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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 14.01.2004
Aktenzeichen: 3 U 148/03
Rechtsgebiete: HGB, RBerG, BGB, GG


Vorschriften:

HGB § 425
HGB § 435
HGB § 449
RBerG Art. 1 § 1
RBerG Art. 1 § 5
BGB § 254
GG Art. 12
1. Die Forderungseinziehung durch die Transportversicherung gehört zu deren Geschäftsbetrieb und ist vom Erlaubniszwang des Art. 1 § 1 RBerG befreit.

2. Die Sorgfaltsanforderungen an den massenweisen Paketverkehr sind nicht reduziert. Paketsendungen im Massenverkehr können nicht briefähnlichen Sendungen im Sinne des § 449 Abs. 1 HGB gleichgesetzt werden.

3. Vereinbarungen über reduzierte Sorgfaltsanforderungen im Massenverkehr mit Paketen betreffen nicht die Hauptleistungspflichten des Frachtvertrags, sondern stellen Haftungsbeschränkungen dar, die den Anforderungen des § 449 HGB genügen müssen.

4. Die fehlende Wertangabe kann ein Mitverschulden des Versenders begründen, wenn er Kenntnis davon hat, dass das Gut bei zutreffender Wertangabe mit größerer Sorgfalt behandelt wird. FalseFalseFalse1.2Geschäftsnummer:


Oberlandesgericht Stuttgart 3. Zivilsenat Im Namen des Volkes Urteil

3 U 148/03

Verkündet am 14. Januar 2004

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart auf die mündliche Verhandlung vom 17. Dezember 2003 unter Mitwirkung von

Vors. Richter am Oberlandesgericht Richter Richter am Oberlandesgericht Oechsner Richterin am Landgericht Barth

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 17. Juli 2003 wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 28.737,50 €

Gründe:

I.

Die Beklagte wendet sich mit ihrer Berufung gegen die Verurteilung des Landgerichts zur Leistung von Schadensersatz im Rahmen einer Paketbeförderung.

Die Beklagte übernahm am 10.10.2002 die Beförderung zweier Pakete der Firma , der Versicherungsnehmerin der Klägerin. Eines dieser Pakete ist nicht angekommen. Die Klägerin ist Transportversicherer der Firma und hat den Versicherungsfall in Höhe eines Schadens von 25.000,00 € reguliert. Insgesamt sollen in dem verloren gegangenen Paket 475 Computerarbeitsspeicher im Warenwert von 28.737,50 € enthalten gewesen sein.

Die Klägerin hat den Gesamtschaden aus abgetretenem Recht, in Höhe eines Regulierungsbetrags von 25.000,00 € auch aus übergegangenem Recht geltend gemacht.

Die Beklagte hat die Aktivlegitimation der Klägerin bestritten und darüber hinaus auch den Paketinhalt und dessen Wert. Außerdem hat sie auf die Haftungsbegrenzung in den Allgemeinen Beförderungsbedingungen verwiesen und Mitverschulden der Versicherungsnehmerin der Klägerin eingewandt.

Wegen des Sach- und Streitstands in erster Instanz wird auf die tatsächlichen Feststellungen im landgerichtlichen Urteil Bezug genommen.

Das Landgericht hat der Klage mit dem am 17. Juli 2003 verkündeten Urteil stattgegeben.

Es hat die Aktivlegitimation der Klägerin aufgrund der Abtretungen ihrer Versicherungsnehmerin für gegeben angesehen. Eine Unwirksamkeit dieser Abtretung wegen Verstoßes gegen Art. 1 § 1 Abs. 1 Nr. 5 RBerG läge nicht vor. Schon der Tatbestand des Art. 1 § 1 Abs. 1 Nr. 5 RBerG sei nicht gegeben, wenn die Forderungseinziehung nur ausnahmsweise und nicht geschäftsmäßig vorgenommen werde. Im vorliegenden Fall liege die primäre Geschäftstätigkeit der Klägerin darin, in Korrelation zur Verpflichtung zu Versicherungsleistungen auch entsprechenden Regress zu nehmen. Die Vorgehensweise hinsichtlich der Abtretung sei vernünftig und prozessökonomisch und liege darüber hinaus auch im Interesse der Beklagten. Dies gelte auch hinsichtlich der über die Leistungsverpflichtung der Klägerin gegenüber ihrer Versicherungsnehmerin hinausgehenden Forderung in Höhe von 3.737,50 €.

