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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 18.12.2002
Aktenzeichen: 3 U 172/02
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 249
Repariert der Geschädigte nach einem Verkehrsunfall sein Fahrzeug nicht in allen wesentlichen Punkten fachgerecht, steht ihm der sogenannte Integritätszuschlag nicht zu.
Oberlandesgericht Stuttgart - 3. Zivilsenat - Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 3 U 172/02

Verkündet am: 18. Dezember 2002

In Sachen

wegen Schadensersatzes aus Verkehrsunfall

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart auf die mündliche Verhandlung vom 4.12.2002 unter Mitwirkung

des Vors. Richters am Oberlandesgericht Richter, des Richters am Oberlandesgericht Oechsner, des Richters am Oberlandesgericht Schabel

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Einzelrichters der 13. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 6.9.2002 (13 O 45/02) wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Berufungsstreitwert: 2.595,09 €

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin auf Basis der kalkulierten Reparaturkosten oder aber, wie die Beklagten meinen, nur auf Totalschadensbasis abrechnen darf.

Die Klägerin hat ihren PKW überwiegend in Eigenregie repariert. Einige unfallbeschädigte Teile, u.a. den Wasserkühler, das Lenkrad und die vorderen Sicherheitsgurte, hat sie nicht ausgetauscht.

Das Landgericht hat angenommen, das Fahrzeug sei nicht fachgerecht repariert worden. Deshalb komme eine Abrechnung auf der Grundlage der höheren Reparaturkosten nicht in Betracht.

Das OLG ist dem gefolgt.

Gründe:

I.

Ohne Tatbestand gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO.

II.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, jedoch nicht begründet.

1.

Der Klägerin steht gegen die Beklagten kein über den vom Landgericht zugesprochenen Betrag hinausgehender Anspruch auf Ersatz ihres materiellen Schadens gemäß den §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1 S. 2 StVG i.V.m. § 3 Nr. 1, 2 PflVG zu.

Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Klägerin wegen der nicht fachgerecht vorgenommenen Reparatur ihres beim Unfall beschädigten Kraftfahrzeugs nicht auf Gutachtensbasis abrechnen kann.

In seinem rechtlichen Ausgangspunkt ist das Landgericht zutreffend davon ausgegangen, dass der Geschädigte, der nach einem Unfall sein Fahrzeug reparieren lässt, vom Schädiger den zur Instandsetzung erforderlichen Betrag verlangen kann, sofern die Reparaturkosten nicht mehr als 130 % des Wiederbeschaffungswertes des Fahrzeugs betragen (BGH NJW 1992, 302). Zwischen Eigen- und Fremdreparatur hat der Bundesgerichtshof in dieser Entscheidung nicht unterschieden. Er hat auch nicht zum Problemkreis der nur unvollständigen Instandsetzung Stellung genommen. Mit Urteil vom 17. März 1992 (NJW 1992, 1618) hat der Bundesgerichtshof klargestellt, dass Reparaturkosten, die über den Wiederbeschaffungswert hinausgehen, aber noch innerhalb des Toleranzbereiches von bis zu 130 % liegen, auch dann ersatzfähig sind, wenn der Geschädigte sein Fahrzeug in eigener Regie wieder in Stand gesetzt hat. Der Entscheidung kann jedoch nicht entnommen werden, dass der sog. Integritätszuschlag im Falle einer Eigenreparatur stets zu gewähren ist (so OLG Düsseldorf N2V 1995, 232).

