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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 26.06.2006
Aktenzeichen: 3 U 7/06
Rechtsgebiete: CMR


Vorschriften:

CMR Art. 29
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Stuttgart

3. Zivilsenat

Im Namen des Volkes

Urteil

Geschäftsnummer: 3 U 7/06

Verkündet am 26. Juli 2006

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart auf die mündliche Verhandlung vom 21. Juni 2006 unter Mitwirkung von

Vors. Richter am Oberlandesgericht Kober, Richter am Oberlandesgericht Dr. Ottmann, Richter am Oberlandesgericht Herrmann

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Rottweil vom 11. November 2005 - 5 O 40/04 KfH - wird

zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i. H. v. 110 % des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in selber Höhe leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Berufungsstreitwert: 64.425,33-- €.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Schadensersatz wegen Verlustes von Transportgütern.

Wegen des Sachverhalts wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils verwiesen.

Das Landgericht hat unter Anwendung der Vorschriften der CMR der Klägerin einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 2.339,92 € nebst Zinsen zugebilligt und im Übrigen die Klage abgewiesen.

Die Beklagte sei verpflichtet, den Teilverlust der Sendung mit der in Art. 23 Abs. 3 CMR festgelegten Haftungshöchstgrenze auszugleichen. Ein qualifiziertes Verschulden nach Art. 29 CMR liege nicht vor.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin.

Der Frachtführer dürfe nicht evident das Erfordernis zuverlässig ineinander greifender, verlässlich funktionierender Sicherungsvorkehrungen unbeachtet lassen und auf eine in sich geschlossene Sicherheitsplanung verzichten.

Das Landgericht sei zu Unrecht zu dem Ergebnis gekommen, ein leichtfertiges Verhalten im Sinne des Gesetzes liege nicht vor. Nach der Rechtsprechung des BGH habe der Frachtführer zunächst festzustellen, ob das Gut besonders diebstahlsgefährdet sei, darüber hinaus, welche konkreten Möglichkeiten einer gesicherten Fahrtunterbrechung gegeben seien, um vorgeschriebene Pausen einzuhalten.

Vor diesem Hintergrund habe sich das Landgericht überhaupt nicht mit dem Sachverhalt auseinander gesetzt. Weder habe es sich mit Art und Weise des Diebstahls auseinander gesetzt noch damit, ob dem Frachtführer die besondere Gefahrenlage habe bekannt sein müssen. Das Landgericht habe ausschließlich überprüft, ob die konkret durchgeführte Fahrt ordnungsgemäß durchgeführt worden sei oder nicht. Es habe keine ordnungsgemäße Transportplanung gegeben. Nicht beachtet worden sei, dass es für die Beklagte möglich gewesen sei, ihre Fahrer am ersten Tag länger fahren zu lassen, um so zu erreichen, dass diese am nächsten Tag den Parkplatz in Como noch hätten erreichen können. Weiterhin sei der Vortrag nicht beachtet worden, es gebe weitere bewachte Parkplätze in der Nähe.

Zur Planung des Transports habe der Zeuge E. lediglich angegeben, die Route G.- M.- C. sei vorgesehen gewesen. Weiterhin, wenn die Fahrer die Grenze nicht mehr erreichen, könnten sie den Parkplatz in D. benutzen. Der Zeuge habe nichts darüber ausgeführt, dass er untersucht habe, welche bewachten Parkplätze in der Nähe lägen.

Ein Spediteur dürfe die Lenkzeiten seiner Fahrer nicht so planen, dass diese gezwungen seien, zum einen weit über die zulässige Zeit hinaus zu fahren und zum anderen nicht die sichersten, sondern die nächsten Parkplätze auswählen zu müssen. Bereits aus der Tatsache, dass die Beklagte die Lenkzeiten ihrer Fahrer in der beschriebenen Art festgelegt habe, folge ein objektiver Pflichtenverstoß, nämlich ein leichtfertiges Verhalten, was mit Wahrscheinlichkeit zum Schaden führe.

