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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 18.04.2001
Aktenzeichen: 2 Ws 65/2001
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 56 f Abs. 1 Nr. 1
Wird eine zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe in ein späteres Urteil einbezogen, mit dem wiederum Strafaussetzung bewilligt wird, so kann der Widerruf der Strafaussetzung nicht auf eine Straftat gestützt werden, die nach dem einbezogenen Urteil, aber vor Anordnung der Aussetzung in der späteren Gesamtstrafenentscheidung begangen wurde.
Oberlandesgericht Stuttgart - 2. Strafsenat - Beschluss

Geschäftsnummer: 2 Ws 65/2001 StVK 78/2001 b LG Ulm 13 Js 16199/98 StA Ulm

vom 18. April 2001

in der Strafvollstreckungssache gegen

W. W.

wegen Verstoßes gegen das BtMG.

Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten wird der Widerrufsbeschluss des Landgerichts - Strafvollstreckungskammer - Ulm vom 28. März 2001 aufgehoben.

2. Im Beschwerdeverfahren entstandene Kosten und notwendige Auslagen trägt die Staatskasse.

Gründe:

Das Amtsgericht Göppingen hatte den Beschwerdeführer am 22. September 1999 wegen gewerbsmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zwölf Fällen und wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt, wobei in dieses Urteil, das sofort rechtskräftig geworden war; eine vom Amtsgericht Bocholt am 03. Februar 1999 wegen eines Betäubungsmitteldelikts verhängte Freiheitsstrafe von einem Jahr einbezogen worden war. Die Vollstreckung dieser Strafe war durch Urteil des Landgerichts Münster vom 15. April 1999 ebenfalls zur Bewährung ausgesetzt worden.

Die Strafvollstreckungskammer hat mit dem angefochtenen Beschluss die Aussetzung der Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Göppingen widerrufen, weil der Verurteilte in der ursprünglich festgesetzten Bewährungszeit bezüglich der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Bocholt erneut einschlägig straffällig geworden sei. Der Beschwerdeführer hat am 28. Juli 1999 in G. Heroin verkauft und ist deshalb durch Urteil des Amtsgerichts G. vom 12. Juli 2000 zu vier Monaten Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt worden.

Die gegen den Widerruf gerichtete sofortige Beschwerde hat Erfolg.

Nach der derzeit geltenden Gesetzeslage rechtfertigt die Straftat vom 28. Juli 1999 den Widerruf nicht; denn diese Straftat ist vor der Gesamtstrafenbildung durch das Amtsgericht Göppingen begangen worden. Durch die nachträgliche Gesamtstrafenbildung wird die frühere Gesamtstrafenbildung gegenstandslos; die Zulässigkeit des Widerrufs der Aussetzung bestimmt sich dann ausschließlich nach der neuen Entscheidung; eine Straftat, die während einer in der einbezogenen Entscheidung festgesetzten Bewährungszeit, aber vor Anordnung der Aussetzung in der Gesamtstrafenentscheidung begangen wird, rechtfertigt den Widerruf nicht (h. M.; vgl. OLG Stuttgart, MDR 89, 282; OLG Hamm, NStZ 87, 382; OLG Karlsruhe, NStZ 88, 364; Stree in Schönke/Schröder Rdnr. 8 zu § 58 StGB m. w. N.).

Zwar ist richtig, dass der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart in einer 1984 ergangenen Entscheidung die Auffassung vertreten hatte, dass eine nach § 55 StGB nachträglich gebildete Gesamtfreiheitsstrafe auch dann widerrufen werden kann, wenn der Verurteilte vor der Gesamtstrafenbildung eine Straftat während einer Bewährungszeit begangen hat, die nach der Verhängung einer in die spätere Gesamtstrafe einbezogenen Einzelstrafe festgesetzt worden war. Er hat diese Auffassung durchaus einleuchtend damit begründet, dass andernfalls der Straftäter durch § 55 StGB eine mit dem gesetzlichen Zweck nicht zu vereinbarende Vergünstigung erhalte. Der 1. Strafsenat - und ihm folgend später auch der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart - hat diese Auffassung aber in seinem Beschluss vom 12. August 1988 aufgegeben, weil der Gesetzgeber diese Frage nicht für reglungsbedürftig gehalten hatte und im Gesetzgebungsverfahren einer ausdrücklichen entsprechenden Initiative des Bundesrates bei der Neufassung des § 56 f Abs. 1 StGB durch das 23. Strafrechtsänderungsgesetz nicht nachgekommen war (vgl. OLG Stuttgart, a. a. O.). Diese frühere Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Stuttgart ist deshalb überholt.

Der Umstand, dass der Bundesrat in einer Gesetzesinitiative vom 03. August 1999 (erneut) die Möglichkeit eines Widerrufs vorschlägt in Fällen erneuter Straffälligkeit zwischen der Verurteilung in einer in eine nachträgliche Gesamtstrafe einbezogenen Sache und der Entscheidung über die nachträgliche Gesamtstrafe, rechtfertigt keine andere Entscheidung - trotz des unbefriedigenden Ergebnisses. Unsicher ist nämlich, ob der Gesetzgeber dieser neuen Initiative folgen wird.

Ende der Entscheidung

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