Darüber hinaus sei auch ein Ausnahmetatbestand des Art. 1 § 5 Nr. 1 RBerG gegeben, da die Geltendmachung von Regreßforderungen in unmittelbarem Zusammenhang mit der Versicherungstätigkeit stehe. Auch der Schutzzweck des Rechtsberatungsgesetzes erfordere im vorliegenden Fall nicht dessen Anwendung.

Hinsichtlich der verlustig gegangenen Lieferung hat das Landgericht prima facie als erwiesen betrachtet, dass die übergebene Gesamtsendung 16 Arbeitsspeicher zum Wert von 1.868,80 € netto und 475 Arbeitsspeicher zum Wert von 28.737,50 € enthalten habe. Aufgrund der Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeugen und hat es darüber hinaus für erwiesen erachtet, dass ein Paket mit 475 Arbeitsspeichern im Wert von 28.737,50 € verloren gegangen sei.

Da die Beklagte ihrer sekundären Darlegungslast hinsichtlich der Organisation des Transports nicht nachgekommen sei, seien die im Rahmen des § 435 HGB geltenden Grundsätze zum groben Organisationsverschulden anzuwenden und der Beklagten leichtfertiges Handeln vorzuwerfen. Aus diesem Grunde könne sie sich auch nicht auf Haftungsbegrenzungen in Nr. 9.2 der Allgemeinen Beförderungsbedingungen berufen. Schließlich sei gerade für den Fall der Leichtfertigkeit und des Vorsatzes diese Haftungsbeschränkung selbst nach den Allgemeinen Beförderungsbedingungen der Beklagten nicht anwendbar.

Eine Kürzung des Anspruchs wegen eines Mitverschuldens der Versicherungsnehmerin sei nicht vorzunehmen. Die Beklagte habe den Wert der Sendung nicht in einer Weise abgefragt, die für die Versicherungsnehmerin der Klägerin habe erkennbar werden lassen, dass eine Wertdeklaration zu einer besonders sorgsamen Beförderung der Beklagten führen würde. Auch im Hinblick darauf, dass ein ungewöhnlich hoher Schaden entstehen könne, läge im vorliegenden Fall ein Mitverschulden der Firma nicht vor. Eine entsprechende Obliegenheit im Sinne des § 254 Abs. 2 S. 1 Fall 2 BGB sei nur dann gegeben, wenn der Schuldner die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens weder kannte noch kennen musste. Die Beklagte habe jedoch aufgrund ihrer Geschäftsbeziehung mit der Versenderin und aus der hohen Zahl der täglichen Transportaufträge gewusst oder jedenfalls wissen müssen, dass die Sendungen in der Regel hochwertige Bauteile von Computern enthalten.

Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Landgerichts verwiesen.

Gegen dieses dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 22. Juli 2003 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 8. August 2003 mit dem Ziel der Klagabweisung Berufung eingelegt und diese am 1. September 2003 form- und fristgerecht begründet.

Die Beklagte macht geltend, die Parteien hätten im Rahmen ihrer Privatautonomie eine Massenbeförderung ohne Kontrolle des Transportweges wirksam vereinbart. Dies ergebe sich aus Nr. 2 der Allgemeinen Beförderungsbedingungen. Eine solche Leistungsbeschreibung unterläge auch nicht der Inhaltskontrolle des AGB-Gesetzes bzw. §§ 307 ff BGB. Die Beklagte biete drei verschiedene Leistungen an, die jeweils unterschiedliche Servicestandards aufwiesen. Ohne besondere Vereinbarung sei nach den Bedingungen im Interesse eines niedrigen Beförderungsentgelts eine Massenbeförderung ohne Kontrolle des Transportwegs wie bei Briefen gewählt worden. Um einen höheren Sicherheitsstandard zu erhalten, hätte die Versicherungsnehmerin eine Wertangabe treffen müssen. Die Beförderung als Wertpaket sei jedoch gerade nicht in Auftrag gegeben worden.

Es könne nicht angehen, dass der Kunde bewusst eine Standardsendung, die die billigste Form darstelle, wähle, im Nachhinein jedoch den dadurch vereinbarten Sicherheitsstandard umgehe und einen viel höheren Standard verlange. § 449 HGB stehe einer solchen Vereinbarung nicht entgegen. Sendungen wie die hier vorliegende seien als briefähnlich anzusehen, weil sie im postalischen Massenverkehr transportiert würden.

