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Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 03.07.2000
Aktenzeichen: 4 VAs 15/2000
Rechtsgebiete: StPO, RiStBV


Vorschriften:

StPO § 147
RiStBV Nr. 183
RiStBV Nr. 185 Abs. 4
1. Lehnt der Vorsitzende der Strafvollstreckungskammer in einem bei ihm laufenden Bewährungsverfahren es ab, einem Dritten die aktuelle Anschrift des Verurteilten zu benennen, ist dagegen nicht der Rechtsweg nach §§ 23 ff. EGGVG eröffnet, sondern die Beschwerde statthaft.

2. Zu den Voraussetzungen, unter denen während einer laufenden Bewährung an Dritte Auskunft aus dem Bewährungsheft erteilt werden darf.


Geschäftsnummer: 4 VAs 15/2000 BewL. Nr. 113/99 LG Heilbronn 26 StA-Ws 380/00 GStA Stuttgart

Oberlandesgericht Stuttgart - 4. Strafsenat -

Beschluss

vom 03. Juli 2000

in der Beschwerdesache des

wegen Auskunft aus einem Bewährungsheft.

Tenor:

1. Die Beschwerde gegen den Bescheid des Landgerichts Heilbronn vom 17. Mai 2000, mit welchem dem Beschwerdeführer die Auskunftserteilung aus einem beim Landgericht Heilbronn geführten Bewährungsheft verweigert wurde, wird als unbegründet verworfen.

2. Der Beschwerdeführer trägt die Kosten seines Rechtsmittels.

Gründe:

1. K. M. begehrt die Auskunft über die aktuelle Wohnanschrift des M. S. aus einem Bewährungsheft, das in einer den M. S. betreffenden Strafsache derzeit bei der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Heilbronn geführt wird. Zur Begründung bringt er vor, er benötige die Wohnanschrift des M. S., um gegen diesen zivilrechtliche Ansprüche aus einer vereinsrechtlichen Angelegenheit geltend machen und gegebenenfalls strafrechtliche Schritte einleiten zu können. Hintergrund dieses Anliegens ist nach seinem Vorbringen, dass ein im Vereinsregister des Amtsgerichts Charlottenburg eingetragen gewesener Verein namens "M. Genealogie e.V.", dessen Vermögen nach der Satzung auf ihn bzw. seinen Rechtsnachfolger entfallen sollte, im Oktober 1998 aufgrund einer Mitteilung des M. S. gelöscht und liquidiert worden sei. K. M. ist der Auffassung, S. habe ihm über seine Tätigkeit als Liquidator des Vereins und über den Verbleib des Vereinsvermögens Rechenschaft abzulegen. M. S. weigere sich jedoch, ihm seine Anschrift preiszugeben. Zur Verfolgung seiner Rechte sei er daher auf die Mitteilung der Anschrift aus dem Bewährungsheft angewiesen. M. S. hat seine Zustimmung zur beantragten Auskunftserteilung aus dem Bewährungsheft ausdrücklich verweigert.

Der Vorsitzende der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Heilbronn lehnte das Auskunftsersuchen mit Schreiben vom 17. Mai 2000 ab. Hiergegen wendet sich der Antragsteller nunmehr mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 23 ff. EGGVG.

2. Das Rechtsmittel ist als einfache Beschwerde zulässig. Der Rechtsweg nach § 23 ff. EGGVG ist hier nicht eröffnet. Vielmehr war die Ablehnung des Auskunftsersuchens aus den Akten vorliegend eine richterliche Entscheidung des Vorsitzenden der Strafvollstreckungskammer und keine Entscheidung der Justizverwaltungsbehörde. Die Bewährungssache gegen M. S. ist nämlich noch nicht erledigt. Die Akten sind deshalb noch nicht weggelegt. Nur bei Akteneinsichts- oder Auskunftsersuchen in bzw. aus weggelegten Akten entscheidet die Justizverwaltungsbehörde. Ausschließlich gegen deren Entscheidungen ist der Rechtsweg nach § 23 ff. EGGVG eröffnet (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Auflage, § 147 Rdnrn. 41 und 42).

Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet.