In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte (vgl. etwa OLG Hamm r + s 1996, 100 f.; OLG Oldenburg DAR 2000, 359; OLG Düsseldorf NZV 1996, 279; OLG Schleswig VersR 1999, 202; OLG Karlsruhe MDR 2000, 697) ist der Senat der Auffassung, dass für eine Abrechnung auf Reparaturkostenbasis nicht jede Reparatur ausreichend ist. Eine nur provisorische oder laienhafte Instandsetzung genügt nicht. Sie muss fachgerecht sein. Welche Qualitätsanforderungen an die Reparatur in einem solchen Fall zu stellen sind, um eine schutzwürdige Wahrnehmung des Integritätsinteresses bejahen zu können, wird in der Rechtsprechung, der Oberlandesgerichte nicht einheitlich beurteilt. Nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf (NZV 1995, 232 f.) soll eine fachgerechte Wiederherstellung nur vorliegen, wenn ausschließlich Original-Ersatzteile verwendet werden. Das Oberlandesgericht Karlsruhe (MDR 2000, 697) hält demgegenüber für maßgeblich, ob durch die Reparatur das Fahrzeug in einen zumindest annähernd gleichen Zustand versetzt wird. Das Oberlandesgericht Oldenburg (DAR 2000, 359) stellt darauf ab, ob der Geschädigte durch sein Handeln sein Interesse an dem Erhalt seines Fahrzeugs nachgewiesen hat, was er durch eine Reparatur tue, die das beschädigte Fahrzeug in allen wesentlichen Punkten in Stand setzt. Es kommt danach wesentlich darauf an, ob der vor der Beschädigung bestehende Zustand sich auch durch den Einbau von (Neu- oder gebrauchten Ersatz-)Teilen erreichen lässt, die den beschädigten Fahrzeugteilen gleichwertig sind, ohne dass deswegen von einer Teilreparatur oder einer Billigreparatur gesprochen werden kann. Entscheidend ist nach Auffassung des Oberlandesgerichts Oldenburg somit, ob das Fahrzeug in allen wesentlichen Punkten in Stand gesetzt worden ist, es also keine nennenswerten Beanstandungen hinsichtlich des Reparaturergebnisses gibt. Der Senat sieht im Streitfall keinen Anlass, abschließend dazu Stellung zu nehmen, welcher der genannten Auffassungen zu folgen ist, da sie vorliegend alle zu dem gleichen Ergebnis führen.

Ausweislich des Tatbestandes des landgerichtlichen Urteils, der im Berufungsverfahren zu Grunde zu legen ist, wurden durch eine Fachwerkstatt nur die Airbags ausgetauscht und dort auch zwei Schlossgurte gekauft. Im Übrigen reparierte die Klägerin das Fahrzeug in Eigenregie. Zum Nachweis ihrer Werkstattkosten hat die Klägerin die Rechnung der Schwabengarage vom 19.12.2001 (Bl. 45 d.A.) vorgelegt.

Nach Auffassung des Senats kommt es entscheidend darauf an, ob keine nennenswerten Beanstandungen hinsichtlich des Reparaturergebnisses vorliegen. Zwar handelt es sich hier um keinen typischen Fall einer Billigreparatur. Trotzdem steht für den Senat auf der Grundlage der Ausführungen des Sachverständigen S in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 26.7.2002 (Bl. 62/63 d.A.) fest, dass die durchgeführten Reparaturarbeiten in ihrer Gesamtheit nicht mehr als fachgerecht angesehen werden können.

Der Sachverständige hat angegeben, dass das Fahrzeug im Frontbereich vollständig repariert sei; es sei nur so, dass die durchgeführte Reparatur nicht in letzter Konsequenz fachgerecht durchgeführt worden sei. Man erkenne an der Lackierung, dass das Fahrzeug nachlackiert worden sei; es gebe Stellen, an denen die Dichtmasse sehr ungleichmäßig aufgetragen sei, sodass man daran erkenne, dass ein Unfallschaden repariert worden sei. Es sei auch so, dass z.B. der Wasserkühler nicht ausgewechselt worden sei, auch das Kennzeichen sei nicht ausgewechselt worden. Diese Teile seien im Gutachten dringestanden, seien aber beschädigt noch zu verwenden gewesen.