Die Vereinbarung einer solchen Massenbeförderung ohne Kontrolle des Transportwegs stelle eine ausgehandelte Leistungsbeschreibung im Sinne des § 449 Abs. 2 HGB dar. Wenn die Beklagte drei verschiedene Arten einer Versendung anböte, biete sie der Versenderin maximale Wahlmöglichkeiten und umfassende Entscheidungsfreiheit.

Die drei Versendungsarten seien auf dem Markt allgemein bekannt. Sie würden den Kunden vor Auftragserteilung auch vorgestellt, indem diese Broschüren und Merkblätter ausgehändigt bekommen.

Im Rahmen dieses vereinbarten, geringen Sorgfaltsstandards habe die Beklagte nicht leichtfertig gehandelt.

Selbst wenn man zu einer Haftung käme, wäre die nach Nr. 9 der Beförderungsbedingungen vereinbarte Haftungsgrenze von 1.000,00 DM zu beachten. Dem Versender werde dort vor Augen geführt, dass die Wertangabe entscheidendes Kriterium für den Umfang der Beförderungskontrollen und die Schadensabwicklung sei. Mit dem Unterlassen der Wertangabe und der Wahl der Standardsendung lege der Versender verbindlich fest, dass seine Sendung keinen über 1.000,00 DM hinausgehenden kommerziellen Wert habe und er deswegen keine Wert auf besondere Sicherungsmaßnahmen lege. Nur so könne die Beklagte eine angemessene Versicherung der Sendung ermöglichen.

Der Versender könne im Verhältnis zum Transporteur auch nicht besser gestellt werden, als gegenüber der Transportversicherung, die die Versicherungssumme ebenfalls beschränkt habe.

Es sei Sache des Versenders, vor einer Versendung zu überprüfen, welche Sicherheitsanforderungen an die Versendung gestellt werden müssten. Dies geschehe in der Praxis auch, insbesondere mit Blick auf den wirtschaftlichen Wert der Sendung.

Darüber hinaus sei es dem Versender mit den Beförderungsbedingungen zur Obliegenheit gemacht, bei höheren Werten als 1.000,00 DM eine Wertangabe zu treffen. Das Unterlassen einer Wertangabe komme einer falschen Angabe und damit einer Obliegenheitsverletzung aus dem Beförderungsvertrag gleich. Schon aus diesem Gesichtspunkt müsse der Schadensersatz auf 1.000,00 DM begrenzt sein.

Bei der Beurteilung der an den Transporteur zu stellenden Sorgfaltsanforderungen hätten die Gerichte darüber hinaus Art. 12 GG und die dadurch geschützte Berufsfreiheit der Beklagten zu beachten. Diese befriedige einen offensichtlich auf dem Markt bestehenden erheblichen Bedarf an preiswerter Massenbeförderung zu Briefbedingungen und übe damit einen abgrenzbaren Beruf aus. Die Ausübung dieser Tätigkeit dürfe nicht durch übersteigerte Sorgfaltsanforderungen unmöglich werden.

Schließlich treffe den Versender bei Unterlassen einer Wertangabe ein erhebliches Mitverschulden. Denn der Beklagten werde die Möglichkeit genommen, den Ort des Schadenseintritts einzugrenzen und dem Vorwurf grob fahrlässigen Organisationsverschuldens entgegenzutreten. Dieses Mitverschulden sei hier in Höhe von 80 % anzunehmen.

Weiterhin werde auch die Aktivlegitimation der Klägerin bestritten. Die Einziehung fremder Forderungen durch die Klägerin bedürfe einer Erlaubnis nach Art. 1 § 1 RBerG. Diese Erlaubnispflichtigkeit könne nicht durch eine Auslegung der Gerichte umgangen werden.

