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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 15.06.2001
Aktenzeichen: 2 U 4/01
Rechtsgebiete: GG, BRAO, BORA, UWG


Vorschriften:

GG Art. 12 I
BRAO § 43
BRAO § 43 b
BORA § 6
BORA § 7
UWG § 1
1.

a)

Die Werbung eines Rechtsanwalts unterliegt dem Sachlichkeitsgebot (§ 43 b BRAO), diese Einschränkung ist verfassungskonform.

Ein reines Werturteil in Form einer subjektiven Fremdeinschätzung überschreitet deshalb die Grenzen einer zulässigen Anwaltswerbung.

b)

Die Mitglieder einer Rechtsanwaltssozietät, die einer an die breite Öffentlichkeit gerichteten Zeitungsanzeige die blickfangmäßig herausgestellte Aussage voranstellen

"Es gibt Unternehmen, die uns kennen und überhaupt nicht mögen. Nur weil wird Anwälte der Gegenseite sind" handeln deshalb Standes- und auch wettbewerbswidrig.

2.

Kennzeichnet eine Rechtsanwaltskanzlei ihre fachliche Ausrichtung in ihrer Werbung mit der Angabe schlagwortartiger sog. "Kompetenzfelder" ist ihr dies nicht untersagt. § 7 BORA regelt nämlich ausschließlich die personenbezogene Benennung von Tätigkeitsschwerpunkten, gilt aber nicht für Hinweise auf die fachliche Ausrichtung einer Rechtsanwaltssozietät.


Oberlandesgericht Stuttgart - 2. Zivilsenat - Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 2 U 4/01

verkündet am 15 Juni 2001

In Sachen

Wegen Unterlassung (Wettbewerbsrecht)

hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart auf die mündliche Verhandlung vom 18. Mai 2001 unter Mitwirkung

des Vors. Richters am Oberlandesgericht Dr. Lütje, des Richters am Oberlandesgericht Prof. Dr. Fezer sowie des Richters am Oberlandesgericht Oechsner

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 2 Kammer für Handelssachen des Landgerichts Stuttgart vom 05.12.2000 teilweise abgeändert:

Der Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zur Höhe von 500.000 DM für jeden Fall der Zuwiderhandlung, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Wochen oder - primär - Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in Presseerzeugnissen für anwaltliche Dienstleistungen in Werbeanzeigen nach Art der im Tatbestand abgebildeten Anzeige mit der blinkfangmäßig herausgestellten Aussage "Es gibt Unternehmen, die uns kennen und überhaupt nicht mögen. Nur weil wir Anwälte der Gegenseite sind."

zu werben.

2. Die weitergehende Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts wird zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Streitwert des Rechtsstreits in beiden Instanzen: 50.000 DM.

Beschwer des Klägers wie auch des Beklagten: jeweils unter 60.000 DM.

Tatbestand:

Die Parteien sind jeweils Seniorpartner zweier Anwaltskanzleien. Aus den benutzten Briefbögen ergibt sich, daß in der Kanzlei des Klägers vier Rechtsanwälte, in der Kanzlei des Beklagten und den mit ihr verbundenen Kanzleien in Deutschland und im Ausland über 100 Anwälte beschäftigt sind.

In der Ausgabe "Handelsblatt - News am Abend" vom 08.06.2000 befand sich auf der letzten Seite folgende ganzseitige Anzeige der Kanzlei des Beklagten:

Bei dieser Ausgabe der Zeitung handelt es sich um die aktualisierte Kurzausgabe der bekannten Wirtschaftszeitung "Handelsblatt", die abends in den Maschinen der Lufthansa an die Passagiere verteilt wird.

Der Kläger hat vor dem Landgericht vorgetragen, der Text im linken, oberen Teil der Anzeige in Verbindung mit der blickfangmäßig herausgestellten Aussage "Es gibt Unternehmen ....." sei eine unsachliche Werbung; darüber hinaus verstoße die Aufzählung der Kompetenzfelder im unteren linken Teil der Anzeige gegen die Regelung des § 7 der Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA), was dazu führe, daß die Werbung gegen die guten Sitten des Wettbewerbs (§ 1 UWG) verstoße und deshalb zu unterlassen sei.

