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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 25.09.2003
Aktenzeichen: 2 U 3/03
Rechtsgebiete: HGB, BGB, ZPO


Vorschriften:

HGB § 377
HGB § 377 Abs. 2
HGB § 381 Abs. 2
BGB § 242
ZPO § 273 Abs. 2 Nr. 4
ZPO § 355 Abs. 2
ZPO § 544
ZPO § 572 Abs. 1 S. 1 Hs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Stuttgart -2. Zivilsenat- Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 2 U 3/03

In Sachen

Verkündet am: 25.09.2003

hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart auf die mündliche Verhandlung vom 15.09.2003 unter Mitwirkung

des Richters am Oberlandesgericht ... des Richters am Oberlandesgericht ... des Richters am Landgericht ...

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der Vorsitzenden der 40. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Stuttgart vom 18.11.2002 wird zurückgewiesen.

2. Die "Beschwerde" der Beklagten vom 12.09.2003 gegen die Verfügung des Vorsitzenden vom 11.09.2003, den Zeugen R abzuladen, wird als unzulässig, weil unstatthaft, verworfen.

3. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gegenstandswert des Berufungsverfahrens: bis 13.000,00 €

Gründe:

I.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, der Sache nach ohne Erfolg.

A

Zum einen wird auf die Feststellungen der landgerichtlichen Entscheidung verwiesen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Ergänzend:

Die Klägerin begehrt einen rechnerisch unstreitigen Kaufpreisrest aus abgetretenem Recht.

Die Beklagte wandte ein, entgegen einer nachträglichen mündlichen Abrede sei keine Anlage für eine sog. 5er-Telefonkonferenz (4 externe Teilnehmer), sondern, was unstreitig ist, (nur) eine solche für 3 interne und 2 externe Teilnehmer geliefert worden.

Das Landgericht nahm die Abnahme der Anlage mit der Übernahmeerklärung vom 14.02.2000 (Bl. 17) an; darauf bezogen sei die Rüge der unzulänglichen Teilnehmerauslegung der Anlage, angeblich am 19.05. und wiederum am 17.07.2000 ausgesprochen, selbst wenn entgegen dem Einwand der Klägerin nicht nachträglich erstellt, gemäß § 377 HGB verspätet gewesen, weshalb es auf die Vernehmung des Zeugen R für die behauptete Vereinbarung des Leistungsprogramms:

4 externe Teilnehmer gar nicht ankomme.

Dagegen wendet sich die Berufung der Beklagten, die an ihrem erstinstanzlichen Vorbringen festhält und hinsichtlich § 377 HGB einwendet, darauf habe die Klägerin selbst nicht abgestellt, im Übrigen sei eine Anlieferung gar nicht erfolgt, da eine gebotene Einweisung in die Bedienung der Telefonanlage - was unstreitig ist - bis heute gar nicht geschehen ist.

Die Beklagte beantragt:

Das Urteil des Landgerichts Stuttgart, 40. Kammer für Handelssachen, vom 18.11.2002, AZ. 40 O 68/02 KfH, wird aufgehoben, soweit es die Klage zuspricht, und es wird die Klage insgesamt abgewiesen.

Die Klägerin beantragt:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung als richtig.

Der Vorsitzende hat im Zuge der Terminsbestimmung einen Zeugen R geladen, der kurz vor der letzten mündlichen Verhandlung durch Verfügung vom 11.09.2003 (Bl. 125) wieder abgeladen worden ist.

B

Die Gewährleistungseinrede (§§ 651, 478 BGB [a.F.]) bedarf der Aufklärung durch Vernehmung des Zeugen R nicht, da, ein Fehler hinsichtlich des Konferenzleistungsgrades der ausgelieferten Anlage auch zu Grunde gelegt, dieser im Hinblick auf die Verletzung der Rügeobliegenheit der Beklagten gemäß §§ 377 Abs. 2, 381 Abs. 2 HGB unbeachtlich ist.

1.

Der Beachtlichkeit der §§ 377 Abs. 2, 381 Abs. 2 HGB steht allerdings nicht schon entgegen, dass die Klägerin in erster Instanz darauf selbst nicht abgehoben hat. Denn die Genehmigungsfiktion des § 377 Abs. 2 HGB ist von Amts wegen zu berücksichtigen (BGH NJW 80, 782 [l, 3 c]; Wagner in Röhricht/Graf von Westphalen, HGB, 2. Aufl., § 377, 59). Jedenfalls aber hätte die Klägerin sich diese nun zu Eigen gemacht (vgl. hierzu etwa BGH NJW 99, 61, 62; 98, 303, 305).

