Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 20.12.2000
Aktenzeichen: 20 U 45/00
Rechtsgebiete: AktG


Vorschriften:

AktG § 202
AktG § 203
AktG § 243
Leitsatz:

1. Die Ermächtigung des Vorstands einer Aktiengesellschaft zur Erhöhung des Grundkapitals durch Ausgabe neuer Aktien gegen Bar- oder Sacheinlagen berechtigt den Vorstand nicht zum Ausschluß des Bezugsrechts der Aktionäre.

2. Zur Kausalität von Verfahrensfehlern eines Hauptversammlungsbeschlusses.


Oberlandesgericht Stuttgart - 20. Zivilsenat - Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 20 U 45/00 2 KfH O 395/00 2 KfH O 440/00 LG Ravensburg

In der Rechtssache

verkündet am 20. Dezember 2000

(Wojnowski) Justizangestellte Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart auf die mündliche Verhandlung vom 29. November 2000 unter Mitwirkung

des Präsidenten des Oberlandesgerichts Stilz,

des Richters am Oberlandesgericht Dr. Würthwein sowie

des Richters am Oberlandesgericht Dörr

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufungen der Kläger gegen das Urteil des Landgerichts Ravensburg vom 02.05.2000 - 2 KfH O 395/2000 sowie 2 KfH O 440/2000 - werden mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß von den Kosten des Rechtsstreits im ersten Rechtszug jeder Kläger die Hälfte trägt.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Kläger je zur Hälfte.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Kläger dürfen die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von jeweils 7.000,00 DM abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Streitwert des Verfahrens in beiden Rechtszügen wird auf 100.000,00 DM festgesetzt.

Tatbestand:

Die Kläger sind Aktionäre der Beklagten. Sie machen die Nichtigkeit bzw. Anfechtbarkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses wegen der Verletzung aktienrechtlicher Vorschriften über genehmigtes Kapital geltend.

Durch Bekanntmachung im Bundesanzeiger vom 05.01.2000 berief die Beklagte die Aktionäre zu einer Hauptversammlung auf den 16.02.2000 ein. In der Anzeige wurde u.a. die Tagesordnung bekannt gemacht, die unter Ziffer 5. a) folgenden Beschlußvorschlag von Vorstand und Aufsichtsrat der Beklagten enthielt:

"Genehmigtes Kapital:

§ 4 Abs. 3 der Satzung erhält folgende neue Fassung:

(3) Der Vorstand ist ermächtigt, das Grundkapital der Gesellschaft bis zum 16.02.2005 mit Zustimmung des Aufsichtsrats durch Ausgabe neuer Stammaktien gegen Bareinlagen oder gegen Sacheinlagen einmal oder mehrmals, insgesamt höchstens jedoch um einen Nennbetrag von DM 10.000.000,00, eingeteilt in bis zu 2.000.000 Stück auf den Inhaber lautender Aktien ohne Nennwert, zu erhöhen und hierbei das Bezugsrecht für gegebenenfalls anfallende Spitzenbeträge auszuschließen."

In der Hauptversammlung vom 16.02.2000 stimmten beide Kläger gegen den mit einer Mehrheit von über 99 % der abgegebenen Stimmanteile gefaßten Beschluß und erklärten Widerspruch zu Protokoll des Notars.

Die Kläger sind der Auffassung,

der Beschluß enthalte neben der ausdrücklichen Ermächtigung zum Bezugsrechtsausschluß für Spitzenbeträge eine weitere, immanente Ausschließungsermächtigung zugunsten des Vorstands, da er diesem die Befugnis einräume, von dem genehmigten Kapital durch Sachkapitalerhöhung Gebrauch zu machen. Eine Kapitalerhöhung durch Sacheinlagen habe nämlich denklogisch einen Bezugsrechtsausschluß für alle nicht zur Sacheinlage zugelassenen Aktionäre zwingend zur Folge. Dieser konkludente Bezugsrechtsausschluß sei aber weder bei der Einberufung der Hauptversammlung bekannt gemacht, noch sei ein entsprechender Vorstandsbericht vorgelegt worden. Der Vorstandsbericht vom Januar 2000 befasse sich mit dem Bezugsrechtsausschluß durch Sacheinlagen überhaupt nicht. Der Bericht sei aber auch deshalb unzureichend, weil er den Bezugsrechtsausschluß für Spitzenbeträge nicht nachvollziehbar begründe. Darüber hinaus sei er den Aktionären vor der Hauptversammlung nicht zur Verfügung gestellt worden. Auch bei der Hauptversammlung selbst sei der Bericht nicht ausgelegt, sondern den Aktionären erst auf Nachfrage ausgehändigt worden.