Vor dem Landgericht hat der Kläger beantragt,

es dem Beklagten bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu verbieten,

1. im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in Presseerzeugnissen für anwaltliche Dienstleistungen in ganzseitigen, grafischen auffällig gestalteten Werbeanzeigen nach Art der als Anlage zu den Klaganträgen eingeblendeten Anzeige mit der blickfangmäßig herausgestellten Aussage "Es gibt Unternehmen, die uns kennen und überhaupt nicht mögen. Nur weil wir Anwälte der Gegenseite sind", zu werben, insbesondere, wenn in solchen Werbeanzeigen wörtlich oder sinngemäß folgende Werbeaussagen

- daß uns immer wieder Achtung entgegengebracht wird, mag an fachlicher Kompetenz oder

- an überdurchschnittlichem Engagement oder

- an breit gestreutem Know-How auf unterschiedlichen Rechtsfeldern liegen oder

- alles in allem eine Menge Gründe, warum mman uns zu den profilierteste international tätigen Kanzleien in Deutschland zählt enthalten sind;

2. In Zeitungsanzeigen mit der Angabe von Rechtsgebieten zu werben, auf denen er oder mit ihm in Sozietät verbundene Rechtsanwälte besondere Kompetenzen beanspruchen, ohne diese Rechtsgebiete als "Tätigkeitsschwerpunkte" oder "Interessenschwerpunkte zu bezeichnen, insbesondere, wenn solche Rechtsgebiete als "Kompetenzfelder" bezeichnet werden.

Seinen Klagabweisungsantrag hat der Beklagte vor dem Landgericht damit begründet, er halte die Werbung seiner Kanzlei nicht für unsachlich. Die Aufzählung der Kompetenzfelder verstoße nicht gegen die Standesrichtlinien, wenn diese im Lichte der von Artikel 12 GG garantierten Berufsfreiheit ausgelegt wurden Im übrigen hat er gemeint, daß auch ein eventueller Verstoß gegen Standesrecht noch nicht zwingend einen Verstoß gegen die guten Sitten des Wettbewerbs beinhalte.

Das Landgericht hat die Klage insgesamt als unbegründet abgewiesen.

Die vom Kläger (mit Klagantrag 1) beanstandeten Ausschnitte aus dem Text der Werbeanzeige überschritten nicht die Grenzen zulässiger Anwaltswerbung Unter Berücksichtigung der m Artikel 12 Abs. 1 GG garantierten Berufsfreiheit könne § 43 b BRAO nicht im Sinne des Klägers so verstanden werden daß der Rechtsanwalt nur mit werturteilsfreien, überprüfbaren Tatsachen werben dürfe. Denn mit einer auf überprüfbare Tatsachen beschränkten Werbung sei eine sinnvolle, die Berufsfreiheit begleitende Werbung nicht mehr möglich. Der Hinweis auf die Unbeliebtheit bei den Prozeßgegnern sei zudem nicht eigentlicher Inhalt der Werbung, sondern "nach Ansicht der Kammer ein pfiffiger und nicht zu beanstandender Blickfang". Die anerkannten Grenzen erlaubter Werbung seien im übrigen nicht überschritten. Auch die Angaben von ca. 25 Kompetenzfelder" (n) im unteren rechten Teil der Anzeige verstoße nicht gegen § 1 UWG. Die Kammer verstehe Kompetenzfeld" als Tätigkeitsschwerpunkt im Sinne von § 7 BORA. Entgegen der Auffassung des Klägers verlange § 59 b Abs. 2 Nr. 3 BRAO nicht die Verwendung der Worte "Interessenschwerpunkt" oder "Tätigkeitsschwerpunkt". Die gegenteilige Auslegung führe nämlich zu einer Einschränkung der Berufsfreiheit, die mit Artikel 12 Abs. 1 GG nicht vereinbar sei.

Unabhängig davon könne ein Verstoß des Beklagten gegen ein als gültig unterstelltes standesrechtliches Verbot diesem keinen unlauteren Wettbewerbsvorteil verschaffen. Denn Kompetenzfeld bedeute inhaltlich dasselbe wie Tätigkeitsschwerpunkt. Auch der vom Kläger weiter beanstandete Verstoß gegen § 7 Abs. 1 Satz 2 BORA (nur 5 Benennungen) liege nicht vor. Die Aufzählung sei für jedermann erkennbar so zu verstehen, daß in der Kanzlei des Beklagten Leute seien, die auf den entsprechenden Kompetenzfeldern = Tätigkeitsschwerpunkten arbeiteten. Eine Zuordnung der einzelnen Benennungen zu bestimmten Anwälten sei nicht vorgeschrieben.