Die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts seien insofern anzugreifen, als nach wie vor bestritten sei, dass die angeblich verloren gegangene Sendung den von der Klägerin behaupteten Inhalt gehabt habe. Die Zeugenaussagen hätten insoweit keinen Beweis erbringen können. Es könne auch kein Anscheinsbeweis in Betracht kommen, weil weder Empfangsbestätigung noch Lieferschein vorhanden seien. Die Rechnung lasse keinen Bezug auf das verlorene Paket erkennen. Es bleibe offen, welche Ware in welchem der beiden Pakete gewesen sei. Darüber hinaus sei der Rechtsprechung zum Anscheinsbeweis hinsichtlich der versendeten Waren nicht zu folgen. Der BGH verkenne, dass es dem Frachtführer praktisch unmöglich sei, den Anscheinsbeweis durch substanziierten Vortrag zu erschüttern. Denn die Verpackung der Sendung geschehe im Bereich des Versenders, auf den der Frachtführer keinerlei Einblick habe.

Die Rüge der Klägerin, die Allgemeinen Geschäftsbedingungen seien nicht einbezogen, sei verspätet.

Die Beklagte beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Stuttgart vom 17.7.2003 (Az.: 36 O 34/03 KfH) die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie führt aus, die Geltendmachung der konkreten Schadensersatzansprüche unterfalle nicht dem Rechtsberatungsgesetz.

Der Inhalt der streitgegenständlichen Sendung sei durch die Sendungspapiere belegt und prima facie bewiesen.

Die wirksame Einbeziehung der Beförderungsbedingungen der Beklagten sei ausdrücklich bestritten. Der angeblich vereinbarte Kontrollverzicht sei unwirksam.

Der Beklagten habe außerdem im Hinblick auf die Firmierung der Versicherungsnehmerin der Klägerin sowie auch aufgrund der Vielzahl der für die Versicherungsnehmerin beförderten Sendungen bekannt sein müssen, mit welcher Art Gütern die Versicherungsnehmerin Handel treibe und dass diese Computerteile regelmäßig einen hohen Wert hätten. Eine andersartige Behauptung der Beklagten sei treuwidrig. Eine Wertdeklaration führe nicht zu einer höheren Sorgfalt, da die Wertsendungen in den normalen Sendungsverkehr eingespeist und mit den übrigen Sendungen befördert würden. Ein- und Ausgangskontrollen an den verschiedenen Umschlagsbasen fänden nicht statt. Die unterlassene Wertdeklaration habe daher auch keine Kausalbeziehung zum streitgegenständlichen Schaden.

Wegen des weiteren Parteivortrags im Berufungsverfahren wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen, sowie das Sitzungsprotokoll vom 17.12.2003 (Bl. 159 f. d.A.) Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Die Klägerin hat Anspruch auf Erstattung des Warenwerts der verloren gegangenen Sendung aus abgetretenem Recht.

1.

Die Klägerin ist aktivlegitimiert.

Gemäß § 67 VVG ist der Schadensersatzanspruch der Versicherungsnehmerin der Klägerin durch Regulierung des Versicherungsfalls in Höhe von 25.000,00 € übergegangen. Einwände hiergegen sind nicht erhoben.

Unabhängig davon ist jedoch auch die Abtretung in einem Gesamtumfang der Schadensersatzforderung wirksam. Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 1 RBerG verbietet eine entsprechende Abtretung nicht.

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Abtretung selbst bereits unter den Anwendungsbereich des Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG fällt oder nur die reine Forderungseinziehung (OLG Oldenburg TranspR 2003, 76, 77) und ob die Klägerin derartige Abtretungen geschäftsmäßig vornimmt, um die Forderungen für die Versicherungsnehmer einzuziehen.

Von Transportversicherungen wird die Abtretung der Gesamtschadensersatzforderung der Versicherungsnehmer oft deshalb gewählt, um Beweisschwierigkeiten hinsichtlich des Umfangs des gesetzlichen Forderungsübergangs gemäß § 67 VVG zu vermeiden.

Letztlich kann auch offen bleiben, ob überhaupt von einer Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten auszugehen ist, weil die Regressforderung der Klägerin eindeutig im Vordergrund steht. In Höhe des regulierten Betrags von 25.000,00 € erfolgt die Forderungseinziehung und die hierfür vorgenommene Abtretung in Wahrnehmung eigener Interessen. Insoweit die Klägerin auf den Versicherungsfall geleistet hat, erstrebt sie berechtigterweise einen Regress. Insoweit ist die Forderungseinziehung nicht als Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten i.S.d. Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 1 RBerG anzusehen (vgl. OLG Stuttgart NJW-RR 1988, 1311). Die abgetretene Forderung überschreitet den Betrag der Regulierung demgegenüber nur geringfügig.