Die Klägerin hat auf diese Ausführungen des Sachverständigen bei ihrer Schadensberechnung im Berufungsverfahren dadurch reagiert, dass sie die Ersatzteilkosten für die Positionen Lenkrad, Kühler und Sicherheitsgurte von den Reparaturkosten laut Gutachten in Abzug gebracht hat. Zum Lenkrad und zum Wasserkühler hat die Klägerin vorgetragen, dass diese Teile noch voll funktionsfähig gewesen seien. Damit wird nicht in Frage gestellt, dass die Teile entsprechend dem Privatgutachten S vom 28.11.2001 in irgendeiner Weise beschädigt worden sind.

Sicher wird man z.B. allein die Weiterverwendung des beschädigten Kennzeichens nicht für ausreichend ansehen können, um eine Billigreparatur zu bejahen. Vorliegend ist aber zu berücksichtigen, dass es nicht bei einem oder zwei nicht ersetzten Teilen geblieben ist. Nach den plausiblen Darlegungen des Sachverständigen ist davon auszugehen, dass die Lackierung erhebliche Mängel aufweist. Hinzu kommt, dass beschädigte Teile wie der Wasserkühler, das Lenkrad, das vordere Kennzeichen und zwei Sicherheitsgurte, nicht ausgewechselt wurden. Nimmt man all dies zusammen, ist nach Auffassung des Senats vorliegend das Reparaturergebnis zu beanstanden, auch wenn es eine Frage des Einzelfalls ist, ob und ggf. welche Reparaturdefizite der Gewährung des Integritätszuschlags entgegenstehen (vgl. OLG Düsseldorf NZV 1995, 232 f.). Die Klägerin hat im Streitfall keine Umstände vorgetragen, die geeignet wären, ihr Integritätsinteresse trotz der vom Sachverständigen S festgestellten Reparaturmängel für schutzwürdig zu erachten. Zwar hat sie ihr Integritätsinteresse insoweit dokumentiert, als sie ihr Fahrzeug nach dem Unfall tatsächlich weiterbenutzt hat. Auf der anderen Seite ist aber zu berücksichtigen, dass das Fahrzeug der Klägerin ein in großen Stückzahlen gebauter und entsprechend marktgängiger Typ ist. Für den im Dezember 1997 zugelassenen Ford Fiesta, der zum Unfallzeitpunkt einen Kilometerstand von ca. 61.000 km aufwies, hätte die Klägerin auf dem Gebrauchtwagenmarkt ohne weiteres einen gleichwertigen Ersatz finden können. Hinzu kommt, dass nähere Einzelheiten zur Eigenreparatur nicht mitgeteilt wurden. Die Klägerin hat auch nicht dargetan, ob etwa Original-Ersatzteile eingebaut wurden und mit welchem Aufwand dies geschehen ist. Nach Auffassung des Senats genügt die vorgenommene Reparatur nicht, um eine schutzwürdige Wahrnehmung des Integritätsinteresses bejahen zu können.

Dies hat zur Folge, dass die Klägerin nicht auf Gutachtensbasis abrechnen kann. Auszugehen ist vielmehr vom Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs, der zum Unfallzeitpunkt nach den nicht angegriffenen Ausführungen des Privatgutachters Spaun 12.500,00 DM betragen hat. Hiervon ist der ebenfalls von den Parteien nicht in Frage gestellte Restwert von 2.500,00 DM abzuziehen, woraus sich - wie das Landgericht zutreffend angenommen hat - ein zu ersetzender Sachschaden in Höhe von 10.000,00 DM ergibt.

2.

a) Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

b) Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

c) Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung; auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 ZPO). Die dargestellten geringfügigen Unterschiede in der Rechtsprechung der genannten Oberlandesgerichte bei der Beurteilung der Frage, unter welchen Voraussetzungen von einer fachgerechten Reparatur ausgegangen werden kann, können die Zulassung der Revision angesichts der fehlenden Entscheidungserheblichkeit im Streitfall nicht rechtfertigen.

Ende der Entscheidung

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