2.

Die Beklagte ist auch nicht im Hinblick auf § 377 Abs. 5 HGB (Arglist) von einer (rechtzeitigen) Rügepflicht freigestellt. Wäre jene besondere Kommunikationstauglichkeit vereinbart und dann (insoweit unstreitig) nicht ausgeliefert, so läge selbst in der Kenntnis des Verkäufers vom Fehler, hier also von einer Abweichung vom Leistungsprogramm, noch keine Arglist, da insoweit ein Element bewussten Übervorteilens hinzutreten müsste (vgl. Wagner a.a.O. 23), wofür weder etwas vorgetragen noch sonst ersichtlich ist.

3.

a) Die §§ 377 Abs. 2, 381 Abs. 2 HGB greifen allerdings nicht schon deshalb, weil auch nach Darstellung der Beklagten Teillieferungen erfolgt sind und eine Rüge hinsichtlich der Leistungsteile unstreitig nicht geschehen ist. Denn grundsätzlich darf der Käufer mit der Prüfung und dann ggf. mit der Rüge zuwarten, bis die Funktionseinheit vollständig ausgeliefert ist; es muss nicht in Teilprüfungen und darauf bezogen ggf. in Teilrügen eingetreten werden (Wagner a.a.O. 17; vgl. auch Baumbach/Hopt, HGB, 29. Aufl., § 378, 21).

b)

aa) Die Prüfungs- und danach Rügeobliegenheit setzt die Ablieferung des Kaufgegenstandes voraus. Eine (vollständige) Ablieferung liegt nicht vor, wenn etwa ein Computersystem ohne Handbuch geliefert wird oder ein Kaufgegenstand ohne eine für den Einsatz notwendige Konstruktionsdokumentation (BGH NJW 93, 2436 [II 2 b, aa {2}]; Wagner a.a.O. 15 und 16; Roth in Koller/Roth/Morck, HOB, 3. Aufl., § 377, 6; Baumbach/Hopt a.a.O. 20). Gleiches gilt bei einer der Funktion eines Handbuchs gleichkommenden vertraglich vereinbarten Einweisung. Für die Ablieferung ist der Verkäufer darlegungs- und beweispflichtig (BGHZ 93, 338, 347; NJW 93, 2436).

bb) Dass eine Einweisung vereinbart war, ist unstreitig, ergibt sich im Übrigen auch aus dem Protokoll (K 3 = Bl. 17):

"Einweisung am Operator und an den eingesetzten ... Arbeitspl. erfolgt zum späteren Zeitpunkt ...".

Diese Einweisung ist bis heute nicht geschehen. Sie ist aber auch nicht, wie ebenfalls unstreitig ist, abgerufen worden.

cc) Die Vereinbarung einer 5er-Konferenztauglichkeit zu Grunde gelegt trat die Prüfungs- und Rügeobliegenheit, auch wenn die Einweisung nicht geschehen ist, im vorliegenden Falle nach Treu und Glauben doch nach einer gewissen Zeit ein. Darauf bezogen war die Rüge der Beklagten - worauf der Senat in der mündlichen Verhandlung auch hingewiesen hat - verspätet. Die Beklagte, selbst ein Unternehmen im Bereich der EDV-Unternehmensberatung, trägt nämlich selbst vor, trotz ausgebliebener Einweisung sich selbst mit der Anlage nach Kräften vertraut gemacht und im Wege des Eigenstudiums dann herausgefunden zu haben, dass vier externe Teilnehmer nicht aufschaltbar sind. Dies will sie schon, wie ihre Schreiben vom 19.05.2000 (Bl. 36) und 17.07.2000 (Bl. 37) belegten, zu diesen Zeitpunkten gegenüber ihrer Vertragspartnerin gerügt haben. Damit nimmt die Beklagte für sich selbst etwas in Anspruch, was auch einem auf § 242 BGB gründenden Gerechtigkeitsgebot entspricht. Bemerkt nämlich ein Besteller, obwohl ihm eine Einweisung in die Benutzung einer technischen Vorrichtung nicht zuteil wird, im Zuge der Eigenbeschäftigung und des tatsächlichen Einsatzes einer Telefonanlage, dass ein für ihn ganz wesentliches Leistungsmerkmal nicht erfüllt ist, so ist er nach einer gewissen Zeit des Abwartens, ob die Einweisung nicht doch noch erfolgt, aufgerufen, zumal er diese Schulung seinerseits nicht abruft, dem Lieferanten der Anlage den von ihm nun erkannten Hauptmangel anzuzeigen. Dies hat die Beklagte im Übrigen selbst nicht anders gesehen, da sie trotz ausgebliebener Einweisung und Schulung für sich in Anspruch nimmt, bereits im Frühjahr 2000 eben diesen Mangel gerügt zu haben.

dd) Die Beklagte ist aber beweispflichtig für den Ausspruch der Rüge und auch deren Zugang (BGHZ 101, 49 = NJW 87, 2235 [II 1, b, bb und cc]; Wagner a.a.O. 60; Baumbach/Hopt a.a.O. § 378, 29). Ein solcher Nachweis ist aber für die Schreiben vom 19.05. und 17.07.2000 nicht geführt.

