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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 23.07.2001
Aktenzeichen: 20 W 4/2001
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 93
Klagveranlassung für Anfechtung eines Gesellschafterbeschlusses einer KG

1.

Vor Erhebung einer gesellschaftsrechtlichen Beschlussanfechtungsklage bedarf es keiner Aufforderung durch den Kläger, den umstrittenen Beschluss innerhalb einer von ihm zu setzenden Frist wieder aufzuheben.

Dies gilt auch dann, wenn die Gesellschafterversammlung nach der Beschlussfassung zum Ausdruck bringt, eine einvernehmliche Regelung anstreben zu wollen und deshalb erklärt, auf die Einrede der Versäumung der satzungsmäßigen Frist zur Klagerhebung von einem Monat auf die Dauer von drei Monaten zu verzichten.

2.

Setzt der Kläger eine Frist zur Aufhebung des Beschlusses, ist er hieran gebunden. Klagt er dennoch vor Fristablauf, so ist trotzdem Veranlassung zur Klagerhebung dann gegeben, wenn der Gesellschafterbeschluss nicht innerhalb der Frist aufgehoben wird.


Oberlandesgericht Stuttgart - 20. Zivilsenat - Beschluß

Geschäftsnummer: 20 W 4/2001

vom 23. Juli 2001

In Sachen

Tenor:

I.

Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen die Kostenentscheidung des Anerkenntnisurteils der 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Rottweil vom 15.01.2001 wird zurückgewiesen.

II.

Die Beklagten tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner.

Streitwert des Beschwerdeverfahrens: bis 20.000,00 DM

Gründe:

I.

Die Klägerin ist Kommanditistin der Firma W GmbH & Co. KG, die mit einem Kapital von 200.000,00 DM ausgestattet ist. Die Klägerin hält einen Kommanditanteil von 40.000,00 DM. Sie ist auch als Mitarbeiterin in der KG tätig. Die Beklagte Ziff. 4 ist persönlich haftende Gesellschafterin ohne Kapitalanteil und Geschäftsführerin der KG, die Beklagten Ziff. 1 bis 3 sind Kommanditisten mit Anteilen von 140.000,00 DM, 2.000,00 DM bzw. 18.000,00 DM.

Die Gesellschafterversammlung der KG hat am 02.10.2000 in Abwesenheit der Klägerin deren Ausschluß aus der Gesellschaft sowie die fristlose Kündigung ihres Dienstverhältnisses zur Gesellschaft beschlossen.

Im Anschluß an diese Beschlußfassung ist im Protokoll vermerkt:

..."Die anwesenden Gesellschafter streben unbedingt eine gütliche Auseinandersetzung an. Aus diesem Grunde wird hiermit auf die Einrede der Fristversäumnis nach § 8 Abs. 14 des KG-Vertrags bis zum 31.12.2000 verzichtet. Hierdurch soll ausreichend Gelegenheit gegeben werden zu Gesprächen mit dem Ziel einer einvernehmlichen Regelung."

Gemäß § 8 Abs. 14 des Gesellschaftsvertrags kann die Unwirksamkeit von fehlerhaften Gesellschafterbeschlüssen, deren Inhalt nicht gegen zwingende gesetzliche Vorschriften verstößt, nur innerhalb eines Monats nach Zugang der Protokollabschrift durch Klage geltend gemacht werden.

Das Protokoll der Gesellschafterversammlung vom 02.10.2000 wurde der Klägerin am 27.10.2000 zugestellt. Mit Schreiben vom 07.11.2000 wandte sich die Klägerin über ihren Prozessbevollmächtigten an die KG und vertrat die Ansicht, die Beschlüsse seien aus verschiedenen Gründen unwirksam. Sie forderte die KG deshalb auf, die beiden Beschlüsse durch weitere Gesellschafterbeschlüsse in ordnungsgemäßer Versammlung oder im Umlaufwege bis längstens 25.11.2000 aufzuheben und kündigte an, bei ungenutztem Verstreichen dieser Frist Klage zu erheben. Weiter führte die Klägerin aus, es sei fraglich, ob ohne Änderung des Gesellschaftsvertrags auf die Einhaltung der satzungsmäßigen Klagefrist verzichtet und die Frist bis 31.12.2000 verlängert werden könne. Auch habe neben ihr auch die Gesellschafterin D sen. an der Versammlung nicht teilgenommen und dem Verzicht auf die Einhaltung der Klagefrist nicht zugestimmt. Sie werde sich daher nicht darauf einlassen, die satzungsmäßige Klagefrist verstreichen zu lassen.