Ziel der fristgerecht dagegen vom Kläger eingelegten Berufung ist die Verurteilung des Beklagten zur Unterlassung gemäß erstinstanzlichem Klagantrag 1 (jedoch ohne die Attribute "ganzseitige, grafisch auffällig gestaltete" vor dem Worte Werbeanzeigen und ohne den "insbesondere"-Zusatz). Darüber hinaus verfolgt er seinen Klagantrag 2 als Berufungsantrag 2 weiter, aber erstmals ergänzt um den nachstehend wiedergegebenen Hilfsantrag.

Zur Begründung läßt er vortragen:

Entgegen der Auffassung des Landgerichts verstoße die mit Klag-/Berufungsantrag 1 angegriffene Aussage jede für sich und vor allem in Kombination gegen das Sachlichkeitsgebot des § 43 b BRAO in Verbindung mit § 6 Abs. 1 BORA. Die vom Antrag 1 angegriffene Kernaussage ("Es gibt Unternehmen, die uns kennen und überhaupt nicht mögen. Nur weil wir Anwälte der Gegenseite sind") besage, daß die gegnerischen Unternehmen den Beklagten deshalb nicht mögen, weil sie ihn im Vergleich vor allem zu den eigenen Anwälten dieser Unternehmen für den besseren Anwalt mit der größeren Siegeschance hielten. Dies sei "in klarster Form" ein gegen § 43 b BRAO verstoßendes reklamehaftes Sichherausstellen gegenüber Berufskollegen.

Auf die Stellenausschreibungsanzeigen anderer Anwaltskanzleien könne sich der Beklagte schon wegen der ganz anderen Zielgruppe nicht berufen.

Auch die Begründung des Landgerichts hinsichtlich der Abweisung von Klagantrag 2 sei verfehlt.

Zunächst treffe es nicht zu, daß eine verfassungskonforme Auslegung der Ermächtigungsnorm des § 59 b Abs. 2 Ziff. 2 BRAO erfordere, daß der Beklagte nicht auf die Terminologie des § 7 BORA festgelegt sei. Denn die zitierte Ermächtigungsgrundlage weise dem Satzungsgeber die uneingeschränkte Regelungsbefugnis zur Konkretisierung der Berufspflichten des Rechtsanwalts bei der Werbung zu (Beschluß BGH vom 16.10.2000 - Anlage K 7). Dementsprechend durften nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BORA, unabhängig von der Angabe von Fachanwaltsbezeichnungen als Teilbereiche der Berufungstätigkeit des Rechtsanwalts "nur Interessen- und / oder Tätigkeitsschwerpunkte benannt werden", dem entspreche die von den dortigen Antragstellern gewählte Benennung eines "Schwerpunkts" nicht (so der zitierte BGH-Beschluß, aus dem zu entnehmen sei, daß auch die vom Beklagten selbst geschaffene Bezeichnung "Kompetenzfelder" unzulässig sei).

Verfehlt sei weiterhin die Auffassung des Landgerichts, wonach "Kompetenzfeld" ein Synonym des Begriffs "Tätigkeitsschwerpunkt" sei. Denn mit den zulässigen Spezialisierungshinweisen habe der Satzungsgeber eine Qualifikationsleiter "Interessenschwerpunkt - Tätigkeitsschwerpunkt - Fachanwaltsbezeichnung" geschaffen bzw. befestigen wollen. Nur im Rahmen einer gesicherten Terminologie könne sich das Publikum zutreffende Vorstellungen von der Wertigkeit eines Spezialisierungshinweises bilden. Dagegen habe der Beklagte mit dem Begriff "Kompetenzfelder" eine weitere Angabe in die zulässige Dreiteilung eingefügt, die begrifflich zwischen "Tätigkeitsschwerpunkt" und "Fachanwaltsbezeichnung" anzusiedeln sei, nämlich in dem Sinne, daß die in Anspruch genommene Kompetenz auf der Auffassung oder Feststellung einer außenstehenden Person oder Institution beruhe. Bereits begrifflich ausgeschlossen erscheine es deshalb, sich durch Selbsteinschätzung eine nach außen verlautbarte Kompetenz beizumessen (ebenso OLG Nürnberg - Urteil vom 25.01.2000 - Anlage K 6 für die Bezeichnung "Tätigkeitsgebiete").

