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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 29.01.2001
Aktenzeichen: 4 Ws 15/01
Rechtsgebiete: StVollzG


Vorschriften:

StVollzG § 159
Die Hinzuziehung des Rechtsanwalts eines Gefangenen zu einer Vollzugsplankonferenz ist, jedenfalls in geeigneten Ausnahmefällen, zulässig.
Oberlandesgericht Stuttgart - 4. Strafsenat - Beschluss

Geschäftsnummer: 4 Ws 15/01 1 StVK 528/00 LG Ravensburg E 4514-7/00 JVA Ravensburg

vom 29. Januar 2001

in der Strafvollzugssache

wegen Zulassung eines Rechtsanwalts zur Vollzugsplankonferenz.

Tenor:

1. Die Rechtsbeschwerde des Gefangenen gegen den Beschluss des Landgerichts - Strafvollstreckungskammer - Ravensburg vom 22. November 2000 wird zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen und als unbegründet verworfen.

2. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird abgelehnt.

3. Der Antrag auf Gewährung von Akteneinsicht wird abgelehnt.

4. Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Verfahrens.

5. Der Geschäftswert wird auf 5.000,00 DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Beschwerdeführer, der an den ihn betreffenden Vollzugsplankonferenzen stets beteiligt war, beantragte am 24. Juli 2000 bei der Anstaltsleitung der Justizvollzugsanstalt ..., in der er sich in Strafhaft befindet, die Genehmigung der Teilnahme eines von ihm noch nicht näher bezeichneten Rechtsanwaltes an der nächsten, ihn betreffenden Vollzugsplankonferenz. Dieser Antrag wurde von der Justizvollzugsanstalt mit der Begründung, dass sich die Vollzugsplankonferenz ausschließlich aus Anstaltsbediensteten zusammensetze und externe Personen, wie beispielsweise Rechtsanwälte, nicht hinzugezogen würden, abgelehnt.

Der hiergegen gerichtete Antrag auf gerichtliche Entscheidung wurde mit Beschluss des Landgerichts Ravensburg - Strafvollstreckungskammer - vom 22. November 2000 als unbegründet zurückgewiesen.

Zur Begründung dieser ablehnenden Entscheidung wird unter anderem ausgeführt, dass die Vollzugsplankonferenz ein anstaltsinternes Leitungsorgan zur gemeinsamen Beratung sei und dass zur Teilnahme nur Personen aus dem Vollzug berechtigt seien (§ 159 StVollzG).

Es liege auch keine Selbstbindung der Vollzugsanstalt vor, da seit September 1999 generell Rechtsanwälte nicht mehr an Vollzugsplankonferenzen teilnehmen dürften und dies früher auch nur in Ausnahmefällen der Fall gewesen sei.

Hilfsweise wird weiter ausgeführt, dass ein solcher Ausnahmefall nicht vorliege, da die einzige, für den Antragsteller bei Vollzugsplankonferenzen interessante Frage - der Einstieg in Lockerungen - von der Vollzugsanstalt seit ca. einem Jahr intensiv mit dem Antragsteller erörtert werde und auch Gegenstand diverser Anträge und Gerichtsentscheidungen gewesen sei. Es sei nicht erkennbar, was ein Rechtsanwalt in einer Vollzugsplankonferenz zusätzlich ausführen könnte, da die diesbezüglichen Argumente mehrfach gegenüber der Vollzugsanstalt, der Strafvollstreckungskammer und dem Oberlandesgericht Stuttgart dargelegt worden seien.

In der hiergegen gerichteten Rechtsbeschwerde des Gefangenen werden die Sach- und die Verfahrensrüge in allgemeiner Form erhoben.

II.

Soweit die Verletzung formellen Rechts gerügt wird, ist die Rechtsbeschwerde unzulässig, da die den Mangel enthaltenden Tatsachen nicht angegeben werden (§ 118 Abs. 2 StVollzG).

Im übrigen sind die besonderen Zulassungsvoraussetzungen des § 116 Abs. 1 StVollzG erfüllt. Der vorliegende Einzelfall gibt nämlich Anlass, zur Frage des Teilnehmerkreises der in § 159 StVollzG angesprochenen Vollzugsplankonferenz Stellung zu nehmen, da insoweit, soweit ersichtlich, noch keine Rechtsprechungsentscheidung vorliegt. Außerdem gebietet die im angefochtenen Beschluss von der Strafvollstreckungskammer vorgenommene Auslegung des § 159 StVollzG die Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, um künftige, möglicherweise fehlerhafte Entscheidungen in ähnlich gelagerten Fällen zu vermeiden.