Am Mittwoch, den 22.11.2000, also vor Ablauf der bis 25.11.2000 gesetzten Frist, erhob die Klägerin Klage mit dem Ziel, die Unwirksamkeit der beiden Beschlüsse feststellen zu lassen. Am gleichen Tage wandte sich der Beklagtenvertreter an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin und bat um Verlängerung der mit Schreiben vom 07.11.2000 gesetzten Stellungnahmefrist um eine Woche, da eine Besprechung mit dem Geschäftsführer erst in der kommenden Woche möglich sei. Mit Antwortschreiben ebenfalls vom 22.11.2000 teilte der Klägervertreter mit, zur Vermeidung einer eigenen Haftung keine Fristverlängerung gewähren zu können, da die ablaufende satzungsmäßige Frist zur Klagerhebung nicht habe abbedungen werden können. Im übrigen habe er bereits Klage erhoben. Innerhalb der im schriftlichen Vorverfahren gesetzten Klagerwiderungsfrist haben die Beklagten am 14.12.2000 die Klageanträge unter Verwahrung gegen die Kosten anerkannt.

Durch Anerkenntnisurteil vom 15.01.2001 hat das Landgericht sodann die Unwirksamkeit der angegriffenen Gesellschafterbeschlüsse festgestellt und die Kosten des Rechtsstreits den Beklagten auferlegt mit der Begründung, diese hätten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben.

II.

Die Beklagten haben der Klägerin Veranlassung zur Klagerhebung im Sinne von § 93 ZPO gegeben.

1.

Der unterlegenen Minderheit steht als Grundpfeiler des Gesellschaftsrechts das uneingeschränkte Recht zu, die Übereinstimmung oder Nichtübereinstimmung von Beschlüssen der Gesellschaft mit Gesetz und Satzung überprüfen und feststellen zu lassen.

Die Mehrheit ist daher, und auch schon als Ausfluss der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht, gehalten, nur Beschlüsse zu fassen, die einer Rechtmäßigkeitskontrolle in formeller und materieller Hinsicht voraussichtlich standhalten werden, zumal Gesellschafterbeschlüssen rechtsgestaltende Wirkungen zukommen. Vor diesem Hintergrund muss und darf die Minderheit zugleich davon ausgehen, dass der Mehrheitswille eine endgültige Entscheidungsfindung der Gesellschaft darstellt, die unabhängig davon ist, ob die überstimmte Minderheit sie hinnimmt oder ob sie dagegen Klage erhebt. Es besteht daher grundsätzlich keine Pflicht, vor Klagerhebung die Gesellschaft bzw. die Gesellschafter abzumahnen und zu einer korrigierenden Beschlussfassung anzuhalten. Klagveranlassung gibt die Gesellschaft bereits durch ihre Beschlussfassung selbst (in diesem Sinne OLG Frankfurt, DB 1993, 35f; a.A. OLG Naumburg, NJW-RR 1998, 1195).

2.

Eine andere Beurteilung ist hier nicht wegen der im Protokoll der Versammlung im Anschluss an die streitgegenständliche Beschlussfassung angesprochenen Einigungsbestrebungen und die damit verbundene Verlängerung der Klagefrist geboten.

Das rechtlich geschützte Interesse der Klägerin, die Rechtmäßigkeit gefasster Beschlüsse möglichst umgehend überprüfen lassen zu können, kann von der Mehrheit nicht ausgeschlossen werden, zumal es sich bei dem Ausschluss aus der Gesellschaft um den schwerwiegendsten Eingriff in Gesellschafterrechte handelt. Hinzu kommt, dass gemäß § 15 Abs. 4 S. 2 des Gesellschaftsvertrags die Beschlüsse solange als wirksam zu behandeln sind, bis ihre Unwirksamkeit rechtskräftig festgestellt wird. Die Klägerin war daher auf eine möglichst umgehende Klärung der Rechtslage angewiesen.