Der Hauptversammlungsbeschluß über das genehmigte Kapital sei daher nichtig, jedenfalls aber anfechtbar.

Die Kläger haben beantragt,

den in der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 16.02.2000 gefaßten Beschluß zu Tagesordnungspunkt 5 lit. a) mit folgendem Wortlaut:

"5. Beschlußfassung über Satzungsänderung.

Vorstand und Aufsichtsrat schlagen vor zu beschließen:

a) Genehmigtes Kapital:

§ 4 Abs. 3 der Satzung enthält folgende neue Fassung:

(3) Der Vorstand ist ermächtigt, das Grundkapital der Gesellschaft bis zum 16.02.2005 mit Zustimmung des Aufsichtsrates durch Ausgabe neuer Stammaktien gegen Bareinlagen oder gegen Sacheinlagen einmal oder mehrmals, insgesamt höchstens jedoch um einen Nennbetrag von DM 10.000.000, 00 eingeteilt in bis zu 2.000.000 Stück auf den Inhaber lautender Aktien ohne Nennwert, zu erhöhen und hierbei das Bezugsrecht für gegebenenfalls anfallende Spitzenbeträge auszuschließen."

für nichtig zu erklären;

hilfsweise, festzustellen, daß der oben bezeichnete Beschluß der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 16.02.2000 nichtig sei.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klagen abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung,

der Hauptversammlungsbeschluß unter Ziff. 5 a) beinhalte lediglich die Ermächtigung des Vorstands zum Bezugsrechtsausschluß für Spitzenbeträge. Hierauf sei in der Einladung zur Hauptversammlung ausdrücklich und ordnungsgemäß hingewiesen worden. Der Grund für diese Ermächtigung des Vorstands sei durch den Vorstandsbericht hinreichend klar auch anhand eines Beispiels erläutert worden. Der Bericht vom Januar 2000 sei im übrigen bei der Hauptversammlung zur Einsicht der Aktionäre ausgelegt gewesen und, soweit gewünscht, den Aktionären in Kopie zur Verfügung gestellt worden. Ein Ausschluß des Bezugsrechts für unvermeidbare Spitzenbeträge sei auch sachlich gerechtfertigt, zumal er die hiervon betroffenen Aktionäre nur sehr geringfügig beeinträchtige. Die Kappung von Spitzenbeträgen entspreche gängiger Praxis bei den Aktiengesellschaften.

Demgegenüber ermächtige der Beschluß den Vorstand nicht zu einem generellen Bezugsrechtsausschluß. Die Ermächtigung zur Sachkapitalerhöhung räume dem Vorstand nicht die Befugnis ein, das Bezugsrecht der Aktionäre auszuschließen. Eine Sachkapitalerhöhung könne auch ohne Bezugsrechtsausschluß durchgeführt werden.

Selbst wenn aber von einem Verfahrensfehler ausgegangen werde, sei dieser nicht ursächlich für die Beschlußfassung geworden. Das Abstimmungsergebnis zeige, daß ein objektiv urteilender Aktionär den Beschlußvorschlag gebilligt hätte, denn die anwesenden Aktionäre hätten in Kenntnis der Einwendungen der Kläger dem Beschluß mit ganz überwiegender Mehrheit zugestimmt.

Das Landgericht Ravensburg hat die Klagen durch Urteil vom 02.05.2000 abgewiesen. Dabei hat es die streitigen Rechtsfragen weitgehend dahinstehen lassen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, angesichts des Abstimmungsergebnisses stelle sich die nur auf Formfehler gestützte Beschlußanfechtung als rechtsmißbräuchlich dar.