Selbst wenn man aber der Auffassung des Landgerichts folge, sei die Werbung des Beklagten wettbewerbswidrig. Denn nach der klaren Regelung des § 7 Abs. 1 BORA sei dann eine Aufteilung auf Einzelanwälte der Sozietät des Beklagten vorzunehmen und zwar von max. 3 (nicht 5!) Tätigkeitsschwerpunkten. Es gehe nicht an, alle genannten Tätigkeitsschwerpunkte durch pauschale Leistung quasi sämtlichen Sozien einheitlich "überzustülpen". Denn andernfalls würde es zu einer erheblichen Benachteiligung von Einzelanwälten oder kleineren Sozietäten kommen, die nicht in der Lage seien, durch Auflistung einer großen Vielzahl von Tätigkeitsschwerpunkten einheitlich das gesamte Tätigkeitsfeld für sich zu beanspruchen.

Schließlich müsse ein Rechtsanwalt, der mit einem "Tätigkeitsschwerpunkt" werbe, mindestens zwei Jahre lang nachhaltig auf dem genannten Rechtsgebiet tätig gewesen sein (§ 7 Abs. 2 BORA). Die nachhaltige Erfahrung könne nur individuell durch den einzelnen Rechtsanwalt gewonnen werden; dies erzwinge deshalb eine Zuordnung an den individuellen Rechtsanwalt und verbiete pauschale Angaben für alle Mitglieder der Sozietät.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des LG abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, es bei Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen

1. im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in Presseerzeugnissen in anwaltlichen Dienstleistungen in Werbeanzeigen nach Art der den diesseitigen Anträgen beigefügten Anzeige mit der blickfangmäßig herausgestellten Aussage

"es gibt Unternehmen, die uns kennen und überhaupt nicht mögen. Nur weil wir Anwälte der Gegenseite sind."

zu werben.

2. in Zeitungsanzeigen mit der Angabe von Rechtsgebieten zu werben, auf denen er oder mit ihm in Sozietät verbundene Rechtsanwälte besondere Kompetenz beanspruchen, ohne diese Rechtsgebiete als "Tätigkeitsschwerpunkte" oder "Interessenschwerpunkte" zu bezeichnen, insbesondere, wenn solche Rechtsgebiete als "Kompetenzfelder" bezeichnet werden;

hilfsweise diese Rechtsgebiete nicht auf einzelne Mitglieder der Sozietät aufzuschlüsseln und auf max. 3 Benennungen pro Sozietät zu begrenzen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Berufungsantrag Ziff. 1 sei wegen der darin enthaltenen Formulierung "nach Art der den diesseitigen Anträgen beigefügten Anzeige" zu unbestimmt und deshalb schon unzulässig.

Der erstmals in der Berufungsinstanz gestellte Hilfsantrag zum Klagantrag 2 enthalte eine Klagänderung, der widersprochen werde und deren Sachdienlichkeit nicht erkennbar sei. Im übrigen sei ein dahingehender (eventueller) Unterlassungsanspruch des Klägers verjährt (§ 21 UWG).

In der Sache verteidigt er das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts als richtig (soweit es um die Abweisung der Anträge 1 und 2 geht).

Werbeaussagen der hier beanstandeten Art seien seit einigen Jahren in Deutschland "völlig üblich" deshalb könne hier keine Rede davon sein, der Beklagte verschaffe sich unter Ausnutzung der gesetzestreuen seiner Wettbewerber einen unangemessenen Vorsprung im Wettbewerb. § 43 b BRAO fehle zudem der Wettbewerbsbezug; statt dessen sei Schutzobjekt das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Integrität der Rechtsanwälte und der Rechtspflege (BVerfG, BRAK Mitt. 2001, 137, 139 - Sponsoring), beides sei hier aber nicht tangiert. Im übrigen sei der Anwalt im Rahmen der allgemeinen Wettbewerbsgesetze in seiner Außendarstellung frei; sogar eine Sponsorenwerbung von Anwälten, die nur den Bekanntheitsgrad und das positive Image der Kanzlei heben solle, sei nach Auffassung des BVerfG sachlich unterrichtend im Sinne von § 43 b BRAO.

Die Aussage "Es gibt Unternehmen, die uns kennen und uns überhaupt nicht mögen. Nur weil wir Anwälte der Gegenseite sind" solle dem Beklagten nach Klagantrag 1 ohne Rücksicht auf die begleitenden Texte verboten werden. Ein durchschnittlich informierter und verständiger Leser, auf den es nach den neueren BGH-Rechtsprechung ankomme, werde aber darin nur den Aufhänger sehen, der die Aufmerksamkeit in nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zulässiger Weise auf den eigentlichen sachlichen Inhalt der Anzeige lenken solle. Der vom Kläger unterstellte Sinngehalt (Furcht der Gegenseite vor der überragenden Leistung des Beklagten) unterstelle dem Leser zu weit reichende gedankliche Assoziationen, für die der Beklagte nicht mehr verantwortlich gemacht werden könne (entsprechend BGH GRUR 99, 240, 241 - Stefans Krone 1).