Das Beweisangebot: Parteivernehmung des Beklagten (Bl. 59) für die bloße Absendung der Rügeschreiben ist unbeachtlich. Denn die Rüge muss zugegangen, also in den Herrschaftsbereich der Vertragspartnerin gelangt sein (BGH NJW 98, 3344). Dass die Beklagte die bezeichneten Schreiben abgesandt hat, mag unterstellt werden. Damit wird aber kein Nachweis, auch nicht im Sinne eines Anscheinsbeweises, dafür erbracht, dass die zur Post gegebene Sendung den Adressaten auch tatsächlich erreicht hat (herrschend, statt vieler: Palandt/Heinrichs, BGB, 62. Aufl., § 130, 21 m.N.). Auch darauf hat der Senat in der letzten mündlichen Verhandlung hingewiesen.

ee) Dann aber sind die behaupteten Rügeschreiben vom 19.05. und 17.07.2000 weg zu denken. Die (zugegangene) (Erst-)Rüge liegt danach nur in der Anspruchserwiderung vom 23.07.2002 (dort Bl. 34), mithin nahezu 21/2 Jahre nach Bemerken des Hauptmangels. Auch wenn die Rügepflicht im Hinblick auf die noch ausstehende Einweisung aufgeschoben ist und erst nach einer geraumen, nach § 242 BGB zu bestimmenden Zeit einsetzt, so ist diese Frist jedenfalls nach 2 1/2 Jahren bei weitem überschritten. Der Beklagten ist danach die Gewährleistungseinrede durch § 377 Abs. 2 HGB abgeschnitten. Die Beklagte ist danach, wie vom Landgericht bereits, allerdings mit anderer Begründung, ausgesprochen, zur Zahlung des Kaufpreises verpflichtet. Dies führt zur Unbegründetheit ihres Rechtsmittels.

4.

Der Senat ist auch nicht im Hinblick auf die Beschwerde der Beklagten gegen die Abladung des gemäß § 273 Abs. 2 Nr. 4 ZPO geladenen Zeugen R an dieser Endentscheidung gehindert.

a) § 355 Abs. 2 ZPO, der für Beweisbeschlüsse gilt, schließt die selbstständige Anfechtbarkeit solcher Beweiserhebungsanordnungen des Gerichtes aus (Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl., § 355, 7; Stadler in Musielak, ZPO, 3. Aufl., § 355, 11; Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 25. Aufl., § 355, 7). Eine Beanstandung kann allenfalls mit der Anfechtung des Urteils vorgebracht werden (Reichold a.a.O. 7; Stadler a.a.O. 11), welche vorliegend jedoch ebenfalls nicht eröffnet ist (vgl. § 544 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO).

b) Eine vorbereitende Maßnahme gemäß § 273 Abs. 2 Nr. 4 ZPO stellt noch weniger eine Manifestation einer gerichtlichen Verfahrensbehandlung dar und ist mithin noch weniger einer isolierten Anfechtbarkeit unterworfen (OLG Düsseldorf MDR 61, 152; Foerste in Musielak a.a.O. § 273, 8).

c) Zwar ist eine Beschwerde, der nicht abgeholfen wird, gemäß § 572 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 ZPO unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Bei einer eindeutig unstatthaften Beschwerde entfällt aber die Vorlagepflicht (BGH LM § 567 ZPO Nr. 2; Reichold a.a.O. § 572, 7; Zöller/Gummer a.a.O. § 572, 6; MüKo/ Braun, ZPO, 2. Aufl., § 571 [a.F.], 7; a.A. Ball in Musielak a.a.O. § 572, 7). Der Senat kann, wie auch im Tenor geschehen, diese unstatthafte Beschwerde selbst verwerfen (OLG Düsseldorf a.a.O.; OLG Zweibrücken FamRZ 84, 1031; Zöller/Gummer a.a.O. § 572, 6 m.w.N.).

II.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 708 Nr. 10, 711, 713, 542, 540 i.V.m. § 3 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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