. "Zur Abgabe der erbetenen Abschlusserklärung habe ich für Ihre Partei den beigefügten Formulierungsvorschlag vorbereitet und ersuche um unterzeichnete Rückgabe bis: 23. Oktober 2007. Nachfolgend wird meine Partei auf die Rechte aus der einstweiligen Verfügung verzichten". Damit hatte der Beklagte nur einen Verzicht im Falle einer Abschlusserklärung in Aussicht gestellt. Sein Verzicht war damit nicht unbedingt. Auf eine Abschlusserklärung hatte er aber keinen Anspruch. Der Kläger erstattete die Kosten des Verfügungsverfahrens und setzte mit Schreiben vom 29.10.2007 "zur Erledigung der Anforderungen in unserem Schreiben vom 26.09.2007 ... eine Nachfrist von einer Woche" (K 4 = Bl. 9). Mit Schreiben vom 05.11.2007 gab der Beklagte den Kostenfestsetzungsbeschluss zurück und teilte ferner mit: "Sie stellen zutreffend fest, dass mit der, von Ihrem Auftraggeber, abgegebenen Unterlassungserklärung für die einstweilige Verfügung Erledigung eingetreten ist. Dies gilt jedoch naturgemäß erst ab deren Zugang, während der in der Vergangenheit liegende Zeitraum davon nicht umfasst ist. Insoweit sieht meine Partei daher keine Veranlassung auf ihre Rechte zu verzichten" (Bl. 9 - Anl.).

bb) Wie aufgezeigt kann der Schuldner im Falle der Abgabe einer Unterwerfungserklärung einen Aufhebungsantrag stellen. Dies könnte der Gläubiger an sich gewähren lassen, weil ein Aufhebungsurteil grundsätzlich nur in die Zukunft wirkt und sich damit die befürchtete Schutzlücke nicht auftut. Der Gläubiger hätte jedoch die Verfahrenskosten zu tragen. Dem kann er entgegenwirken, indem er - ggf. nach vorhergegangener Aufforderung durch den Schuldner - eine Verzichtserklärung abgibt, welche genau dem Umfang entspricht, den ein Aufhebungsurteil für den Schuldner schafft. Dann hätte der Gläubiger ein solches Aufhebungsverfahren kostensparend überflüssig gemacht. Der Gläubiger kann einem solchen Aufhebungsantrag danach dadurch das Rechtsschutzbedürfnis nehmen, dass er auf seine Rechte aus dem Titel ab Zugang der Unterlassungserklärung verzichtet und den Titel für Ordnungsmittelverfahren wegen möglicher (weiterer) Verstöße, begangen in der Zeit zwischen Verfügungstitel und Zugang der strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung, behält. Eine solche (zeitlich) eingeschränkte Verzichtserklärung liegt aber nicht im Schreiben des Beklagten vom 05.11.2007. Der Beklagte hat im Aufhebungsverfahren die vorliegende Problemlage zwar zutreffend aufgezeigt und sie in seinen bereits bezeichneten vorgerichtlichen Antwortschreiben auch berührt. Er hat jedoch die gebotene vorprozessuale Reaktion, um dem am 22.11.2007 dann eingegangenen Aufhebungsantrag die Grundlage, das Rechtsschutzbedürfnis, zu entziehen, unterlassen. Zwar musste der Beklagte keinen (zeitlich) uneingeschränkten Verzicht auf den Titel - anders als das Landgericht ersichtlich angenommen hat - erklären und den Titel herausgeben. Ein gebotener eingeschränkter Verzicht liegt jedoch nicht im Schreiben vom 05.11.2007. Denn an die Feststellung eines Verzichtes sind grundsätzlich strenge Anforderungen zu stellen (BGH MDR 2008, 274 [Tz. 17]; VersR 2006, 659 [Tz. 10]). Dies gilt im Interesse des Rechteinhabers, hier des Gläubigers, aber auch im Interesse des Schuldners, da er einem Ordnungsmittelantrag des Gläubigers wiederum nur dann hinreichend sicher mit dem Verzichtseinwand entgegengetreten kann, wenn seine Verzichtserklärung klar und eindeutig abgegeben worden ist. Dies gilt umso mehr, wenn es nicht nur um einen Verzicht in Bausch und Bogen geht, sondern um eine differenzierte, weil zeitlich abschichtende Erklärung. Die Erklärung des Beklagten/Gläubigers ist dabei im Zusammenhang mit den gewechselten Schreiben zu sehen, wie der Beklagte für seine Position selbst auch nachdrücklich einfordert. Als Antwort auf die "Gegenabmahnung" vom 26.09.2007 (Verzichtsaufforderung, K 2 = Bl. 7) hat der Beklagte die Abgabe einer Abschlusserklärung gefordert und nur für diesen Fall einen Verzicht auf die Rechte aus der einstweiligen Verfügung in Aussicht gestellt. Auf eine Abschlusserklärung hatte er aber weder einen Anspruch noch wurde sie erteilt. Die Bedingung trat damit nicht ein, der Kläger/Schuldner beglich nur noch ergänzend die Kostennote. Daraufhin hat der Beklagte/Gläubiger in seinem Schreiben vom 05.11.2007, welches er nun als zeitlich befristete Verzichtserklärung verstanden wissen will, ausgeführt, damit sei für die einstweilige Verfügung "Erledigung" eingetreten, was eine rechtliche Bewertung darstellt und nicht einmal bei juristischen Laien, noch weniger bei verfahrensrechtlich geschulten Rechtskundigen als Empfängern ein sicheres Verständnis dahin zu wecken vermag, wer eine Sache für erledigt hält, verzichte auch zugleich auf all seine Rechte im Zusammenhang damit. Im Weiteren zeigt der Beklagtenvertreter nur das fortbestehende und nach seiner Meinung bislang ungelöste Problem der Schutzlücke auf. Wenn unmittelbar darauf der "Insoweit ..."-Satz folgt, kann daraus nicht abgeleitet werden, dass bei dieser ungeklärten Lage ("Insoweit ...") ein Rechteverzicht erklärt werde, noch weniger zweifelsfrei und eindeutig der Bedeutungsgehalt, man verzichte jedenfalls ab Zugang der Unterwerfungserklärung auf die Rechte aus dem Titel.

