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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 26.11.2008
Aktenzeichen: 4 U 109/08
Rechtsgebiete: ZPO, EGZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 313 a Abs. 1 S. 1
ZPO § 540 Abs. 2
EGZPO § 26 Nr. 8
BGB § 823 Abs. 1
BGB § 1004 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 29. Mai 2008 - 17 O 287/07 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Streitwert des Berufungsverfahrens: bis 6.000,-- EUR.

Gründe:

Von der Darstellung des Tatbestands wird nach §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen. I.

Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg.

1. Das vom Kläger beanstandete Suchmaschinenergebnis lautet wie folgt:

"[PDF] stoned again

Dateiformat: PDF/Adobe Acrobat - HTML-Version

Dr. H. Z. war beruflich Flugzeugpilot, dann Richter... und heute widmet er sich ganz dem Bereich der Spiritualität, Heilen-_www.aidshilfe-s.de/pdf/rainbow/AHS_R8_Nr.48_Teil2.pdf - Ähnliche Seiten "

2. Zutreffend hat das Landgericht festgestellt, dass es im konkreten Fall an der Verbreitung einer persönlichkeitsrechtsverletzenden Aussage fehlt, so dass offen bleiben kann, ob die Beklagte (auch dann) als Störerin anzusehen ist, wenn sie, wie vorliegend, erst zu einem Zeitpunkt auf ein angeblich ehrverletzendes Suchergebnis hingewiesen wird, zu dem dieses bei Nutzung der von ihr betriebenen Suchmaschine nicht mehr entstehen konnte.

3. Es kann vorliegend weiter offen bleiben, ob der Text einer Suchmaschinenfundstelle eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts eines (dort genannten) Dritten darstellen kann (so auch Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Urteil vom 20.02.2007, Az. 7 U 126/06; OLG Nürnberg, Beschluss v. 22.06.2008, Az. 3 W 1128/08).

4. Der vom Kläger konkret beanstandete Text des Suchmaschinenergebnisses stellt keine derartige Rechtsverletzung dar, so dass die Beklagte weder als Äußernde oder Verbreiterin noch als Störerin auf Unterlassung nach den §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 analog BGB i. V. m. Art. 1 GG haftet.

a) Der durchschnittliche Nutzer einer Suchmaschine, wie der von der Beklagten betriebenen, weiß, dass die Suchergebnisse nicht auf der intellektuellen Leistung von Menschen beruhen, sondern aufgrund eines automatisierten Vorgangs zustande kommen. Auch weiß er, dass eine Suchmaschine die gefundene Seite ohne menschliche Einwirkung nach darin vorkommenden Begriffen erfasst, registriert und bei Aufruf darin vorhandener Begriffe deren Internetadresse zusammen mit einzelnen Textteilen anzeigt (Hanseatisches Oberlandesgericht, a.a.O., Tz. 10, Juris). Mit dem Suchergebnis verbindet sich für den Nutzer jedenfalls dann keine inhaltliche Aussage, wenn darin nicht ganze Sätze der gefundenen Seite, sondern lediglich einzelne Worte als "Schnipsel" ("Snippets") aufgeführt werden (Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, a.a.O.).

b) Diese einzelnen Worte oder Satzteile sind für den Nutzer auch dahingehend erkennbar, dass sie nicht im Zusammenhang mit den weiteren "Schnipseln" als ein sinnhaftes Ganzes erscheinen, sondern als Aneinanderreihung von "automatisch" gefundenen "Schnipseln". Dies ergibt sich daraus, dass zwischen der ersten Zeile ([pdf] stoned again) und der dritten Zeile (Dr. H. Z....) eine Zeile (Dateiformat....) steht, die für den durchschnittlichen Nutzer erkennbar keinen Informationsgehalt bzgl. des Klägers hat. Auch die letzte Zeile (www.aidshilfe.....) enthält keine Information über den Kläger direkt, sondern allenfalls einen Hinweis für den Nutzer, dass er unter dieser Internetadresse näheres erfahren könnte.

Eine Aussage enthält nur der Satz "Dr. H. Z. war beruflich Flugzeugpilot, dann Richter ...". Keine Aussage enthält jedoch die Überschrift "stoned again" im Zusammenhang mit dem eben genannten Satz. Für den Nutzer bleibt offen, ob es insoweit überhaupt einen Bezug gibt und wenn ja, welchen.