Mit ihren Berufungen wenden sich die Kläger in erster Linie gegen den Vorwurf rechtsmißbräuchlichen Verhaltens. Sie sind der Auffassung, das Landgericht habe den Bezugsrechtsausschluß in seiner Dimension nicht erkannt. Der Vorstand werde ermächtigt, eine Kapitalerhöhung durch Bareinlagen oder Sacheinlagen zu vollziehen. Eine Einschränkung sehe die Ermächtigung nicht vor. Daher sei der Vorstand befugt, von dem genehmigten Kapital durch reine Sachkapitalerhöhung Gebrauch zu machen. Eine solche Maßnahme habe aber, auch wenn der Beschluß den Vorstand nicht ausdrücklich hierzu ermächtige, einen generellen Bezugsrechtsausschluß für die Aktionäre zur Folge, die nicht zur Sacheinlage zugelassen seien. Ein solch weitgehender Bezugsrechtsausschluß bedeute aber einen erheblichen Eingriff in die Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre, angesichts dessen der Vorwurf rechtsmißbräuchlichen Verhaltens nicht gerechtfertigt sei. Der Ermächtigungsbeschluß sei verfahrensfehlerhaft zustande gekommen, weil der Bezugsrechtsausschluß weder ordnungsgemäß bekannt gemacht noch hierzu ein Vorstandsbericht erstellt worden sei. Im übrigen fehle es auch an einer sachlichen Rechtfertigung des Bezugsrechtsausschlusses, denn die Beklagte habe weder die Erforderlichkeit noch die Geeignetheit und Angemessenheit eines Bezugsrechtsausschlusses durch Sachkapitalerhöhung dargelegt. Ob die Verstöße für die Beschlußfassung kausal geworden seien, sei unerheblich. Abzustellen sei auf die Relevanz der Verstöße. Gehe es, wie hier, um die Verletzung von Berichts- und Informationspflichten, sei die Relevanz des Verstoßes stets zu bejahen.

Die Kläger beantragen,

unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Ravensburg vom 02.05.2000 den in der Hauptversammlung der Beklagten vom 16.02.2000 gefaßten Beschluß zu Tagesordnungspunkt 5 lit. a) für nichtig zu erklären,

hilfsweise, festzustellen, daß der Beschluß nichtig ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufungen der Kläger zurückzuweisen.

Die Beklagte ist nach wie vor der Auffassung,

die Kläger mißverstünden den Inhalt des Ermächtigungsbeschlusses. Von anfallenden Spitzenbeträgen abgesehen ermächtige der Beschluß den Vorstand gerade nicht zu einem Ausschluß des Bezugsrechts der Aktionäre. Der Bezugsrechtsausschluß für eventuell anfallende Spitzenbeträge sei aber ordnungsgemäß bekannt gemacht und begründet worden.

Entscheidungsgründe:

Die Berufungen der Kläger sind zulässig, haben im Ergebnis aber keinen Erfolg. Der in der Hauptversammlung der Beklagten vom 16.02.2000 unter Tagesordnungspunkt 5 lit. a) gefaßte Beschluß über genehmigtes Kapital ist weder nichtig noch anfechtbar. Der Beschluß ermächtigt den Vorstand lediglich zum Ausschluß des Bezugsrechts für Spitzenbeträge. Eine weitergehende Befugnis zum Bezugsrechtsausschluß ist dem Vorstand nicht eingeräumt; insbesondere liegt in der Möglichkeit, das genehmigte Kapital durch Ausgabe neuer Stammaktien gegen Sacheinlagen auszunutzen, keine Ermächtigung zum Bezugsrechtsausschluß. Soweit der Beschluß den Vorstand zum teilweisen Ausschluß des Bezugsrechts ermächtigt, sind Verfahrensfehler, die für die Beschlußfassung ursächlich geworden wären, nicht festzustellen.

1.

Nach § 203 Abs. 2 S. 1 AktG kann dem Vorstand mit der Ermächtigung zur Erhöhung des Grundkapitals die Befugnis eingeräumt werden, das Bezugsrecht der Aktionäre auszuschließen. Ein Beschluß, durch den der Vorstand zum Ausschluß des Bezugsrechts ermächtigt wird, darf aber nur gefaßt werden, wenn die geplante Delegation der Ausschlußbefugnis auf den Vorstand ausdrücklich und ordnungsgemäß bekannt gemacht worden ist und der Vorstand die Ermächtigung durch schriftlichen Bericht begründet hat (§§ 203 Abs. 2 S. 2, 186 Abs. 4, 124 AktG).