Zu Recht weist das Landgericht auf die Freistellung vom Erlaubniszwang des Art. 1 § 5 Nr. 1 RBerG hin (OLG Oldenburg aaO; OLG Köln TranspR 2003, 116, 117; a.A. OLG Düsseldorf, Urteil v. 12.02.2003, Az.: 18 U 265/00). Es gehört zum Geschäftsbetrieb der Klägerin, Versicherungsfälle zu regulieren, was zu einem gesetzlichen Forderungsübergang führt, der einen Regress der Versicherung beim Schadensverursacher ermöglicht. Damit stellt schon das Gesetz einen engen, gesetzlichen Zusammenhang zwischen Versicherungsleistung und Geltendmachung der Schadensersatzforderung im Regresswege her. Der Regreß gehört damit zum Geschäftsbetrieb der Versicherung. Er ist von der versicherungswirtschaftlichen Tätigkeit, in die die Schadensregulierung fällt, nicht zu trennen (OLG Oldenburg aaO).

Wenn über den regulierten Betrag hinaus auch ein kleiner weiterer Teil der Schadensersatzforderung abgetreten wird, um eine einheitliche Inanspruchnahme des Schadensverursachers zu ermöglichen, so ist auch dies in unmittelbarem und engem Zusammenhang mit dem Geschäftsbetrieb des Versicherers zu sehen und die Forderungseinziehung für den Versicherungsnehmer gemäß Art. 1 § 5 Nr. 1 RBerG dem Erlaubniszwang des Art. 1 § 1 RBerG entzogen.

Zwar kann die Klägerin ihre versicherungswirtschaftliche Haupttätigkeit auch ohne die Einziehung der Forderung des Versicherungsnehmers ausführen, dies schließt die Anwendung des Art. 1 § 5 Nr. 1 RBerG jedoch nicht aus (Rennen/Caliebe, Rechtsberatungsgesetz, Art. 1 § 5 Rn. 8, OLG Oldenburg aaO). Die Anwendung des Art. 1 § 5 Nr. 1 RBerG ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil der rechtsbesorgende Charakter der Tätigkeit der Klägerin im Vordergrund stünde (vgl. OLG Oldenburg aaO). Die Einziehung der Schadensersatzforderung gegen den Schädiger stellt gegenüber der Haupttätigkeit der Versicherung ein untergeordnetes Hilfs- oder Nebengeschäft dar, das der Kunde im Sinne einer prozessökonomischen und beschleunigten Schadensabwicklung erwarten kann. Im Vordergrund steht aber weiterhin die eigentliche Haupttätigkeit der Versicherung, die Prüfung und Regulierung des Versicherungsfalls, nicht aber eine Rechtsbesorgung für den Versicherungsnehmer.

2.

Zu Recht ist das Landgericht von einer Haftung der Beklagten auf Grund eines qualifizierten Verschuldens i.S.d. § 435 HGB ausgegangen.

Die Beklagte ist ihrer sekundären Darlegungslast über die Transportwege, die organisatorischen Sicherungsmaßnahmen, insbesondere die notwendigen Schnittstellenkontrollen nicht nachgekommen.

Auf die zutreffenden Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung wird insoweit Bezug genommen.

Das Berufungsvorbringen ist nicht geeignet, den Anspruch der Klägerin in Frage zu stellen.

a) Wenn die Beklagte vorträgt, mit der Versicherungsnehmerin der Klägerin sei ein Vertrag zustandegekommen, bei dem auf die Einhaltung von Sorgfaltspflichten wie bei Briefsendungen verzichtet worden sei und dies unterliege nicht der gerichtlichen Kontrolle, so kann dem nicht gefolgt werden.

Zwischen den Parteien ist ein Frachtvertrag über Paketsendungen zustande gekommen, dessen Hauptleistungspflichten in der Beförderung der Pakete gegen Entgelt besteht. Kommt es hierbei zu einer Beschädigung oder einem Verlust der Sendung, so führt dies bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen (§§ 425 ff. HGB) zu eine Schadensersatzhaftung. Die Sorgfaltspflichten, deren Verletzung das Verschulden begründen, sind daher lediglich Haftungsvoraussetzungen. Jede vertragliche Änderung der gesetzlich vorgesehenen Sorgfaltsanforderungen ist daher an § 449 HGB zu messen.