Nachdem die Mitgesellschafter durch ihre Beschlussfassung Fakten geschaffen hatten und die Klägerin hierdurch zum Handeln gezwungen war, war sie nicht gehalten, zunächst auf eine gütliche Einigung zu setzen und auf ihr Recht, die Beschlüsse anzugreifen, vorerst zu verzichten, zumal ihre rechtlichen Bedenken gegen ein Verstreichenlassen der satzungsmäßigen Anfechtungsfrist zumindest nachvollziehbar sind.

3.

Dadurch, dass die Klägerin mit ihrem Schreiben vom 07.11.2000 der KG und deren Gesellschaftern Frist bis 25.11.2000 gesetzt hat, die Beschlüsse zu korrigieren, hat sie jedoch zugesagt, bis dahin keine Klage zu erheben. Hierauf durften sich die Beklagten verlassen und mussten vor Ablauf der Frist nicht mit einer Klage rechnen. Durch ihre Fristsetzung hat die Klägerin selbst einer einvernehmlichen Lösung den Vorzug eingeräumt und dabei deutlich gemacht, zu Verhandlungen über ein Ausscheiden bereit zu sein, wenn der von den Beklagten beschlossene Zwangsausschluss rückgängig gemacht wird. Hätten die Beklagten innerhalb der Frist die Beschlüsse aufgehoben, hätte daher keine Klagveranlassung bestanden.

Die Beklagten haben jedoch die von der Klägerin gesetzte Frist verstreichen lassen, ohne inhaltlich zu ihrer Forderung Stellung genommen.

Mit Ablauf der Frist war damit Veranlassung zur Klagerhebung gegeben.

Die Ablehnung der Klägerin, diese Frist auf Antrag der Beklagten um eine Woche, also bis zum 02.12.2000, und damit über die satzungsmäßige Monatsfrist hinaus zu verlängern, ist aus den unter II. 2) genannten Gründen nicht zu beanstanden, zumal die Klägerin in ihrem Schreiben vom 7.11.2000 im Hinblick auf die Satzungslage schon vorsorglich darauf hingewiesen hatte, eine Fristverlängerung komme nicht in Betracht.

4.

An der Klagveranlassung ändert sich nichts dadurch, dass die Klägerin bereits vor Ablauf der Frist Klage erhoben hat.

Zwar hat die Klägerin mit ihrer vorzeitigen Klageerhebung das Risiko in Kauf genommen, dass die Beklagten innerhalb der gesetzten Frist noch einlenken und die Beschlüsse aufheben könnten, die Klage also leer läuft. Die Klägerin hätte dann ggfs. die Kosten tragen müssen.

Dieser Fall ist jedoch nicht eingetreten. Vielmehr hatten die Beklagten, wie auch die Bitte ihres Prozessbevollmächtigten um Fristverlängerung zeigt, bis zum 22.11.2000 noch keinerlei Schritte unternommen, bis zum gesetzten Termin eine Klärung herbeizuführen, sie hatten weder eine Gesellschafterversammlung einberufen noch ein Beschlussumlaufverfahren in die Wege geleitet, um die Rückgängigmachung der Beschlüsse zu veranlassen. Sie waren zur Einhaltung der Frist ersichtlich nicht in der Lage.

Dass die Klägerin, nicht mehr mit einer rechtzeitigen Aufhebung der Beschlüsse rechnend, bereits vor Fristablauf Klage erhoben hatte, entband die Beklagten nicht davon, zur Vermeidung von Kostennachteilen die Frist zu wahren und damit den Nachweis dafür zu liefern, dass die Klage unnötig war. Ihr Anerkenntnis kam daher, auch wenn es rechtlich entsprechende Folgen wie die verlangte Aufhebung der Gesellschafterbeschlüsse hatte, zu spät. Auch ist es gegenüber der zum 25.11.2000 geforderten Beschlussaufhebung nicht ganz gleichwertig, da die Wirkung erst mit dem Anerkenntnisurteil vom 15.01.2001 eintrat und nach § 15 Abs. 4 der Satzung die Klägerin somit länger als ausgeschlossen zu behandeln war.

Ende der Entscheidung

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