Unbegründet sei auch der Berufungsantrag 2:

§ 7 BORA sei auf größere Sozietäten nicht zugeschnitten, greife vielmehr nur ein, wenn Sozietäten Tätigkeitsschwerpunkte für ihre einzelnen Rechtsanwälte angäben. Zu einer gravierenden Ungleichbehandlung von Einzelanwälten und Sozietäten führe dies nicht, weil die unzutreffende Werbung von Sozietäten mit Schwerpunkten und Kompetenzgebieten als irreführend untersagt werden könnte.

Der als Anlage zur Berufungsbegründung vorgelegte Beschluß des Anwaltssenats des BGH sei nicht einschlägig: dort sei es zwar um die Werbung einer Sozietät gegangen, jedoch seien den einzelnen Sozien individuell bestimmte Schwerpunkte zugeordnet gewesen, so daß § 7 BORA für den dort entschiedenen Fall passen möge. § 7 Abs. 1 Satz 3 BORA lasse trotz seines Wortlauts Synonyme zu; das Gegenteil sei auch dem zitierten BGH-Beschluß nicht zu entnehmen. Im übrigen sei fraglich, ob nicht eine Werbeanzeige "vergleichbares Informationsmittel" im Sinne von § 6 Abs. 2 BORA sei, § 7 also gar keine Anwendung finde. Jedenfalls sei die vom Beklagten vertretene Auffassung (keine zwingende Vorgabe der Formulierungen für die Angabe der Tätigkeitsschwerpunkte einer Sozietät) verfassungsrechtlich zwingend.

Aus demselben Grund fehle dem Hilfsantrag schließlich die Erfolgsaussicht.

Wegen des weiteren Vertrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie die dazu vorgelegten Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers hat einen Teilerfolg: Die mit Berufungsantrag Ziff. 1 bekämpfte Werbeaussage ist wettbewerbswidrig und muß deshalb vom Beklagten in Zukunft unterlassen werden.

Nicht begründet ist dagegen die Berufung hinsichtlich des Berufungsantrags 2 (einschließlich des dazu gestellten Hilfsantrags).

I Berufungsantrag 1:

1. Die vom Beklagten geäußerten Zulässigkeitsbedenken bestehen nicht. Vielmehr ist der jetzt gestellte Antrag ausreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Denn verboten werden soll dem Beklagten offensichtlich der konkrete Wortlaut der Aussage, wie er im Antrag wiedergegeben ist (und zwar ohne Rücksicht auf den Text der Anzeige i. ü.). Die im Antrag enthaltene Formulierung "nach Art der den diesseitigen Anträgen beigefügten Anzeige" kann dessen Bestimmtheit deshalb nicht in Frage stellen.

2.

a) Ausgangspunkt für die materiellrechtliche Beurteilung von Berufungsantrag 1 ist § 43 b BRAO. Danach ist dem Rechtsanwalt eine Werbung nur erlaubt, soweit sie über seine berufliche Tätigkeit in Form und Inhalt sachlich unterrichtet.

§ 43 b ist lex specialis gegenüber der in § 43 BRAO normierten Generalklausel. Auf diese Generalklausel kann deshalb zur Rechtfertigung eines Werbeverbots nicht mehr zurückgegriffen werden (Henssler/Prütting, BRAO § 43 b Rn. 12).

(Etwas) konkretisiert wird die genannte Vorschrift durch § 6 Abs. 1 BORA (wörtlich zitiert im LGU - Seite 7) und vor allem § 6 Abs. 2 BORA, wo der Einsatz von Praxisbrochüren und Rundschreiben sowie von vergleichbaren Informationsmitteln ausdrücklich für zulässig erklärt wird.

b) Ob unter den Begriff der vergleichbaren Informationsmitte! nach § 6 Abs. 2 BORA auch Zeitungsanzeigen fallen, mag zweifelhaft sein (Bardenz, MDR 2001, 247, 248), ist aber nicht entscheidungserheblich. Denn im Grundsatz sind sich die Parteien einig: Eine Zeitungsanzeige, die dem Interesse der Adressaten, eine sachlich angemessene Information zu finden, gerecht wird, formal und inhaltlich unaufdringlich gestaltet ist und keinen Irrtum erregt, ist dem Rechtsanwalt grundsätzlich erlaubt (BGH, ZIP 1997, 1514 f.; ebenso: Kammerbeschluß Bundesverfassungsgericht, BRAK Mitt. 2000, 89 = Anlage B 8).

