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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 24.04.2001
Aktenzeichen: 2 Ws 61/2001
Rechtsgebiete: StPO, StrEG


Vorschriften:

StPO § 310
StrEG § 8
Trifft das Amtsgericht im Rahmen der Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens nicht die gebotene Entscheidung über Entschädigungsansprüche nach dem StrEG und legt die Staatsanwaltschaft gegen die Nichteröffnung sofortige Beschwerde ein, darf das Landgericht, wenn es das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft verwirft, die Entscheidung nach dem StrEG nicht nachholen. Geschieht dies doch, steht dem Angeschuldigten im Falle dessen Beschwer die sofortige Beschwerde offen. Diese führt zur Aufhebung und Zurückverweisung an das Amtsgericht.
Oberlandesgericht Stuttgart - 2. Strafsenat - Beschluss

Geschäftsnummer: 2 Ws 61/2001 3 Qs 172/2000 LG Rottweil 22 Js 3980/98 StA Rottweil

vom 24. April 2001

in der Strafsache gegen

B. R.,

wegen Verstoßes gegen das Urheberrechtsgesetz u. a.

- Verteidiger: Rechtsanwalt -

Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde des früheren Beschuldigten wird der Beschluss des Landgerichts Rottweil vom 18. Februar 2001 insoweit aufgehoben, als durch diesen Beschluss eine Entschädigung für den Vollzug von Beschlagnahmeanordnungen ausgeschlossen worden ist.

Über die Entschädigungsfrage hat das dafür zuständige Amtsgericht Freudenstadt neu zu entscheiden; desgleichen auch über die Kosten dieses Rechtsmittels.

Gründe:

Die Staatsanwaltschaft Rottweil hatte im November 1999 Anklage beim Amtsgericht Freudenstadt erhoben und dem früheren Beschuldigten unter anderem Verstöße gegen das Urheberrechtsgesetz vorgeworfen, weil er zunächst als Inhaber einer Einzelfirma und später als Geschäftsführer einer GmbH gewerbsmäßig ohne Einwilligung des Berechtigten ein Werk oder eine Bearbeitung oder Umgestaltung eines Werkes vervielfältigt habe. Der frühere Beschuldigte soll Klänge von Disketten anderer Hersteller unbefugt auf von ihm betriebene Disketten übertragen haben.

Im Laufe des Ermittlungsverfahren wurden unter anderem eine größere Zahl solcher Disketten beschlagnahmt.

Das Amtsgericht Freudenstadt hat durch Beschluss vom 30. Oktober 2000 die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt und die Verfahrenskosten und die dem Beschuldigten entstandenen notwendigen Auslagen der Staatskasse auferlegt; eine Entscheidung über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen nach § 2 StrEG wurde vom Amtsgericht nicht getroffen. Diese Frage - und das Vorhandensein eventueller Ausschluss- oder Versagungsgründe - wurde auch in den Gründen dieser Entscheidung nicht angesprochen.

Das Landgericht Rottweil hat die gegen die Nichteröffnung des Hauptverfahrens eingelegte Beschwerde der Staatsanwaltschaft Rottweil verworfen und "in Ergänzung des angefochtenen Beschlusses" festgestellt, dass eine Entschädigung für den Vollzug von Beschlagnahmeanordnungen ausgeschlossen sei.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des früheren Beschuldigten; sie hat vorläufigen Erfolg.

1. Das eingelegte Rechtsmittel ist statthaft; eine - unzulässige - weitere Beschwerde im Sinne von § 310 StPO liegt nicht vor.

Zwar kann eine - nicht weiter anfechtbare - Beschwerdeentscheidung auch dann gegeben sein, wenn ein anderer Verfahrensbeteiligter durch die Beschwerdeentscheidung erstmalig beschwert wird (KK, Rdnr. 2 zu § 310 StPO m. w. N.). Auf Beschwerde hin ergangen ist eine Entscheidung des Landgerichts allerdings nur, wenn der Sachverhalt und die daraus zu ziehenden rechtlichen Folgerungen bereits Gegenstand der Entscheidung des Amtsgerichts waren (vgl. Gollwitzer in Löwe-Rosenberg, Rdnr. 10 zu § 310); maßgebend ist insoweit die Würdigung der gesamten Prozesslage (Gollwitzer Rdnr. 5 a. a. O.; Engelhardt in KK, Rdnr. 3 zu § 310). Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt, worauf schon die vom Landgericht verwendete Entscheidungsformel (... in Ergänzung des angefochtenen Beschlusses) hindeutet. Tatsächlich war die Frage der Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen nicht Gegenstand der Entscheidung des Erstgerichts; sie wurde weder in der Entscheidungsformel noch in den Gründen des angefochtenen Beschlusses angesprochen. Anders als bei einer unterbliebenen Entscheidung über die notwendigen Auslagen nach § 464 Abs. 2 StPO kommt dem bloßen Schweigen über die Entschädigungsfrage in der verfahrensabschließenden Entscheidung aber nicht die Bedeutung einer Versagung der Entschädigung zu (h. M.; vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, Rdnr. 7 zu § 8 StrEG m. w. N.).