Dieser Voraussetzungen bedurfte der von den Klägern angegriffene Hauptversammlungsbeschluß nur insoweit, als der Vorstand der Beklagten ermächtigt wurde, das Bezugsrecht für ggf. anfallende Spitzenbeträge auszuschließen, nicht jedoch hinsichtlich der Ermächtigung zur Kapitalerhöhung durch Sacheinlagen. Die Ermächtigung zur Ausnutzung des genehmigten Kapitals durch Ausgabe neuer Stammaktien gegen Sacheinlagen berechtigt den Vorstand der Beklagten nämlich nicht zum Ausschluß des Bezugsrechts der Aktionäre.

Die Befugnis zum Bezugrechtsausschluß nach § 203 Abs. 2 AktG muß dem Vorstand ausdrücklich übertragen werden. Ein Schweigen des Ermächtigungsbeschlusses läßt das Bezugsrecht der Aktionäre hingegen bestehen und vermittelt dem Vorstand keinerlei Befugnis zu dessen Ausschluß (Lutter in Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., § 203 Rn. 17; Hüffer, AktG, 4. Aufl., § 203 Rn. 21). Der Wortlaut des Hauptversammlungsbeschlusses vom 16.02.2000 über genehmigtes Kapital ist eindeutig. Danach ist der Vorstand zum Bezugsrechtsausschluß lediglich für eventuell anfallende Spitzenbeträge ermächtigt und zwar gleichermaßen, wenn die Kapitalerhöhung durch Bareinlagen oder durch Sacheinlagen vollzogen wird. Auch für den Fall der Sachkapitalerhöhung beschränkt sich die ausdrückliche Ermächtigung des Vorstands zum Ausschluß des Bezugsrechts auf diesen Sonderfall. Eine generelle Befugnis zum Bezugsrechtsausschluß wird dem Vorstand nach dem Beschlußwortlaut gerade nicht eingeräumt.

Auch die Auslegung des Ermächtigungsbeschlusses trägt die Annahme einer generellen Ermächtigung des Vorstands zum Bezugsrechtsausschluß bei Sachkapitalerhöhung nicht. In der Ermächtigung zur Kapitalerhöhung durch Sacheinlagen läge nur dann eine konkludente Ermächtigung zum Bezugsrechtsausschluß, wenn die Kapitalerhöhung durch Sacheinlagen in jedem Fall zwingend einen Bezugsrechtsausschluß zur Folge hätte. Dies ist aber nicht der Fall. Zwar ist eine Sachkapitalerhöhung regelmäßig mit einem Bezugsrechtsausschluß verbunden, denn die Einbringung einer Sacheinlage hat zur Folge, daß die für den Sacheinleger bestimmten Aktien keinem anderen Aktionär mehr angeboten werden können (Wiedemann in Großkommentar zum AktG, § 183 Rn. 57; Hüffer a.a.O. § 183 Rn. 8; vgl. auch Lutter JZ 1998, 47, 51 BGHZ 71, 41, 46 = NJW 1978, 1316; BGH AG 1995, 227, 228). Dies ist aber nicht zwingend. Ist der Sacheinleger bereits Aktionär, so kann ein Bezugsrechtsausschluß für die übrigen Aktionäre dadurch vermieden werden, daß im Wege der gemischten Kapitalerhöhung allen Aktionären Bezugsrechte entsprechend ihren bisherigen Beteiligungen eingeräumt und für einen von ihnen Sacheinlagen, für die anderen dagegen Bareinlagen festgesetzt werden (vgl. Lutter ZGR 1979, 401 406 f.). Eine reine Sachkapitalerhöhung ohne Bezugsrechtsausschluß kann zudem etwa im Wege des "Schütt-Aus-Hol-Zurück Verfahrens" durchgeführt werden (BGHZ 113, 335 = NJW 1991, 1754; BGHZ 135, 381, 384 ff. = NJW 1997, 2516 zum Schütt-Aus-Hol-Zurück-Verfahren bei der GmbH; Hüffer a.a.O. § 183 Rn. 3).