Bei Einsatz von zwei Fahrern hätte die Beklagte durchfahren können. Zu einer Lenkzeitüberschreitung wäre es dann nicht gekommen.

Das Landgericht gehe zu Unrecht davon aus, dass ein geschlossener Kofferaufbau Diebstähle verhindere. Dasselbe gelte für das Anbringen eines Vorhängeschosses. Vortrag der Beklagten zu der Qualität ihrer Vorhängeschlösser fehle völlig. Ein Vorhängeschloss sei mittels eines Bolzenschneiders ohnehin leicht zu überwinden.

Das Nebeneinanderstehen zweier Lastzüge könne die Beklagte nicht entlasten. Beide Fahrer hätten nicht die Aufgabe gehabt, abwechselnd zu wachen.

Die Beklagte habe durch leichte Umwege die Anfahrt eines bewachten Parkplatzes sicherstellen können. Ebenso durch den Einsatz eines zweiten Fahrers.

Es entspreche nicht einer ordnungsgemäßen Transportplanung, nicht zu erheben, dass es in der Gegend von M. weitere bewachte Parkplätze gebe. Über diese Behauptung der Klägerin hätte Beweis erhoben werden müssen.

Es sei diebstahlsgefährdete Ware transportiert worden. Deshalb sei eine besondere Gefahrenlage zu beachten gewesen. Es sei gerichtsbekannt, dass es in Oberitalien immer wieder zu Diebstählen auf Parkplätzen komme.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Rottweil - 5 O 40/04 KfH - die Beklagte zur Zahlung weiterer 64.425,33 € nebst 5 % Zinsen seit 31.08.2003 zu verurteilen.

Hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Ein qualifiziertes Verschulden liege nicht vor. Das Landgericht habe berücksichtigt, dass im Hinblick auf den Wert und die leichte Absetzbarkeit der Ware mit einer erhöhten Diebstahlsgefahr beim Transport durch O. zu rechnen sei. Eine Transportplanung sei vorgenommen worden.

Konkreter Vortrag, dass die Beklagte am ersten Tag ihre Fahrer noch länger hätte fahren lassen können, liege nicht vor. Die Klägerin übersehe, dass die Fahrer der Beklagten auf dem Hinweg Zollformalitäten zu erledigen hätten. Wie lange solche dauerten, lasse sich nicht im Vorhinein abschätzen.

Eine schadenskausale Überschreitung der Lenk- und Ruhezeiten sei nicht gegeben.

Auf der Fahrtroute G. - C. - C. gebe es bewachte Parkplätze in der Gegend von M. nicht.

Es müsse auf der Hand liegen, dass ein mit Vorhängeschloss gesicherter Kofferaufbau einen höheren Diebstahlschutz biete als ein Planenauflieger, jedoch nicht wie ein gepanzerter Werttransporter.

Unter Würdigung der Gesamtumstände liege ein qualifiziertes Verschulden nicht vor.

Das Unterlassen der Bereitstellung eines zweiten Fahrers begründe den Vorwurf eines qualifizierten Verschuldens nicht.

Wegen der Einzelheiten wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Der Beklagten kann ein qualifiziertes Verschulden i. S. d. Artikels 29 CMR nicht vorgeworfen werden.

Grobe Fahrlässigkeit liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes dann vor, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt worden und unbeachtet geblieben ist, was im gegebenen Fall jedem einleuchten musste ( BGH, WM 1998, 174 ff. ).

Welche Sicherheitsvorkehrungen der Transportunternehmer zur Erfüllung seiner vertraglichen Verpflichtung, das ihm anvertraute Transportgut während der Beförderung vor Diebstahl oder Raub zu bewahren, ergreifen muss, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Es kommt entscheidend darauf an, ob die getroffenen Maßnahmen den aktuell erforderlichen Sorgfaltsanforderungen genügen. Je größer die mit der Güterbeförderung verbundenen Risiken sind, desto höhere Anforderungen sind an die zu treffenden Sicherheitsmaßnahmen zu stellen.