Das Landgericht Rottweil hat demzufolge, ohne dass insoweit eine überprüfbare Sachentscheidung vorausgegangen war, eine weitere, selbständige Entscheidung getroffen, die über das Rechtsmittelbegehren der Staatsanwaltschaft hinausreichte. Diese ist deshalb anfechtbar (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, Rdnr. 3 zu § 310 StPO).

2. Das Rechtsmittel hat - vorläufigen - Erfolg; es führt zur Aufhebung des Beschlusses des Landgerichts, soweit eine Entscheidung über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen getroffen worden ist.

Die Nichteröffnung des Hauptverfahrens besitzt verfahrensabschließende Wirkung (§ 467 Abs. 1 StPO), weshalb zusammen mit der Hauptentscheidung regelmäßig auch über die Entschädigungspflicht für Strafverfolgungsmaßnahmen zu entscheiden ist, wenn hierzu ein sachlicher Anlass besteht. Zuständig hierfür war aber nicht das Landgericht Rottweil, sondern das Amtsgericht Freudenstadt nach der eindeutigen Regelung des § 8 StrEG.

Ist eine Entscheidung beim Vorliegen eines entschädigungsfähigen Tatbestandes unterblieben, so muss sie nach Auffassung des Senats durch das dafür zuständige Gericht zunächst nachgeholt werden (h. M.; vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner Rdnr. 7 zu § 8 StrEG m. w. N.; Schätzler, Rdnr. 16 zu § 8 StrEG; a. M. D. Meyer; Kommentar zum StrEG; Rdnr. 24 zu § 8). Aus den Gesetzesmaterialien hergeleitete Bedenken gegen eine Nachholung der unterbliebenen bzw. "vergessenen" Entscheidung zur Entschädigungsfrage sind nicht so gewichtig, als dass sie eine Abkehr von der inzwischen gefestigten Rechtsprechung rechtfertigten; dies gilt zumal in Fällen wie dem vorliegenden, in denen die verfahrensabschließende Entscheidung; mit der die Annexentscheidung über die Entschädigung nach Möglichkeit verbunden werden soll, nicht in einer öffentlichen Hauptverhandlung getroffen worden ist.

Eine Zuständigkeit des Landgerichts zur Entscheidung über die Entschädigungsfrage wurde auch nicht über die - entsprechend angewendete - Regel des § 464 Abs. 3 Satz 3 StPO begründet, auf die § 8 Abs. 3 Satz 2 StrEG verweist. Zwar war gegen die Entscheidung in der Hauptsache - die Nichteröffnung des Hauptverfahrens - Rechtsmittel eingelegt worden, nicht aber gegen, die unterbliebene Entscheidung über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen. Eine sofortige Beschwerde gegen die unterlassene Entscheidung über die Entschädigung wäre nach Auffassung des Senats auch nicht statthaft; denn nach allgemeinen Regeln kann ein Rechtsmittel erst nach Erlass der angefochtenen Entscheidung eingelegt werden (h. M.; vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, Rdnr. 3 vor § 296 StPO). Wie bereits ausgeführt ist nämlich weitgehend anerkannt, dass das bloße Unterlassen einer ausdrücklichen Entscheidung über die Entschädigung nicht als - stillschweigend getroffene - Sachentscheidung verstanden werden kann. Mangels einer vorangegangenen Entscheidung des Amtsgerichts zur Entschädigungsfrage konnte das Landgericht deshalb nicht tätig werden. Es durfte die Entscheidung über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen nicht unter Außerachtlassung des Instanzenzuges an sich ziehen.

Das Amtsgericht Freudenstadt wird deshalb über die Entschädigungsfrage neu zu entscheiden haben - unter Beachtung des Anspruchs der Verfahrensbeteiligten auf rechtliches Gehör.

Ende der Entscheidung

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