5. Auch wenn eine von mehreren Deutungsmöglichkeiten (sofern -wie nicht- eine Deutung als eröffnet betrachtet wird) geeignet wäre, das Persönlichkeitsrecht des Klägers zu verletzen, hätte dies nicht den geltend gemachten Unterlassungsanspruch zur Folge.

a) Bei unterstellter Verletzungshandlung und unterstelltem Verletzungserfolg fehlte es jedenfalls an der Widerrechtlichkeit. Bei der vorliegend (möglicherweise) tangierten Privat- und/oder Sozialsphäre des Klägers ist im Rahmen der Prüfung der Widerrechtlichkeit eine Güter- und Interessenabwägung vorzunehmen. Hierbei sind auf Seiten des Verletzten insbesondere die Schwere des Eingriffs und seine Folgen zu berücksichtigen, während auf der Seite des "Schädigers" sein Motiv und der Zweck des Eingriffs zu beachten sind (BGH NJW 2005, 2766, 2770; BGH NJW 2005, 592; BGH 36, 77, 82; BGH NJW 1978, 1797).

b) Eine Abwägung der Schwere des (unterstellten) Eingriffs und seiner Folgen auf Seiten des Klägers ergibt, dass es sich um einen leichten Eingriff handelt, der nur stattfindet, wenn eine von mehreren Deutungsmöglichkeiten zu seinen "Ungunsten" zur Anwendung gelangt; Folgen des Eingriffs sind nicht bekannt und auch kaum vorstellbar.

Auf Seiten der Beklagten ist zu sehen, dass der (unterstellte) Eingriff das Ergebnis eines ausschließlich technischen, automatisierten Vorgangs ist, so dass es an jeglichem Motiv, Zweck oder auch Nutzen fehlt. Andererseits ist unter dem Prüfungspunkt des "Zwecks" zu sehen, dass der Betrieb einer Suchmaschine anders als ausschließlich automatisiert nicht denkbar ist und der Einsatz von Suchmaschinen an sich für eine sinnvolle Nutzung des Internet unabdingbar ist (Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, a.a.O., Tz. 13, Juris; BGH NJW 2003, 3406 ff.).

c) Im Ergebnis führt diese Abwägung dazu, dass es bei allenfalls geringfügigem Eingriff und keinen oder kaum vorhandenen Folgen einerseits und dem vollständigen Fehlen von belastenden Kriterien beim sozialadäquaten Betreib einer für eine die Allgemeinheit nützlichen (Such-)Maschine an der Widerrechtlichkeit fehlt.

6. Da es schon am Tatbestand, zumindest aber an der Rechtswidrigkeit einer Persönlichkeitsrechtsverletzung mangelt, scheitert nicht nur eine Haftung der Beklagten als Äußernde oder Verbreiterin einer derartigen Aussage, sondern auch ein Anspruch gegen die Beklagte als Störerin. Denn die Störerhaftung nach den §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 analog setzt zwar kein Verschulden, jedoch einen rechtswidrigen Zustand voraus (BGH NJW-RR 03, 953; hieran fehlt es, wie soeben dargelegt).

7. Es kann damit offen bleiben, ob im Falle einer rechtswidrigen Persönlichkeitsrechtsverletzung in der Form eines Suchergebnisses einer Internetsuchmaschine eine Pflicht zur Beseitigung oder, darüber hinaus, eine Verpflichtung zur Ergreifung von Vorsorgemaßnahmen besteht, mit dem Ziel, derartige Verletzungen für die Zukunft zu vermeiden.

Da es an einer Persönlichkeitsrechtsverletzung fehlt, bedarf es auch keiner Entscheidung drüber, ob eine Verpflichtung der Beklagten bestand, ihre Nutzer im Allgemeinen darauf hinzuweisen, dass Suchmaschinenergebnisse möglicherweise persönlichkeitsrechtsverletzenden Inhalt haben könnten.

II.

Die Berufung ist aufgrund dessen mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO liegen nicht vor.

Die Entscheidung beruht, in Übereinstimmung mit den genannten Entscheidungen des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg und des Oberlandesgerichts Nürnberg (anderslautende obergerichtliche Entscheidungen sind nicht bekannt), nicht darauf, dass die Möglichkeit einer Persönlichkeitsrechtsverletzung durch den Inhalt des Ergebnisses einer Suchmaschinensuche im Internet abgelehnt würde, sondern auf der Prüfung (und Ablehnung) des Vorliegens einer Persönlichkeitsrechtsverletzung im konkreten Einzelfall.

Ende der Entscheidung

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