Dies gilt auch hinsichtlich der von der Beklagten behaupteten Beförderungsleistung ohne jegliche Kontrollen. Es handelt sich nicht um eine Beförderungsvereinbarung sui generis, sondern um einen typischen Frachtvertrag mit der behaupteten Einschränkung der Sorgfaltsanforderungen. Ziel einer solchen Vereinbarung ist allein die Haftungsbeschränkung. Wenn ein Frachtvertrag abgeschlossen ist, so unterliegt dieser in vollem Umfang den gesetzlichen Regelungen und damit auch dem § 449 HGB.

b) Die Voraussetzungen des § 449 Abs. 2 Satz 1 HGB sind schon nicht vorgetragen.

Die Beförderung von Paketen, die in aller Regel einen Inhalt von gewissem Wert haben und nicht ohne Kundenkontakt stattfindet, kann nicht mit der Brief- oder briefähnlichen Sendung gleichgesetzt werden (Koller, Transportrecht, 4. Aufl. § 449 HGB Rn. 29 f. unter Bezug auf die Begründung des Gesetzentwurfs zum TRG). Für eine Änderung der gesetzlich geregelten Haftungsvoraussetzungen, insbesondere der Haftungsbeschränkung, bedarf es daher einer individualvertraglichen Vereinbarung. Die differenzierte Regelung im § 449 Abs. 2 HGB zeigt auf, dass grundsätzlich die Einbeziehung allgemeiner Geschäftsbedingungen hierfür nicht ausreicht.

Zu einer solchen Individualabrede zwischen den Parteien ist nicht vorgetragen. Die pauschale Behauptung, der Versenderin seien drei verschiedene Sendungsarten angeboten worden, ist nicht näher substantiiert. Aus den vorgelegten Beförderungsbedingungen ergibt sich derartiges nicht. Die Einbeziehung der von der Beklagten herangezogenen Beförderungsbedingungen ist darüber hinaus schon seit Klagerhebung streitig und weder substantiiert dargelegt noch bewiesen. Es kann daher auch dahingestellt bleiben, ob eine entsprechende Vereinbarung dann vorliegt, wenn die Allgemeinen Beförderungsbedingungen vom Versender akzeptiert wurden. Dies würde aber voraussetzen, dass darüber verhandelt wurde oder zumindest die ernsthafte Bereitschaft des Verwenders offengelegt wurde, über Klauseln zu diskutieren oder sie zu ändern (Koller aaO Rn. 46). Hiervon ist bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht ohne weiteren Vortrag auszugehen.

Die pauschale Behauptung Broschüren und Merkblätter würden den Kunden vor Auftragserteilung ausgehändigt, vermag eine Vereinbarung nicht zu begründen.

c) Eine Beschränkung der Sorgfaltsanforderungen bei Massenpaketbeförderungen ist auch nicht aus anderen Gründen geboten.

Dagegen, dass die beteiligten Verkehrskreise bei günstigen Preisen nicht mit der Einhaltung von herkömmlichen Sorgfaltsanforderungen, insbesondere Schnittstellenkontrollen rechnen dürfen, spricht schon die gesetzliche Regelung des § 449 HGB. Für alle anderen als Brief- oder briefähnlichen Sendungen ist die Abweichung von den Vorschriften der §§ 425 - 438 HGB entweder gar nicht, oder nur unter besonderen Voraussetzungen möglich. Dies spricht dafür, dass die Sicherheitsvorkehrungen im Massenverkehr mit Paketen nicht herabgesetzt werden sollten (vgl. BGH TranspR 2002, 452, 456).

Die Beklagte ist auch nicht schutzlos einem Missbrauch der Massenbeförderung zu günstigen Tarifen durch die Kunden ausgesetzt Die Beklagte kann einerseits den Wert der Leistungen konkret abfragen und hieran die Tarife koppeln, gegebenenfalls die Beförderung ablehnen. Das Gesetz unterscheidet nicht zwischen Massenbeförderung von Paketen und individuellen Frachtverträgen für werthaltige Güter, vielmehr macht die Regelung des § 449 HGB gerade deutlich, dass der Gesetzgeber über die dortige Ausnahme für Briefe und briefähnliche Sendungen nicht hinausgehen wollte.