1. Wie bereits erwähnt gibt es zu der Frage, ob zu einer gemäß § 159 StVollzG einberufenen Vollzugsplankonferenz auch anstaltsfremde Personen zugelassen werden können, soweit ersichtlich, noch keine obergerichtliche Rechtsprechung. In § 159 StVollzG wird lediglich vorgegeben, dass derartige Konferenzen "mit an der Behandlung maßgeblich Beteiligten" durchgeführt werden. Wer zu diesem Personenkreis gehört, sagt das Gesetz nicht (Callies/Müller-Dietz, StVollzG, 8. Auflage, § 159 Rdnr. 2). Diese vage Beschreibung des Teilnehmerkreises (Schwind/Böhm, StVollzG, 3. Auflage, § 159 Rdnr. 3) spricht, allein vom Wortlaut aus betrachtet, jedenfalls nicht dagegen, auch anstaltsfremde Personen hinzuzuziehen, da beispielsweise auch Berater oder Betreuer, die außerhalb der Vollzugsanstalt tätig sind, zumindest in Einzelfällen an der Behandlung des Gefangenen maßgeblich beteiligt sein können.

Die systematische Stellung des § 159 StVollzG spricht dagegen eher dafür, dass nur anstaltsinterne Personen an derartigen Konferenzen zu beteiligen sind. Die Norm befindet sich nämlich im dritten Titel des vierten Abschnitts des Strafvollzugsgesetzes, der die Überschrift "Innerer Aufbau der Justizvollzugsanstalten" trägt und dieser beginnt mit einer Vorschrift über die Zusammenarbeit aller "im Vollzug Tätigen".

Die Gesetzesmaterialien (BT-Drucks: 7/918; 7/3998; 7/4378 und 7/4662) lassen bezüglich der zum Zeitpunkt des Gesetzerlasses noch als § 146 bezeichneten Vorschrift nicht erkennen, ob sich der Gesetzgeber eine Beschränkung des Personenkreises derartiger Konferenzen auf anstaltsinterne Personen vorgestellt hat oder ob auch externe Personen zugelassen werden können.

Entscheidende Bedeutung kommt daher nach Auffassung des Senates einer zweckgerichteten Auslegung des § 159 StVollzG zu. Die Vollzugsplankonferenz, die auch als Behandlungskonferenz bezeichnet wird (Schwind/Böhm, a.a.O., § 159 Rnrn. 4 und 5), dient einer umfassenden Sammlung von Informationen über den Gefangenen durch solche Personen, die genaue persönliche Kenntnisse von ihm haben, um diese für die Aufstellung des Vollzugsplanes und für die sich anschließenden Einzelentscheidungen verwerten zu können (vgl. Schwind/Böhm, a.a.O. § 159 Rdnr. 5 und Feest, AK-StVollzG, 4. Auflage, § 159 Rdnr. 4). Unter diesem Gesichtspunkt kann es daher - zumindest in besonders gelagerten Einzelfällen - durchaus sinnvoll sein, in der Vollzugsplankonferenz - etwa wenn der Gefangene dort persönlich gehört wird - auch dessen Rechtsanwalt zu hören, insbesondere wenn dieser ihn besonders gut kennt und sich bereits an der Vollzugsplanung beteiligt hat (Feest, a.a.O., § 7 Rdnr. 4) oder der Gefangene selbst nicht ausreichend in der Lage ist, im Rahmen der Vollzugsplanung seine Belange darzulegen und auch eine schriftliche Stellungnahme seines Rechtsanwalts nicht ausreichend erscheint.

Der Senat hält es daher für zulässig, jedenfalls in geeigneten Ausnahmefällen, den Rechtsanwalt eines Gefangenen zu einer derartigen Behandlungskonferenz hinzuzuziehen.