Da mithin eine Kapitalerhöhung durch Sacheinlagen auch ohne einen Ausschluß des Bezugsrechts der Aktionäre durchgeführt werden kann, ist mit der Ermächtigung zur Sachkapitalerhöhung nicht zwingend die Befugnis zum Bezugsrechtsausschluß verknüpft. Da der Ermächtigungsbeschluß, vom Bezugsrechtsausschluß für Spitzenbeträge abgesehen, eine ausdrückliche Ausschlußbefugnis nicht enthält, kann der Vorstand von dem genehmigten Kapital nicht beliebig, sondern nur in einer Weise Gebrauch machen, die das Bezugsrecht der Aktionäre bestehen läßt.

Dies bedeutet aber andererseits, daß für die Ermächtigung des Vorstands zur Kapitalerhöhung durch Sacheinlagen, gerade weil eine solche nicht notwendig mit einem Bezugsrechtsausschluß verbunden ist, die für einen Ermächtigungsbeschluß im Sinne des § 203 Abs. 2 AktG erforderlichen Voraussetzungen nicht vorliegen mußten. Diese Voraussetzungen waren nur für die vorgeschlagene Ermächtigung zum Bezugsrechtsausschluß für eventuell anfallende Spitzenbeträge zu erfüllen.

2.

Die hierauf bezogene Ausschließungsermächtigung des Vorstands der Beklagten ist durch die Veröffentlichung der Tagesordnung im Bundesanzeiger vom 05.01.2000 ausdrücklich und ordnungsgemäß bekannt gemacht worden. Zu dieser Ermächtigung wurde auch ein schriftlicher Bericht vorgelegt, der den an einen Vorstandsbericht im Sinne des § 186 Abs. 4 S. 2 AktG zu stellenden Anforderungen genügt. Der Vorstandsbericht vom Januar 2000 legte in verständlicher Weise Anlaß und Grund für die Ermächtigung des Vorstands zum Bezugsrechtsausschluß für Spitzenbeträge dar und ermöglichte der Hauptversammlung so eine sachgerechte Entscheidung über den Beschlußvorschlag.

Unerheblich ist, daß der Vorstandsbericht keinen Ausgabebetrag nennt. Dies ist bei der Schaffung genehmigten Kapitals nicht erforderlich. Da bei der Beschlußfassung über die Ermächtigung des Vorstands zur Kapitalerhöhung weder feststeht ob noch wann eine Kapitalerhöhung durchgeführt werden wird, kann die Hauptversammlung die für die Festlegung des Ausgabebetrags maßgeblichen Umstände nicht berücksichtigen. Beim genehmigten Kapital sind die Vorschriften über die Kapitalerhöhung gegen Einlagen daher auch nur sinngemäß anzuwenden. Dies bedeutet, daß der Ausgabebetrag im Hauptversammlungsbeschluß nicht festgesetzt zu werden braucht und folglich der Vorstand auch nicht verpflichtet ist, im Vorstandsbericht einen Ausgabebetrag vorzuschlagen und zu erläutern (BGHZ 136, 133, 142 = NJW 1997, 2815).