Auch Art. 12 Abs. 1 GG gebietet keine andere Beurteilung. Die Sorgfaltsanforderungen, bzw. die Möglichkeiten einer Haftungsbeschränkung, sind gesetzlich geregelt und für alle beteiligten Unternehmen gleich. Sie können allenfalls unter dem Gesichtspunkt einer Berufsausübungsbeschränkung beurteilt werden. Solche sind jedoch durch jede vernünftige Erwägung des Gemeinwohls legitimiert (Jarass/Pieroth, GG, 6 Aufl., Art. 12, Rn. 36 m.w.N.). Ob Frachtführer die Beförderung, unter Berücksichtigung der erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen, rentabel anbieten können, ist letztlich eine Frage des Markts und des Wettbewerbs. Es ist jedoch nicht die Aufgabe des Art. 12 Abs. 1 GG, den Frachtführern durch Herabsetzung von Sorgfaltsanforderungen und damit der Möglichkeit einer günstigeren Tarifgestaltung ein bestimmtes Wettbewerbsniveau zu eröffnen, vielmehr verbietet Art. 12 GG Wettbewerbsverzerrungen (Jarass/Pieroth aaO). Außerdem ist die Möglichkeit einer Haftungsbeschränkung für den unternehmerischen Bereich durch Individualabrede in § 449 Abs. 2 Satz 1 HGB geschaffen.

Der Vergleich mit Haftungshöchstgrenzen bei Transportversicherung greift nicht durch. Versicherungsverträge haben eine andere Hauptleistungspflicht zum Gegenstand. Begrenzungen ergeben sich dort in aller Regel aus dem Gesetz oder den konkreten Vereinbarungen. Entsprechende Vereinbarungen stünden der Klägerin im Rahmen des § 449 HGB auch offen.

d) Hinsichtlich des Vorliegens eines qualifizierten Verschuldens gemäß § 435 HGB kann vollumfänglich auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen werden. Hiergegen bringt die Berufung nichts vor.

3.

Nicht zu beanstanden ist die Beweiswürdigung der ersten Instanz, wonach das verloren gegangene Paket 475 Computerspeicher enthalten hat und deren Wert 28.737,50 € betragen hat.

a) Gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist das Berufungsgericht an die Feststellungen erster Instanz gebunden, wenn nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen gegeben sind. Solche Anhaltspunkte sind nicht gegeben.

Zwar gab der Zeuge an, dass kein Lieferschein angekommen sei. Auch ist der Berufung zuzugeben, dass die Rechnung (K1) nichts darüber aussagt, wie die beiden Pakete jeweils bestückt waren. Mit K3, dem sogenannten "Manifest", das vom Abholer auf die Anzahl der angegebenen Pakete hin überprüft wird, ist jedenfalls von 2 übergebenen Paketen auszugehen, was auch unstreitig ist. Ebenfalls unstreitig ist, dass nur ein Paket angekommen ist, was auch die Zeugenvernehmung ergeben hat. In erster Instanz war jedoch unter den Parteien nicht streitig, ob ein Lieferschein existiert hat. Vielmehr hat der Vertreter der Beklagten, Herr , in der ersten mündlichen Verhandlung bestätigt, dass der Beklagten mit der Schadensmeldung der Inhalt des Pakets unter Vorlegung von Rechnung und Lieferschein mitgeteilt worden sei. Problematisiert wurde lediglich, dass der Lieferschein den Gesamtinhalt beider Pakete auflistete. Auf dieser Grundlage ist nicht zu beanstanden, dass das Landgericht mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (TranspR 03, 156, 159) von einem Anscheinsbeweis ausging. Demgegenüber ist die in zweiter Instanz erstmals und ohne nähere Erläuterung erhobene Behauptung, ein Lieferschein fehle vollkommen, unsubstantiiert und verspätet (§ 530 ZPO).

Darüber hinaus betrifft die Frage, welchen Inhalt und Wert das verlorengegangene Paket hatte, die haftungsausfüllende Kausalität, an deren Beweis die reduzierten Anforderungen des § 287 ZPO zu stellen sind (Zöller/Greger, 23. Aufl., § 287 ZPO Rn 3 m.w.N.). Es genügt, je nach Lage des Einzelfalls, eine höhere oder deutlich höhere Wahrscheinlichkeit für die Überzeugungsbildung (ständ. Rspr.: BGH NJW 92, 3298). Unter Beachtung des vom BGH (TranspR 03, 156, 159) aufgestellten Erfahrungssatzes, dass im gewerblichen Bereich eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür spreche, dass an den gewerblichen Kunden exakt die bestellten und dann berechneten Waren versandt wurden, sowie unter Zugrundelegung der Zeugenaussagen, besteht daher kein Zweifel an den gerichtlichen Feststellung.