Der Streit geht also nicht darum, ob der Beklagte / seine Sozien überhaupt in einer Zeitungsanzeige werben dürfte, sondern (nur) darum, ob die beanstandeten Formulierungen sich innerhalb der von § 43 b BRAO / 6 Abs. 1 BORA gezogenen Grenzen halten.

Diese Grenzen wären sicherlich dann überschritten, wenn man den zulässigen Inhalt von Zeitungsanzeigen auf Name, Anschrift, Fachanwaltsbezeichnung sowie Tätigkeits- und Interessenschwerpunkt oder gar nur auf Briefkopfangaben beschränken würde (so die von Bardenz a. a. O. Seite 248 beschriebene Praxis einiger Rechtsanwaltskammern).

Eine solche Auslegung des § 43 b BRAO wäre aber zu eng. Denn anders als der individuell (über Rundschreiben) von einem Rechtsanwalt angeschriebene Werbeadressat erwartet der Leser einer Zeitung dort Werbung. Im Gegensatz zum Rundschreiben tritt der Aspekt der Überrumpelungsgefahr in den Hintergrund; hinzu kommt, daß eine Zeitungsanzeige am nächsten Tag oft wieder vergessen wird oder gar nicht mehr greifbar ist. Dies rechtfertigt es, insoweit weniger strenge Anforderungen als an den Inhalt eines Rundschreibens zu stellen und deshalb auch in Zeitungsanzeigen zumindest solche Informationen für zulässig zu halten, die auch (zulässiger) Inhalt einer Praxisbroschüre sein dürfen (Bardenz Seite 248).

Allerdings sind auch in einer solchen Praxisbroschüre im Sinne von § 7 Abs. 2 BORA subjektive Beschreibungen / Selbstbewertungen der eigenen Erfahrung und Fähigkeit (wie "kreativ", "höchste Ansprüche", "erfolgreich", "kompetent", "vorbildlich", "engagiert" und "leistungsstark") nicht zulässig (Bardenz Seite 248 einschließlich Fußnote 9). Dies liegt auf der "klassischen" Linie der Rechtsprechung, wonach dem Rechtsanwalt verboten ist, mit einer subjektiven (Selbst)Einschätzung/Werturteilen (Anzeigen-) Werbung zu machen (BGH, Z1P 1997, 1516 m w. N. für die Aussage "Rechtliche und steuerliche Beratung im Verbund" und "Erbrechtliche und erbschaftssteuerrechtliche Beratung aus einer Hand"; ebenso: OLG Köln, NJW 99, 63 ff. für "Ihre Rechtsfragen sind unsere Aufgabe" und schließlich das als Anlage K 5 vorgelegte Urteil LG München I vom 19.04.2000 - 7 HKO 1608/00 auf Seite 15 - "Kraftvolle neue Dimension; Rechtsberatung ist nicht mehr das, was es einmal war; MORE POWERFUL LEGAL SOLUTIONS").

Dieser Linie ist auch der Senat gefolgt. So hat er im Urteil vom 27.10.2000 - 2 U 67/00 - in der Verwendung der Werbeaussage "Alles was Recht ist!" durch die Mitglieder einer Rechtsanwaltskanzlei eine unzulässige Selbsteinschätzung gesehen, die gegen das Sachlichkeitsgebot des § 43 b BRAO verstößt.

c) In konsequenter Fortsetzung dieser Rechtsprechung kann kein Zweifel bestehen, daß die hier angegriffene Kernaussage "Es gibt Unternehmen, die uns kennen und überhaupt nicht mögen. Nur weil wir Anwälte der Gegenseite sind," ein reines Werturteil in Form einer subjektiven Fremdeinschätzung darstellt und damit ebenfalls als unzulässig zu bewerten ist Zudem verleiht die blickfangmäßige Heraushebung dieser Aussage ihr erst recht das Merkmal einer reklamehafteten Anpreisung. Der Vortrag des Beklagten, dann liege ein bloßer "Aufhänger", der zum eigentlichen sachlichen Inhalt der Anzeige überleite (Berufungserwiderung Seite 17 unter Ziff. 3) bestätigt diese Einschätzung.