Danach hat der Beklagte keine dem Regelungsinhalt des § 927 ZPO entsprechende Erklärung abgegeben. Er hat damit dem angestrengten Aufhebungsverfahren des Klägers nicht von vornherein den Boden, das Rechtsschutzbedürfnis, entzogen. Daher ist seine Verteidigung, die er mit dem Rechtsmittel weiterverfolgt, ohne Erfolg.

II.

Die Kosten eines erfolgreichen Aufhebungsverfahrens trägt gemäß § 91 ZPO der Gläubiger (Vollkommer a.a.O. § 927, 12; Huber a.a.O. § 927, 12 ; Hess a.a.O. § 12, 150). Danach begegnet auch die erstinstanzliche Kostenentscheidung keinen Bedenken. Die für den zweiten Rechtszug folgt § 97 ZPO.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt im Falle der Aufhebung § 708 Nr. 6 ZPO (Vollkommer a.a.O. § 927, 13; Piper a.a.O. 161; Spätgens a.a.O. § 104, 14; Reichold in Thomas/Putzo a.a.O. § 927, 9 i.V.m. § 926, 17).

Die Revision ist schon im Hinblick auf § 542 Abs. 2 ZPO unstatthaft (vgl. auch Huber a.a.O. § 927, 12).

Der Streitwert bemisst sich grundsätzlich nach dem des Anordnungsverfahrens. Eine Ausnahme gilt, wenn die Parteien über den Fortbestand der einstweiligen Verfügung nicht ernsthaft streiten (KG OLG-Report 2002, 243; vgl. auch Retzer in Harte/Henning a.a.O. § 12, 605 i.V.m. 865).

Vorliegend kann auch unter Einschluss der Widerklage an der erstinstanzlichen Wertbemessung festgehalten werden.

Ende der Entscheidung

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