2. Ein generelles Teilnahmerecht des Rechtsanwalts eines Gefangenen an der Vollzugsplankonferenz, wie dies der Antragsteller erstrebt, sieht das Gesetz hingegen nicht vor. Ein solches ist nach Auffassung des Senats insbesondere nicht aus § 14 Abs. 4 LVwVfG Ba.-Wü. herzuleiten. Unmittelbar ist diese gesetzliche Regelung auf die Vollzugstätigkeit der Strafvollzugsbehörden nach § 2 Abs. 3 Nr. 1 LVwVfG ohnehin nicht anwendbar, (vgl. Kopp, VwVfG, 5. Auflage, § 2 Rdnr. 52 und Feest a.a.O., vor § 108 Rdnr. 7). Aber auch für eine analoge Anwendung der Vorschrift ist kein Raum und zwar selbst dann nicht, wenn der Gefangene an der Vollzugsplankonferenz teilnimmt und dort der Vollzugsplan, beziehungsweise dessen Fortschreibung mit ihm erörtert wird. Eine andere Auffassung vertritt allerdings Feest (a.a.O., § 7 Rdnr. 4), der bei jeder Anhörung des Gefangenen ein Anwesenheits- und Beteiligungsrecht seines Anwalts aus § 14 VwVfG ableitet. Dieser Meinung vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Vielmehr geht einer analogen Anwendung des § 14 Abs. 4 LVwVfG die speziellere gesetzliche Regelung des § 6 Abs. 3 StVollzG (hier i. V. m. § 7 Abs. 1 StVollzG) vor. Dort ist das Beteiligungsrecht des Gefangenen bei der Vollzugsplanung abschließend und umfassend festgelegt. Ein generelles Anwesenheitsrecht des Rechtsanwalts eines Gefangenen bei der Vollzugsplankonferenz sieht diese Vorschrift ebensowenig vor, wie ein Recht des Gefangenen selbst, an dieser Konferenz teilzunehmen, wenngleich dessen Anwesenheit häufig zweckmäßig sein wird (vgl. Schwind/Böhm a.a.O., § 7 Rdnr. 6 a.E.). Die Anstaltsleitung muss lediglich im Zusammenhang mit dem Erlass des Vollzugsplans, beziehungsweise mit dessen Fortschreibung diesen mit dem Gefangenen erörtern. Wann und auf welche Weise dies geschieht - etwa außerhalb oder in der Vollzugsplankonferenz - steht in ihrem Ermessen (vgl. Schwind/Böhm a.a.O., § 7 Rdnr. 6 a.E.). Eine anwaltliche Vertretung des Gefangenen im Rahmen seiner Vollzugsplanung ist hierdurch - insbesondere unter Berücksichtigung der unter Ziff. 1. dargelegten Rechtsauffassung - nicht ausgeschlossen oder ungebührlich beschnitten. Der Angeklagte kann sich außerdem im Vorfeld einer Vollzugsplankonferenz jederzeit durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen.

3. Es steht sonach im pflichtgemäßen Ermessen des Anstaltsleiters, mit welchem Teilnehmerkreis er derartige Konferenzen durchführt. Vorliegend ist der Anstaltsleiter zwar unter einschränkender Auslegung des Strafvollzugsgesetzes davon ausgegangen, dass anstaltsfremde Personen - entgegen der Rechtsauffassung des Senats (vgl. oben Ziff. 1.) - generell nicht an Vollzugsplankonferenzen beteiligt werden. Dennoch führt dies nicht zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses, da aus den oben zitierten, hilfsweise im angefochtenen Beschluss aufgeführten Gründen auszuschließen ist, dass vorliegend die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes des Gefangenen ausnahmsweise in Betracht kommt.

Bei dem gerichtsbekannt im Umgang mit Rechtsmitteln erfahrenen Gefangenen, der sich auch argumentativ hinreichend ausdrücken kann, sind, auch unter Berücksichtigung des Gewichts der im Vollzugsplan zu treffenden Entscheidungen (Einstieg in Lockerungen), jedenfalls derzeit keine Umstände ersichtlich, bei denen zu einer besseren Informationsgewinnung über ihn die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts in der Vollzugsplankonferenz erforderlich wäre, zumal er derzeit offenbar nicht über einen ihn vertretenden und mit seinen Belangen besonders vertrauten Bevollmächtigten verfügt, sondern diesen erst im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnet erhalten möchte.

Allem nach ist die Rechtsbeschwerde daher unbegründet.

III.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren ist mangels Erfolgsaussicht abzulehnen.

IV.

Auch der Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung von Akteneinsicht wird abgelehnt, da der Antragsteller nicht dargelegt hat, weshalb dies zur Wahrnehmung seiner rechtlichen Interessen erforderlich ist (§ 185 StVollzG). Die vorliegenden Akten enthalten neben den Schreiben des Beschwerdeführers und seiner Rechtsbeschwerde lediglich den angefochtenen Beschluss und die vorangegangenen Stellungnahmen der Justizvollzugsanstalt, die ihm zur Kenntnis gebracht wurden. Es ist daher nicht ersichtlich dass der Antragsteller ohne Akteneinsicht keine hinreichende Gelegenheit hätte, zu entscheidungserheblichen Tatsachen und Beweisergebnissen Stellung zu nehmen (Callies/Müller-Dietz, a.a.O., § 115 Rdnr. 5).

V.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 121 StVollzG.

Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf §§ 13, 48a GKG.

Ende der Entscheidung

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