Zu einer anderen Bewertung konnte man nur dann gelangen, wenn man das Sachlichkeitsgebot des § 43 b BRAO außer acht lassen wurde und statt dessen die Werbung eines Rechtsanwalts nur dann als unzulässig ansehen würde, wenn sie das Vertrauen des Rechtssuchenden, der Rechtsanwalt werde nicht aus Gewinnstreben zu Prozessen raten oder die Sachbehandlung nur am Gebühreninteresse ausrichten, erschüttern würde Entgegen der Auffassung des Beklagten läßt sich eine solch starke Betonung der Berufsfreiheit der Rechtsanwälte den vorgelegten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts nicht entnehmen. Weder der Beschluß zum Anwaltssponsoring (BVerfG, BRAK Mitt 2000, 137 ff) noch der vom Beklagtenvertreter m der Berufungsverhandlung vor dem Senat übergebene Beschluß der 2. Kammer des ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 25.04.2001 (1 BvR 494/00) stellen die Verfassungsmäßigkeit des § 43 b BRAO in Frage. Vielmehr heißt es im zuletzt zitierten Beschluß ausdrücklich, daß den Angehörigen freier Berufe "für interessengerechte und sachangemessene Information im rechtlichen und geschäftlichen Verkehr Raum bleiben" müsse (a. a. O. Seite 6-1 Abschnitt von oben). Damit wird die in § 43 b BRAO getroffene Abgrenzung zwischen zulässiger und unsachlicher und deshalb nicht mehr zulässiger Anwaltswerbung vom Bundesverfassungsgericht, nicht in Frage gestellt. Auch der Entscheidung zum "Anwaltssponsoring" ist nur zu entnehmen, daß ein Sponsoringvermerk mit klar erkennbarem Informationsgehalt und geprägt durch große Zurückhaltung in der äußeren Form nicht als unsachlich gewertet werden kann (BVerfG, BRAK-Mitt. 2000, 139 - linke Spalte - 2. Abschnitt von oben). Die hier beanstandete Werbeaussage liegt aber sowohl ihrem Inhalt wie auch ihrer äußeren Form nach (Blickfang!) jenseits der für eine zulässige Anwaltswerbung gezogenen Grenzen.

d) Daß der Verstoß gegen § 43 b BRAO gleichzeitig auch einen Verstoß gegen § 1 UWG darstellt, entspricht gesicherter Rechtsprechung (ausführlich begründet in OLG Köln, NJW 99, 64). Davon ist auch die einschlägige Senatsrechtsprechung bisher ausgegangen (NJW 97, 2529 - Anwaltswerbung mit Serienrundschreiben; MDR 2000, 483 - Vanity-Nr.; Urteil vom 27.10.2000 - 2 U 67/00 I Seite 10 - "ALLES WAS RECHT IST!".

Dem kann der Beklagte nicht mit Erfolg entgegen halten, es fehle deshalb hier an einem wettbewerbswidrigen Vorsprung durch Rechtsbruch, weil sich seine Mitbewerber in ihrer Werbung ebenfalls nicht an das Sachlichkeitsgebot hielten. Dem steht schon entgegen, daß ein Verstoß gegen ein im Standesrecht zum Schutz allgemeiner Interessen festgelegtes Werbeverbot grundsätzlich auch einen Verstoß gegen § 1 UWG beinhaltet, ohne daß es darauf ankommt, ob sich der Verletze dadurch einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorsprung zu verschaffen sucht (Baumbach/Hefermehl, § 1 UWG, Rn. 682 a zu § 43 b BRAO - mit weiteren Nachweisen).

Da es auch hier um einen Verstoß gegen § 43 b BRAO geht, also eine Norm mit unmittelbaren Bezug zum Wettbewerb, läßt sich - entgegen Berufungserwiderung Seite 11 - eine sittenwidrige Beeinträchtigung des Wettbewerbs nicht mit den ganz anders gelagerten BGH-Entscheidungen Giftnotruf-Box (GRUR 2000, 237) und Abgasemissionen (BGH, WRP 2000, 1116, 1119) begründen.