Die Angriffe gegen die Zeugenaussagen sind unbegründet. Sie waren zum zeitlichen Zusammenhang zwischen Bestellung und Auslieferung aussagekräftig sowie zur Frage, ob und welche Differenz zwischen Bestellung und Rechnung aufgetreten war und sind im Zusammenhang mit dem Gesamtverlauf der Beförderung durchaus geeignet, die richterliche Überzeugung über die verlorengegangenen Waren zu bilden.

b) Hinsichtlich der Höhe des Schadens gilt § 429 Abs. 3 Satz 2 HGB.

c) Die Haftungshöchstgrenzen der Nr. 9 der Beförderungsbedingungen kommen schon deshalb nicht zum Zuge, weil die Fälle des qualifizierten Verschuldens per se ausgenommen sind. Im übrigen ist die Einbeziehung der Beförderungsbedingungen nicht nachgewiesen.

4.

Dem erstinstanzlichen Urteil ist auch darin zu folgen, dass die Beklagte mit ihrem Mitverschuldenseinwand nicht durchdringen kann.

a) Zwar spricht weder eine Regelung in Beförderungsbedingungen über die Haftungsbegrenzung bei fehlender Wertdeklaration (im vorliegenden Fall: Nr. 9 der Beförderungsbedingungen), noch eine Ausnahme von der Haftungsbegrenzung bei grobem Verschulden gegen die Feststellung eines Mitverschuldens des Versenders (BGH TranspR 2002, 452, 456; Urteil vom 05.06.2003, Az: I ZR 234/00). Ebensowenig wird ein Mitverschuldenseinwand dadurch abgeschnitten, dass eine fehlende Wertangabe des Versenders nicht kausal werden konnte (BGH Urteil vom 08.05.2003, Az.: I ZR 234/02).

Der BGH hat darauf abgestellt, dass ein Versender in einen nach § 254 Abs. 1 BGB beachtlichen Selbstwiderspruch gerate, wenn er trotz Kenntnis, dass der Spediteur die Sendung bei zutreffender Wertangabe mit größerer Sorgfalt behandele, von einer solchen Wertdeklaration absehe und dennoch vollen Schadensersatz verlange.

Im Unterschied zu der genannten Entscheidung und auch der Entscheidung des OLG Bamberg (v. 29.07.2003, Az.: 5 U 119/03) ist im vorliegenden Fall nicht ersichtlich, dass die Versicherungsnehmerin davon Kenntnis hatte, dass der Spediteur die Sendung im Falle einer Wertangabe mit größerer Sorgfalt behandeln werde.

Auch die mit der Berufung vorgelegte Anlage B 4, aus der sich der Beförderungsvorgang bei einer Wertsendung ergibt, hilft hierzu nicht weiter, da sie nichts zur Kenntnis der Versenderin aussagt.

b) Auch unter dem Gesichtspunkt des § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB ist ein Mitverschulden der Versenderin nicht begründet. Die entsprechenden tatsächlichen Feststellungen des landgerichtlichen Urteils, wonach die Beklagte aufgrund der Geschäftsbeziehung zur Versenderin und der Vielzahl der täglich zu befördernden Sendungen gewusst hat oder hätte wissen müssen, dass in der Regel höherwertige Computerbauteile zu befördern seien, sind nicht angegriffen.

Die Einwände der Beklagten hierzu betreffen nur die Frage der von der Versenderin zu wählenden Beförderungsart, nicht aber ob die Versenderin nach einer solchen Wahl eine Schadensminderungspflicht trifft.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

5.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Entgegen den Anträgen der Parteien ist die Revision nicht zuzulassen. Der Rechtsstreit hat keine grundsätzliche Bedeutung und auch für die Fortbildung des Rechts ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erforderlich. Im Wesentlichen beruht die Entscheidung auf den tatsächlichen Feststellungen zu den Umständen der Sendung.

Ende der Entscheidung

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