Über das Begehren eines Dritten auf Gewährung einer Auskunft aus den Akten eines Strafverfahrens, vorliegend aus einem Bewährungsheft, ist gemäß Nr. 185 Abs. 4 der Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) zu entscheiden. Die Voraussetzungen, wonach nach dieser Vorschrift ausnahmsweise an verfahrensunbeteiligte Privatpersonen Auskünfte aus Akten eines Strafverfahrens erteilt werden können, liegen hier nicht vor. Der Beschwerdeführer hat schon kein berechtigtes Interesse an der Auskunftserteilung aus dem Bewährungsheft dargelegt. Die Ermessensentscheidung des Vorsitzenden der Strafvollstreckungskammer ist daher nicht zu beanstanden.

Bei der Einsicht eines Dritten in Strafakten bzw. bei einer Auskunftserteilung an diesen wird der von der Strafsache Betroffene in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 GG, nämlich in seinem Recht auf informelle Selbstbestimmung verletzt. Es sind deshalb strenge Anforderungen an die Bewilligung einer solchen Aktenauskunft zu stellen. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist streng anzuwenden und die beteiligten Interessen sind strikt abzuwägen. Akteneinsicht bzw. Auskunft aus Strafakten an Dritte kann daher nur in Ausnahmefällen erteilt werden (vgl. OLG Koblenz NJW 1986, 3093; OLG Hamm NJW-RR 1997,1489 jeweils mit weiteren Nachweisen).

Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Die Gewährung oder Versagung der begehrten Auskunft über die aktuelle Wohnanschrift des M. S. berührt ausschließlich private Interessen des Beschwerdeführers. Darüber hinausgehende staatliche oder sonstige Gemeinwohlinteressen sind nicht betroffen. K. M. verfolgt nur den Zweck, durch die Auskunft aus dem Bewährungsheft einen Zivilprozess gegen M. S. vorzubereiten. Mit dem der Bewährungsüberwachung zugrundeliegenden Strafverfahren gegen M. S. hat sein Anliegen nicht das geringste zu tun. Es kann jedoch nicht Aufgabe der Staatsanwaltschaft oder des aktenführenden Gerichts sein, von Fall zu Fall vor der Entscheidung über die Gewährung von Akteneinsicht bzw. vor Erteilung einer Aktenauskunft die zivilrechtlichen Belange der beteiligten Seiten gegeneinander und gegen die jeweiligen Grundrechtsinteressen abzuwägen. Dies würde die aktenführende Stelle überfordern und sie mit Funktionen belasten, die ihr fremd sind. Es würde unter Umständen, wie hier, Ermittlungen notwendig machen, die mit dem eigentlichen Ermittlungs- bzw. Strafverfahren nichts zu tun haben und diesem nicht dienen. Es ist auch kein sachlicher Grund dafür ersichtlich, dass in einem rein zivilrechtlichen Streit eine Partei nur deshalb besser gestellt werden soll, weil die Staatsanwaltschaft oder das aktenführende Gericht dieser Auskünfte aus Strafakten erteilt (vgl. OLG Konstanz a.a.O.). Schon aus diesen Gründen ist die Entscheidung des Landgerichts Heilbronn in ermessensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden.

Durch die Entscheidung entstehen dem Beschwerdeführer auch keine unzumutbaren Nachteile. Er muss sich auf die Vorschriften des Meldegesetzes verweisen lassen, in welchem im einzelnen geregelt ist, wann Personen, die nicht Betroffene sind, Auskunft z.B. über die Anschrift eines bestimmten Einwohners erteilt werden kann. Dass dem Beschwerdeführer der Weg über ein Auskunftsersuchen an die für sein Anliegen zuständigen Meldebehörden nicht gangbar ist, ist weder vorgebracht noch ersichtlich.

Auch die Absicht, möglicherweise gegen M. S. Strafanzeige erstatten zu wollen, rechtfertigt die Erteilung der begehrten Auskunft nicht. Eine Anzeigeerstattung ist bei der zuständigen Behörde auch ohne Benennung einer ladungsfähigen Anschrift eines Beschuldigten möglich.

Ende der Entscheidung

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