Auch die in der Berufungserwiderung gezogene (scheinbare) Parallele zur Entscheidung Verbandsklage gegen Vielfachabmahner (WRP 2001, 255) trägt nicht. Dort ging es zwar ebenfalls um einen Verstoß gegen die BRAO (Tätigkeitsverbot "In derselben Angelegenheit" - § 45 Abs. 1 Nr. 4 BRAO). Der Sinn der genannten BRAO-Bestimmung liegt aber (ausschließlich) darin, die Gefahr einer Interessenkollision einzudämmen und damit die Unabhängigkeit und Integrität der Anwälte und das Vertrauen in die Rechtspflege zu stärken, nicht aber die Gegebenheiten auf dem Markt für Rechtsanwälte zu regeln (BGH WRP 2001, 258). Dagegen ist § 43 b BRAO eine den Wettbewerb zwischen Rechtsanwälten unmittelbar regelnde Vorschrift (Baumbach/Hefermehl, § 1 UWG, Rn. 682 a m. w. N.) und unterscheidet sich darin grundlegend von § 45 Abs. 1 Nr. 4 BRAO.

Selbst wenn man § 43 b BRAO nicht als wettbewerbsbezogene, unmittelbar zu § 1 UWG führende Norm ansieht, folgt dasselbe Ergebnis aus dem Gesichtspunkt des Vorsprungs durch Rechtsbruch. Auch dem könnte der Beklagte nicht die angeblichen Verstöße der Wettbewerber gegen das Werbeverbot des § 43 b BRAO entgegen halten (vgl. zum gedanklichen Ansatz: Baumbach/Hefermehl § 1 UWG, Rn. 654). Denn tatsächlich bestehen grundlegende Unterschiede zum Adressatenkreis der vom Beklagten vorgelegten Stellenanzeigen (aus der Fachzeitschrift NJW) wie auch demjenigen des als Anlage BB 2 vorgelegten Handbuchs "Kanzleien in Deutschland" (das sich laut Vorwort ebenfalls an das Fachpublikum wendet - "als ein erfahrener Jurist"). Die vorliegende Werbeanzeige aus dem "Handelsblatt News am Abend" wendet sich dagegen an ein breites Publikum (Passagiere auf LH-Abendflügen und damit potentielle Mandanten).

II.

Berufungsantrag 2 und Hilfsantrag:

1. Das Landgericht ist dem Kläger (hinsichtlich Klagantrag 2) noch darin gefolgt, die Zulässigkeit der Angabe von "Kompetenzfeldern" beurteile sich nach § 7 BORA (Wortlaut: Entscheidungsgründe Seite 802). Daran kann nicht mehr festgehalten werden. Maßgeblich für diese Abkehr von der Argumentation des Landgerichts ist der als Anlage BB 4 vorgelegte Beschluß des BGH vom 12.02.2001 (BB 2001, 696 ff.). Danach regelt § 7 BORA ausschließlich die personenbezogene Benennung von Tätigkeitsschwerpunkten, nicht aber Hinweise auf die fachliche Ausrichtung einer Sozietät / eines Anwalts. Einer Sozietät ist es deshalb nicht durch § 7 BORA untersagt, ihre fachliche Ausrichtung schlagwortartig zu kennzeichnen (a. a. O. Seite 697).

2. Die Aufführung von ca. 25 Kompetenzfeldern im unteren rechten Teil der Werbeanzeige verstößt deshalb schon nicht gegen § 7 BORA; es fehlt deshalb auch der Anknüpfungspunkt für die mit dem Berufungsantrag 2 verfolgte Unterlassungspflicht. Es bedarf hier deshalb auch keiner Entscheidung darüber, ob die vom Landgericht vorgenommene Gleichsetzung des Begriffs "Tätigkeitsschwerpunkt" mit demjenigen des "Kompetenzfeldes" zutreffend ist.

3. Da § 7 BORA auch keine Exklusivität dahingehend zukommt, daß Teilbereichsbezeichnungen nur personenbezogen möglich sind (BGH a. a. O. Seite 697), kann auch der Hilfsantrag keinen Erfolg haben. Jedenfalls im Ergebnis kommt es deshalb auch nicht darauf an, ob in diesem Hilfsantrag eine (noch zulässige) Klagänderung in der Berufungsinstanz liegt (wovon der Senat allerdings ausgeht).

III.

Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 92, 708 Nr. 10, 713 und 546 Abs. 2 Satz 1 ZPO. Die Voraussetzungen einer von beiden Parteien angeregten Revisionszulassung sind nicht gegeben. Denn das vorliegende Urteil orientiert sich, wie ausgeführt, an den von der Rechtsprechung, vornehmlich des Bundesgerichtshofs entwickelten Grundsätzen zur zulässigen Anwaltswerbung. Die Rechtssache hat deshalb weder grundsätzliche Bedeutung noch sind die Voraussetzungen für eine Revisionszulassung nach § 546 Abs. 1 Nr. 2 ZPO gegeben.

Ende der Entscheidung

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