Der Senat verkennt nicht, dass

- es sich bei dem gestohlenen Gut um Ware handelte, die leicht verwertbar ist,

- die Fahrt mit dem zu transportierenden Gut durch ein Gebiet führte, in dem häufig Lkw-Diebstähle vorkommen,

- Lkw-Transporte in Oberitalien erheblichen Diebstahlsgefahren ausgesetzt sind,

- in Oberitalien damit gerechnet werden muss, dass spezialisierte Berufsverbrecher das Fahrzeug verfolgen und beobachten, um eine günstige Diebstahlsgelegenheit abzuwarten (OLG München, Transportrecht 1998, 356).

Andererseits kann ein Transport nicht so organisiert und durchgeführt werden, dass ein Verlust des Transportguts unter allen Umständen ausgeschlossen ist.

Nach den Tatsachenfeststellungen des Landgerichts, an deren Vollständigkeit und Richtigkeit der Senat nicht zweifelt, gab es an der Fahrtroute G.- M.- C.keinen bewachten Parkplatz, sondern lediglich bei C. einen gebührenpflichtigen, nicht bewachten Parkplatz. Bei dem benutzten Parkplatz der Rastanlage D. handelte es sich um einen auch nachts stark frequentierten, beleuchteten Parkplatz mit Tankstelle und Gaststätte. Zu Recht führt das Landgericht aus, dass durch das Abstellen des Lkws auf dem Rastplatz Dorno die Gefahr eines Diebstahls nicht gänzlich ausgeschlossen werden konnte. Dennoch spricht für die Beklagte, dass die Ware in einem geschlossenen Koffer transportiert wurde, welcher mit einem Vorhängeschloss gesichert war. Des Weiteren hatte die Beklagte zwei Lastzüge eingesetzt, die in unmittelbarer Nähe zum Eingang der Gaststätte abgestellt wurden und beide Fahrer übernachteten in der Fahrerkabine ihres Fahrzeugs. Nach dem nicht widersprochenen Vortrag des Disponenten der Beklagten ist der Rastplatz Dorno als sicher einzustufen und wird vom Spediteursverband empfohlen. Vor diesem Hintergrund liegt nach deutschem Recht eine grobe Fahrlässigkeit als ein dem Vorsatz gleichstehendes Verschulden i. S. d. Art. 29 CMR nicht vor.

Der Beklagten kann auch ein grobes Organisationsverschulden durch Nichteinsatz eines zweiten Fahrers nicht vorgeworfen werden. Wie bereits oben ausgeführt, hatte die Beklagte zwei im Konvoi fahrende Lastzüge eingesetzt, die in unmittelbarer Nähe zum Eingang der Gaststätte abgestellt wurden. Der Transport wurde in einem geschlossen Kofferaufbau mit der Sicherung durch ein Vorhängeschloss durchgeführt. Die Beklagte hatte für den Fall der drohenden Lenkzeitüberschreitung einen Rastplatz ausgewählt, der wegen Mangels an bewachten Parkplätzen nach ihrem Dafürhalten die höchstmögliche Sicherheit gewährleiste, die bei einem Transport durch einen einzelnen Fahrer zu erreichen war. Auch die Tatsache, dass die Beklagte die Abfertigungszeiten beim Zoll, insbesondere im Hafen von Genua, nicht beeinflussen konnte, führte nicht zur Notwendigkeit des Einsatzes eines zweiten Fahrers. Die Beklagte hatte ihre Fahrer angewiesen, im Falle der drohenden Lenkzeitüberschreitung den auch nachts stark frequentierten, beleuchteten Parkplatz mit Tankstelle und Gaststätte in D. anzusteuern. Somit handelte die Beklagte nicht im Bewusstsein, dass ein Verlust eines Teils des Transportguts von vornherein wahrscheinlich war. Grobe Fahrlässigkeit wegen Nichteinsatzes eines zweiten Fahrers liegt nicht vor.

III.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen. Der Rechtsstreit hat keine grundsätzliche Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gebieten eine Revisionszulassung nicht.



Ende der Entscheidung

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