Ob der Vorstandsbericht vom Januar 2000 vor der Hauptversammlung zur Einsicht der Aktionäre in den Geschäftsräumen der Beklagten und ob er zudem bei der Hauptversammlung auslag, kann dahinstehen. Zwar muß nach ganz überwiegender Auffassung in der Literatur in analoger Anwendung des § 175 Abs. 2 AktG der Vorstandsbericht von der Einberufung der Hauptversammlung an in den Geschäftsräumen der Gesellschaft zur Einsicht der Aktionäre ausgelegt und jedem Aktionär auf Verlangen kostenlos überlassen werden (Hüffer a.a.O. § 186 Rn. 23; Hefermehl/Bungeroth in Geßler/Hefermehl, AktG, § 186 Rn. 102; Lutter a.a.O. § 186 Rn. 57). Selbst wenn der Vorstand der Beklagten dieser Verpflichtung aber nicht nachgekommen sein sollte, begründet der Verstoß gegen die Auslegungspflicht nicht die Anfechtbarkeit des Beschlusses. Ein solcher Verfahrensfehler hatte nämlich auf die Beschlußfassung keinen Einfluß. Unabhängig davon, ob mit der neuen Lehre (Hüffer in Geßler/Hefermehl a.a.O. § 243 Rn. 26 ff.; ders., AktG 4. Aufl., § 243 Rn. 13; Zöllner in Kölner Kommentar a.a.O. § 243 Rn. 81 ff.) an die Relevanz des Normverstoßes angeknüpft oder mit der zur Verletzung von Informationspflichten entwickelten Rechtsprechung darauf abgestellt wird, ob ein objektiv urteilender Aktionär in Kenntnis aller für die Beurteilung maßgeblichen Umstände anders abgestimmt hätte (BGHZ 119, 1, 18 f, = NJW 1992, 2760; BGHZ 122, 211, 239 = NJW 1993, 1976) BGH NJW 1995, 3115 f. für Fälle der unberechtigten Auskunftsverweigerung nach § 131 AktG), ist die unterlassene Auslegung des Vorstandsberichts für das Beschlußergebnis letztlich ohne Bedeutung geblieben.

Der Grund für die Ermächtigung zum Bezugsrechtsausschluß für Spitzenbeträge ist offensichtlich. Daß es dabei um die Vermeidung unpraktikabler Bezugsverhältnisse geht, die sich aus dem Verhältnis des bisherigen Grundkapitals zum Umfang der Kapitalerhöhung ergeben können, liegt auf der Hand und bedarf eigentlich keiner gesonderten Begründung. Ein solcher teilweiser Bezugsrechtsausschluß wird wegen seines geringen Umfangs und der hiermit verbundenen Erleichterung der Bezugsrechtsausübung bei glatten Bezugsverhältnissen auch allgemein für rechtlich unbedenklich erachtet (Hefermehl/Bungeroth a.a.O. § 186 Rn. 125; Hüffer a.a.O. § 186 Rn. 29; BGHZ 83, 319, 323 = NJW 1982, 2444). Dementsprechend stellen auch die Kläger die sachliche Berechtigung dieser Ermächtigung nicht in Abrede. Vor diesem Hintergrund ist die Feststellung gerechtfertigt, ein objektiv urteilender Aktionär hätte auch nach Einsichtnahme in den Vorstandsbericht vor der Hauptversammlung vom 16.02.2000 nicht gegen den teilweisen Bezugsrechtsausschluß gestimmt.

Auch die Prüfung nach der Relevanztheorie führt zu keinem anderen Ergebnis. Zweck der Auslegungspflicht ist es, die Aktionäre in die Lage zu versetzen zu prüfen, ob die sachlichen Voraussetzungen für den beabsichtigten Bezugsrechtsausschluß vorliegen. Da der Grund für den Bezugsrechtsausschluß offensichtlich und dessen sachliche Berechtigung unzweifelhaft gegeben war, ist der Verfahrensfehler auch bei wertender Betrachtung unter Berücksichtigung des Schutzinteresses der Aktionäre für das Beschlußergebnis nicht relevant geworden.

Der in der Hauptversammlung vom 16.02.2000 gefaßte Ermächtigungsbeschluß ist daher im Ergebnis weder nichtig noch anfechtbar. Die Berufungen der Kläger sind unbegründet und mit der Kostenfolge aus §§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung zur ersten Instanz folgt aus §§ 91 Abs. 1, S. 1, 100 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Unter Berücksichtigung der Bedeutung der Sache für die Parteien erscheint ein Streitwert von 100.000,00 DM angemessen (§ 247 Abs. 1 AktG). Dabei ist berücksichtigt, daß der Vorstand der Beklagten bei richtiger Auslegung des Ermächtigungsbeschlusses zu einem generellen Bezugsrechtsausschluß nicht befugt ist und daher dem mit der Anfechtungsklage verfolgten "überschießenden" Interesse der Kläger geringeres Gewicht zukommt, als dies der Fall wäre, wenn inhaltlich über die Ermächtigung zum Bezugsrechtsausschluß gestritten würde.

Ende der Entscheidung

Zurück