Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 08.10.2002
Aktenzeichen: 2 Ws 218/02
Rechtsgebiete: StPO, JGG


Vorschriften:

StPO § 406 f
StPO § 406 g
JGG § 80 Abs. 3
Auch nach der Aufgabe der Rechtsprechung zur Unzulässigkeit der Nebenklage im Sicherungsverfahren (vgl. BGH NStZ 2002, 275) ist in Strafverfahren gegen Jugendliche weiterhin weder die Nebenklage zulässig noch § 406 g StPO anwendbar (Fortführung von OLG Stuttgart NJW 2001, 1588 f.; entgegen OLG Koblenz NJW 2000, 2436 f.).
Oberlandesgericht Stuttgart - 2. Strafsenat - Beschluss

vom 08. Oktober 2002

Geschäftsnummer: 2 Ws 218/02

in der Strafsache

wegen Körperverletzung

Tenor:

Die Beschwerde des Verletzten W. M., vertreten durch Rechtsanwalt T. K., gegen den Beschluss des Landgerichts - 12. kleine Jugendkammer - Rottweil vom 19. September 2002 wird als unbegründet verworfen.

Der Beschwerdeführer trägt die Kosten seines Rechtsmittels.

Gründe:

Das gemäß § 304 Abs. 1 StPO zulässige Rechtsmittel bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Zu Recht hat es die Jugendkammer abgelehnt, die Nebenklage des Verletzten, vertreten durch Rechtsanwalt T. K., zuzulassen. Die Anschlussberechtigung ist in jeder Lage des Verfahrens - auch in der Berufungsinstanz - ungeachtet der früher hierzu ergangenen negativen Entscheidungen erneut zu prüfen (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 45. Auflage 2001, § 396 Rdnr. 19). Jedoch ist gemäß §§ 2, 80 Abs. 3, 104 Abs. 1 Nr. 14 JGG die Nebenklage im Verfahren gegen den zur Tatzeit jugendlichen Angeklagten (vgl. § 1 Abs. 2 JGG) unzulässig. Eine Änderung dieser Rechtslage ist weder durch die Vorschriften des Opferschutzgesetzes vom 18. Dezember 1986, noch durch die Aufgabe der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Unzulässigkeit der Nebenklage im Sicherungsverfahren (vgl. BGH NStZ 2002, 275) eingetreten. Der Ausschluss der Nebenklage im Jugendgerichtsgesetz rechtfertigt sich aus dem Erziehungsgedanken des Jugendstrafverfahrens, der - wie sich insbesondere aus § 80 Abs. 1 JGG entnehmen lässt - den Vorrang vor den Interessen des Verletzten oder eines sonstigen Privat- oder Nebenklageberechtigten haben soll, auch wenn dieser selbst noch Jugendlicher ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. Dezember 1991 - 2 BvR 1733/91 - zitiert nach juris; BGH NStZ 1996, 149, 150 am Ende; OLG Stuttgart NJW 2001, 1588; Eisenberg, JGG, 9. Auflage 2002, § 80 Rdnr. 13 f; Brunner/Dölling, JGG, 11. Auflage 2002, § 80 Rdnr. 5 jeweils mit weiteren Nachweisen). § 80 Abs. 3 JGG hat als die speziellere Vorschrift keine Einschränkung durch das Opferschutzgesetz erfahren. Insoweit kann nur der Gesetzgeber selbst durch eine Änderung des Jugendgerichtsgesetzes der Nebenklage im Jugendstrafverfahren zur Zulässigkeit verhelfen.

Soweit die Jugendkammer im angefochtenen Beschluss festgestellt hat, dass dem Verletzten (lediglich) die Rechte aus § 406 f StPO zustehen, ist der Beschluss ebenfalls nicht zu bestanden. Die Bestellung eines Beistandes für einen nebenklageberechtigten Verletzten gemäß § 406 g StPO kommt vorliegend nicht in Frage. Im Verfahren gegen einen Jugendlichen ist diese Bestimmung nicht anwendbar, weil die dort geregelten Befugnisse in einem engen Zusammenhang mit der nach §§ 2, 80 Abs. 3 JGG im Jugendstrafverfahren unzulässigen Nebenklage stehen (h.M. vgl. OLG Stuttgart NJW 2001, 1588 f.; Löwe/Rosenberg-Hilger, 25. Aufl. 2001, Rdnr. 6 vor § 406 d in Verbindung mit Rdnr. 12 vor § 395; Kleinknecht/ Meyer-Goßner a.a.O. § 406 g Rdnr. 5 a; Brunner/Dölling a.a.O. § 48 Rdnr. 17; Diemer/Schoreit/Sonnen, JGG, 3. Aufl. 1999, § 80 Rdnr. 12; Eisenberg a.a.O. § 80 Rdnr. 13 f.; Ostendorf, JGG, 5. Auflage 2000, § 80 Rdnr. 1 jeweils mit weiteren Nachweisen; a.A. OLG Koblenz NJW 2000, 2436 f.). Diese Auslegung ist auch verfassungskonform (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Oktober 2001 - 2 BvR 1236/01 - unter Bezugnahme auf die oben zitierte Entscheidung des BVerfG).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.

Ende der Entscheidung

Zurück